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Punkt 8: Gold und Scheiße auf der Apothekentheke

12. September 2023

Ich war heute in der Apotheke und bin dabei auf etwas gestoßen, was ich ansonsten nie beachte: die, wie der Name schon sagt, urdeutsche Apothekenzeitschrift my life (17 / 1. September 2023 A). [Moment: ich mußte mich kurz übergeben – weiter:] Aufgefallen war mir der Artikel „Das Geheimnis der Entspannung. Reizen sie den Vagusnerven“.

Es geht um die Stimulierung des Vagusnerves, d.h. die Herstellung von orgonotischer Expansion. Das reicht vom Gurgeln (weil so der Nerv stimuliert wird), übers Grimassenschneiden, hin zu Augenbewegungen und den Hals streicheln. Leider wird das ganze mit der fragwürdigen „Polyvagaltheorie“ verknüpft, die zwischen einem neuen (Säugetier) und alten (Reptil) Vagus unterscheidet und den Gegensatz von Vagus (Expansion) und Sympathikus (Kontraktion) unnötig verkompliziert.

Wichtiger sind aber ohnehin zwei Tests, die im Heft angeboten werden:

Öffne den Mund und beobachte im Spiegel das Zäpfchen. Wenn man hintereinander kurz und laut „ah, ah, ah“ sagt, zieht sich dann der Gaumen links und rechts des Zäpfchens symetrisch hoch oder bloß einseitig? Nur im ersteren Fall arbeitet der Vagus einwandfrei.

Kann man die folgenden zehn Fragen mit „Ja“ beantworten?

  1. Beim Lächeln: bewegt sich auch die Augenpartie?
  2. Beim Reden: variiert die Stimme zwischen hoch und niedrig, laut und leise?
  3. Beim Blickkontakt: kann er gehalten werden und fühlt sich das angenehm an?
  4. Beim Schließen der Lider: bleiben die Augen ruhig?
  5. Sind die Augen selten trocken?
  6. Ist der Appetit gut?
  7. Mit dem Magen ist alles in Ordnung?
  8. „Ihre Organe machen geräuschlos im Hintergrund ihre Arbeit?“
  9. Herzschlag: ruhig und leicht?
  10. Bist du sexuell gut erregbar?

Hierzu lese man die entsprechenden Stellen am Ende von Reichs wissenschaftlicher Autobiographie Die Funktion des Orgasmus von 1942. Und zum folgenden, was Reich über „Atemübungen“ und Yoga in Äther, Gott und Teufel geschrieben hat.

In einer Rubrik dieser Ausgabe von my life dient die Fernsehjournalistin Nina Ruge dem Leser neben „positivem Denken“ (auf Deutsch Verdrängung) folgende Atemtechnik an, die das diametrale Gegenteil der Orgonomie ist, nämlich Yoga (Panzerung):

Atemtraining. Noch etwas hilft uns nachweislich, den Alterungsschalter Streß auf „Stop“ zu schalten: unser Atem. Wenn wir richtig atmen, übergeben wir das Steuer dem Ruhepol, dem Parasympathikus. Probieren Sie mal das „physiologische Seufzen“: durch die Nase sanft einatmen, bis in den Bauch, und noch ein bißchen tiefer. Kurz Atmen anhalten, und dann ausatmen, sehr langsam, durch den Mund. Wenn Sie das ein paarmal geübt haben, dann haben Sie Ihre Atemfrequenz halbiert. Von durchschnittlich zwölf Atemzügen pro Minute auf sechs. Diese verlangsamte Atmung senkt den Blutdruck, die Streßhormone und ihre unguten Folgen. Atmen Sie gaaaanz langsam den Streß weg, und bleiben Sie jung!

Tatsächlich ist das Geheimnis der Punkt 8 der obigen Aufstellung: „Ihre Organe machen geräuschlos im Hintergrund ihre Arbeit?“ Will sagen: funktioniert dein Organismus autonom und SPONTAN? Kannst du dich dem natürlichen, „automatischen“ Atemrhythmus vollkommen hingeben oder hältst du etwas, hältst du dich zurück? Lebst du in der Realität oder einer verkopften, infantilen Scheinwelt (von wegen „positives Denken“)? Bist du orgastisch potent?

Anmerkung: Hältst du dich zurück? Lebst du in Scheinwelten? Hallo! Schon mal was von Max Stirner und Bernd Laskas LSR-Projekt gehört? Bist du Eigner deiner selbst oder eingeschüchterter Sklave, der nicht mehr frei atmen kann und nur das im Kopf hat, was die Mächtigen hineingeschissen haben?!

Die Panzersegmente (Teil 2): Der Mund- und Halspanzer

6. November 2014

Mitte der 1930er Jahre schrieb Reich über die dauerhafte Verkrampfung von Mund-, Kinn- und Halspartien:

Das Kinn ist vorgeschoben und macht den Eindruck der Breite; der Hals unterhalb des Kinns „lebt nicht“. Die beiden seitlichen Halsmuskeln, die zum Brustbein laufen, treten als dicke Stränge hervor; der Mundboden ist angespannt; derartige Patienten leiden oft an Brechreiz. Ihre Stimme ist gewöhnlich leise, eintönig oder klingt „dünn“. (…) diese Haltung kann man an sich selbst erproben. Man stelle sich vor, daß man einen Weinimpuls zu unterdrücken hätte. Man wird dabei den Mundboden stark anspannen, die ganze Kopfpartie gerät in Dauerspannung, das Kinn wird vorgeschoben und der Mund schmal. Man wird vergebens versuchen, in diesem Zustand laut und klangvoll zu sprechen. (Die Funktion des Orgasmus, Fischer TB, S. 229f)

Eine tonlose, schlaffe oder hohe Stimme (…), eine sich überhastende, stoßartige, gepreßte Sprechweise, falscher Atemansatz (…), enthalten meist die wichtigsten Geheimnisse der krankhaften Verschiebungen und Bindungen vegetativer Energie. (…) die genitale Kontaktangst (kommt) nicht zum Vorschein, solange diese Symptome der Kopf- und Halspartien nicht aufgedeckt und zerstört sind. Im besonderen ist die genitale Angst in den meisten Fällen nach oben verschoben und in tonisierter Halsmuskulatur gebunden. (Charakteranalyse, KiWi, S. 454f)

Einer Studie der University at Albany zufolge haben Menschen mit attraktiven Stimmen ein aktiveres Sexualleben. 149 Frauen und Männer wurden gebeten, die Attraktivität einer Reihe aufgezeichneter Stimmen zu bewerten. Jene Stimmen, die ihnen am meisten zusagten, gehörten zu Leuten, die in einem früheren Lebensalter als andere sexuelle Erfahrungen gemacht hatten, mehr Sexualpartner hatten und mehr zur Untreue neigten. Es bestand auch ein direkter Zusammenhang zwischen der Attraktivität der Stimme und der des Körpers.

Mich persönlich hat immer fasziniert, wie sich die Persönlichkeit eines Menschen in seinem Schreibstil niederschlägt. Auch ohne die Handschrift zu kennen, auch unabhängig vom Gegenstand des Geschriebenen, kann man an wenigen Sätzen sehen, um wen es sich handelt – und das trotz des Korsetts der Grammatik.

Will sagen: welches Medium wir auch immer benutzen, wenn wir uns ausdrücken, entblößen wir uns dem geübten Blick bzw. dem geübten Ohr.

Aber zurück zur Stimme: Egal, ob es um die Mobilisierung des Mund-, Hals- oder Brustsegments geht: manchmal fühlt man sich in der Orgontherapie angesichts all der Aaaaahhhhs und Ohhhs an die Ausbildung eines Opernsängers erinnert…

Bei Stotterern muß man unter Umständen den Kiefer, die Lippen, die Zunge und den weichen Gaumen jeweils für sich allein bearbeiten, wobei für die Lippen puh, für Lippen und Kiefer wah, für die Zunge lah und für den weichen Gaumen kuh die geeigneten Laute sind. (E.F. Baker: Der Mensch in der Falle. München 1980, S. 101)

Konia hat darauf hingewiesen, daß, als der Mensch vor Äonen die Sprache entwickelte, dies nur über die Beherrschung der Atmung erfolgen konnte und daß hier vielleicht der Ursprung der Panzerung liegt. (Man denke auch an die innige Verbindung von Sprache und Denken und Reichs abschließendes Kapitel in Die kosmische Überlagerung.) Das führt mich zu einem Thema, das mich seit meiner Gymnasialzeit beschäftigt, als ich das mir persönlich widerliche Spanisch als Zweitfremdsprache lernen mußte: Was macht eine Sprache, eine „Muttersprache“, aus den Menschen? Auf welche Weise sind Spanier und Lateinamerikaner schon allein wegen der Sprache von den „Germanisch“ sprechenden Menschen (Deutsche, Engländer, Skandinavier, etc.) auf biophysische Weise unterschieden? Man denke nur mal daran, was das (wie ich finde) gräßliche Spanisch mit deinem Kiefer, deinem gesamten oralen Segment macht! Oder was macht das „abgehackte“ Deutsch mit meinem Brustsegment, im Vergleich zum melodischen Italienisch, das „kein Punkt und Komma kennt“?!

Oder folgendes Experiment: man bilde nacheinander die folgenden Laute:

h
q
r
x
k
g
sch
d
n
l
s
v
z
p

Man merkt, wie die Buchstaben vom tiefen Rachen, den Mund hinauf bis zu den Lippen gewandert sind. Nun sind diese Laute in den unterschiedlichen Sprachen vollkommen ungleichmäßig verteilt. Im Chinesischen fehlt das r, im Italienischen das h und das k kommt kaum vor, im Arabischen fehlt das o, etc.pp. Was macht das mit Menschen biophysisch und mental?!

Hier ein wissenschaftlicher Beweis für diese meine wahrhaftig bahnbrechende These:

[youtube:https://www.youtube.com/watch?v=CrYDkDFhz1c%5D

Reich, Hans Hass und andere haben sich auch gefragt, was das Medium mit uns macht. Sie fragten sich, inwiefern uns die „Maschinenzivilisation“ selbst zu Maschinen macht. Ich diskutiere das in Hans Hass und der energetische Funktionalismus. Heute ist die Frage, was unser Umgang mit Handy, SMS, Facebook, Twitter, Emails, etc. mit uns und unserem Verhältnis zu den Mitmenschen macht. Wir sind praktisch ständig erreichbar, ständig in Kommunikation, doch bezahlen wir das mit einer zunehmenden Distanz und „Entkörperlichung“.

Hier ein kleiner Schnappschuß der heutigen Jugend:

Auf der [Zug-] Fahrt von Dresden nach Prag schliefen irgendwo neben mir drei Schweizerinnen fast durchgehend mit Stöpseln im Ohr, offensichtlich schon seit Berlin. Eine wollte noch ihre Füße auf meinen Sitz legen, vom malerischen Elbsandsteingebirge sahen sie nichts, falls gerade eine wach war, glotzte sie nur auf ihr Handy, nie aus dem Fenster.

Was hat es beispielsweise für Auswirkungen auf die Sexualökonomie, wenn sich Menschen zunehmend über das Internet „kennenlernen“? Wie kann man mit den neuen Medien auf eine kontaktvolle und bioenergetisch gewinnbringende Art und Weise umgehen?