
Antwort auf David Boadellas „The Breakthrough into the Vegetative Realm“
Diese Arbeit von Klaus Heimann spiegelt die Orgonomie in Deutschland bzw. das orgonomische Wissen in Deutschland Mitte/Ende der 1970er Jahre wider. In diese Zeit reichen die Bemühungen zurück, die Orgonomie in Deutschland, nach der restlosen Zerstörung erster Anfänge auf deutschem Boden, die 1933 erfolgte, erneut zu etablieren. Das damalige orgonomische Wissen ist der Ausgangspunkt des NACHRICHTENBRIEFes und sollte deshalb von jedem, der neu zu unseren Netzseiten stößt, als Einführung gelesen werden, damit wir alle eine gemeinsame Grundlage haben. Klaus Heimanns Arbeit hat den Zauber des Anfangs an sich und möge in einer neuen Generation das Feuer von neuem entzünden:
ZUR ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DER ORGONOMIE von Klaus Heimann
66. Mechanistischer Kausalismus, mystischer Finalismus und energetischer Funktionalismus
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Man kann aus Reichs Schriften herausziehen, was man will. Beinharten Atheismus oder christlichen Mystizismus, Rationalismus oder das New Age, Marxismus oder Kapitalismus, „Bernie Sanders“ oder „Donald Trump“. Das hat dann aber jeweils nichts mit Reich zu tun, sondern ist nur Ausdruck der Charakterstruktur des jeweiligen Reichianers. Gepanzerte Menschen können nicht mit dem Leben mitschwingen und reagieren deshalb starr wie Maschinen. Sind sie „Reichianische Körpertherapeuten“ haben sie eine vage Vorstellung, daß Sexualität etwas Gutes ist und wollen entsprechend die böse Beckenblockierung beseitigen. Sagt man ihnen, daß Orgonomen alles tun, damit sich etwa Schizophrene in den unteren Segmenten abpanzern, sehen sie nichts als Verrat an der Orgasmustheorie. Interessieren sie sich für gesellschaftspolitische Probleme, kämpfen sie gegen den „Faschismus“, den sie überall da sehen, wo auf Autorität beharrt wird. Erklärt man ihnen, daß diese nicht den „Faschismus“ verkörpert, sondern die Arbeitsdemokratie… Sie sind verwirrt, wenn man ihrer Schwärmerei von der „Wiederverzauberung der Welt“ entgegenhält, daß magisches Denken mindestens so kontaktlos ist wie das mechanistische Denken.
Ihre „Orgonomie“ ist pure Ideologie. Sie denken stets abstrakt und fragen nie, nach der konkreten Rolle, die Gegebenheiten jeweils im Zusammenhang spielen. Muskelverspannungen muß man stets von ihrer Funktion her betrachten. Beim Schizophrenen ist die Körperpanzerung ein Segen, wenn sie verhindert, daß das okulare Segment mit Erregung überflutet wird und es zur „Spaltung“ kommt. Panzerung ist ein Segen! Ideologien muß man von ihrer Funktion her betrachten. In islamischen Ländern ist es ein Segen, wenn die Völker zu ihrer vorislamischen Identität zurückfinden. „Faschistischer“ Nationalismus ist ein Segen! Wie Milos Djilas gesagt hat, waren die ersten 10 Jahre Kommunismus ein Segen für Jugoslawien, um in diesem Land endlich Ordnung und einigermaßen zivilisierte Zustände zu schaffen. „Rotfaschistischer“ Kommunismus ist ein Segen!
Es geht jeweils um die Zusammenhänge und die Folgen, d.h. um Funktionalismus – nicht um inhaltsleere Versatzstücke einer verschrobenen Lehre, die als „Orgonomie“ hinstellt wird, in Wirklichkeit aber das genaue Gegenteil ist.
Reich hatte es noch mit einer autoritären Gesellschaft und den entsprechenden neurotischen Charakterstrukturen zu tun. Heute leben wir in einer grundlegend anderen, einer anti-autoritären Welt, in der der Panzerung der Menschen vollständig anders geartet ist. Insbesondere hat die Körperpanzerung abgenommen, dafür jedoch die Augenpanzerung zugenommen. Damit einhergehend kam es zu einer Überbetonung des energetischen Orgonoms, d.h. des Energieflußes längs des Körpers, zu Ungunsten des orgonotischen Systems, d.h. der energetischen Pulsation.
Reich zufolge gibt es den Menschen sozusagen doppelt: erstens als orgonotisches System (Autonomes Nervensystem, bioenergetisches Zentrum, Solar Plexus, die Emotionen) und zweitens als Orgonom (Zentrales Nervensystem, Rückgrat, das senso-motorische System, Sensationen). Ich verweise auf meinen Blogbeitrag über die Biophysik von Liebe und Sex und die dortige Illustration. Hier eine Skizze, die zeigt, warum im Zusammenhang mit dem energetischen Orgonom vom „senso-motorischen System“ die Rede ist:
In unserer mechano-mystischen Kultur ist praktisch nur dieses senso-motorische System bekannt, das sich vom energetischen Orgonom ableitet. Die überwiegende Mehrzahl der Menschen haben gelernt, sich so zu empfinden. Man frage jemanden, er möge auf den Sitz seines Selbst, seines Ichs, seiner Seele, „auf den Kern seiner Existenz“ zeigen. Die wenigsten werden auf den Oberbauch deuten, die meisten auf den Kopf. Alles in unserer gegenwärtigen „Kultur“ ist darauf ausgerichtet, daß einem eine Gänsehaut den Rücken hochsteigt; Sensationen, die zu „action“, zu „Bewegung“ führen, entsprechend den motorischen Bahnen, die, gemäß der Fließrichtung des energetischen Orgonoms, von oben herab nach unten in die Extremitäten führen.
Die wenigsten sind noch in ihrem Bauch zentriert. Man schaue nur mal den typischen Jugendlichen an. „Chillen“, „das schockt“, „das flasht“, „kommt echt gut“, „Head Shop“, „Head Trip“. Das ganze in Haltung und Gehabe verkörpert: sie sind un-zentriert (haben keine eigene Mitte) und sind „leer“.
Das erste System (das „orgonotische System“) hat Reich in seinen bio-elektrischen Experimenten untersucht und festgestellt, daß der Körper (zentriert im Solar Plexus) als ganzes bei Lust (etwa der ersten großen Liebe) expandiert, bei Unlust (etwa Liebesenttäuschung) kontrahiert. Störungen dieser Pulsation speichert der Körper: „das Unbewußte“, das beim Neurotiker in den Muskelverspannungen eingefroren ist und in der psychiatrischen Orgontherapie bei der Auflösung der Muskelpanzerung spontan erinnert wird.
Bezeichnenderweise basieren durchweg alle „neo-Reichanischen“ Therapien und auch „alternative Heilverfahren“, wie beispielsweise die Craniosakraltherapie, ausschließlich auf der Arbeit mit dem energetischen Orgonom. Wegen dieser „bioenergetischen Einseitigkeit“ sind die Therapeuten nicht in der Lage, den Klienten wirklich zu helfen: die Kontraktion, die Sympthikotonie und Kontaktlosigkeit bleibt bestehen.
Die Menschen sitzen heute in ihrem Körper, wie in einem Kino und stellen sich vor, Bilder und Geräusche würden von außen nach innen dringen. Sie sind sich gar nicht bewußt, daß sie leben, d.h. daß etwa die Liebe etwas ist, was jenseits aller Sensorik eine Sache des Gefühls ist; daß sich zwei Energiesysteme überlagern und zum gegenseitigen Erglühen bringen. Etwa so wie zwei Amöben, die auch keine Augen, Ohren oder überhaupt Nerven haben.
Die Panzerungsstruktur der Massen hat sich seit den 1960er Jahren grundsätzlich verändert. Der Mensch hat buchstäblich seine Mitte verloren. Wie Charles Konia in seinem Buch The Emotional Plague im einzelnen ausführt, hat sich die autoritäre Gesellschaft, die zu Reichs Zeiten noch dominiert hat, in eine anti-autoritäre Gesellschaft verwandelt, was vor allem in einer zunehmenden Polarisierung in den Weltanschauungen zum Ausdruck kommt.
Zwar hat es schon immer eine Gegenüberstellung von „Links“ und „Rechts“ gegeben, jedoch diente diese früher der Stabilisierung der autoritären Gesellschaft. Ähnlich wie in einem Organismus das Wechselspiel von Trieb und Triebabwehr die Panzerung konstatiert. Ist dieses neurotische Gleichgewicht gestört, kommt es zu neurotischen Symptomen und im Extremfall zur Zerstörung des Organismus, beispielsweise durch triebhaftes Verhalten. Ähnliches geschieht in der Gesellschaft, die dabei immer mehr auseinanderbricht.
Man nehme etwa, als beliebiges Beispiel, die beiden folgenden Kommentare zu einem Auftritt eines offensichtlich homosexuellen Jugendlichen bei Deutschland sucht den Superstar:
schwul sein ist total normal!! die scheiß medien bringen uns dazu zu denken, dass nur mann und frau zusammen passen, weil wir es nicht anders im TV sehen, schon von der kindheit aus. oder hat schon irgendjemand ne Werbung gesehen, wo n Mann mit nem anderen mann flirtet? der typ is haltn n bisschen anders und das sollte man akzeptieren…
Scheiss schwuchteln! das is ne krankheit! sowas DARF einfach ni ins fernsehn! Sonst denkt die deutsche Jugend irgendwann das es das normalste ist, was es gibt – schwul zu sein!!! Das ist sowas wie Trisomie 21 …. Einfach nur gestört!!! Die gehören alle an den Baum!
Beide Kommentare sind weit von einer funktionellen Auffassung entfernt und gleichermaßen auf die Zerstörung der Genitalität gerichtet. So verlaufen alle „Diskussionen“.
Mit dem „alten Menschen“ konnte man noch ein Gefängnis (die gepanzerte Gesellschaft) einigermaßen leidlich organisieren. Mit dem unberechenbaren „neuen Menschen“ kann das Gefängnisleben (das gesellschaftliche Leben) nur zu einer wahrhaftigen Hölle degradieren, bis sich schließlich alles im Chaos auflöst oder mit militärischer Gewalt Recht und Ordnung wiederhergestellt werden muß.
In der antiautoritären Gesellschaft ist die Kraft zur Selbstregulation gleich Null. Sie muß deshalb mit tödlicher Notwendigkeit in einer extrem autoritären Gesellschaftsordnung münden.