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Peter Töpfer (Teil 10)

5. Dezember 2025

In Tiefenwahrheit geht Töpfer von Laskas Aussage aus, die sich im kognitiv-rationalen Bereich erschöpfende Alte Aufklärung, sei durch eine neue, im affektiv-emotionalen Bereich operierende und damit „praktisch“ werdende zu ersetzen. Laska meinte damit schlicht das grundsätzliche Infragestellen des irrationalen Über-Ichs und davon ausgehend das Verhindern, daß sich ein solches in zukünftigen Generationen ausbildet und diese zu den gleichen Gefühlskrüppeln macht, wie wir es sind. Töpfer hingegen meint das Auffüllen der „existentiellen Leere“ durch „Immanenz“ (nicht etwa Transzendenz in der Voraufklärung). Praktisch hätte Laska sozusagen zum den „Urschmerz“ verwindenden „Urschrei“, zur Existenz selbst, vordringen müssen. Laska selbst, als Person!

Töpfers zweiter Punkt kreist darum, daß, so Töpfer, die Sexualität erst mit der Pubertät anfängt, die Menschen aber schon vorher „enteignet“ wurden und zwar eben nicht durch sexuelle, sondern durch „existentielle“ Schuldgefühle bzw. noch früher durch körperliche Traumata. Das würde nicht nur durch die Freudsche/Reichsche/Laskasche These von der infantilen Sexualität verdrängt, sondern diese Traumatisierungen würden, durch den dadurch angeregten Pädosex, verstärkt, wenn nicht erst verursacht werden, womit Reich und Laska ihre eigenen Theorien, die Rede von der Neurosenprophylaxe und von den „Kindern der Zukunft“, ad absurdum führten. (Daß entgegen Töpfers Theorie im Normalfall weniger laute Traumata, sondern die stille Kontaktlosigkeit der Eltern bei der Panzerbildung eine Rolle spielt, sei nur nebenbei erwähnt.)

Da ich (Peter Nasselstein) Töpfers Quelle für diese Anschuldigungen bin, rennt er bei mir offene Türen ein. Ja, es sind im Umfeld Reichs unverzeihliche Dinge geschehen, Malinowski (und damit Reich) hat sich beim Alter der Trobriander geirrt, d.h. den Beginn sexueller Aktivitäten zu früh angesetzt und in unserer Gesellschaft ist „früher Sex“ fast immer die verzweifelte Suche nach körperlicher Nähe und Wärme, d.h. nach einem Ersatz für die schmerzlich vermißte frühkindliche mütterliche und väterliche Nähe. Womit sich der Kreis schließt, denn heute kann kaum ein Vater vollkommen entspannt die Windel seiner Tochter wechseln oder sie zärtlich umarmen. Das ganze Thema ist zum Verzweifeln. Daß es aber keine infantile Sexualität gibt… War Töpfer denn selbst nie Kind? Hat er in der Badeanstalt nie beobachtet, wie der Fünfjährige plötzlich wie Arnold Schwarzenegger daher stolziert, wenn die Blicke seiner Kameradinnen auf ihn fallen, während das fünfjährige Mädchen gegenüber unserem kleinen Rambo kokettiert und „weibliche Signale aussendet“? Hat er nie in der Ersten Klasse mit einer Spielkameradin konkrete „Heiratspläne“ geschmiedet? Ich habe IHR sogar den größten materiellen Schatz geschenkt, den ich je auf Erde besessen habe, eine exotisch-orientalische Keksdose bis oben mit Glassplittern gefüllt, die ich gefühlt „über die die Jahre“ auf dem Bahndamm aufgelesen hatte. Einem Spielkameraden hätte ich diesen unfaßbaren Reichtum in tausend Jahren nie gegeben. SIE brauchte mich nur anlächeln und ihr langes blondes Haar im Wind wehen lassen und ich war ein willenloser Haufen Wackelpudding.

Ich fühle mich mißbraucht. Ich bespreche Bücher, egal, ob das der Orgonomie nützt oder schadet, weil ich ausschließlich der objektiven Wahrheit verpflichtet bin. Töpfer benutzt das, um… Ich schicke Töpfer als freundliche Geste Material zu Bert Brecht aus dem LSR-Archiv zu, da ihn das als gelernten DDR-Bürger doch sicherlich interessiert. Er preßt es wie eine Zitrone aus und dichtet Laska aus hingeworfenen Brief-Stellen „Ich-Schwäche“ an. Töpfer:

Selbst bei der philosophischen Herangehensweise zur Eigner-Stärkung kommt es bei großer Ich-Schwäche zu Schwierigkeiten. Laska vorbildlich in der prinzipiellen Herangehensweise – doch (…) Laska selbst eigentlich nur bedingt als Aufklärer im Sinne einer Neuen Aufklärung gelten kann. Er hat zwar „Gott von der Weltbühne vertrieben“ (Erste Aufklärung), aber Laska „entlarvt“ sich tatsächlich selbst als „Naturerscheinung“ und anerkennt sich fast als solche. (…) Zumindest zweifelt Laska die „Phänomene“ als „auf sich als Selbstsüchtigen beziehend“ an. Es sind keine selbstigen, zu seinem Ich gehörigen, es sind nicht seine eigenen Phänomene. Er räumt ziemlich deutlich der Wissenschaft die Deutungshoheit über seine eigene Person ein: Er fragt nämlich, „ob das oft beschworene ‚Eigene‘ nicht sowieso nur – wie die ‚Gene‘ – eine einzigartige Mixtur aus ‚Fremden‘ ist.“ Der Zusammenhang, in dem Laska diese Frage stellt, ist der einer anderen Frage, nämlich der, „ob man überhaupt [etwas Bestimmtes] ‚will‘“. Was ist dieses Bestimmte? – Die Antwort darauf findet sich in diesem Satz Laskas: „Sie (sic! PN) werfen die Frage auf, wie man […] ‚das Fremde‘ aus sich wieder herausbekommt, um so nur ‚das Eigene‘ übrig zu behalten, ja, ob oder ggf. in welchem Maße man (bei sich) darüber verfügen kann.“ Es geht hier also präzise um die Frage, ob LSR – das ist in diesem Falle Laska selbst – tatsächlich überhaupt bereit ist, „im Affektiv emotionalen zu operieren“ (Zweite Aufklärung), sprich: sich praktisch einem Verfahren der „Selbstermächtigung“ (Laska) zu unterziehen, oder ob er nicht er selbst und mit ihm die Alte Aufklärung „in eine Sackgasse geraten“ sei. Aber wir diskutieren diese Frage und Laskas Ich-Schwäche nicht hier (…). (S. 52f)

Bevor ich auf diese Zusammenhänge im nächsten Teil genauer eingehe, muß und möchte ich bei dieser Gelegenheit etwas weiter ausholen:

Ganz im Sinne Stirners (und übrigens auch Nietzsches) ist das Ich des Egoisten nichts vom Himmel Gefallenes, nichts sozusagen überweltlich „Selbstisches“, sondern primär Fremdes (die Mutter-, Familien- und Stammesbindung), aus dem wir uns emanzipieren und zum Eigner werden. Von Biologie und Stammesgeschichte, will ich erst gar nicht anfangen. Töpfer hingegen scheint von einer Art „autonomen Seelenfunken“ auszugehen, der in dieser „fremden Welt“ gefangen wird und sich im „Urschrei“ aus dieser schmerzlichen Gefangenschaft wieder befreien muß: Gnosis, versponnen in der „inneren Wahrheit“!

Wie ist das nun mit dem Eigenen „aus orgonomischer Sicht“? Zunächst einmal ist es so, daß je fundamentaler wir die Natur betrachten, also auf Quantenebene, desto mehr verschwindet jedwede Individualität. Beispielsweise sind alle Elementarteilchen, etwa Elektronen, voneinander prinzipiell vollkommen ununterscheidbar. Wenn ich doch das eine Elektron vom anderen dadurch unterscheide, einfach indem ich es verorte, etwa in der Blasenkammer oder im Doppelspaltexperiment, geht die quasi „kollektivistische“ Quantenwelt in unsere „individualistische“ Alltagswelt über. Beim Doppelspaltversuch werden durch diese „Individualisierung“ aus Wellen, die sich überlagern und dergestalt Interferenzmuster erzeugen, ganz normale Partikel, so als handele es sich um Pistolenkugeln oder dergleichen. Nun ist es so, daß nicht nur durch Verortung, sondern prinzipiell keine zwei Pistolenkugeln, keine zwei Sandkörner oder andere beliebige Objekte der Makrosphäre identisch sind. Genauso ist es mit jedem Menschen ab dem Moment der Empfängnis. Der Unterschied ist, daß wir im Gegensatz zum Sandkorn empfinden können (wie auch jede Amöbe!) und schließlich darüber hinaus ein Bewußtsein unserer Individualität entwickeln (wir empfinden, daß wir empfinden). An diesem „Geistigen“, dem Bewußtsein bzw. dem Empfinden, machen Leute wie Töpfer das Individuum fest. Nun ist es aber so, daß dieses „Geistige“ selbst zum „Quantenbereich“ gehört, d.h. hier fällt das Individuelle weg. Das sieht man schon an der (notwendigerweise kollektivistischen) Sprache: es gibt keine zwei identischen konkreten Bäume, aber der abstrakte Begriff „Baum“ ist universell. Oder mit anderen Worten: es gibt keine „individuellen Seelenfunken“, vielmehr ist unser Innenleben gewissermaßen „kollektiv“. Wir sind zwar unverwechselbare Individuen und „eigen“, aber diese Eigenheit ist etwas in jeder Hinsicht Sekundäres, das nur durch den Kontakt mit der Außenwelt entsteht und durch diesen Kontakt aufrechterhalten wird. Wie das Elektron in der Doppelspaltanordnung, „muß ich gesehen werden“, um zum Individuum und zum Eigner meiner selbst werden zu können.

Das Kind kristallisiert sich wie ein Salzkorn aus dem Meer (Mutter-, Familien- und Sippenbindung). Man kann nur hoffen, daß dieses „Meer“ sich aus den richtigen Bestandteilen zusammensetzt und durch seine Bewegung, etwa sexuellen Mißbrauch, diese „Kristallisation“ nicht stört.

In der Tat, wir sind nur „Naturerscheinung“, tatsächlich nur „Sozialerscheinung“! Alles andere ist Kontaktlosigkeit und – Entfremdung! Ich weiß, daß viele Stirner auf Töpfers vollkommen abstruse, selbstwidersprüchliche, da entfremdende „existentielle“ Weise lesen (Depersonalisation, Derealisation), aber genau deshalb sind wir ja Laskaianer: uns interessiert einzig und allein die Herausarbeitung der Funktion des irrationalen Über-Ichs. Andere Stirnerianer können sich meinetwegen ins Knie ficken!

Linke Klitoris, rechte Vagina

7. August 2016

Soweit ich es überblicke, ist es ausnahmslos so, daß, was die weibliche Sexualität betrifft, linke Sexologen vollkommen klitoris-fixiert sind, während die Rechten ganz im Gegenteil vaginal orientiert sind. Zum Beispiel schrieb die rechtskatholische Kinder- und Jugend-Psychotherapeutin Christa Meves (Jahrgang 1925) in ihrem mittlerweile 36. Auflagen erreichten Ehe-Alphabet von 1973:

Der Orgasmus der Frau ist in seiner nackten Form im Grunde eine höchst künstliche Anpassung an das männliche sexuelle Erleben. Er geht von dem anatomischen „Rest“, der Klitoris aus und ist deswegen eigentlich für die Frau ein Rückschritt in die infantile Sexualität. Die große Liebe der Frau, die keine Onanistin war, geht nicht phallisch als Anstieg und abrupter Abfall der Spannung vor sich, sondern sie schwingt in weichen Rhythmen, und für sie gibt es eigentlich kein Ende; denn für sie ist das Ende der männlichen Erregung im Grunde die Hoffnung auf einen großen, langanhaltenden erregenden Anfang: nämlich die Hoffnung, ein Kind empfangen zu haben. (z.n. Vorsicht „Lebensschützer“ – Die Macht der organisierten Abtreibungsgegner (Herausgeber: Frauen gegen den § 218, Bundesweite Koordination), Hamburg: Konkret Literatur Verlag, 1991, S. 58)

Natürlich liegt die Konservative mit ihrem verzerrten Kontakt mit dem Kern der orgonomischen Wahrheit irgendwie näher als ihre linken Kollegen, mit deren totalen Abtrennung vom Kern. Ich habe noch nie einen Konservativen gehört, der die Klitoris verteidigt (in Saharasia schneiden sie sie sogar ab), während alle Linken die vaginale Hingabe als reaktionär ablehnen. Und die Orgonomie sitzt wieder mal zwischen allen Stühlen.

Siehe dazu auch Biologische Entwicklung aus orgonomischer Sicht.

Die biologische, psychologische und soziologische Struktur des Menschen (Teil 2)

9. Januar 2015

In einer Orgontherapie wird der Charakter behandelt. Folglich muß am Anfang der Behandlung eine Diagnose stehen, eine „Charakterdiagnose“. Zur Klassifikation bieten sich die Zustände der Orgonenergie an (OR, ORANUR, DOR) oder ihre pulsatorische Bewegung (die E-Motionen: Lust, Angst, Wut, Sehnsucht, Trauer). Da wir es aber mit der Charakter-Struktur zu tun haben, sind die sieben Panzersegmente naheliegender (Augen, Mund, Hals, Brust, Zwerchfell, Bauch, Becken).

Tatsächlich beruht Reichs provisorische Aufteilung der Charaktere in seinem Buch Charakteranalyse auf den Vorarbeiten Freuds und anderer Psychoanalytiker (Jones, Abraham, etc.). Diese gingen von den erogenen Zonen bzw. erogenen Stufen aus. In der Entwicklung werden nacheinander die oralen, analen und genitalen „Zonen“ libidinös besetzt. Hemmungen in der Entwicklung führen zum „analen“ Zwangscharakter. Es ist nur folgerichtig diese Vorstellung mit Panzerung im Kopf- und Beckenbereich zu verbinden.

Reich stellte sich die Situation zur Zeit von Charakteranalyse wie folgt dar, wobei es jeweils um die Bewältigung des ödipalen Konflikts geht:

  • Rückkehr zum infantilen Sexualobjekt mit Verbleib auf der genitalen Stufe. Flucht vor dem Sexualobjekt: Hysterie
  • Rückkehr zur infantilen Sexualität (anale Stufe): Zwangsneurose
  • Abwehr der Rückkehr zur Analität mit Verbleib auf der phallischen Stufe: phallischer Narzißmus

Die letztere Charakterstruktur wurde 1926 von Reich selbst in die Psychoanalyse eingebracht. Von diesem Gerüst ausgehend und mit Rückgriff auf den von Reich zusätzlich beschriebenen passiv-femininen Charakter, den masochistischen Charakter und (später) den schizophrenen Charakter hat Elsworth F. Baker die orgonomische Charakterologie entworfen. Dazu hat er eine weitere libidinöse Stufe postuliert: die okulare. Die dreizehn wichtigsten Charaktere werden im folgenden frei nach Bakers Der Mensch in der Falle schematisch präsentiert:

charakter13

Wir haben:

  1. reiner hysterischer Charakter
  2. hysterischer Charakter mit einem verdrängten oralen Block
  3. hysterischer Charakter mit einem unbefriedigten oralen Block
  4. reiner phallischer Charakter
  5. phallischer Charakter mit einem verdrängten oralen Block
  6. phallischer Charakter mit einem unbefriedigten oralen Block
  7. chronisch-depressiver Charakter
  8. manisch-depressiver Charakter
  9. Zwangscharakter
  10. masochistischer Charakter
  11. passiv-femininer Charakter
  12. paranoid-schizophrener Charakter
  13. kataton-schizophrener Charakter

Es gibt weitere Charaktere, aber die sind „mangels Patientenmasse“ nur von akademischem Interesse. (Selbst der masochistische Charakter kommt wohl eher selten vor und wird hier nur wegen seiner Bedeutung für die Geschichte der Orgonomie aufgelistet!)

Die im obigen Schema skizierte Charakterologie ist nicht am Schreibtisch, sondern seit Ende des vorletzten Jahrhunderts sukzessive in der Klinik entstanden. Beispielsweise könnte man fragen, warum es keine „oralen Charaktere“ gibt dafür aber „anale Charaktere“. (Tatsächlich gibt es einen „oralen Charakter“, aber der ist nur bedingt überlebensfähig und wird kaum zur Psychotherapie gehen!) Oralität spielt in der obigen Aufstellung offensichtlich eine zentrale Rolle, insbesondere in der Depression, aber anders, als man das sich aus abstrakter Warte vorstellen würde. Nochmals: das hat sich niemand so ausgedacht, sondern es ist historisch gewachsen und hat sich immer wieder bewährt. Hier sei nur angeführt, daß die fünf libidinösen Stufen (okular, oral, anal, phallisch und genital) qualitativ nicht gleichwertig sind und allein schon von daher eine „logischere“ Aufstellung Unsinn wäre! Leitfaden ist dabei die Orgasmustheorie.

Nehmen wir dazu die obige Liste: Die Charaktere 2 und 3 müssen von ihren prägenitalen Anteilen befreit und dann der Charakter 1 zu einem erwachsenen Sexualobjekt hingeführt werden. Ähnlich sieht es bei den Charakteren 5, 6, 7, 8, 9, 10 und 11 aus: der phallische Narzißt (Charakter 4) muß seinen Ödipuskomplex überwinden, nachdem er sich von seiner Oralität bzw. Analität befreit hat, wobei die analen Charaktere die phallische Stufe in ihrer Entwicklung kaum ganz besetzt hatten. Bei Charakter 12 läuft nach der Beseitigung des okularen Blocks alles wie bei Charakter 4 ab, bei Charakter 13 ist es entsprechend Charakter 9. Es geht jeweils darum, zunächst die prägenitalen (präödipalen!) Konflikte zu bearbeiten, bis man zum ödipalen Kern der psychischen Biopathien und damit zur orgastischen Impotenz vordringen und diese beseitigen kann.

Was nun die soziopolitische Charakterologie betrifft: bei ihr geht es um zwei Arten der Abwehr, die jeweils sozial weitreichende Folgen haben. Der Neurotiker (und Psychotiker) leidet gewöhnlich still vor sich hin. Schlimmstenfalls kommt es zu Familiendramen oder entsprechenden Vorkommnissen am Arbeitsplatz. Der soziopolitische Charakter hingegen stellt sein neurotisches Gleichgewicht her, indem er praktisch die gesamte Gesellschaft instrumentalisiert.

Es gibt prinzipiell zwei Arten von Menschen: die einen bewältigen das menschliche Zusammenleben durch ständiges „Intellektualisieren“, die anderen mit körperlicher Gewalt. Die einen zerreden alles, lenken von den gegebenen Problemen ab, indem sie „grundsätzliche“ Gesichtspunkte anbringen, sie relativieren und setzen alles „in Perspektive“. Man denke nur, wie die Gewalt und das teilweise unmögliche Verhalten von sogenannten „Migranten“ solange „wegdiskutiert“ wird, bis sich die Opfer dieser Gewalt und dieses Verhaltens schuldig fühlen. Die andere Seite, die Rechte, scheint hingegen wie blind für die Umstände der Migranten zu sein: für sie sind es nur „Kanaken“ und man möchte seine Ruhe haben. Auch wenn keine körperliche Gewalt ausgeübt wird, man spürt doch die Atmosphäre „geballter Fäuste“, die zum Kampf kontrahierte Körpermuskulatur.

Man vergleiche etwa die verkopfte, wirre Reaktion der linksliberalen Liberation auf den Terroranschlag in Paris mit der offen bellizistischen des konservativen Figaro:

KOPFABWEHR: Die Fanatiker verteidigen keine Religion, weil Religion tolerant sein kann (sic!), und sie verteidigen nicht die Muslime, die in ihrer überwältigenden Mehrheit mit Entsetzen auf diese niederträchtigen Morde reagiert haben. Die Fanatiker greifen die Freiheit an. Der Gegner ist der Terrorismus, nicht der Islam, der Gegner ist der Fanatismus, keine Religion, und der Gegner ist der Extremismus. Der hat nichts zu tun mit unseren muslimischen Mitbürgern.

MUSKELABWEHR: …einem Krieg des islamischen Fanatismus gegen den Westen, gegen Europa und gegen die Werte der Demokratie. Dieser Kampf wird nicht aus dem Verborgenen geführt, sondern von organisierten Killern, deren gelassene Brutalität uns das Blut in den Adern gerinnen läßt. Zu lange sind wir im Namen eines irregeleiteten Humanismus unseren schlimmsten Feinden entgegengekommen. Gegen diese Fanatiker, die sich offen gegen unser Land und unsere Sicherheit verschwören, müssen wir hart durchgreifen. Wenn es Krieg gibt, muß man ihn gewinnen.

Alle ach so intellektuellen Auseinandersetzungen lassen sich auf das alltägliche „Abwehrverhalten“ zweier Typen von Neurotikern reduzieren: die einen zerreden bei alltäglichen Konflikten alles, die anderen werden sofort gewalttätig oder drohen zumindest damit. Man denke nur an zwei denkbar unterschiedliche Milieus im heutigen Deutschland: das grün-rote Milieu („das müssen wir ausdiskutieren“) auf der einen und das türkische Milieu („was guckst du?“) auf der anderen Seite. Politik kann nur ein Psychiater wirklich verstehen.

Was hier in das gesellschaftliche Leben überschwappt sind direkte Ausläufer des ödipalen Konflikts. Die linke Seite, mit ihrer intellektuellen Abwehr, rebelliert gegen den Vater, will ihn beseitigen und nimmt aus der Todesangst des im Vergleich unendlich Schwachen Zuflucht zum Intellekt („David gegen Goliath“). Die rechte Seite, mit ihrer muskulären Abwehr, wetteifert nur mit dem Vater. Das führt dazu, daß die Linke (in unserem obigen Vergleich) alles tut, um die Nation zu untergraben, während die Rechte ganz im Patriotismus (!) aufgeht. Im Extrem mündet beides im Faschismus (rot bzw. schwarz). Entscheidend ist, daß dies alles nichts mit realen und aktuellen Problemen zu tun hat, sondern mit zwei unterschiedlichen Abwehrmöglichkeiten des weit zurückliegenden ödipalen Konflikts.

Diese soziopolitische Aufstellung, die man weiter aufteilen kann, wie Baker es getan hat, hat sich ebenfalls niemand ausgedacht, sondern sie ist gewachsen. In jeder demokratisch verfaßten Gesellschaft bildet sich ein politisches Spektrum aus, das in seinen Grundzügen diese beiden Arten der neurotischen Abwehr widerspiegelt. Reale Interessenkonflikte sind nur vorgeschoben und spielen, wie Reich bereits 1933 in seiner Massenpsychologie des Faschismus ausgeführt hat, nicht die entscheidende Rolle.

Zusammenfassend kann man sagen, daß psychische Biopathien auf der Panzerung im Kopf- und Beckenbereich beruhen und soziale Biopathien darauf, wie der Organismus in seiner Gesamtheit die Orgasmusangst abwehrt (intellektuell oder muskulär). Die somatischen Biopathien beruhen sowohl auf der Panzerung beliebiger Segmente (insbesondere ist das Zwerchfellsegment zu nennen) sowie auf der Längsbewegung der Orgonenergie (energetisches Orgonom) und ihrer Erstrahlung. Sie haben keine unmittelbare Beziehung zum ödipalen Konflikt, weshalb hier der Begriff „Charakter“ keinen Platz hat.