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Brief [über die allerersten Anfänge des LSR-Projekts] (1977)

4. Januar 2023

Brief [über die allerersten Anfänge des LSR-Projekts] (1977)

Marx, Freud, Reich (Teil 1)

21. April 2015

Die Hegelsche Methode sollte sich dem 20. Jahrhundert, und damit auch Reich, durch den Marxismus vermitteln, denn

die Bemerkung von Engels entspricht der Wahrheit, daß er und Marx fast die einzigen gewesen seien, die an der von Hegel entdeckten Methode der Wissenschaft festgehalten haben in einer Periode, die sich ganz von Hegel entfernt hatte. (Dieter Henrich: Hegel im Kontext, Frankfurt 1981)

Im Verlauf dieser Übertragung wurde Hegel vom Kopf auf die Füße gestellt, wobei die Frage ist, ob Hegels dialektische Methode eine solche Umkehrung überhaupt erlaubt und übersteht (ebd., S. 205).

Jedenfalls ist die dialektische Methode im Kommunismus zu einem rein machiavellistischen Rechtfertigungsinstrument entartet. Jedes Verbrechen, jede noch so niederträchtige Gemeinheit, jede Lüge, jedes noch so widersinnige Dogma der Kommunisten wurde „wissenschaftlich“ ins Gegenteil umgedeutet. Noch heute sieht man dies anhand der Hirnakrobatik der Political Correctness. Beispielsweise ist das verkehrstechnisch unausweichliche S21 in Stuttgart des Teufels, während die verkehrstechnisch unsinnige und für den Finanzhaushalt des Stadtstaates verheerende Stadtbahn in Hamburg, die von den Grün-Alternaiven durchgesetzt wurde, „progressiv“ ist.

Im Gegensatz zum Orgonomischen Funktionalismus ist die Dialektik der Verneinung des Lebens primär gegen etwas gerichtet. Hier schneidet sich die Ebene der Emotionellen Pest mit der liberalen Charakterdeformation (Rebellion gegen statt Wettstreit mit dem Vater – vgl. Elsworth F. Bakers Der Mensch in der Falle). So sieht Marx als Kern der menschlichen Entfremdung (bei ihm identisch mit der Arbeitsteilung) den Erwerbstrieb, der bei ihm in mythologischer Wahnform als „Kapital“ die Menschen aussaugt oder entmenschlicht, so wie sich Hegels Ich die Welt aneignet und sie entleert. Damit hat aber Marx, fußend auf tiefen mit dem „jüdischen“ Kapitalismus verbundenen Sexualängsten (ursprünglich nannte Marx das, was er später als „Kapitalismus“ bezeichnete, „Judentum“!), nichts als das initiiert, was aufzuheben er vorgab: die menschliche Entfremdung, indem er eine orgonotische Grundfunktion, die untrennbar mit unserer Sexualität verbunden ist und die von der Werbung entsprechend pestilent ausgebeutet wird, mit dem Bann des metaphysisch Bösen belegte. Darüberhinaus hat er seinen Fluch untrennbar mit der Arbeitsteilung verbunden, der Grundlage der Arbeitsdemokratie.

Aber nicht nur über den Umweg Marx wurde das Denken Gottes in das des Teufels pervertiert. Genau dasselbe kann man auch im „christlichen“ Katholizismus beobachten. Überhaupt gibt es, wie Reich in Christusmord beständig konstatiert, viele Gemeinsamkeiten zwischen Katholizismus und dem Kommunismus der guten alten Zeit: Funktionärswesen; das Verhältnis zwischen „Heiliger Schrift“, „Tradition“, „Orthodoxie“ und „Lehramt“; der Umgang mit Ketzerei; der ganze „amoralische Moralismus“. Und diese Gemeinsamkeiten erstrecken sich eben auch auf Denkstrukturen, z.B. bei den sprichwörtlichen dialektischen Verdrehungskünsten der Jesuiten. „Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit!“ – ein solcher Satz, der ein Wort „logisch“ in sein genaues Gegenteil verkehrt, paßt sowohl zum Katholiken wie zum Marxisten.

Wie sehr das katholische Denken dialektisch geprägt ist, sieht man auch an der verdrehten Logik von Begriffen wie „jungfräuliche Mutter“, ganz zu schweigen von der ganzen Problematik der „Dreieinigkeit“ oder gar der Theodizee.

Ich erwähne das auch, weil eines Tages durchaus auch aus dem Orgonomischen Funktionalismus eine solche Kunst des Verdrehens erwachsen könnte. Wie man sich dagegen wehren kann? Ganz einfach: indem man eine Sache konsequent zuendedenkt – indem man sozusagen „ungepanzert“ denkt. Man nehme etwa das folgende Beispiel:

Der Marxismus rechtfertigt sich aus dem schlagenden Argument, die bürgerliche Demokratie wäre ja schön und gut, aber ihre Freiheit bedeute vor allem die Freiheit der Unternehmer die Arbeiter auszubeuten. Noch heute gewinnen die Kommunisten mit dieser Argumentation ihre Anhänger. Tatsächlich ist es eine denkbar diabolische Denkfigur: im Namen der Freiheit (d.h. der Befreiung der Arbeiter) wird die vollkommene Unfreiheit durchgesetzt.

In einer tieferen Schicht des Marxistischen Gedankensystems, d.h. beim frühen Marx, heißt es, der Mensch werde erst er selbst, wenn er seine Individualität aufgibt und ganz im „Gattungswesen“ Mensch aufgeht.

Nach Klaus Hornung führt die konsequente Entfaltung der Marxschen Prämissen, also Aufhebung der Trennung von Gesellschaft und Staat und Aufhebung der Gewaltenteilung (man denke aktuell an den „basisdemokratischen“ Aufstand gegen S21), mit der „Emanzipation als Aufgehen im Gattungsleben“ natürlich nicht zur Aufhebung der Herrschaft, sondern zur Tyrannei der Partei.

Marxens Anthropologie und Gesellschaftstheorie steht jedem Herrschaftswillen offen (…) und der Verdacht ist nicht unbegründet, daß sie letztlich schon Marx [der ernsthaft jeden Augenblick mit der Revolution rechnete] selbst als solche Legitimation dienen sollte. (Der faszinierende Irrtum, Freiburg 1978)

So bedeutet auch das heutige Geschwätz über „Basisdemokratie“ oder gar „Zivilgesellschaft“ (sic!) nichts als die Majorisierung von uns neurotischen Schafen durch ein paar pestilente Wölfe. Deshalb auch ihr Faszinosum „multikulturelle Gesellschaft“: die Nation soll verschwinden und dem „Gattungswesen“ platz machen.

Der Dreitakt

  1. Position: Urgesellschaft –
  2. Negation: Klassengesellschaft –
  3. Negation der Negation: Kommunismus,

läuft auf nichts anderes hinaus, als daß, wie Marx unvorsichtigerweise am Anfang seiner Laufbahn schrieb (er hat es nie veröffentlicht und später fast nichts mehr zum Kommunismus gesagt), zu Beginn der dritten Stufe der Mensch selber negiert wird, der Terror regiert (wie Milovan Djilas und andere sagen: Stalin ist nicht von Marx zu trennen), alles wird Gemeineigentum, aber besonders der Mensch (so ist auch die „Sexuelle Revolution“ am Anfang der SU zu verstehen!), die Ausbeutung ist total – und aus dieser Hölle wächst dann, nach Sankt Karl, irgendwie das herrschafts- und eigentumslose Paradies!

Marx war zu sehr Hegelianer, um nicht zu wissen, daß die totale Herrschaftslosigkeit identisch mit der totalen Unterdrückung ist. Modju fußte vollkommen auf dem Schreibtischtäter, als er seine SU als freiestes Land der Erde bezeichnete.

Marx hat weniger mit den ökonomischen Wissenschaften zu tun, er ist vielmehr ein hervorragendes Beipiel für einen pestilenten Charakter (Emotionelle Pest). Entsprechend ist der Marxismus nicht nur eine Pseudowissenschaft, sondern auch eine organisierte Form der Emotionellen Pest ähnlich dem Hitlerismus. Ich verweise nur auf das Buch Der Mythos Marx und seine Macher von Konrad Löw.

Leider hatte Reich, ein Opfer der Marxistischen Propagandamaschinerie, eine grundsätzlich andere Einschätzung. Reichs Loyalität gegenüber Marx hatte teilweise desaströse Auswirkungen auf die Entwicklung der Orgonomie insbesondere nach Reichs Tod.

Reich wurde von Marxisten immer wieder mißbraucht in ihrem Kampf gegen den Kapitalismus, d.h. gegen die Arbeitsdemokratie. Wie André Glucksmann es ausdrückt:

Wenn die ökonomische Beschreibung der Maschinerie des Kapitals versagt, dann wird sie eben mit Psycho-Sozio-Sexologie verstärkt. (Die Meisterdenker, Reinbek 1979, S. 240)

Reich notierte sich 1951:

Ich muß damit aufhören, meine früheren Bücher zu vertreiben, z.B. Massenpsychologie und Sexuelle Revolution. Nicht weil sie falsch sind, sie stehen so da, wie sie geschrieben wurden, sondern weil sie die entscheidende Frage, d.h. die Orgonenergie, verdecken und von den Leuten mißbraucht werden. (z.n. C.M. Raphael: Wilhelm Reich. Misconstrued-Misesteemed, New York 1970, S. 86)

In diesen Werken finden sich Aussagen, die allem widersprechen, wofür Reichs Konzept der „fachbewußten“ Arbeitsdemokratie steht. Zum Beispiel wollte Reich in den 1930er Jahren ganz nach kommunistischem Muster die Stellung des Industrieproletariats ausnutzen, um als „Gegengewicht gegen die eng zünftlerischen und eng berufsfachlichen Interessen, die der Kapitalismus unter den Arbeitern gezüchtet hat“, zu wirken (Massenpsychologie des Faschismus, Fischer TB, S. 228). Reichs reife Position hat wirklich rein gar nichts mehr mit irgendwie gearteten Marxismen zu tun – auch wenn sie von Reich in einem vom Marxismus geprägten Zusammenhang präsentiert werden.

In der Wolle gefärbten Marxisten war von Anfang an klar, wie letztendlich „unmöglich“ das Verhältnis von Reich und Marx war. Bereits 1932 war dem psychoanalytischen Marxisten Siegfried Bernfeld unerfindlich „welcher ungeschlichtete Widerspruch oder Zufall aus ihm (Reich) einen marxistischen Kommunisten gemacht hat“. Und 1936 konstatiert Erich Fromm, ebenfalls psychoanalytischer Marxist, Reich habe den Marxismus „in Wirklichkeit nie kapiert“.

In das Zentrum dieser Auseinandersetzung stieß 1969 der neo-Marxistische Historiker Paul Robinson vor. Hinter Reichs Abkehr von Marx Ende der 1930er Jahre habe das gleiche gestanden, wie hinter seiner Abkehr von Freud. Obwohl Reich selbst 1929 in Dialektischer Materialismus und Psychoanalyse hervogehoben habe, daß sowohl Freud als auch Marx die Realität vom Konflikt (zwischen Trieben, bzw. Klassen) her interpretiert haben, sei, so Robinson, Reichs eigenes Denken imgrunde vollkommen anders geartet gewesen. So habe sich Reich von Freud getrennt, als dieser den unaufhebbaren Dualismus und Konflikt von Eros und Thanatos auf die Spitze trieb.

Auf ähnliche Weise fand Reich schließlich Marx‘ Doktrin vom Klassenkampf mit seinem eigenen Hang unvereinbar, das soziale Leben als imgrunde konfliktfrei zu betrachten. Antagonismen in der Realität; sie waren das künstliche Produkt politischer Ideologien, wobei der Marxismus selbst in dieser Hinsicht zu den schlimmsten Übeltätern gehörte. Unterhalb des sichtbaren Konflikts bestand eine grundlegende Gemeinsamkeit der Interessen, die alle produktiven Individuen verband. Am Ende zog Reich offensichtlich Bentham gegenüber Marx vor. (The Freudian Left, Ithaca, NY 1990, S. 58f)

Der englische Philosoph Jeremias Bentham (1748-1832) begründete den „Utilitarismus“, den Herbert Marcuse die „ausschließlich individualistische Lösung der Frage nach dem Glück“ vorhielt (ebd., S. 187). Vorher im Buch merkt Robinson an, daß Reichs Begriff „Sexualökonomie“ weniger eine Synthese von Freud und Marx sei, „sondern in der Tat mehr einem Gemenge von Freud und Adam Smith ähnelt“ (ebd., S. 16).

Ähnliche Einwände werden noch heute gegen Reichs Adaption des Marxismus angeführt, z.B. von Sebastian Hartmann und Siegfried Zepf in ihrem an Marx‘ Haß auf Max Stirner („Sankt Max“) gemahnenden Aufsatz „Sankt Wilhelm und die wahre Wahrheit eines ‚wahren Sozialisten’“ (Der „Fall“ Wilhelm Reich, Hrsg. von Fallend und Nitzschke, Frankfurt 1997). Auf eine sehr überzeugende Weise wird dort Reichs Konzept der „Arbeitsdemokratie“ mit dem kapitalistischen System gleichgesetzt. Der Leser sei auf diese Bloßstellung des „reaktionären“ Biologismus Reichs verwiesen.