Posts Tagged ‘Bernd Laska’

Peter liest die Laska/Schmitz-Korrespondenz (Teil 13)

15. April 2024

Meines Wissens hat sich Bernd Laska nirgends sonst derartig ausgiebig zu seinem Helden Epikur bekannt, wie in seiner Korrespondenz mit Hermann Schmitz – „wenn überhaupt einer unter den antiken Philosophen, ein Vorläufer meiner ‚Heroen‘ [L+S+R] war“ (S. 295).

Dieser intensive (!) Austausch mit einem bedeutenden (!) Philosophen, nämlich Schmitz, ist ein Unikum in der Geschichte der Orgonomie. Mich inspiriert das zu folgender orgonometrischen Gleichung:

Die Phänomenologie gründet auf die „unmittelbare Anschauung“ bzw. „anschauliche Erfahrung“ und ist von daher „antimetaphysisch“. Der Metaphysik geht es nämlich um die vermeintlich „natürliche Beschaffenheit“ der Dinge hinter der Oberfläche des empirischen Phänomens. Ein schönes Beispiel ist ein Krankenhaus: der Besucher begegnet einer leidenden „Frau Müller“ auf Zimmer 65, ein „Phänomen“; für den Arzt liegt in Zimmer 65 „eine Niere“, eine freischwebende Spekulation die hinter dem Phänomen „Frau Müller“ liegt. Und genau das legt Schmitz der europäischen Philosophie zur Last: daß sie die Welt in ein zersplittertes, zur kompletten Entfremdung führendes Sammelsurium von vermeintlichen „Dingen“ gemacht hat und ihr dabei, wenn man so sagen kann, „Frau Meier“ entglitten ist – und sich „Frau Meier“ auch selbst entgleitet. Gemeinhin spricht man von „Gerätemedizin“ und „Nihilismus“ („Ich bin eine Milz, ein Herz, zwei Nieren, etc. und irgendwo dazwischen ein ungreifbares und verlorenes Gespenst in dieser Maschine.“)

Problem ist, daß eine vermeintlich ganzheitliche Betrachtungsweise, wie die der Phänomenologie trotz aller Rhetorik und trotz dem sozusagen „buchstäblichen“ „unmittelbaren Augenschein“, oberflächlich bleibt und unfähig zu den Grundprinzipien durchzudringen. Das merkt man deutlich in der Argumentationsweise Schmitz‘ gegenüber Laska. Er bleibt penetrant „bei den Sachen“, also „bei Frau Schmitz“, und kommt nie zum eigentlichen Problem, „der Niere“. Laska kann sein Skalpell zücken und das Blut spritzen lassen, wie er will, wenn es um den eigentlichen Kern seiner paraphilosophischen Ergebnisse kommt: Schmitt bleibt an der „Hautoberfläche“ und beschreibt diese in absurder Präzision.

Laska ist natürlich kein „Metaphysiker“, der willkürlich die Welt zerstückelt, sondern mindestens so „ganzheitlich“ wie Schmitz – weshalb sie sich auch leidlich verstehen. Was ist Laska dann? Ich verweise auf die orgonometrische Gleichung oben. Natürlich ist Laska auch kein „orgonomischer Funktionalist“, aber hier gehört er doch letztendlich hin, aus historischen Gründen (Wilhelm Reich Blätter) und aus systematischen.

Kehre wir dazu zu „Frau Meier“ ins Krankenhaus zurück: Der medizinische Orgonom identifiziert sich mit „Frau Meier“, spürt in sich selbst, wie das Zwerchfell-Segment verkrampft, sieht bzw. fühlt die emotionalen („psychischen“) Zusammenhänge, schließt auf die biographischen Ursachen letztendlich auf die gesellschaftlichen und „kosmischen“ (energetisches Orgonom) Zusammenhänge und geht entsprechend auf „Frau Meier“ ein. – Laska versucht entsprechend seine „paraphilosophische“ Sichtweise deutlich zu machen und trifft bei Schmitz auf das gleiche Unverständnis, wie er es auch bei einem „Metaphysiker“ treffen würde. Die beiden Männer leben in unterschiedlichen Funktionsbereichen: Schmitz in einem oberflächlichen, Laska in einem tiefen!

Peter liest die Laska/Schmitz-Korrespondenz (Teil 12)

14. April 2024

Die Korrespondenz zwischen Hermann Schmitz und Bernd Laska ist allein schon deshalb interessant, weil sie auf verblüffende Weise ziemlich genau den Konflikt zwischen den Psychoanalytikern und Reich wiederholt.

Wie in den 1920er Jahren in Wien und Berlin geht es auch hier um eine neue „Ich-Psychologie“. Nicht von ungefähr will Schmitz Laskas Ausdruck „rationales Über-Ich“ durch den Begriff „rationale Ich“ ersetzt sehen (S. 275). – Schmitz diagnostiziert am Anfang des europäischen Denkens eine Art Zersplitterung des menschlichen Innenlebens, bei der alles, ob in uns oder in unserer Umgebung, als ein Sammelsurium objektiver Dinge betrachtet wird, zwischen denen sich ein Kampf um Vorherrschaft abspielt. Um das Jahr 1800 kam es zu einer entscheidenden Wende, als die „subjektiven Tatsachen“ entdeckt wurden, aber weiterhin alles wie „objektive Dinge“ behandelt wurde. Das Subjekt ist damit einerseits „ich selbst“, andererseits aber, da objektiv ungreifbar, zerrinnt es zu einem Nichts. Mit diesem „Ich hab‘ mein Sach‘ auf nichts gestellt!“ (Stirner) begann, so Schmitz, der Nihilismus, dessen zerstörerische Kraft wir heute in einer immer haltloseren und „kindischeren“ Gesellschaft hautnah miterleben. Ironie und Zynismus, entsprechend der angeschnittenen Entfremdung am Beginn des europäischen Denkens, und das alles beherrschende Machtspiel beginnen buchstäblich alles zu atomatisieren.

Ähnlich den „Ich-Psychoanalytikern“ zu Reichs Zeiten, die die „objektivistische“ Libido durch Soziologie (das Einbinden des Individuums in die Gemeinschaft) ersetzten, versucht Schmitz unter Wahrung der kritischen, aufklärerischen Distanz, die dem europäischen Projekt inhärent ist, die beschriebene Spaltung aufzuheben, indem er dem „Heiligen“ bzw. dem „unbedingten Ernst“ eine erneute Chance gibt, vor allem aber, indem er auf die „einpflanzenden Gesamtumstände“ setzt, bei denen der Unterschied zwischen Subjekt und Objekt weitgehend aufgehoben ist, d.h. imgrunde setzt er auf eine Einbindung in die Gemeinschaft, wie sie beispielsweise beim Spracherwerb gegeben ist. Das erinnert sehr an die Entwicklung der Psychoanalyse sozusagen „jenseits des Ödipuskomplexes“, insbesondere mit ihrem Fokus auf Frühstörungen, die Mutter-Kind-Bindung etc.

Laska hingegen beharrt darauf, daß das Ich unter dem Druck von außen zersplitterte, indem es dieses Außen in Gestalt des „irrationalen Über-Ichs“, einer nicht mehr kritisch hinterfragbaren inneren Instanz, aufnahm. Die heutigen Verhältnisse sind, so Laska, nicht etwa auf Stirner zurückzuführen, der universell als der bzw. das Böse hingestellt wird, sondern auf dessen „Bewältigung“ durch insbesondere Marx und Nietzsche. Laska versucht aber immerhin eine Brücke zu Schmitz zu schlagen, indem er erstens bestimmten „implantierenden Situationen“ durchaus nicht die Notwendigkeit abspricht und zweitens auf eine hier noch nicht genannte, dritte Instanz bei Schmitz neben dem Heiligen und der einpflanzenden Situation verweist: den „starken Daimon“, also so etwas wie einen autonomen inneren zielgerichteten Antrieb. Dieser Daimon dürfe, so Laska, nicht unterdrückt, sondern müsse gehegt und gepflegt werden, durchaus auch durch „implantierende Situationen“, um „Eigner“ im Sinne Stirners aufwachsen zu lassen.

Schmitz wendet ein, daß ein „starker Daimon“ nur bei wenigen Menschen anzufinden ist und, hätten alle ihn, gäbe es nur ein Hauen und Stechen zwischen lauter Rechthabern. Außerdem habe auch beispielsweise Hitler einen „starken Daimon“ besessen, dieser sei also nichts von vornherein Positives. Das erinnert fatal an das Menschenbild der orthodoxen Psychoanalytiker: der Mensch als sadomasochistisches Tier, das durch das Heilige und „implantierende Situationen“ gebändigt werden muß, bzw., bei den Neo-Psychoanalytikern, der Mensch als formbare Masse, der an die Hand genommen werden muß.

Übrigens ist Laskas Verständnis von „Daimon“ sehr irreführend, denn der „Dämon“ entspricht eher den „isolierten Über-Ich“, wie ihn Reich beim triebhaften Charakter beschrieben hat. Er steht keineswegs für einen starken inneren Kern. Beispielsweise meint Schmitz Goethe haben einen schwachen Daimon besessen.

Wie gesagt: das ganze wirkt wie eine um hundert Jahre versetzte Debatte zwischen den Psychoanalytikern (Schmitz) und Reich (Laska)! Sie wirft übrigens auch ein Licht zurück auf die 1920er Jahre. Schmitz  zufolge ist es „Stirner: Ich gegen eine fremde Welt“, während es für Laska „Stirner: Ich gegen das Fremde in mir“ ist. Genauso wie Schmitz dachten die Psychoanalytiker damals: den „schizoiden“ Menschen mit der Welt zu versöhnen, während Reich der „Schizophrene“ war, der gegen die Welt wütete.

Peter liest die Laska/Schmitz-Korrespondenz (Teil 11)

12. April 2024

Bernd Laska versucht mit Hermann Schmitz die Plansprache zu diskutieren und scheitert bei ihm, wie fast bei allen seinen Gesprächspartnern. Auch ich habe Plansprachen, insbesondere Esperanto, stets vehement von mir gewiesen, Tatsächlich will Laska aber auch gar nicht die Plansprachen als solche diskutieren, sondern den merkwürdig intensiven Affekt, den sie auslösen, der, Laska zufolge, so auffällig dem Affekt gegen La Mettrie, Stirner und Reich gleicht.

Nun, mit der sich dank KI wirklich minütlich verbessernden Übersetzungsprogramme werden Plansprachen als Vermittler zwischen unterschiedlichen Sprachen zusehends überflüssig und selbst wenn man sie gelten läßt, ist die Frage, wer sie „plant“. Es gibt ohnehin bereits eine allgegenwärtige Plansprache, die Mathematik – und, was die Inklusion des Qualitativen betrifft, die Orgonometrie.

Hinsichtlich des Affekts mag Laska vielleicht daran gedacht haben, daß gewachsene Sprache immer eine ganze Kultur und damit Über-Ich-Inhalte vermitteln, an die wir uns aus Freiheitsangst irrational festklammern, deshalb auch der besagte Affekt. Man denke nur an das Gendern, das die Sprache sozusagen „plansprachlich“ „entpatriarchalisieren“ soll, – womit sich zeigt, daß auch Plansprachen gegen Ideologie nicht gefeit sind. Der Manipulation sind Tür und Tor geöffnet, denn ohne die entsprechenden sprachlichen Werkzeuge wird man schließlich bestimmte Dinge nicht mal mehr denken können.

Laska sieht in der Eindeutigkeit den Hauptvorteil einer Plansprache, während gewachsene Sprachen immer mit Mehrdeutigkeiten spielen. Aber genau hier öffnet sich das Feld für eine meiner Hauptkritikpunkte an Laska und seinem LSR-Projekt: Einen Elefanten kann man erst richtig erfassen, wenn man ihn aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, also nicht immer einseitig auf das große Ohr oder das dicke Bein etc. fokussiert ist. Es ist wie bei einem Jazzstück mit seinen Improvisationen über nur einem Grundmotiv, das durch zwei Elemente lebt: daß es „ein Elefant“ ist und daß das alle ihre Elemente durchwirkt (ansonsten ist sie nämlich nur eine Abfolge von Klängen!) und, zweitens, das dieses Grundmotiv nicht monoton wiederholt wird, sondern in zahllosen Variationen, die sozusagen „den Elefanten ausleuchten“ (ansonsten ist das Musikstück nämlich eine fast unerträglich monotone Qual). Laska hatte aber leider die fatale Tendenz seinen „Markenkern“ variationslos zu wiederholen (man lese seine Website durch!), was nicht etwa zu einer unmißverständlichen Eindeutigkeit führte, sondern genau zum Gegenteil, einfach weil die Monotonie die Aufmerksamkeit nicht fesseln kann. Genauso mit Plansprachen: ihre Monotonie führt nicht etwa zu mehr Eindeutigkeit (Kontakt), sondern, weil sie allen bioenergetischen Grundlagen ins Gesicht schlägt, wird sie paradoxerweise zu mehr Mißverständnissen (Mehrdeutigkeit) führen. Eine klassische bioenergetische Fehlkalkulation!

Wer kennt das nicht, wenn man immer wieder und wieder mit immer den haargenau gleichen alten Geschichten vollgelabert wird und schließlich, in Trance versetzt, aufschreckt: „Was hast Du gesagt? Ich habe buchstäblich kein einziges Wort verstanden.“ „Peter, das habe ich Dir schon tausendmal erzählt.“ Eben!

Peter liest die Laska/Schmitz-Korrespondenz (Teil 3)

26. März 2024

Bernd Laska sagt: „(W)as kümmert mich, der ich nicht ‚Gott‘ bin, das Schicksal der Menschheit“ (S. 117). Ähhh, weil ich ICH bin? Ich bin perspektivisch immer im Zentrum der Welt. Ihre Tiefe macht mich aus, was jeder schmerzlich am eigenen Leib erfährt, der in Isolationshaft irgendwo in einem Kellerloch sitzt. Und was das „Schicksal“ dieser Welt betrifft: Ich bin nichts anderes als Spannung! Teil eines Spannungsbogens, der von der Vergangenheit in die Zukunft reicht. Weshalb würde ich sonst diesen Blog oder irgendwas betreiben, wenn ich nicht etwas vollende, dessen Keim in der Vergangenheit gelegt wurde und ich versuche einen Keim für die Zukunft zu legen? Seit der ersten Amöbe beruht darauf das Leben: die „Keimbahn“. Ohne die Tiefe und ohne die Spannung macht es gar keinen Sinn von „ich“, „Eigner“ oder „Selbst“ zu sprechen. Und das Schreckliche ist, daß wenn ich mir die junge Generation anschaue, ihr jedwede Tiefe und jedwede Spannung abgeht. Es ist tatsächlich nicht wichtig Bismark auf einer Landkarte ungefähr verorten zu können oder zu wissen, wann Bismarck ungefähr gelebt hat (das sage ich ohne Ironie!), aber wenn man sich gar nicht verorten kann und auch kein Interesse „an Raum und Zeit“ zeigt, dann ist jedes Gerede von Selbstinteresse gegenstandlos: Es ist schlichtweg „niemand zuhause“!

Dagegen setzt Laska den „‘tierisch‘ verankerten Lebenswillen“ und das „rationale Über-Ich“. Dadurch käme „ein wirklich solider (sich nicht durch z.B. suizidalen oder masochistischen Opferwillen manifestierender) unbedingter Ernst in die Welt (…), ebenso wie eine solide Verankerung des individuellen Lebens im Hier und Jetzt (und nicht in einer starren ‚Identität‘ aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Wahngemeinschaft) und ein vom rationalen Über-Ich assistiertes Leben (ohne Suche nach Sinn, sondern) mit unverlierbarem Sinn“ (S. 123f).

Lassen wir dazu Schmitz ausführlich zu Worte kommen:

Wir teilen die Sorge um das glänzende Elend eines Zeitgeistes, der die Menschheit in ziellos betriebsamer Vernetzung verstrickt, so daß sich die Stricke um die Gestaltungskraft lähmend zusammenziehen und kein großes, leidenschaftlich erfüllendes Wollen mehr durchlassen. Wir trennen uns im Durchblick durch diese Sorge auf hoffnungsvollere Möglichkeiten. (…) Die Radikalisierung, die wir beide der Aufklärung wünschen, besteht für Sie (…) in einer Engführung, auf dem im 18. Jahrhundert schon eingeschlagenen Weg mit mehr Courage und weniger Halbherzigkeit energisch fortzuschreiten, für mich dagegen in einer Verbreiterung und Vertiefung zur Wurzel (radix) der Philosophie hin, die nach meiner Definition das Sichbesinnen des Menschen auf sein Sichfinden in seiner Umgebung ist. Dieses Sichbesinnen war nach meinem Dafürhalten bei den modernen Aufklärern von Anfang an doppelt verkürzt: durch das Erbe des Christentums mit Zersetzung implantierender Situationen, autistischer und dynamistischer Verfehlung [damit meint Schmitz das Loslösen vom Weltzusammenhang, PN], und durch die (schon antike) Abspaltung einer vermeintlich autonomen Vernunft von der Autorität der Gefühle in leiblich-affektivem Betroffensein. (S. 122)

Man sieht, daß beide, Laska und Schmitz, der Orgonomie nahekommen und trotzdem ständig aneinander vorbeireden, weil Laska im „Hier und Jetzt“ gefangen bleibt und Schmitz partout Laskas Begriff von Rationalität nicht begreifen will bzw. kann, weil er in der Philosophiegeschichte sozusagen gefangen ist und nicht zu den bioenergetischen Wurzeln durchdringen kann, trotz allem „leiblich-affektivem Betroffenseins“. Wenn er etwa einwendet, daß alles „personale Erleben und Verhalten“ tierisch verankert ist (S. 125), sieht man, daß er von Panzerung nicht den Hauch einer Ahnung hat. Das Problem ist aber auch, daß Laska nicht als sozusagen „konkretistischer“ „Reichianische Sektierer“ dastehen will und deshalb auf einer Abstraktionsebene argumentiert, die den Knackpunkt, den Unterschied zwischen dem Reichschen „Menschentier“ und dem „Maschinenmenschen“ dem ahnungslosen Schmitz gar nicht nahebringen kann.

Der Knackpunkt zeigt sich, wenn Schmitz ausführt, er halte die Annahme „für verhängnisvoll (…), daß es eine konfliktfreie Entfaltung einer gesunden reinen Menschennatur geben könne, sofern nur schädigende Einflüsse der Gesellschaft ferngehalten werden und eine stützende, nicht hemmende Führung geboten wird“. Das sei eine „anthropologische Illusion“ (S. 118), aus der „emotionale Krüppel“ (S. 119) hervorgehen würden. Die „Krüppel“ sind die Ungepanzerten, die nicht wie Roboter in ihrer rostigen Ritterrüstung rumstaken…

Schmitz Bezug auf das „Leiblich-Affektive“ ist letztendlich nur Gerede, ohne jedes wirkliche bioenergetische Fundament, da er, wie gesagt, keine Ahnung von der Panzerung und ihren Wirkungen hat, während Laskas, wenn man so sagen kann, „tierische Solidität“ in der Luft hängt, also ganz und gar nicht „solide“ ist, wie ich anfangs erläutert habe.

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 117)

20. März 2024

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Das Schicksal von LSR, wie es Bernd Laska dargestellt hat:

LaMettrie wird von Gutmeinenden erst de facto kastriert und dann „rehabilitiert“ – sozusagen „jenseits der Maschine“ als Prophet der Beliebigkeit.

Stirner wird als Ultraliberaler akzeptiert a la „Anarchokapitalismus“ (etwa eigentümlich frei) und banalisiert. Sein Vermächtnis kann dergestalt nichts mehr gegen die Sauerei, die inkorporierten Hierarchien, das Über-Ich, ausrichten.

Reich wird mit Blick auf sein Emigrantenschicksal „verziehen“; er bleibt bestenfalls jemand, der einiges zur Psychoanalyse beigetragen hat – und Instrument derer, die der organisierten Psychoanalyse via Antifa-Moralisieren eins reinsemmeln wollen, sich aber stets zum großen Freud, d.h. letztendlich zum Über-Ich bekennen.

Meiner Meinung nach war Freud imgrunde nichts anderes als Schopenhauerianer (wie übrigens auch sein angeblicher Gegenspieler Hitler). Wenn man aus dieser Perspektive den Gegensatz Freud/Reich betrachtet, ist es doch interessant, daß Nietzsche Stirner („LSReich“) mittels Schopenhauer („DMFreud“) zugekleistert und verdrängt hat. Dabei kam dann bei Nietzsche folgerichtig eine Proto-Psychoanalyse heraus.

Schopenhauer? – unbefriedigbarer durch und durch diabolischer Trieb vs. „Kultur“! Das Unbehagen in der Kultur war eine einzige Schopenhauerianische Tirade gegen den „ruchlosen Optimisten“ Reich.

„Kultur“? Moral! „Metaphysik“ und Religion haben sich zu substanzloser Moral verflüchtigt. Eine Moral ohne jede Grundlage (z.B. der Mensch bei Freud: eine polymorph-perverse Bestie!). Konsequenz? Die Moral wird immer hysterischer und mit immer unmoralischeren Mitteln durchgesetzt. Deshalb hetzen ausgemachte Atheisten wie Freud und Habermas mit solcher viehischen Wut gegen L/S/R, gegen die „ruchlose Amoral“. Und deshalb wird dieser moralinsaure Haß aktuell immer schlimmer: weil in einer gott- und „grundlosen“ Welt die Moral immer stärker wird. Die Welt geht, je atheistischer und „aufgeklärter“ sie wird, der kompletten Michel Friedmannisierung entgegen! (Übrigens: aus dieser Sicht sollte man vielleicht Reichs spätes Gerede über „Gott“ betrachten!)

Peter liest die Laska/Schmitz-Korrespondenz (Teil 1)

17. März 2024

Bernd Laska sah, wenn ich die Diskussion zwischen ihm und mir von vor 20 Jahren richtig interpretiere, die Funktion Hitlers in der gegenwärtige Welt zwiefach: Erstens war Hitler der perfekte Behälter, um alles denkbar „böse“, bzw. „das Böse“ schlechthin, aufzunehmen und damit unschädlich zu machen. Durch Sequestration stabilisiert Hitler das gegenwärtige Unrechtsregime. Das Böse ist verortet und durch Zuschreibung können alle Wiedersprüche geglättet werden. Zweitens werden alle Bestrebungen, das gegenwärtige Unrechtsregime in seine Schranken zu weisen und schließlich zu überwinden, mit der Chiffre „Hitler“ abgewürgt. Immer wenn du für Liebe, Arbeit und Wissen eintrittst, outest du dich als Hitler!

Zur Jahrtausendwende hatte mit Laska dringend die Lektüre von Hermann Schmitz‘ Buch Adolf Hitler in der Geschichte (1999) ans Herz gelegt, weil hier mit Hitler anders umgegangen werde. Ich war beeindruckt. Schmitz‘ Analyse des östlichen Christentums und der verhängnisvollen Rolle von Augustinus in der Westkirche hat mich nachhaltig beeinflußt, während ich, zum Unverständnis Laskas, den Ausführungen über Hitler mit meinem antifaschistisch angekränkelten Gehirn wenig abgewinnen konnte.

So jetzt halte ich die Korrespondenz zwischen Laska und Schmitz in den Händen, die beiden größten Denker, die die Bundesrepublik hervorgebracht hat. Vielleicht das einzige, was dieses volksvernichtende GENOZIDALE Besatzungsgebilde am Ende seiner Krüppelexistenz im Nachhinein rechtfertigt.

Anfangs war ich ambivalent, was Schmitz und seine „Neue Phänomenologie“ betrifft, angesichts dessen, was Reich allgemein über das „Philosophieren“ und insbesondere über den Begründer der Phänomenologie, Husserl, gesagt hatte:

Die Unsicherheiten in der Beurteilung der eigenen Wahrnehmungen und Aussagen war [bei gepanzerten Menschen] von jeher so groß, daß man oft den Eindruck hat, als hätten sich berühmt gewordene philosophische Schulen in leere Zwangsgrübelei verrannt (z.B. Husserl). (Äther, Gott und Teufel, S. 43)

Es bleibt eine gewisse Irritation, zumal sich Schmitz einer, wie ich finde, teilweise verschrobenen Privatsprache befleißigt, während ich selbst von jeher der Überzeugung war, daß 1. die Sprache des Volkes aus der „Ausdruckssprache des Lebendigen“ hervorgegangen ist und von daher klüger ist, als es jeder Einzelne jemals sein könnte, und 2. mein (natürlich nicht absolut zu nehmendes) Lebensmotto lauten könnte: Wenn du jemanden nicht verstehst, hat dieser es selbst nicht verstanden!

Andererseits, wenn man sich etwas eingelesen hat, kann Schmitz auch für den orgonomisch interessierten Leser anregend sein. Beispielsweise, wenn Schmitz zwischen Autoritäten „in vertikaler Richtung (Autoritäten von oben)“, wie sie früher gängig waren, von den heutigen „in horizontaler Richtung (Kollektivdruck der herrschenden Meinung, political correctness, multimediale Suggestion)“ unterscheidet (S. 62). Das ist eine treffende Beschreibung des Unterschieds zwischen der alten autoritären Gesellschaft bis etwa 1960 und der daran anschließenden antiautoritären Gesellschaft.

Nichts beschreibt den Unterschied zwischen den damaligen „vertikalen“ Menschen und dem heutigen nichtigen „horizontalen“ Gekröse besser als dieser Film:

Wenn ich Schmitz richtig verstanden habe, war früher das Heilige etwas, das die Menschen im Sinne von Stirner und Laska verformt hat: die Hierarchien werden verinnerlicht – ich und eine innere Instanz über mir. Etwas, das, um mit Schmitz zu sprechen, zur „Sedimentierung von Einschüchterungen“ geführt hat, was, Schmitz zufolge, dem von Laska verwendeten Begriff des „Über-Ich“ entspricht (S. 68) – weit mehr noch aber Reichs „Schichten des Charakterpanzers“. Sedimentierung von Einschüchterungen!

HEUTE hingegen hat das Heilige geradezu eine emanzipatorische Funktion, weil es, und hier weiche ich im Sprachgebrauch sowohl von Schmitz als auch von Laska ab, dem Ich-Ideal entspricht, d.h. dem Kontakt zum bioenergetischen Kern. In die oberflächliche Welt des besagten hirntoten Gekröses, das heute unser Nachwuchs ist, zieht der Ernst ein, die Gravitation setzt ein, Kontakt und Schicksal. Überraschenderweise neige ich in dieser Hinsicht eher zu Schmitz als zu Laska.

Ohnehin wirkt die Korrespondenz teilweise wie ein Dialog zwischen Orgonomie und LSR-Projekt! Eine unverzichtbare Lektüre für jeden Leser dieses Blogs! Meine gestrigen Ausführungen im Nachrichtenbrief über das „Bauchgefühl“ und die „Beobachtung“ zeigen beispielsweise, wie Reich vieles vom Grundimpetus bei Schmitz (Subjektivität und das Objektive sind miteinander verzahnt) vorweggenommen hat. Von Daher wird dieser Briefwechsel für mich mit jeder neuen Seite immer interessanter. Ich bin auch überrascht, wie sich das Buch wie ein wirkliches Buch, geschrieben von zwei Autoren, ausnimmt und nicht wie ein Sammelsurium launiger Briefe ohne Tiefgang. Die beiden größten Denker der BRD haben zusammen das Requien am Totenbett eines 1000 Jahre alten Kulturkreises verfaßt! Tiefer und gewichtiger kann ein Buch nicht sein!

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 114)

9. März 2024

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Bernd Laska unterscheidet zwischen irrationalem und rationalem Über-Ich, durchaus in Abgrenzung zu Stirner, der an einigen Stellen nicht ganz sicher formuliert, was den „Egoismus“ und die „Eigenheit“ betrifft. Stellen, die von Konservativen auf der einen und „Postmodernen“ auf der anderen Seite gelegentlich höhnisch-anklagend hervorgehoben werden, um Stirner zu verdammen; bzw. geschätzt und betont werden, um Stirner zu vereinnahmen. Das letztere gilt beispielsweise für Perverse jeder Couleur, die „nun mal so sind“ und dabei vergessen machen, daß sie „so“ gemacht wurden.

Gemacht wurden sie in einer Gesellschaft, die von willkürlichen heiligen Prinzipien bestimmt wurden, welche nur Unheil anrichten konnten, im Gegensatz zu pragmatischen Regelungen, wie wir sie in jedem Gesellschaftsspiel oder bei jedem Mannschaftssport akzeptieren. Es geht um den Unterschied zwischen Ethik, die im Kern immer sexualfeindlich und damit „perversions-generierend“ ist, und vollkommen neutralen Vorschriften, die jederzeit in Frage gestellt werden können, wenn sie dem Zusammenleben nicht zuträglich sind.

Laskas Konzept lautete in einer privaten Mitteilung mir gegenüber: je schwächer das irrationale „fremdinduzierte“ Über-Ich ist, desto stärker kann das rationale „selbstgesetzte“ werden, denn der „genitale Charakter“ ist ja kein Spielball von Launen, sondern in der Lage, seine Triebökonomie so zu regulieren, daß er zeitlich ferne „selbstgesetzte“ Ziele ins Visier nehmen kann.

Wenn ich es richtig verstanden habe, ist es mit dem Dreischichtenmodell Reichs genauso: es gibt die irrationale, verlogene Fassade und es gibt die irrationale, pestilente sekundäre Schicht. Wenn die beseitigt sind, liegt dann der Kern offen da? Nein, denn er wird umgeben von der rationalen, sozialen Fassade (die die Arbeitsdemokratie und selbst das private Liebesleben erst funktionsfähig macht, denn wo wären wir, wenn wir immer „ungalant“ ehrlich wären?!) und der rationalen Mittleren Schicht, die in etwa dem entspricht, was man in der Alltagssprache als „Charakter“ bezeichnet (die Fähigkeit sich diszipliniert zu verhalten, sich Ziele zu setzen, die Befriedigung aufschieben, sich einzuordnen, wenn es einem langfristig zuträglich ist, etc.).

Man denke nur an das Gesellschaftsspiel oder den Mannschaftssport mit „Pokerface“, Finten, Tricks oder beispielsweise die „altruistische“ Paßkombination beim Fußball, statt mit einer weit geringeren Torchance, aber höherer Chance des eigenen Ruhms, selbst auf das Tor zu ballern. Man kann sich verstellen und man kann sich zurücknehmen, ohne „besessen“ oder gepanzert zu sein.

Email [Beweggründe] 2003

8. März 2024

Email [Beweggründe] 2003

Peter schreibt einem Leser zum Blogeintrag „Das LSR-Projekt und die Orgonomie“

30. Oktober 2023

Lieber xyz,

der Artikel hätte eher weitergehen müssen, denn irgendwie kommt es so rüber, als hätte sich Laska wegen der vielen Fremdworte und der gehobenen Sprache im Feld (oder „Nebenfeld“, sozusagen „Parafeld“) der Intellektuellen verortet, aber er hat sich immer, wie ja auch abc hervorgehoben hat, als zur „arbeitenden Sphäre“ zugehörig gefühlt. Waren die Intellektuellen Zielgruppe seiner „Orgontherapie“? Jein, denn einerseits hat sich das LSR-Projekt nun wahrhaftig nicht an „Arbeiter und Angestellte“ gewandt, die in der Mittagspause die Bild-Zeitung durchblättern, aber seine vermeintliche Zielgruppe, die „[Intellektuellen, mit denen er korrespondierte]“, betrachtete er sicherlich nur als „Transformationsriemen“. Wie das? Man lese die Bild oder schaue Fernsehen: das ist alles woke und wurde letztendlich durch die „Frankfurter Schule“ beeinflußt, selbst BlackRock und jeder Werbemanager sind das. Politik ist eine Funktion der Kultur und die Kultur wird durch Intellektuelle geprägt. Laska dachte sicherlich, wenn er die heutigen Vertreter der, nennen wir sie mal so, „Frankfurter Schule“ subversiv untergräbt, dann wird er eines Tages die Welt regieren – bzw. natürlich seine „Idee“. Schließlich geht es um nichts Geringeres als den Neustart der Aufklärung – den Neustart der gesamten Kultur, d.h. Politik, d.h. Weltrevolution.

Reichs Ansatz war ähnlich und doch anders, denn einerseits hat er natürlich auch ganze Generationen von Intellektuellen beeinflußt (damals ganz Greenwich Village zum Mißbehagen sowohl der Anarchisten als auch der Kommunisten), aber andererseits ging es ihm wirklich um die direkte Beeinflussung des Massenmenschen. Man siehe sein Buch Was ist Klassenbewußtsein? von 1934.

Nein, um Gotteswillen nein, die Muskeln werden nicht durch „Orgonbestrahlung“ gelockert und Massage: Dr. Nicola hat mich noch nie berührt!

Was ist dann die Entsprechung? Beispiel: Herr A. kommt zum Orgonomen. Sie sprechen miteinander, egal über was, etwa den Tod seines Hundes. Dabei lächelt Herr A. „Warum lächeln Sie?!“ Er wird sich seines „gepanzerten“ Verhaltens bewußt und fängt an zu weinen, wobei Erinnerungen hochkommen, daß einmal sein Vater den Welpen, der gerade die Wohnung vollgeschissen hatte, tottrat, den er ihm zuvor zu Weihnachten geschenkt hatte. Aus dem Weinen werden aufgrund der Erinnerungen wilde Muskelzuckungen. Er strampelt, schreit, muß sich übergeben, was ihn wieder an das Malheur des Welpen erinnert und am Ende haben wir einen wildzuckenden Plasmahaufen vor uns. Jemand, der in einer Stunde Orgontherapie mehr „an sich gearbeitet hat“, als etwa in zehn Jahren Psychoanalyse.

Laska ist genauso vorgegangen: „Herr [Intellektueller], warum lächeln Sie?“ Natürlich nur im übertragenen Sinne: immer und immer wieder auf das geistesgeschichtlich Verdrängte hinweisen, bis die Panzerung schließlich kollabiert und man „intellektuell“ weiterkommen kann.

Hintergeht man diesen „therapeutischen“ Ansatz, wenn man nun Laskasche Essentials exponiert und genau das macht, was Laska vermieden hat, nämlich sozusagen ein „Laska in 10 Punkten“ vorlegt? Auch jein, denn Laska ist ja nicht ohne Grund so vorgegangen, aber hier haben wir es auch mit einem Kategorienfehler zu tun: So ist Laska vorgegangen! Wenn unsereins nun daraus eigene Schlüsse und Schlußfolgerungen und „10 Punkte“ zieht oder, wie es der LSR-Maschinenraum tut, aus Laskas Vorlaß zitiert, dann tun wir exakt das, was Laska ja erreichen wollte: daß „man“ sich mit dem LSR-Projekt auseinandersetzt.

Außerdem unterscheiden sich sowohl das LSR-Projekt als auch die Orgontherapie in einer Hinsicht grundsätzlich von der Psychoanalyse: Leute, die sich analysieren lassen wollen, sollen tunlichst keine psychoanalytische Literatur lesen, weil dann alle Deutungen verpuffen („Ah ja, der Ödipuskomplex, nicht wahr?!“). Im Gegensatz dazu kann man das gesamte orgonomische Schrifttum auswendig lernen bzw. alles kennen, was Laska je von sich gegeben hat – es macht nicht nur keinen Unterschied, sondern hilft eher. „Was soll ich hier? Kinderkram! Dieser Typ fragt mich nach Belanglosigkeiten, etwa, was ich gerne esse oder wie oft ich mit meinem Hund Gassi gehe!“ – „Was soll das? Was gehen uns heute noch irgendwelche Histörchen am Hofe Friedrich des Großen an? Kinderkram für philosophische Laien! Wollen wir nicht lieber über Probleme der Analytischen Philosophie debattieren? Also über was heute Relevantes!“

Herzliche Grüße,

Peter

Das LSR-Projekt und die Orgonomie

28. Oktober 2023

Warum hat sich Laska nie erklärt? Nie den Kern seines LSR-Projekts mundgerecht und für alle nachvollziehbar in wenigen programmatischen Sätzen zusammengefaßt und seiner Netzseite vorangestellt?

Meines Erachtens ist das so, weil die Geschichte der Stirnerianer und Reichianer gezeigt hat, daß dabei nur Trivialitäten herauskommen würden, die das ganze ins Gegenteil verkehren. Bei Stirner war das der „Egoismus“, dem doch ohnehin jeder frönt, bei Reich, und auch LaMettrie, die Lust, die doch ohnehin jeder anstrebt. Und selbst, wenn man alles ganz im Sinne Laskas formulieren würde, von wegen „Kinder der Zukunft“. „Über-Ich“ etc. Die Antwort seriöser Menschen auf „LSR in 10 Punkten“ wäre ein: „Bitte belästigen Sie mich nicht mit derartig pubertärem Zeugs!“

Aus einem ähnlichen Grund hat Reich die Psychoanalyse zur Charakteranalyse und dann zur Orgontherapie weiterentwickelt: weil inhaltliche Deutungen wie „Sie haben Ihre Mutter geliebt und Ihren Vater als Konkurrenten angesehen!“ verpuffen und mit einem müden Achselzucken goutiert werden: „Bitte belästigen Sie mich nicht mit derartigem Kinderkram!“

Laskas Projekt entspricht eindeutig dem Vorgehen des Orgontherapeuten. Anders als in der Psychoanalyse werden nicht Ideationen („freie Assoziation“, spontane Erinnerungen) benutzt, um Affekte auszulösen, sondern umgekehrt: die Lockerung der Panzerung und die mit ihnen einhergehenden Affekte produzieren spontan Ideationen (Erinnerungen), oder auch nicht, und die sind dann auch reliabel, bringen den Patienten tatsächlich weiter und erzeugen ihrerseits Affekte. Genauso mit dem LSR-Projekt: Laska wollte nicht „herumphilosophieren“, die Welt mit irgendwelchen letztendlich willkürlichen Theorien beglücken (durch Verwirrung noch mehr ins Unglück stürzen), sondern er wollte zu zwingenden Einsichten führen. Also nicht „Einsichten“ präsentieren, denen man sich anschließen kann, sondern zeigen, wie eine bestimmte, nicht genannte Einsicht bisher systematisch verdrängt wurde. Laska wies dabei auf ganz bestimmte historische Vorkommnisse hin.

Seine These war, daß die Aufklärung gescheitert ist und daß es drei, und zwar ausschließlich diese drei, hochspezifischen Schlüsselereignisse gegeben hat, die dieses Scheitern nicht nur exemplifizieren, sondern auch zeigen, wie man die Aufklärung doch noch retten könnte: LaMettries Verdrängung durch die Enzyklopädisten und deren Umfeld, insbesondere Rousseau, Stirners Verdrängung durch Marx und Nietzsche, und Reichs Verdrängung durch Freud und die Freudo-Marxisten. Es ging jeweils um das Über-Ich als unhinterfragbare Instanz und vor allem als eine Instanz, die sich hinter allen möglichen „aufklärerischen“ Masken verbirgt.

LSR ist an die besagten drei Ereignisse gebunden, deren Durchdringung die Aufklärung (d.h. die Aufhebung induzierter Unmündigkeit = die Auflösung des Über-Ich) wieder in Gang setzen könnte. Die Orgonomie hingingen ist weniger eingeschränkt, hat es einfacher, da sie durch Reichs Charakteranalyse über ein Strukturmodell verfügt, das jedem vermittelbar ist. Die Orgonomie kann auf jeder Ebene, zu jeder Zeit, bei jedem Ereignis ansetzen. Dem LSR-Projekt fehlt es vom Grundansatz her an einer solchen „Schablone“. Und überhaupt: wie einem Bäcker, Schreiner, Spezialisten für Quantenchromodynamik, der noch nie von Stirner gehört hat und der nur eine vage Vorstellung von Rousseau hat, – wie dem das LSR-Projekt nahebringen? Laskas Zielgruppe sind die heutigen Entsprechungen zu den „Enzyklopädisten“, „Junghegelianern“, „kritischen Theoretikern“. Die Zielgruppe der Orgonomie hingegen ist eher der „Laie“ als der Spezialist. Das sieht man schon daran, daß sich ab etwa 1928 Reichs Schreibstil drastisch veränderte: von einem mit Fremdworten gespickten „Psychoanalysesprech“ zu einer einfachen Sprache, die wirklich jeder ohne Anstrengung verstehen kann. Bezeichnenderweise ist er zu dieser Zeit auch nie dem typischen „Marxismussprech“ verfallen, den kein Mensch nachvollziehen kann – und der sich in nichts auflöst, wenn man ihn in einfache Sprache überträgt. (Man mache sich mal den Spaß und „übersetze“ auf diese Weise eine Rede Rudi Dutschkes!)