Posts Tagged ‘Homo oeconomicus’

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Wahlverhalten” und folgende

22. Mai 2025

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Wahlverhalten“ und folgende

Die biologische Fehlrechnung in der Ökonomie (Teil 4)

6. September 2023

Eine genuine Ökonomie, d.h. ein wirkliches Bewirtschaften wird, Heinsohn zufolge, nicht durch letztendlich biologisch bedingte Bedürfnisse in Gang gesetzt, sondern erst durch die blinde Mechanik der Eigentumsökonomie. Erst durch sie komme es zu wirtschaftlicher Dynamik mit einem entsprechenden Austausch von Gütern bzw. Waren. Der „von Natur aus“ rational tauschende „Mensch an sich“ sei, so Heinsohn, eine Illusion. Der entsprechende Tausch sei auch gar nicht in Stammes- und Feudalgesellschaften auffindbar. Erst wenn die Ökonomie durch das Eigentum auf ein neues Abstraktionsniveau gehoben wird, tritt der Homo oeconomicus, der „10 Kühe gegen 100 Schafe“ tauscht, in Erscheinung. Das ist die berühmte „unmenschliche Kälte“ des Kapitalisten, der „selbst seine Großmutter verkaufen würde“. Letztendlich kommt diese Kälte in die Welt, weil der Eigentümer mit seinem Vermögen als Sicherheitspfand haftet.

Problem dieser Argumentation ist, daß es in Stammesgesellschafen (von Heinsohn unbestritten!) jede Menge von Tauschvorgängen gibt, nur daß dort der Tauschvorgang selbst wichtiger zu sein scheint als die Tauschobjekte und daß ihr jeweiliger Gegenwert keiner bestimmten Regel zu unterliegen, sondern rein subjektiv zu sein scheint. Nach Heinsohns Ansicht nichten diese Beobachtungen die Grundannahmen der klassischen Wirtschaftstheorien. Mag sein, aber die Tatsache des Tausches bleibt. Im übrigen können wir ähnliches, d.h. einen derartigen „irrationalen“ Tausch auch in unserer gegenwärtigen Ökonomie beobachten, nämlich dann, wenn es um Luxusgüter und um Kunst geht. Werner Sombart zufolge (siehe meinen Aufsatz Ökonomien und Sexualökonomie) hat sich ausgerechnet aus diesem Bereich heraus der Kapitalismus entwickelt!

Aber nochmals: erst mit den von immateriellen Strukturen (nämlich Rechtstiteln) bestimmten Eigentumswirtschaft träte, Heinsohn zufolge, der besagte Homo oeconomicus auf, den man bisher für die gesamte Menschheitsgeschichte postuliert hatte. Was Heinsohn nicht sieht ist, daß gerade Stammesgesellschaften von immateriellen Strukturen, „Rechtstiteln“, beherrscht werden. Der einzige Unterschied zur Eigentumsgesellschaft ist, daß diese stets personenbezogen sind, insbesondere was wirkliche und imaginäre (totemistische) Verwandtschaftsverhältnisse betrifft, während sie in der Eigentumsgesellschaft sozusagen „blind und mechanisch“ sind, d.h. bioenergetischer Kontakt keine Rolle spielt bzw. nur stört. Man denke in diesem Zusammenhang auch an die „DDR“, in der es als Reaktion auf die ineffiziente „blinde und mechanische“ Planwirtschaft spontan zur Bildung eines landesweiten informellen und extra-legalen Netzes von Tauschbeziehungen kam, das auf persönlichen Kontakten und entsprechend vermeintlich „willkürlichen“ Tauschverhältnissen beruhte – und das, sozusagen als sich spontan bildende Arbeitsdemokratie, die vollkommen inflexible sozialistische Planwirtschaft zumindest zeitweise über Wasser hielt.

Heinsohn führt in seiner Eigentumsökonomik aus, daß „Geld im eigentlichen Sinne“ nicht durch das Bedürfnis nach Tauscheffizienz entstanden sei, sondern durch Kreditvereinbarungen zwischen Eigentümern entsteht, d.h. nichts anderes als beliehenes Eigentum ist. Aus diesem Grund habe es im Sozialismus, obwohl „Geldscheine“ gedruckt wurden, gar kein Geld gegeben. Auch könnten, so Heinsohn, Güter und Waren kein Geld im eigentlichen Sinne sein. Wenn man nun auf „Kauri-Muscheln“ auf Neuguinea und ähnliches verweist, bestreitet Heinsohn schlichtweg, daß es sich um „wirkliches Geld“ handelt. Durch solche „Präzisierungen“ sorgt Heinsohn genau wie beim Tausch m.E. für mehr Verwirrung, als er beseitigt. Für ihn gab es nämlich keine „Ur-Arbeitsdemokratie“ und gibt es keine gegenwärtige, wenn man so will, „Grundarbeitsdemokratie“, die beide auf einem Netz von Beziehungen (der bioenergetischen Spannung in der Arbeitssphäre) beruhen. Tatsächlich ist aber der „beziehungslose“, man verzeihe mir den Ausdruck, „Eigentumskapitalismus“ eine mechanistische Entartung der Arbeitsdemokratie.

Zwei Arten von Debitismus (Teil 3)

23. März 2013

Trotz des im zweiten Teil herausgearbeiteten Gegensatzes haben die Theorien von Gunnar Heinsohn und Robert A. Harman eine in vieler Hinsicht identische Struktur: den „Debitismus“, d.h. es dreht sich alles um den Gläubiger-Schuldner-Kontrakt, der den Kern der Ökonomie ausmacht. Der entscheidende Unterschied ist, daß Heinsohn nicht erkennt, daß damit entscheidend die Charakterstruktur der Menschen ins Zentrum der Ökonomie rückt. Zur Problematik der Emotionellen Pest hat die Heinsohnsche Eigentumsökonomie schlichtweg nichts zu sagen.

Da es, behauptet Heinsohn, ohne Schulden kein Geld gäbe, sei auch die Verschuldung von Staaten und Privatpersonen nicht das Problem, solange die Schulden nachhaltig verwendet und nicht etwa in sinnlosen Sozialprogrammen verschleudert werden. Der Staat, auf den ja das Eigentum zurückgeht, soll gegensteuern, wenn das Eigentum, hauptsächlich aufgrund des Zinsmechanismus, zu unebenmäßig verteilt ist und das ganze System zu kippen droht, weil es schlichtweg zu wenig Eigentümer gibt, d.h. „die Zäune zwischen den Parzellen“ hinfällig geworden sind. Letztendlich muß der Staat, wie am Anfang der Eigentumsgesellschaft, das Eigentum erneut verteilen („neue Zäune ziehen“) und das Spiel beginnt von vorne. Spätestens hier wird die ganze seltsam in der Luft schwebende Heinsohnsche Konstruktion, die Recht auf Willkür gründet, fragwürdig, denn bei einem Kollaps der Wirtschaft werden von ganz alleine jene Mechanismen greifen, etwa der Goldstandard oder untereinander konkurrierendes Privatgeld, die die Österreichische Schule beschrieben hat.

Die Österreichische Schule, deren bekannteste Vertreter Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek waren, kommt der arbeitsdemokratischen Anschauung zwar sehr nahe, bezeichnenderweise verzichtet sie auch weitgehend auf Mathematik, jedoch bleibt hier am Ende gegen den Machtmißbrauch nur ein hilfloser Appell an die Moral und die Ethik. Das Problem der Emotionellen Pest ist jedoch kein psychologisches Problem („Weltanschauung“), sondern ein biologisches. Es angehen zu wollen, umfaßt Bereiche, die weit über den der reinen Wirtschaftstheorie und wohlfeiler Verhaltensmaximen a la Kant hinausgehen. Sie auch nur anzuschneiden, läßt einen sofort als „Reichianischen Sektierer“ dastehen, sind doch „Sektierer“ dadurch gekennzeichnet, daß sie „nicht bei der Sache bleiben“.

Zum Abschluß möchte ich nochmals auf das Anfangsproblem zurückkommen: daß die Vorstellung eines „natürlichen Homo oeconomicus“ anthropologisch unhaltbar sei, da sie von den ethnographischen Erhebungen in keinster Weise gedeckt werde. Die von der Österreichischen Schule und letztendlich auch von Robert A. Harman als „naturgegeben“ gefeierte Eigentumsökonomie muß dann entsprechend wie ein Einbruch der „Unnatur“ wirken. Als lebenslanger „Hans Hassianer“ sehe ich das genaue Gegenteil: den erneuten Durchbruch der Naturgesetze. Ich verweise auf meinen Aufsatz Hans Hass und der energetische Funktionalismus:

Aus Sicht der Energontheorie ist die Wirtschaft die unmittelbare Fortführung der Evolution und der „Berufskörper Schuster“ unterliegt imgrunde den gleichen „betriebswirtschaftlichen“ Zwängen wie der „Berufskörper Seeanemone“, Hai, Kellerassel und so fort. Wirtschaftlicher Erfolg beruht aus dieser Sicht auf einem einzigen Faktor: der Aufschlüsselung der Energiequelle. Beim Hai sind das Fische, beim Schuster Kunden. Der Unterschied zwischen einer altertümlichen Besitzgesellschaft und einer modernen Eigentumsgesellschaft ist demnach folgender: in der ersteren verhalten sich die Menschen wie Tiere, die wie alle anderen Tiere auch die natürlichen Ressourcen aufschlüsseln, während in einer kapitalistischen Gesellschaft Kunden aufgeschlüsselt werden. Damit ändert sich alles, „denn Fische werden gefressen und sind dann weg“, während zufriedene Kunden wiederkommen und dazu beitragen, daß immer mehr Kunden kommen. Das und das Geld erklärt den Erfolg des Kapitalismus, denn Geld wirkt als überwertiges Schlüsselsignal, das wirklich alles Erstrebenswerte zusammenfaßt (Sex, Behausung, Nahrung, Prestige, etc.). Dafür reiben sich die Menschen auf.

In Stammesgesellschaften sind die Tiere der Art Homo sapiens, wie alle anderen Herdentiere auch, vor allem damit beschäftigt, die ständig vor dem inneren Zerfall bedrohte Gruppe zusammenzuhalten. Dem dient vor allem der Tausch, d.h. die gegenseitige Verpflichtung und damit Bindung. In der Eigentumsgesellschaft zerfällt diese „gute alte Zeit“ und das Individuum mit „parzellierten Grundstücken“ tritt in Erscheinung. Nominell existiert die Tierart „Menschen“ zwar fort, aber aus evolutionsbiologischer Sicht tritt nun eine vollkommen neue Fauna in Erscheinung: die Welt der Ökonomie, in der es nicht anders zugeht als zwischen den Tierarten, die etwa ein Korallenriff bevölkern. Aus dieser Perspektive wird auch die klassische Ökonomie wieder in ihre alten Rechte gesetzt, da die ethnographischen Erhebungen über Stammesgesellschaften vollständig irrelevant werden.

arbeitheiharhass

Zusammenfassend:

  1. Man betrachte Wölfe, deren Hauptbeschäftigung darin besteht, die Struktur des Rudels zu sichern. Genauso sind auch Stammesgesellschaften fast ausschließlich damit beschäftigt, den Zusammenhalt der überlebensnotwendigen Gemeinschaft durch ritualisierte Tauschakte aufrechtzuerhalten.
  2. Wölfe leben davon, im Rudel Wild zu erlegen. Horden von Homo sapiens leben zusätzlich je nachdem vom Fischen, Sammeln, Ackerbau und Viehzucht. Anders als diese Tiere darf der Homo oeconomicus, d.h. das Glied einer Eigentumsökonomie, nicht mehr auf Raub aus sein, wenn er seine Energiequelle optimal erschließen will.

In der ersten Phase der Evolution (bei Pflanzen und Tieren) geht es darum, die Schwachstellen der Nahrungsquelle möglichst effizient auszunutzen. In der zweiten Phase der Evolution (bei den Berufskörpern) geht es darum, die Schwachstellen der „Nahrungsquelle“ (also des Kunden) zu beseitigen und sie (d.h. dem Kunden) an den Lieferanten der Ware zu binden: auf diese Weise profitieren beide Seiten von einem rationalen Tauschvorgang. Ein Unterschied zur üblichen Wirtschaftstheorie, wie sie auch Heinsohn vertritt, besteht darin, daß, während sich bei ihr primär alles um den Gewinn dreht, sich der Energontheorie zufolge der Berufstätige und das Unternehmen nach dem Bedarf und der bestmöglichen Befriedigung des Kunden richten müssen, um langfristig erfolgreich zu sein. Entsprechend gestaltet sich der Tausch in der Eigentumsgesellschaft („Marktwirtschaft“).

Träumereien von einer Rückkehr zu einer Art Stammesökonomie, haben die innere Dynamik des Geschehens nicht erfaßt. Ebensogut könnte man fordern, daß die Menschen wieder auf allen Vieren rumlaufen!

Das grundsätzliche Problem mit Hass ist, daß er zwar erkannt hat, daß der Energiemetabolismus die Grundlage der Ökonomie ist, er dabei aber offen läßt, um was für eine Art von Energie es sich dabei eigentlich handelt. Harman hat dargelegt, daß sich in der Ökonomie orgonotische Erregung durch Tauschakte ausbreitet und daß dieser Vorgang von jenen gestört wird, die aus charakterstrukturellen Gründen Erregung nicht ertragen können und sie deshalb aus ihrer Umgebung zu verbannen trachten (Emotionelle Pest). Aus dieser Sicht bietet sich uns schließlich folgendes Bild:

In Biologische Entwicklung aus orgonomischer Sicht habe ich dargelegt, wie sich die Naturgeschichte als Versuch darstellt, die ursprüngliche orgastische Potenz der Einzeller auf der Ebene der Mehrzeller wiederherzustellen, was erst in Gestalt des „orgasmischen Menschen“ vollständig geglückt ist. Wie sich das auf der Ebene der „Hyperzeller“ wiederholt, läßt sich aus Harmans Ausführungen erschließen.

Es bleibt die Frage, wie denn gepanzerte Menschen eine imgrunde funktionierende Ökonomie haben herstellen können? Umgekehrt wird ein Schuh draus! Das Wirtschaftssystem ist nicht menschengemacht, genausowenig wie der menschliche Organismus menschengemacht ist. Das einzige Problem sind die Eingriffe durch emotionell pestkranke Menschen, die Emotionelle Pest. Entsprechend sind auch alle Versuche das Wirtschaftssystem zu ändern letztendlich Emotionelle Pest.

Hier ein Beispiel für die unlösbare Verbindung von Arbeitsdemokratie und Marktwirtschaft. Ab Minute 59:30 begleitet der BBC-Reporter Louis Theroux den schlimmsten Rassisten Amerikas, Gründer der White Aryan Resistance bei dessen Tagesgeschäft als Fernsehmonteur und wundert sich, wie gut er mit seinen „nicht-arischen“ Kunden zurechtkommt, sogar mit ihnen befreundet ist. Theroux bezeichnet ihn daraufhin als Heuchler, während der Rassist ihm entgegenhält, er, der BBC-Reporter, sei weltfremd. So sei das halt in der wirklichen Welt. Der lebensnotwendige Tausch zwischen den Menschen führt sie über alle Ideologien hinweg zusammen und verhindert den Bürgerkrieg, der in einer „solidarischen“ Gesellschaft sofort ausbricht.

[youtube:http://www.youtube.com/watch?v=FqK2ILCq-do%5D

Zwei Arten von Debitismus (Teil 1)

19. März 2013

Wenn ich die orgonomische Wirtschaftstheorie, wie sie von Charles Konia und Robert A. Harman auf der Grundlage von Reichs Erkenntnissen dargelegt wurde, richtig verstanden habe, ist das gegenwärtige Wirtschaftssystem bruchlos aus dem Austausch zwischen den ersten Menschengruppen hervorgegangen. Ursprünglich setzte sich die Menschheit aus kleinen Clans zusammen, die sich mehr oder weniger feindlich gesonnen waren. Ganz ähnlich den Zuständen, die wir bei Schimpansenhorden beobachten. Die einzelnen Clans fanden erst durch komplizierte Heiratsregeln und durch quasi „Kreditgeschäfte“ dauerhaft zueinander und konnten einigermaßen friedliche Gesellschaften bilden. Bei den besagten „Kreditgeschäften“ ging es um Geschenke, die den Beschenkten implizit verpflichteten ein wertvolleres Gegengeschenk zu geben. Das war sozusagen der erste „Zinsstreß“, ging es doch um die Gefahr des Gesichtsverlusts und des sozialen Todes (der zwangsläufig den physischen Tod nach sich zog, denn auf sich allein gestellt, konnte niemand überleben).

Durch die Zusammenarbeit der Clans kam es zu wachsender Arbeitsteilung und die „Kreditgeschäfte“ betrafen schließlich auch Güter: Wildbret, Fisch, Töpferwaren, Früchte, etc. Beispielsweise läßt sich der „Handel“ mit Sperrspitzen über ganze Kontinente hinweg nachweisen. Das, was ursprünglich die Clans zusammengeführt und zusammengehalten hatte, organisierte nun die Arbeitsdemokratie: ein unüberschaubares Netz gegenseitiger Verpflichtungen. Schließlich kam durch das Marktgeschehen das Geld auf, um den Austausch zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Gestört wurde das System durch immer neue Einbrüche der Emotionellen Pest. Die Emotionelle Pest bewirkte, daß das freiwillige Geben eine immer geringere Rolle spielte und stattdessen das Nehmen ausuferte.

Der Ausgangspunkt von Harmans Argumentation sind die beiden folgenden Stellen aus Reichs Massenpsychologie des Faschismus:

Die Summe aller natürlichen Arbeitsbeziehungen nennen wir Arbeitsdemokratie, als die Form der natürlichen Organisation der Arbeit. Diese Arbeitsbeziehungen sind ihrem Wesen nach funktionell und nicht mechanisch. Sie können nicht willkürlich organisiert werden, sie ergeben sich spontan aus dem Arbeitsprozeß selbst. Die wechselseitige Abhängigkeit eines Tischlers von einem Schmied, eines Naturforschers vom Glasschleifer, eines Malers von der Produktion des Farbstoffes, eines Elektrikers von der Metallarbeit ist an sich durch die Verwobenheit der Arbeitsfunktionen gegeben. (Fischer TB, S. 312)

Dieses Gewebe wechselseitiger Abhängigkeiten und Verpflichtungen formiert sich spontan und kann nicht künstlich geschaffen bzw. durch Vorgaben, gar Befehle hergestellt werden. Wenn es doch versucht wird, geschieht allenfalls das gleiche wie bei den Primitiven, wenn man diese willkürlich organisieren will: sie gehen, wenn sie denn gezwungen werden, in den inneren Streik. An einem ähnlichen Zwang ist beispielsweise die „DDR“ zugrundgegangen: ihr tut so, als wenn ihr uns bezahlt und wir tun so, als wenn wir für euch arbeiten.

[W]enn weiter die Arbeitsfunktionen an sich und unabhängig vom Menschen rational sind, dann stehen vor uns zwei riesenhafte Betätigungsgebiete des menschlichen Lebens, einander todfeindlich, gegenüber: die lebensnotwendige Arbeit als rationale Lebensfunktion hier; die emotionelle Pest als irrationale Lebensfunktion dort. (ebd., S. 330)

Entsprechend ist heute Wirtschaftswissenschaft das Studium der Wechselwirkung zwischen der Arbeitsdemokratie und der Emotionellen Pest:

ArbeitsHeinhar

Die orgonomische Wirtschaftstheorie steht heute jedoch vor einer ähnlichen Situation wie Reich Mitte der 1920er Jahre. Damals war Reich angesichts von Freuds Totem und Tabu mit dem Problem konfrontiert, daß seine Orgasmustheorie anthropologisch unhaltbar zu sein schien, waren doch die Primitiven (also jene, die dem „orgastisch potenten Naturzustand“ vermeintlich am nächsten standen) „patriarchal, neurotisch und pervers“. Ihre Leben schien von Männerwillkür, neurotischem Aberglauben und beispielsweise von grausamen Genitalverstümmelungen beherrscht zu sein. Damals wurde der „edle Wilde“ Rousseaus vollständig dekonstruiert. Das Bild des Wilden verdüsterte sich derartig, daß selbst Freuds Todestriebtheorie glaubhaft wirkte.

Es muß für Reich wie eine Erlösung gewesen sein, als er auf die Arbeit von Bronislaw Malinowski über die Trobriander stieß, die seine Orgasmustheorie vollauf bestätigte. In den 1980er Jahren konnte James DeMeo dann die Stichhaltigkeit des Reichschen Ansatzes durch eine kulturvergleichende Studie nachweisen, die sämtliche ethnographisch untersuchten Völkerschaften umfaßte.

Wenn man sich nun daran macht, im Anschluß an die klassischen Wirtschaftstheorien seit Adam Smith eine orgonomische Wirtschaftstheorie zu formulieren, wonach der rationale Austausch zwischen den Menschen (die Arbeitsdemokratie) durch die Emotionelle Pest gestört wird, steht man vor einem ganz ähnlichen Problem, denn die Ethnologie zieht ebenfalls seit Anfang des letzten Jahrhunderts die Vorstellung eines rational handelnden (tauschenden) Wilden in Zweifel. Tauschhandlungen habe es nur im Rahmen der Sitte und Ritualen gegeben und es sei dabei um Dinge wie Ehre, Ehrgeiz, Angst vor Gesichtsverlust, etc. gegangen. Tausch galt also weniger dem materiellen Erhalt der Gemeinschaft, als vielmehr dem sozialen Ausgleich.

Erst mit der Zivilisation sei das Element der rationalen Wirtschaftsführung hinzugetreten, Kosten-Nutzen-Analyse, Bereicherung, Kapitalakkumulation, etc. Die klassische Ökonomie hätte dann mit viel Phantasie einen rationalen „Homo oeconomicus“ an den Anfang der Entwicklung gestellt. Diesem war es zwar ebenfalls um den sozialen Ausgleich zu tun („Geben und Nehmen zum gemeinsamen Vorteil“), doch ging dies vom rational kalkulierenden Subjekt aus. Quasi wurde der zeitgenössische Kaufmann zurück in den Urwald versetzt losgelöst von allen Stammesstrukturen.

Ende der 1920er Jahre postulierte Reich, sich auf Malinowski berufend, einen „Urkommunismus“ bei den Trobriandern, d.h. eine solidarische Gemeinschaft, in der, wenn man so sagen kann, die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ verwirklicht war. Malinowski selbst sollte in seinem 1935 erschienenen Buch Korallengärten und ihre Magie (Bodenbestellung und bäuerliche Riten auf den Trobriand-Inseln), das m.W. Reich nie gelesen hat, dieser Interpretation entschieden entgegentreten. Auch lehnte Malinowski die gegenteilige Interpretation ab, daß es sich bei den Wilden um eine Art rücksichtslosen „Urkapitalisten“ handele. Beispielsweise ist ein aufwendiges hochseetüchtiges Kanu nicht einfach „Allgemeingut“, sondern es gehört einer Person, die jedoch in einem schier unentwirrbaren Gestrüpp von Verpflichtungen gegenüber jenen eingebunden ist, die ihr beim Bau des Kanus geholfen haben. In seiner orgonomischen Wirtschaftstheorie geht Robert Harman im Detail darauf ein. Die Trobriandrische Gesellschaft wird von einem Netz gegenseitiger Verpflichtungen organisiert, durch ein universelles Geben und Nehmen.

Am Ende seines Buches über die Ökonomie der Trobriander schrieb Malinowski etwas, was später noch in einem ganz anderen Zusammenhang Bedeutung gewinnen wird:

Abschließend möchte ich noch hervorheben, daß sich im Licht dieser Analyse zeigt, wie vergeblich die Unterscheidung zwischen kommunistischem und Privateigentum ist. Ich hätte durchweg zeigen können, wie jeder Anspruch, jede Beziehung zwischen Mensch und Boden betontermaßen sowohl individuell wie kollektiv ist. Die Konzeption der ursprünglichen Heraufkunft (der Clans aus dem Inneren der Erde, PN) impliziert eine große Verwandtschaftsgruppe, den Subclan, der uranfänglich von einem Individuum, der Urahne – vielleicht auch ihrem Bruder –, repräsentiert wird, und den heute gleichermaßen ein Individuum repräsentiert, das Oberhaupt. Diese Gruppe ist nach Geschlecht und Alter differenziert und in kleinere Lineages unterteilt. Und innerhalb des Subclans gibt es sogar individuelle Besitztitel auf Land, und das Land selbst ist gleichsam aus Rücksicht auf den Wunsch nach individuellen Unterscheidungen aufgeteilt. Obwohl nämlich der persönliche Parzellenbesitz in gewisser Weise unserer eigenen Vorstellung von letztgültigen Verhältnissen im Bodenrecht am nächsten kommt, ist er doch auf den Trobriand-Inseln nur von allergeringster ökonomischer Relevanz. Dennoch ist dieser Umstand hier äußerst wichtig, da er belegt, wie wenig der sog. Urkommunismus in der Wirtschaftseinstellung der Eingeborenen vorkommt. Geradezu zum Ärger der anthropologischen Theoretiker insistiert der Trobriander darauf, eine eigene Parzelle zu haben, die mit seinem Personennamen assoziiert ist. Bei der alten Entgegensetzung handelt es sich um einen schlechten und unklugen Kurzschluß; durchgehend haben wir gesehen, daß das eigentliche Problem nicht im Entweder-Oder von Individualismus und Kommunismus liegt, sondern in der Wechselbeziehung kollektiver und persönlicher Ansprüche. (Korallengärten und ihre Magie, Frankfurt 1981, S. 413)