Die autoritäre Gesellschaft beruhte im Wesentlichen darauf, daß die Menschen „nicht aus der Reihe tanzen“. Die Gesellschaft war bei allen Klassenkämpfen und Kriegen doch eine einheitliche Formation. Genau das hat Reich 1934 in Was ist Klassenbewußtsein? beklagt und Wege beschrieben, wie dieses Gebilde aufzuspalten ist.
Was die einheitliche Formation betrifft verweise ich auf den nach oben gerichteten einheitlichen Pfeil in der Abbildung in Teil 4. Wie kam es „1960“ zur in Teil 4 beschriebenen Aufspaltung dieses einheitlichen Impulses, d.h. zur Transformation von der autoritären zur antiautoritären Gesellschaft?
Es war die „sexuelle Revolution“, vor der Reich bereits 1953 in Christusmord gewarnt hatte, sie könnte zum Untergang der Menschheit führen. Man nehme etwa die „Bewegung für freie Meinungsäußerung“, Stichwort Woodstock, die die autoritäre Gesellschaft tatsächlich zerstörte. Und wie? Indem man alles und jeden „psychoanalysierte“. Das war krank und zerstörte jeden Kontakt, machte die Menschen ahnungslos bis hin zur Psychose. Das Ergebnis ist, daß sich heute niemand mehr traut, etwas zu sagen, weil buchstäblich ein bloßes „Hallo“ einen als „Rassisten, „Misogynsten“, „Transphobiker“ oder was auch immer dastehen lassen kann. In einer dialektischen Verdrehung zerstört entsprechend heute die freie Rede die antiautoritäre Gesellschaft. Die Gesellschaft ist auf jeder Ebene gespalten und jeder steht gegen jeden. Ich verweise nochmals auf die Illustration in Teil 4!
Ich glaube tatsächlich, daß die Psychoanalyse die westliche Gesellschaft zerstört hat, so wie Kinder reihenweise von ihren „psychoanalytischen“ Eltern zerstört wurden. Alles und jedes wird „hinterfragt“. „Du hast also Hunger? Was willst du mir damit eigentlich wirklich sagen? Was bedeutet ‚Hunger‘, meine Liebe? Was verbindest du mit diesem Begriff?“ usw. In gewisser Weise hat auch die Charakteranalyse die Gesellschaft zerstört: heutzutage wird jeder als „Rassist“ oder was auch immer „diagnostiziert“. Die Menschen sehen keine Individuen mehr, sondern „Typen“. Seit den 1960er Jahren wollten alle möglichen Linken den Menschen die „Charaktermasken“ (ein Begriff, der seit Ulrike Meinhofs Zeiten zum festen Vokabular der Linken gehört) vom Gesicht reißen, um sie zu entlarven („Hinter dem Lächeln des scheiß Liberalen verbirgt sich die Fratze des Nazis!“). Dies wurde bei Trump ständig getan. Es scheint, als seien Amerika und Deutschland zu großen Höllenlöchern geworden, in denen jeder jeden analysiert!
Aus dem Akt der Befreiung „im Jahre 1960“, der der ganzen Verlogenheit der autoritären Gesellschaft ein Ende setzen sollte, wurde ein Sprengsatz, der jede Möglichkeit eines menschlichen Zusammenlebens zerreißt!