Posts Tagged ‘Homo sapiens’

Max Stirner, Soter (Teil 18)

25. Juli 2025

Max Stirner vertritt die These, daß „der Stein auf der Straße“ und meine Vorstellung von ihm das gleiche Sein haben und durch dieses Sein rein gar nichts gerechtfertigt sei (Der Einzige, S. 383). Alle Prädikate, die ich den Dingen zuschreibe, alle meine Aussagen und Urteile, sind meine – Geschöpfe (Der Einzige, S. 378). Alles ist das „Meinige“, will sagen „Meinung“ (Der Einzige, S. 381f). Schönheit liegt, Stirner zufolge, demnach im Auge des Betrachters. Stirner fehlen die Maßstäbe. Er ist wie der Homosexuelle und Päderast (deren großer Held Anfang des letzten Jahrhunderts er wurde), der subjektiv glücklich ist und sich frägt, warum er sich ändern soll. „Ich bin, wer ich bin!“

Knapp und bündig gegen Stirner: der Einzelne, der „Einzige“, das Subjektive, die „Meinung“ ist niemals schön. Es gibt keine schönen Individuen und je „individueller“ ein Mensch ist, als desto unschöner wird er empfunden. Er ist ein „Charakter“! Als schön werden nur Durchschnittstypen angesehen. Schön ist nur der ideale Mensch, d.h. buchstäblich jenes real nicht existierende „Gespenst“ (um einen Ausdruck Stirners zu verwenden), der entsteht, wenn man alle Menschen überblendet und so das „vollkommene Gattungswesen“ (Feuerbach, Marx) erschafft. In diesem vollkommenen Wesen zeigen sich die Formgesetze der kosmischen Orgonenergie in vollkommenster Form (das Platonische Ideal, Goldener Schnitt, Orgonom-Form, D’Arcy Thompson, „perfekte Statik“, etc.). Ästhetisches Empfinden ist nicht gesellschaftlich andressiert, sondern angeboren; eine biologische Konstante der Spezies Homo sapiens. Genauso bemerkenswert ist, daß diese Ästhetik strengen mathematischen Gesetzmäßigkeiten folgt. Im zweiten Band von Also sprach Zarathustra schreibt Nietzsche entsprechend: „Wenn die Macht gnädig wird und herabkommt in’s Sichtbare: Schönheit heiße ich solches Herabkommen“ (Studienausgabe Bd. 4, S. 152).

Wenn Stirner dermaßen viel Abneigung entgegengebracht wird, hat das nicht nur etwas mit der Über-Ich-Problematik zu tun (Ethik), sondern auch etwas mit der Ästhetik. Leider ist beides über Platons „Alles Gute ist schön!“ unheilvoll miteinander verknüpft. Eine Stirnerianische Ästhetik hingegen ist undenkbar – weshalb jemand wie Reich lieber dem „vollkommenen Gattungswesen“ nachstrebte, sich bei Marx und Freud verfing, alle möglichen, um mit Laska zu sprechen, Palimpsests auftrug und Stirner nur hier und da im vorbeigehen erwähnte. Das war keine Verdrängung von Stirner, sondern eine Entfremdung von ihm. Das Palimpsests-Auftragen war Ausfluß eines Kampfes zwischen Stirner und Plato in Reichs Brust; ein Resultat dessen, daß dieser Kampf nie begrifflich auf den Punkt gebracht wurde. Wer sah beispielsweise bisher die funktionelle Identität von Reichs „Marxismus“ und Die kosmische Überlagerung?

Holen wir weiter aus, indem wie Stirner in fünf Sätzen zusammenfassen: Ausnahmslos alle Menschen sind Egoisten (Christen sind vermeintlich „Altruisten“, weil sie den „himmlischen Lohn“ erwarten!), aber der echte, d.h. zu sich stehende Egoist, weiß von seiner Einzigkeit, d.h. er wird nicht vom „Über-Ich“ (dem „Heiligen“) bestimmt, das alle in „Platonistische“ Muster einpaßt. Er ist frei von Ethik und reguliert sich selbst, ist Eigner seiner selbst. Als bewußter Egoist verfügt er über sein Eigentum. Sein (zumindest potentielles) Eigentum ist alles, dem er die „Heiligkeit“ abspricht. Dieses Eigentum ist sozusagen das Siegel des Einzigen, so wie der Deutsche „einzigartig“ mit Deutschland assoziiert ist.

Wo ist hier Platz für die Ästhetik, also Schönheit? Der Eigner ist potentiell mit dem gesamten Universum assoziiert – ist eben kein „Charakter“! (Siehe dazu meine Interpretation der „Ewigen Wiederkehr“ in Der verdrängte Nietzsche.) Erst nachdem die Willkür des Über-Ichs, d.h. wenn das „Heilige“, gebrochen ist, kann sich das universelle Ideal entfalten. Ein Beispiel ist der „Stirnerianismus“ selbst, der wie bereits angeschnitten, zentral von Perversen, Homosexuellen, Päderasten wie John Henry Mackay und anderen Vertretern des „ich bin schön, so wie ich bin“ bestimmt wurde: „Wir sind allzumal vollkommen! Denn wir sind jeden Augenblick Alles, was Wir sein können, und brauchen niemals mehr zu sein“ (Der Einzige, S. 403f). Sie verwechselten sich mit dem, was die Gesellschaft, das Über-ich aus ihnen gemacht hat: sekundäre „Natur“, so daß die „ideale“ primäre Natur nicht „herabkommen“ konnte.

Wenn die Panzerung aufgehoben ist, waltet nicht mehr die irre Willkür, sondern die Platonischen Naturgesetze, gegen die übrigens Stirner rein gar nichts hatte. Die über Generationen erforschten ewigen mathematischen (und damit physikalischen) Gesetze wollte er nicht missen (Der Einzige, S. 40, 374).

Leute, die durchaus „guten (LSR-) Willens“ sind, wehren sich gegen LSR (z.B. auch Reich gegen Stirner), weil sie sich nach jenem „Kosmischen“ sehnen, was nach der Auflösung der Panzerung kommt. Bei L („der Mensch als Maschine“), S („Verbrechertum“) und R („der Mensch als sich windender Wurm“) finden sie jedoch vermeintlich das genaue Gegenteil. Natürlicherweise wenden sie sich lieber gleich dem Erhabenen zu (Diderot, Marx, Freud): D („höheres Menschentum“), M („vollkommenes Gattungswesen“) und F („Sublimierung“) – was sie in der Falle hält und immer tiefer in den Sumpf zieht. Eine teuflische Dialektik, die Reich mit seiner Orgonforschung aufbrechen wollte.

Wenn Feuerbach vom vollkommenen Gattungswesen spricht und der „sozialistische Humanismus“ Marxens von der „voll entfalteten, gymnastisch gestählten, sozialistischen Persönlichkeit“ ist selbstverständlich immer da Vincis Homo quadratus mit seinen vollkommenen Pythagoreisch/Platonischen Proportionen mit gemeint! Bei Marx geht es um die Beseitigung der Arbeitsteilung, deren Überwindung, etwa durch die Vereinigung von „produktiver Arbeit mit Unterricht und Gymnastik“ (Kraft durch Freude), aus dem spezialbegabten „Teilindividuum“ das allseitig begabte gesellschaftliche Individuum macht. Bezeichnenderweise beruft sich Marx bei dieser „materialistischen“ Fassung des Platonischen „Gattunsgwesens“ auf Robert Owen: „Aus dem Fabriksystem, wie man im Detail bei Robert Owen verfolgen kann, entsproß der Keim der Erziehung der Zukunft, welche für alle Kinder über einem gewissen Alter produktive Arbeit mit Unterricht und Gymnastik verbinden wird, nicht nur als eine Methode zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktion, sondern als die einzige Methode zur Produktion vollseitig entwickelter Menschen“ (Das Kapital I, Ullstein Taschenbuch, S. 439 [MEW Bd. 23, S. 508]).

Ich habe zwar nicht die Aufgabe oder den Beruf bzw. die Berufung Mensch zu sein, aber ich bin Mensch. Dieses Menschsein ist Teil meiner Eigenheit, weshalb ich mich etwa für Primatologie interessieren „sollte“. Das gleiche gilt für mich als Naturwesen und Weltwesen. Zumal ich in der Natur wirklich ich sein kann, denn die ist frei vom Über-Ich. Und mit „in der Natur“ meine ich nicht nur (z.B.) eine Waldwiese, sondern wirklich alles, was nicht vom Über-Ich vermurkst ist. Ich lebe schon in einer „Kinder der Zukunft-Welt“, an deren Maßstäben ich die, for lack of a better term, „Über-ich-Welt“ identifizieren und beseitigen kann.

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Sadismus” und folgende

27. Februar 2025

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Sadismus“ und folgende

EIN QUERSCHNITT DURCH DAS SCHAFFEN JEROME EDENs: Kosmischer Kampf – Planetare Angriffs- und Zermürbungsstrategien. Ein Überblick (Teil 8)

15. März 2021

EIN QUERSCHNITT DURCH DAS SCHAFFEN JEROME EDENs: Kosmischer Kampf – Planetare Angriffs- und Zermürbungsstrategien. Ein Überblick (Teil 8)

Der orgasmische Affe (Teil 3)

10. November 2011

Betrachten wir Homo sapiens‘ Sexualleben im Rahmen der etwa 200 anderen Primatenarten. Bärenmakaken-Männchen vollziehen durchschnittlich zehn Kopulationen pro Tag. Rhesusaffen und Paviane benötigen eine Serie von Kopulation, bevor es zur Ejakulation kommt. Interessant ist, daß dies nur die ranghöchsten Männchen tun, während rangniedere nur jeweils einmal kopulieren können, so daß es bei ihnen gar nicht zur Ejakulation kommt. Und wie wir im zweiten Teil gesehen haben, haben auch die ständig unter Streß stehenden höchsten Männchen alles andere als ein gesundes sexualökonomisches Leben.

Die gewaltigen Gorillas haben einen 2 Zentimeter langen Penis, sodaß es kaum zu einem energetischen Kontakt kommen kann. Schimpansen haben wohl 7 Zentimeter zur Verfügung, aber von der Intromission bis zur Ejakulation bleiben nur 7 oder 8 Sekunden mit 15 hektischen Friktionen, so daß auch hier jeder energetische Kontakt wohl unmöglich ist.

Was nun im Vergleich dazu den Primaten Homo sapiens betrifft (der mit dem Schimpansen so nah verwandt ist, daß man direkt von einer „Schimpansenunterart“ sprechen könnte) nimmt merkwürdigerweise die Dauer des Geschlechtsakts mit dem Ausmaß einer unnatürlichen Einstellung zur Sexualität ab: Spitzenreiter ist Dänemark mit 15 Minuten, im Mittelfeld liegen Länder wie Frankreich mit 7 Minuten und am Endpunkt liegt China mit 2 Minuten – und in wirklich pathologischen Weltgegenden wie Arabien kann man solche Erhebungen erst gar nicht anstellen. Man fragt sich nun, was hier denn „natürlich“ ist. Ganz kraß gesagt, ist nämlich, im Vergleich mit unseren nächsten Verwandten im Tierreich, der Araber in seinem Sexualverhalten weit „natürlicher“ als z.B. der Trobriander! Und umgekehrt sind „nach menschlichen Maßstäben“ unsere nächsten tierischen Verwandten die gleichen „phallischen Narzißten“ wie die Araber. Sie beide kompensieren ihr Ejaculatio praecox-Problem durch Vielweiberei und ständiges exhibitionistisches Zurschaustellen ihrer Männlichkeit.

Beim Affen kann man die ganze pathologische Palette des Mißbrauchs von „Sex“ für Machtzwecke finden: Schimpansen reiten als Zeichen des Unterwerfens oder der passiven Unterwerfung ohne Penetration auf, auch bei Gleichgeschlechtlichen (sogar Weibchen gegenüber rangniederen Weibchen). Bei manchen Affenarten imitieren die männlichen Tiere die genitalen Brunstschwellungen und -färbungen der Weibchen. Bei anderen Affenarten entwickelte sich die Klitoris der Weibchen zu einem Pseudopenis, so daß man die Geschlechter kaum unterscheiden kann, zumal sich bei einigen Arten zusätzlich auch ein Pseudohodensack entwickelt hat. Das Präsentieren des Hinterteils bei Weibchen und Männchen zur Beschwichtigung des Höhergestellten und umgekehrt das Präsentieren des erigierten Penis, das der Drohung gegen gruppenfremde Individuen und zur Demonstration des Ranges innerhalb der Gruppe dient, findet sich bei allen Affen. Der Penis ist hier neben Lustorgan in erster Linie Drohorgan.

Exhibitionisten, ob sie nun psychisch krank sind oder nur enge Jeans tragen, sind typische Rückkehrer zu atavistischem Primatenverhalten. Ähnliches gilt auch für die Weibchen, auch wenn es denen weniger um Macht und Ansehen, als vielmehr ums Fressen geht: Bei den allernächsten Verwandten des Menschen, den Bonobo-Zwergschimpansen hat man beobachtet, daß die Frauen für sich und ihre Kinder das notwendige tierische Eiweiß bei den jagenden Männern gegen Sex tauschen. Prostitution, aus der sich die menschliche Ehe entwickelt hat. Die sekundären Triebe sind so gewissermaßen die „primären“.

Zwischen den Schimpansenhorden gibt es unglaublich brutale Kriege, bei denen schon ganze Gruppen von ihren Gegnern ausgerottet wurden. Schnappt eine Gruppe von Männchen bei der Pirsch ein einzelnes männliches Mitglied einer verfeindeten Gruppe, wird dieses Männchen langsam zu Tode gequält, die Glieder verrenkt, das Fleisch von den Knochen gerissen und das Blut getrunken. Hier erwischt es sogar ein Weibchen:

Man sieht, dieser Aufsatz ist nichts für vegetarische Naturfreunde und Rousseauistische Wilhelm-Reich-Freaks! Nur Wahnsinnige können sich einen Schimpansen halten!

Hans Hass schließt aus der Beobachtung von Tieren, daß aggressive Stimmungen die sexuelle Bereitschaft des Männchens verstärken, jene des Weibchens jedoch abschwächen. Andererseits vermögen Angstzustände beim Weibchen sexuelle Gestimmtheit erheblich zu steigern, während sie diese beim Männchen mindern. Daß Angst (Kontraktion) positiv mit weiblicher Sexualität (Expansion) korreliert sein soll, wirft für die Orgonomie schwer zu beantwortende Fragen auf, denn diese tierischen „natürlichen“ Zustände lassen sich nicht auf den gesunden Menschen übertragen. Beim gesunden Mann verschwindet die Erektion bzw. kommt gar nicht erst zustande, wenn er gegen seine Partnerin wütend wird. Genauso bleibt jede Frau unerregt, sollte sie Angst vor ihrem Partner haben. Man kann eben nicht die tierische und die genitale Sexualität gleichsetzen.

Es ist offensichtlich, daß sich infolge eines Energiestaus neurotische Mechanismen beim Mann „sadistisch“ (phallisch), bei der Frau „masochistisch“ (hysterisch) festsetzen können, die dann Humanethologen wie Hass als natürlich imponieren. Was sie gewissermaßen auch sind! Aber… – immer, wenn sich der Mensch wie ein Affe benimmt, verhält er sich krankhaft. Es ist aus Sicht der Primaten „natürlich“, daß man Kinder auf den Bauch legt und nicht, wie es die Orgonomie fordert, auf den Rücken. Es ist „natürlich“, daß der Erwachsene neurotisch-depressiv gebückt und hängend „wie ein Affe“ durch das Leben schlurft, demgegenüber ist Aufrechtgehen vollkommen „unnatürlich“. Die „natürliche“ a tergo-Stellung im Geschlechtsakt, ist, wenn sie beim Menschen zur Regel wird, pathologisch (Vermeidung von Kontakt).

Evolutionsbiologen behaupten, die Überbevölkerung wäre biologisch vorgegeben, da das alte Genom darauf programmiert sei, möglichst viele Nachkommen gegen die hohe Sterberate hervorzubringen. Dies ist Blödsinn, denn die Überbevölkerung kam nachweislich mit dem Patriarchat, das altes Wissen über Verhütung verdrängte. Naturvölker leiden nicht an einem Bevölkerungsüberschuß, da sie eben kein „natürliches“ Sexualleben führen. Zum Beispiel entsprechen die Affenhorden mit ihrem „Harem“, dem ein „Pascha“ vorsteht, doch durchaus der Freudschen „Urhorde“, aber eben, wie Reich feststellte, nicht der („)natürlichen(“) Urgesellschaft.

Von jeher haben Dichter aus allen Kulturen in ihren Fabeln neurotisches Verhalten gerne anhand von Tieren verdeutlicht. Übrigens hat auch Reich, mit Tieren neurotische Charakterzüge illustriert: schleichender Fuchs, watschelnde Ente, schnurrende Katze, trampelnder Elefant (vgl. Offshoots of Orgonomy, No. 3, S. 6). Der körperliche Gesamtausdruck des Patienten drängt von allein zu einem zusammenfassenden Begriff. „Es sind merkwürdigerweise meist Formeln und Bezeichnungen aus dem Tierreiche wie ‚Fuchs‘, ‚Schwein‘, ‚Schlange‘, ‚Wurm‘ u.ä.“ (Funktion des Orgasmus, S. 228). Entsprechend empfanden sich natürliche, matristische Völker nicht als Tiere (Hans Biedermann: Die Großen Mütter, München 1989, S. 38). Die Trobriander entfernen künstlich alle „äffische“ Körperbehaarung und ihr ganzes Schönheitsideal, ihr „züchtender Gedanke“ (Nietzsche), ist eindeutig eine Verneinung des Schimpansenvetters im bzw. am Menschen.

Der orgasmische Affe (Teil 2)

9. November 2011

Die im ersten Teil angeschnittene für die Orgonomie so fremde „negative Beurteilung“ unserer entwicklungsgeschichtlichen Vorfahren wird durch Meldungen wie die folgenden beiden unterstützt, die den braven Reich-Anhänger ziemlich blaß aussehen lassen:

Bei Männern der Gattung Homo sapiens baut der Sexualakt im allgemeinen Aggressionen ab, Mäuse-Männchen dagegen werden danach erst richtig wild. In den ersten drei Wochen nach einer Kopulation töten sie alle neugeborenen Mäuse, die ihnen in die Quere kommen. Nach dieser Frist werden aus den Kinderkillern fürsorgliche Väter. Gesteuert wird das bizarre Verhalten nach Ansicht von Biologen der University of Missouri durch eine innere Uhr. Der Timer, der jeweils nach einer Ejakulation in Gang gesetzt wird, ließ sich im Labor (durch künstliche Veränderung von Tag- und Nachtrhythmen) verlangsamen oder beschleunigen. In der Natur läuft die neurale Uhr, synchron mit der Tragzeit einer Maus, nach drei Wochen ab. (Spiegel 33/90, S. 181)

Die amerikanische Psychobiologin Nancy Ostrowski vom National Institute of Mental Health hat festgestellt, daß körpereigene Abwehrsystem von Goldhamstermännchen sei „noch Wochen nach einer heftigen Kopulationsserie stark in Mitleidenschaft gezogen – sie erkranken leichter als Artgenossen, deren Geschlechtstrieb schwächer ausgeprägt ist“. Sexuell aktive Männchen, denen man körperfremdes Protein spritzte, konnten deutlich weniger Antikörper mobilisieren und Killerzellen bilden, als jene Hamstermännchen, denen man ein Sexualleben verwehrte (Spiegel 50/89). Es ist allgemein bekannt, daß Säugetiermännchen, die als einzige Männchen ein regelmäßiges Sexualleben haben, durch den Streß, der dadurch entsteht, daß sie ständig ihre Macht gegen Konkurrenten verteidigen müssen, früher an der „Managerkrankheit“ sterben als ihre erfolglosen Konkurrenten. Sowas bezeichnet man kurioserweise als „Zivilisationskrankheit“.

Reich ging es immer darum, den Menschen von der Zivilisation zu befreien und wieder zum Tiersein zurückzuführen, zum „Menschentier“ (ein Begriff, den übrigens auch Freud, wenn auch mit entgegengesetzter Tendenz, benutzt, ebenso Nietzsche). Der Mensch solle sich als Tier bekennen, um zur sexuellen Gesundheit zurückzufinden. Er, Reich, habe „nur eine einzige Entdeckung gemacht: die Funktion der orgastischen Plasmazuckung“ (Äther, Gott und Teufel, S. 3), die nur bei einem einzigen Tier, nämlich dem Menschen, nicht erfüllt werde – weil dieses Tier vor seinem Tiersein flüchte. Es gelte zum sexuell unverdorbenen Tier in uns zurückzukehren.

Der Orgasmusreflex sei „neben der Atmung die wichtigste Bewegungserscheinung im Tierreich“ (Charakteranalyse, S. 482). Folglich, wenn der Orgasmusreflex in der ganzen Tierwelt auftritt, muß die Genitalität in der Tierwelt allgegenwärtig sein. Konkret vergleicht Reich die orgastische Zuckung mit der von einer „Akme“ begleiteten Ausstoßung des Laichs bei Fischen und des Spermas bei Landtieren (Charakteranalyse, S. 518). Doch kann man dies wirklich mit dem menschlichen Orgasmus und seinem spezifischen Reflex gleichsetzen?

Die meisten Menschen wissen nicht, daß es beim Orgasmus zu einer reflexartigen Zuckung kommt. Dies kann man aus persönlichen Gesprächen schließen. Er wird auch in all dem Aufklärungszeugs, mit dem wir seit den 1960er Jahren überflutet werden, nirgends erwähnt. Vielleicht hat die „Sexuelle Revolution“ sogar bewirkt, daß viele Menschen diesen Reflex, bzw. den Beckenreflex, willentlich zurückhalten, weil es nicht „normal“ ist oder der Körper den Genuß stört, „da Sex sich ja sowieso nur im Kopf abspielt“ und die Lust durch Kontrolle der Beckenbodenmuskulatur prolongiert werden könne.

An der Orgasmuszuckung ist nichts Geheimnisvolles, denn sie ist den Krämpfen beim Nießen oder beim Erbrechen ähnlich. Aber andere krampfartige Erscheinungen, wie das Lachen, treten beim Tier nicht auf. Bei einer Erregung „oberhalb der Toleranzgrenze“ lachen wir – das Tier nicht (Baker: Der Mensch in der Falle, S. 105). Schon LaMettrie meinte: „Das Lachen ist es, was den Menschen vom Tier unterscheidet“ (Anti-Seneca, S. 102).

Ist die Genitalität also vielleicht doch nicht in der Tierwelt allgegenwärtig? Warum hat Reich sich bei seinen bioelektrischen Experimenten, wo es mehr denn nahe gelegen hätte, nicht mit höheren Tieren beschäftigt? Ließ er sie mehr oder weniger instinktiv als „orgastisch fragwürdig“ bei Seite und griff lieber direkt zum „Urtier“ zurück? Es gibt bei Reich Stellen, die dies nahelegen:

Die Lösung (der) segmentären Panzerung setzt Ausdrucksbewegungen und plasmatische Strömungen frei, die von den anatomischen Nerven- und Muskelanordnungen des Wirbeltieres unabhängig sind. Sie entsprechen weit mehr der peristaltischen Bewegung eines Darms, eines Wurms oder eines Protisten. (Charakteranalyse, S. 515f)

Die Ausdrucksbewegungen im Orgasmusreflex sind funktionell identisch dieselben wie die einer lebenden und schwimmenden Qualle. (ebd. S. 517f)

Die Ausdrucksbewegung des Orgasmusreflexes bedeutet (…) eine (…) aktuelle Mobilisierung einer biologischen Bewegungsform, die bis zum Quallenstadium zurückreicht. (ebd. S. 518)

Die Qualle ist bei Reich das Paradebeispiel für die zuckungsartige gesamtorganismische Pulsation des Orgasmusreflexes; umgekehrt zeige sich, so Reich, beim menschlichen Orgasmus die „Quallenfunktion“. Reich weiter:

Wir werden uns mit dem Gedanken befreunden müssen, daß es sich hier nicht etwa um tote, archaische Überreste der phylogenetischen Vergangenheit, sondern um höchst aktuelle, bioenergetisch höchst bedeutsame Funktionen im hochentwickelten Organismus handelt. Die primitivsten und die höchstentwickelten plasmatischen Funktionen bestehen nebeneinander und funktionieren wie ineinandergeschaltet. Die Entwicklung komplizierter Funktionen im Organismus, die wir „höher“ nennen, verändert nichts an Existenz und Funktion der „Qualle im Menschen“. Es ist gerade diese Qualle im Menschen, die seine Einheit mit der niedrigen Tierwelt darstellt. (Charakteranalyse, S. 519)

Die Pulsation läßt sich beim Einzeller

an den rhythmischen Kontraktionen der Vakuolen oder an den Zuckungen und schlangenartigen Bewegungen des Plasmas leicht beobachten. Beim Vielzeller sehen wir sie vor allem am Gefäß-System. Hier tritt die Pulsation im Pulsschlag klar hervor. Sie läuft an den verschiedenen Organen (…) verschieden ab. Am Darm erscheint sie als in distaler Richtung verlaufende Kontraktions- und Expansionswelle, als „Peristaltik“. An der Harnblase funktioniert die biologische Pulsation auf den Reiz der mechanischen Expansion durch Harnfüllung. Sie funktioniert in der Muskeltätigkeit, in den quergestreiften Muskeln anders als in den glatten, dort als Zuckung, hier als wellige Peristaltik. In der orgastischen Zuckung erfaßt die Pulsation den Gesamtorganismus („Orgasmusreflex“). (Der Krebs, S. 169f)

Die Frage ist nun, ob man die konvulsorischen Zuckungen, die Entladung und Entspannung begleiten, nur bei Zellteilung und menschlichem Orgasmus findet, jedoch nicht im übrigen Tierreich. – Nochmals: Selbstverständlich wird auch das übrige Tierreich von der Orgasmusformel bestimmt und in diesem Sinne ist die Genitalität phylo- und ontogenetisch allgegenwärtig, doch im Speziellen, d.h. im Sinne der Koordinierung der verschiedenen Teilpulsationen zu einer den gesamten Organismus als Einheit erfassenden Plasmazuckung hat die Genitalität eine Entwicklungsgeschichte.

Die Genitalität, die Reich beim Menschentier und der Zellteilung von Protozoen entdeckte, ist bei den restlichen Tieren nicht zu finden. Vielmehr ist eine Entwicklungslinie, wie sie implizit schon die Psychoanalyse vertreten hat, von den primitivsten Formen der Prägenitalität niederer Metazoen bis zur schließlichen Genitalität beim Menschentier aufzufinden, das deshalb der generische Genitale Charakter ist. Wir stoßen also nicht einfach auf die Genitalität, sondern auf deren Entwicklung, wenn wir auf die Affen und weiter zurückgehen.

Genauso wie die Orgasmusformel die Trennungslinie zwischen lebender und nichtlebender Natur markiert, kennzeichnet die Genitalität die Trennungslinie zwischen Menschentier und Tier. Reich hat diesen zweiten Trennungsstrich vermieden, indem er den Orgasmusreflex von der Genitalen Umarmung trennte und schon in der Körperhaltung und Bewegung der Wirbeltiere verwirklicht sah. Es sei nochmals die Frage gestellt: Warum hat Reich den Orgasmusreflex nicht im Sexualleben der Tiere nachgewiesen? Was doch angesichts des gepanzerten Menschen naheliegend gewesen wäre!

Trotz jahrelanger Suche ist es mir nicht gelungen, zur Beschwichtigung der vom im ersten Teil zitierten „Bioenergetiker“ bei mir hervorgerufenen schmerzlichen Zweifel einen Beleg dafür zu finden, daß der Orgasmusreflex bei Tieren auf dem Höhepunkt der geschlechtlichen Vereinigung auftritt. Wer diese Aussage widerlegen will, soll es versuchen.

Tiere haben offensichtlich ähnliche sexuelle Bedürfnisse wie der gepanzerte Mensch (sie masturbieren, wenn sie in Gefangenschaft allein sind, etc.), aber man kann keine orgastische Reaktionen finden, die dem entsprechen, was Reich für den orgastisch potenten Menschen beschreibt.