Die medizinischen Orgonomin Barbara G. Koopman verließ Ende der 1980er Jahre die organisierte Orgonomie wegen Unstimmigkeiten über die Natur des Bewußtseins. Später landete sie, wie bereits erwähnt, bei dem russischen „Geistheiler“ Nicolai Levashov, dem sie kurz vor ihrem und dann seinem Tod ein Vermögen hinterließ.
Ihre orgonomischen Kollegen beharrten auf der Reichschen Auffassung, daß Bewußtsein eine Funktion der Wahrnehmung ist, wie jeder beim Einschlafen und Aufwachen unmittelbar erfahren kann, während Koopman die Auffassung vertrat, daß Wahrnehmung eine Funktion des Bewußtseins ist. Materialismus stand gegen Idealismus.
Die letztere Auffassung entbehrt nicht einer gewissen Logik, denn es muß doch etwas da sein, was wahrnimmt, bevor überhaupt von Wahrnehmung gesprochen werden kann!
Nun, es ist die Logik des Mechano-Mystizismus. Um diese Scheinlogik zu durchschauen, betrachte man etwa die Phylo- und Ontogenese des menschlichen Organismus. Ich verweise auf die Ausführungen von Hans Hass in seinem Buch Wie der Fisch zum Menschen wurde, wo es darum geht, daß fast alles im menschlichen Organismus vorher ganz anderen Aufgaben diente und es teilweise zu mehreren Funktionsumwandlungen kam, bevor ein Organ seine heutige Funktion ausführte. Allein schon dieses eine Buch beweist, daß es „Gott“, d.h. eine alles planende und überwachende Instanz nicht gibt.
Aber trotzdem sich der Organismus aus Einzelfunktionen zusammensetzt und die biologische Entwicklung auf eine ständige chaotische Improvisation hindeutet, ist das Endprodukt doch ein Gebilde wie aus einem Guß: ein perfektes energetisches Orgonom, in dem die Bewegung der kosmischen Orgonenergie nicht nur im Gesamtorganismus, sondern auch in fast allen Organen und Organgruppen eingezeichnet ist. Eine wunderbare Symphonie! Nur wer hat sie komponiert? Von daher ist es kein Wunder, daß man immer wieder einen „göttlichen Plan“ in dem wahrhaftig gottgleichen Wesen „Mensch“ wiedererkennen wollte: Wir sind das Ebenbild Gottes!
Was wie ein immanenter Widerspruch aussieht, ist ganz und gar keiner, wenn man funktionell denkt. Hans Hass hat gezeigt, daß das Ziel („Mensch“) nicht die Funktionen bestimmt, sondern umgekehrt die Funktionen sich erst durch viele Umwege und Sackgassen hindurch entwickelt haben mußten, bevor man schließlich den Menschen am Horizont erahnen konnte. Man organisiere den Körperbau eines Schimpansen nach dem Goldenen Schnitt und man kommt dem Menschen schon recht nahe! Siehe dazu meine Ausführungen in Biologische Entwicklung aus orgonomischer Sicht.
Es ist wie mit der Arbeitsdemokratie, etwa beim Hausbau. Myriaden Funktionen müssen zusammengreifen, die fast alle jeweils eine lange und verwickelte Geschichte haben und ursprünglich meist nichts mit dem Hausbau zu tun hatten. Der Architekt muß sich nach den vorgegebenen Materialien mit all ihren Beschränkungen und den Umweltbedingungen ausrichten, – so daß fast jedes Haus gleich aussieht. Trotzdem ist es Unsinn, ist es eine grandiose Fehleinschätzung, eine Art „Platonische Idee“ namens „Haus“ zu vermuten.
Der Witz ist, daß auf dieser kindischen Idee unsere Sprache und damit unser ganzes Denken beruht. Solange wir nicht Opfer „dekonstruktivistischer Architekten“ werden, erkennen wir Häuser, indem wir das jeweilige Objekt unbewußt mit einer Art „Urhaus“ abgleichen, das dem Wort „Haus“ entspricht.
Ganz ähnlich ist es mit dem „Bewußtsein“ bestellt. Myriaden von Teilwahrnehmungen finden zueinander, bis schließlich „jemand“ hinzutritt, der bewußt wahrnimmt. Unvermittelt haben wir einen „Geist“ vor uns, der, ähnlich dem „Platonischen Haus“, „an sich“ da ist, den Körper verläßt und sogar dessen Tod überlebt. Ein überweltliches kleines „Männlein“, das „wahrnimmt“ und ohne das es keine „Wahrnehmung“ gäbe.
Dieses „Bewußtsein“ ist nichts anderes als das einheitliche Funktionieren des energetischen Orgonoms, wie oben angedeutet. Das einheitliche Funktionieren ist der Kern unserer Existenz als Wesen mit einer Identität und Würde. Von daher ist der Idealismus uns wesenseigen, genauso wie er unserer Sprache wesenseigen ist, d.h. aber noch lange nicht, daß er der objektiven Wahrheit entspricht.
Ich werde oft gefragt, was die ganze „Orgonometrie“ eigentlich soll. Sie hilft uns, ähnlich der Mathematik, uns von den Platonischen Fesseln der Sprache zu befreien und trotzdem logisch zu denken. (Der Unterschied zur Mathematik ist die Berücksichtigung qualitativer Faktoren.) Insbesondere rettet sie uns vor den Fallstricken des Mystizismus, ohne daß wir mechanistischen Platitüden verfallen, die zu Recht niemanden wirklich überzeugen können.
Um zum Anfang zurückzukehren: Auf einer oberflächlichen, pragmatischen Ebene ist es so, daß Wahrnehmung eine Funktion des Bewußtseins ist. Nietzsche würde sagen, daß uns das Leben selbst diese Sichtweise aufzwingt. Doch aus einer tieferen, bioenergetischen Sichtweise, d.h. wenn wir die Dinge als Wissenschaftler betrachten, d.h. sozusagen „neben das Leben“ treten, dann erkennen wir, daß Bewußtsein eine Funktion der Wahrnehmung ist.