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Die historisch-materialistische Interpretation und die bio-psychologische Interpretation des Todestriebes und der gesellschaftlichen Ideologie

14. Januar 2017

Der sozialistische Kampf, das theoretische Organ des Austromarxismus war im faschistischen Österreich verboten. Es wurde deshalb in der Tschechoslowakei veröffentlicht. Sein Herausgeber war der berühmte Otto Bauer, Führer des „Austromarxismus“. Anläßlich von Freuds 80. Geburtstag veröffentlichte das Magazin 1936 zwei Artikel. Einen von W.M. (d.i. Karl Frank): „Sigmund Freud und der revolutionäre Sozialismus“. Wegen dem historischen, d.h. bürgerlichen Hintergrund der Psychoanalyse und der Enge des zeitgenössischen Marxismus gäbe es bis heute (1936) keine marxistische Analyse der Psychoanalyse. Es gäbe eine Freudsche Philosophie, z.B. Freuds Todestrieb, die mit Oswald Spengler gemeinsame Wurzeln habe, nämlich die Philosophie der untergehenden Bourgeoisie. Trotzdem schuf Freud eine moderne Psychologie, indem er auf die soziale Verursachung psychologischer Tatbestände hinwies und dergestalt eine biologisch-materialistische Grundlage für eine Herangehensweise entwickelte, die dem historischen Materialismus ähnlich sei. Die grundlegende Leistung der Psychoanalyse sei ihr Beitrag zum Verständnis des sozialen Überbaus (Wolfgang Huber: Psychoanalyse in Österreich seit 1933, Wien: Geyer-Edition, 1977; Ernst Glaser: Im Umfeld des Austromarxismus, Wien: Europaverlag, 1981, S. 271).

Das entspricht auch weitgehend Reichs damaliger Sichtweise (siehe dazu Otto Fenichels 119 Rundbriefe, Bd. 1, S. 379f). Reich ist nur weitergegangen, über die Psychoanalyse und den Marxismus hinaus. Zunächst einmal führte nicht die soziologische Verortung der Todestriebtheorie (Ideologie der „untergehenden Bourgeoisie“) zu deren Überwindung, sondern die Durchdringung des Masochismus als bio-psychologisches Problem, d.h. als einer Funktion der Panzerung (siehe Charakteranalyse). Und überhaupt, was den ideologischen „Überbau“ betrifft: dieser ist tatsächlich eine Funktion der dreischichtigen bio-psychologischen Struktur des gepanzerten Menschen (siehe Die Massenpsychologie des Faschismus).

Es ist ernüchternd, daß man sich noch heute mit der Denkungsweise, die im ersten Absatz dargestellt wurde, auseinandersetzen muß – selbst bei „Reichianern“.