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The Journal of Orgonomy (Vol. 35, No. 1, Spring/Summer 2001)

2. September 2012

Der Zerfall der Moral ist allgegenwärtig. Das fängt damit an, daß man im Apartmenthaus nicht zurückgegrüßt wird, wenn man jemanden freundlich grüßt, und reicht bis hin zur Unmoral unserer Politiker und Wirtschaftsbosse. Moral ist direkter Ausdruck unseres Kontaktes zu unserem bioenergetischen Kern. Der Zerfall der Moral weist entsprechend auf die zunehmende Kontaktlosigkeit hin.

Charles Konia sagt dazu:

Moral leitet sich von der eigenen Urteilsfähigkeit ab. Die Moral eines Menschen (…) wird durch die Tiefe des Kontakts, den er mit sich selbst hat, bestimmt. Bei ungepanzerten Menschen stammt die Urteilsfähigkeit aus dem biologischen Kern. Bei einem solchen Menschen funktioniert Moral in einer einfachen, unkomplizierten Art und Weise. Sie steht im Dienst der Erhaltung ungepanzerten Lebens bei ihm selbst und in seiner Umgebung. Nennen wir dies „natürliche Moral“. Bei gepanzerten Menschen erstarrt die Urteilsfähigkeit. Sie ist entsprechend der individuellen Charakterstruktur verzerrt. Moral verwandelt sich in Moralismus und beginnt der Erhaltung gepanzerten Leben zu dienen. („Editor’s Page“)

Der gegenwärtige Zerfall der Moral ist Ergebnis einer mißglückten Biologischen Revolution. Eine Revolution, die ungefähr 1960 ihren Anfang nahm. Die Menschen sollten freier sein, frei von alten Konventionen. Ergebnis ist jedoch nicht genuine Freiheit, sondern ein immer weiter um sich greifendes Chaos vermengt mit einer neuen Art von Moral, die das Lebendige vielleicht mehr einschränkt als jemals zuvor.

In seinem Aufsatz „Ideology is a Secondary Factor in Defining the Sociopolitical Spectrum“ (S. 58-79) führt dies Robert A. Harman weiter aus, indem er die autoritäre Tendenz orgonometrisch mit dem einfachen Gegensatz gleichsetzt:

und die antiautoritäre Tendenz mit dem antagonistischen Gegensatz:

In der autoritären Gesellschaft kommt es bei Konflikten zu einer direkten Auseinandersetzung, die zu einem im ganzen befriedigenden Resultat führt. Dinge werden beim Namen genannt und damit Konflikte lösbar (→←).

Im antiautoritären Neusprech hingegen werden zwar Begriffe verwendet, die auf Inklusion zu zielen scheinen (man wird beispielsweise nicht mehr mit dem Diktum „ungebildet“ ausgegrenzt, sondern man ist „bildungsfern“), doch tatsächlich läuft das ganze natürlich auf Vermeidung von Kontakt und auf „Spaltung“ hinaus, da die Probleme nicht mehr angegangen werden, sondern ihnen ausgewichen wird und sie sich so immer weiter zuspitzen (←→).

Der Abstand zwischen Gebildeten und Ungebildeten wird immer größer. Früher war der durchschnittliche „klassenbewußte“ Arbeiter erstaunlich gut unterrichtet, während man heutzutage bereits bei manchen Abiturienten das Gefühl hat, man unterhielte sich mit einem sprechenden Affen! Desgleichen mit dem Sozialstaat: alle Maßnahmen, die „den Armen“ helfen sollten, mündeten letztendlich in einer immer weiteren Verelendung („Elend“ ist etwas anderes als „Armut“!). Das „Aufnehmen“ fremder Ethnien, die keinerlei „Integrationsdruck“ ausgesetzt wurden, führte zu einer Spaltung, der Gesellschaft. Die Liste, um die Etablierung des antagonistischen Gegensatzes in wirklich allen Bereichen des Lebens zu illustrieren, ließe sich beliebig fortsetzen.

Oberflächlich betrachtet ging es beim Moralismus der autoritären Gesellschaft vor allem um Ausgrenzung („Spiel nicht mit den Schmuddelkindern!“), darüber gibt es ganze soziologische Bibliotheken, doch tatsächlich, d.h. von der Bioenergetik her betrachtet, ging es darum die Menschen sozusagen „zusammenzuzwingen“, durch rigide Kleiderordnungen, Benimmregeln, etc. (→←). Die Moral diente schlicht dem Erhalt der Gesellschaft.

Entsprechend sieht es beim antiautoritären Moralismus oberflächlich so aus, daß im Gegensatz zu früher „niemand ausgegrenzt wird“. In Wirklichkeit läuft er aber darauf hinaus, daß sich die Gesellschaft in Gruppen spaltet, die nichts mehr miteinander verbindet und die keinerlei Kontakt mehr zueinander haben. Logisches Ergebnis wird der Bürgerkrieg sein. Man nehme die USA, wo, je mehr gegen den Rassismus gekämpft wird, sich desto mehr die „Rassen“ voneinander entfremden (←→). Die öffentliche Moral, der sich alle zu unterwerfen haben, ist ein Werkzeug der kommunistischen Subversion geworden!

The Journal of Orgonomy (Vol. 32, No. 1, Spring/Summer 1998)

23. August 2012

Der „Charakter“ einer Gesellschaft und der Charakter der Menschen, die in dieser Gesellschaft leben, bedingen einander. Zur alten autoritären Gesellschaft gehörte entsprechend der „triebgehemmte Charakter“, zur neuen antiautoritären der triebhafte.

Wo immer man hinschaut, scheinen die westlichen Gesellschaften in den Selbstzerstörungsmodus übergegangen zu sein: Überschuldung, die nur in einer Hyperinflation enden kann, ein kultureller Zerfall, der unaufhaltsam die Grundlagen unserer Gesellschaft untergräbt, eine auf allen Ebenen verantwortungslose Politik, die so agiert, als gäbe es kein Morgen. In welchem Ausmaß diese Gesellschaft antiautoritär ist, sieht man daran, daß jede Verunglimpfung der alten Traditionen, insbesondere des Christentums, nicht nur toleriert, sondern gefeiert wird, während gleichzeitig der mittelalterliche Islam im Namen des „Antikolonialismus“ hofiert und „in unsere Mitte geladen“ wird.

Neulich habe ich, vielleicht das erste Mal in diesem Jahrtausend, mir Samstagabend einen ganzen Werbeblock bei RTL angeschaut: ein Kulturschock! Derartig dumm, geschmacklos, hohl, infantil und widerlich… Ich war wirklich entsetzt, denn im Vergleich von vor vielleicht 15 Jahren hat der Kulturzerfall rapide zugenommen. Leute, die diesen Scheiß alltäglich sehen, bekommen das gar nicht mit.

Die autoritäre Gesellschaft, die „gesellschaftliche Panzerung“ ist seit 50 Jahren am Zusammenbrechen, was aber nicht zu mehr Freiheit führt, sondern zu einer neuen Art von Panzerung. Die nun freiwerdende, vorher im Körperpanzer gebundene Angst, wird von einer desorganisierten Panzerung aufgefangen, die vor allem von einer starken Augenblockade und der damit einhergehenden Kontaktlosigkeit geprägt ist und ständig zwischen Triebhaftigkeit („Freiheit“) und sadistischer Triebunterdrückung schwankt. Man denke nur an die Permissivität und dem gleichzeitigen extremen Moralismus der Political Correctness.

Diesen Zustand finden wir sehr gut in dem Film Rocky Horror Picture Show verkörpert, der wirklich nichts anderes beschreibt als die Ablösung der autoritären durch die antiautoritäre Gesellschaft: an die Stelle von berechenbaren Spießern treten unberechenbare Freaks.

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Die Menschen werden nervöser und unglücklicher als sie es jemals waren. Die Spannung, die Anspannung, steigt, während gleichzeitig die Kapazität sinkt, diese Spannung zu ertragen: Spannungsbögen werden nicht mehr ertragen. Liebe wird nicht mehr ertragen, sondern nur Sentimentalität und der perverse Thrill. Arbeit wird nicht ertragen, sondern nur noch Chillen und Fun. Wissen zu erwerben, ist zu mühsam, aber man ist um so Meinungsfreudiger.

Das Piercing ist unmittelbarer Ausdruck dieser bioenergetischen Zusammenhänge. Charles Konia sieht im Piercing bei den „normaleren” Individuen Aufmüpfigkeit gegen die gesellschaftliche Norm, narzißtisches Verhalten und Identitätssuche am Werk. Man möchte in einer zerfallenden Gesellschaft zumindest zu einem „Stamm“ gehören („tribal“). Bei den Pathologischeren kommt ein masochistisches Moment hinzu: der Versuch, die innere Spannung, den „Druck“ zu lösen. Schließlich tritt bei manchen Formen der Schizophrenie der Drang zur Selbstverstümmelung zutage („Questions and Answers“, S. 112f).

Dazu Konias eigene klinische Beobachtungen: ein jugendlicher paranoid Schizophrener hatte seit geraumer Zeit Zigaretten auf seinem Arm ausgedrückt. Konnte damit aber aufhören, nachdem er seinen Unterarm piercen ließ und dort Ringe in der Haut trug. Offensichtlich reduzierten die Ringe die Gefühle und die „Spannung“ in seinem Arm. Auf der anderen Seite antwortete ein Jugendlicher, warum er in seinen Brustwarzen Ringe trage: „Um etwas zu fühlen!“

Einerseits werden die erogenen Zonen gepierct, um dort das Empfinden (die „Spannung“) zu reduzieren. Andererseits werden die gleichen Piercings benutzt, um Gefühle zu verstärken und verminderten Empfindungen und Gefühlen des Abgestorbenseins entgegenzuwirken. Siehe dazu auch meinen Blogeintrag Fuck me!.

Konia verweist auf eine Studie, daß Gepiercte in psychiatrischen Kliniken (immer im Vergleich zu vergleichbaren ungepiercten Patienten) signifikant mehr Angstsymptome hatten, sich auch anderen Selbstverstümmelungen hingaben und dissoziales Verhalten zeigten. Irrerweise hatten sie auch auffällig oft Interesse an Russisch Roulette (sic!): als Zuschauer oder sogar als Teilnehmer.

Man denke in diesem Zusammenhang an die selbstmörderischen Stunts, etwa „S-Bahn-Surfing“, dem so viele Jugendliche frönen.

Ein derartiges Verhalten bestimmt, wie bereits gesagt, die gesamte Gesellschaft. Der nackte Irrsinn ist allgegenwärtig. Wenn man beispielsweise das Verhalten der Politiker betrachtet, die für jeden denkenden Menschen sichtbar das Land gegen die Wand fahren, sollte man weniger auf die Ideologie oder auf „Sachzwänge“ blicken, sondern darauf, daß es die Charakterstruktur der Durchschnittsmenschen karikaturhaft überzeichnet, sozusagen rekapituliert.

Da sind zunächst einmal die Politiker, die der zunehmenden Infantilität und Verantwortungslosigkeit der Massen entgegenkommen und sich gleichzeitig gegenüber „höheren Ebenen“ genauso verhalten: die Wähler wenden sich dem „Sozialstaat“ zu und die Politiker „Europa“. Niemand will mehr Verantwortung auf seiner Ebene tragen.

Am Ende steht dann der Politiker, der aufgrund seiner vollendet triebhaften Struktur dem „Kleinen Mann“ Führung bieten kann. Diese Art von Politiker beschreibt Konia wie folgt („Neither Left Nor Right (Part II continued): The Consequences Of Political Illusion“, S. 92-111):

Der soziopathische Politiker habe, so Konia, eine glatte aber gut entwickelte Fassade, die sich jedem äußeren Widerstand anpaßt. Es gelinge ihm ausgezeichnet Menschen zu bezaubern. In seiner Umgebung rufe er ein wohliges Gefühl der Entspannung hervor, womit er Vertrauen und öffentliche Unterstützung gewinne. Sein Lächeln solle die Ahnungslosen entwaffnen und ihr Vertrauen gewinnen. Seine Überzeugungen und Beziehungen seien jedoch bloße Funktion seines Verlangens nach narzißtischer Befriedigung und persönlichem Gewinn. Er empfinde nur Verachtung für die Regeln des Anstandes und für das Vertrauen, das ihm entgegengebracht wird. Das Lügen falle ihm bemerkenswert leicht. Gewissensbisse seien ihm fremd. Anderen werde die Schuld in die Schuhe geschoben. Selbst wenn seine Verbrechen öffentlich werden, bleibe er entspannt und zeige keine Angst. Sein Charme und Mangel an Schuldgefühl veranlasse die Öffentlichkeit an seine Unschuld zu glauben. Er bleibe so lange loyal, als es seinen Zwecken und Interessen diene, obwohl er umgekehrt anderen unverbrüchliche Treue abverlange (S. 101).

Die Nähe zum, wie Reich ihn nannte, „Generalpsychopathen“ (Hitler) ist evident. Eine Massenpsychologie des Faschismus in der antiautoritären Gesellschaft ist ein Desiderat.

Reich der „schreckliche Vereinfacher“

8. August 2012

Wie die Komplexität der orgonomischen Fragestellung auf praktische Weise in das wirkliche Leben integrieren? Man müsse doch auch die andere Seite sehen, diese Sichtweise wäre doch einfach zu vereinfachend, so schematisch dürfe man das nicht sehen, dem Kritiker würden x Gegenbeispiele einfallen, etc. Wobei immer wieder neue Fragenkomplexe angerissen werden.

Das geschieht immer im Namen der „Wirklichkeit“ und der „Praktikabilität“. Die Wirklichkeit sei eben viel komplexer als unsere schönen Theorien und unsere vereinfachten Schemata wären viel zu grobschlächtig, um wirklich praktikabel zu sein.

Eben weil sie Kliniker und Pragmatiker waren, haben Reich und Elsworth F. Baker die Neurotiker auf eine einfache orgonometrische Gleichung reduziert (der abgewehrte und der abwehrende Trieb, der die Charakterstruktur bestimmt) – und die genaueren Klassifikationen draußen vor gelassen, weil man praktisch mit ihnen nichts anfangen kann. Es geht darum, sich vom unwesentlichen „Noise“ nicht erschlagen zu lassen und konsequent zum funktionellen Kern des Problems vorzudringen und dort anzusetzen.

Man nehme eine beliebige politische Affäre: natürlich kann man sich, wie es jeder Journalist tut, auf die „Wirklichkeit“ und damit auf den umfassenden Täuschungszusammenhang einlassen – oder man kann sich davon befreien und die Sache funktionell betrachten. Warum, zum Beispiel, haben sich die Konservativen auf mafiöse Methoden eingelassen? Das funktionelle Problem war die Linke in den 1970er und 1980er Jahren, die alles tat, um den Roten Faschismus im Osten zu stützen und im Inland durchzusetzen. Man stelle sich mal vor, die „realistische“ SPD hätte sich durchgesetzt und wir hätten die Staatsbürgerschaft der DDR anerkannt! Dagegen mußte und muß mit allen Mitteln mobil gemacht werden – was dann zu einem Selbstläufer wurde. – Was sonst so in den Zeitungen steht und im Fernsehen gesendet wird, geht, wie stets, am Kern des Problems vorbei. Hier ist es die aktionistische Linke, auf die die Rechte lediglich reagiert.

Und so in allem: der Funktionalist muß stets zu dem Kern des Problems vordringen, den alle anderen systematisch umgehen! Natürlich wäre es idiotisch, etwa bei einer Diskussion über Alkoholismus darauf zu insistieren, dem läge meist eine „unbefriedigte orale Panzerung“ zugrunde. Aber während die anderen der Vielgestaltigkeit des Phänomens Alkoholismus haltlos ausgeliefert sind und schließlich zu mechanistischen Erklärungen (Rezeptoren im Hirn, genetische Veranlagung, etc.) Zuflucht nehmen müssen, um nicht im klinischen Chaos zu versinken – hat der medizinische Orgonom festen Boden unter den Füßen, von dem aus er die Diskussion in die richtige Richtung lenken kann.

Warum fühlten sich die 68er letztendlich immer mehr zu Marx und Freud als zu Reich hingezogen? Weil Marx Tausende von Buchseiten hochkomplex und bis in jede kleinste Einzelheit den kapitalistischen Produktionsprozeß durchleuchtet hat – ohne selbst je eine Fabrik von innen gesehen zu haben oder irgendeine über politische Versammlungen hinausgehende Verbindung zur „arbeitenden/realistischen Sphäre“ gehabt zu haben! Reichs „Marxismus“, der aus der konkreten Sozialarbeit geflossen ist, war den 68ern einfach zu platt und schematisch – während Marx als „tief“ und „wirklichkeitsnah“ galt.

Das gleiche trifft auf Freud zu, der herrlich differenziert über die Neurosen und Perversionen schreiben konnte – während Reich als langweilig und zu grob schematisierend galt. Allein schon der naive Begriff von „psychischer Gesundheit“!

Reich:

Die Wirkung des Militarismus beruht massenpsychologisch im wesentlichen auf einem libidinösen Mechanismus: die sexuelle Wirkung der Uniform, die erotisch aufreizende, weil rhythmisch vollendete Wirkung der Parademärsche, der exhibitionistische Charakter des militärischen Auftretens sind einer Hausgehilfin oder einer durchschnittlichen Angestellten bisher praktisch klarer geworden als unseren gebildeten Politikern. (Die Massenpsychologie des Faschismus, Fischer TB, S. 50)

Wenn es um Fragen der „Umstrukturierung des Kleinkindes“ gehe, also um das, was Reich später als Projekt „Kinder der Zukunft“ bezeichnen sollte, sollten wir uns, so Reich, nicht an die „reaktionär ausgebildeten Psychologen halten“, sondern beispielsweise an das natürliche Empfinden von „Bergarbeitern“ (Die sexuelle Revolution, Fischer TB, S. 250).

Mit Marx und Freud und ihren kochkomplexen Erklärungsansätzen konnten die 68er im „wirklichen Leben“ etwas anfangen – während der Primitivling Reich für sie nichts weiter als ein unrealistischer, unpraktikabler Monomane war, mit dem man im „täglichen politischen Kampf, in der täglichen Praxis, in der täglichen Klinik“ nichts anfangen konnte.

Oder mit anderen Worten: Reich untergräbt das eine Kapital, von dem „Intellektuelle“ leben. Sie sind als „Übersetzer“ schlichtweg überflüssig, wenn die Lebenszusammenhänge einfach und überschaubar werden. – Sie sind Todfeinde der Arbeitsdemokratie.

Ja, diese Leute reden von Diskurs – die intolerantesten Menschen, die man sich überhaupt denken kann, die Begründer der Political Correctness, sprechen von Diskurs! Das Ergebnis dieses „Diskurses“ ist vorgegeben: „Fortschritt“ und „Demokratie“! Tatsächlich geht es nur um eins: den „Einfluß der Intellektuellen“:

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Wie Wilhelm Reich von der Nachwelt betrogen wurde

27. Mai 2012

Reichs Hoffnung für die Zukunft war, daß die Panzerung der Menschen, d.h. das einzige Problem, das die Menschheit hat (andere, wirkliche Probleme ließen sich ohne dieses Scheinproblem leicht lösen), durch drei Mechanismen sich nach und nach aufweiche und schließlich weitgehend auflöse. Der Grad der Bedeutung, den er den Mechanismen jeweils zuschrieb, änderte sich im Laufe der Zeit. Es sind:

  1. Die „sexuelle Revolution“, d.h. eine grundlegende Änderung der gesellschaftlichen Atmosphäre. Das sexuelle Lebensglück, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, würde nicht mehr im Namen der „Moral“ bekämpft oder im Namen der „Vernunft“ geduldet, sondern aktiv geschützt und gefördert werden. Dieser grundlegende Wandel hätte Auswirkungen auf die Charakterstruktur der einzelnen Gesellschaftsglieder und es käme in einem sich selbstverstärkenden und selbsterhaltenden Regelkreis zu einer wahrhaftigen „biologischen Revolution“, d.h. an die Stelle des gepanzerten Menschen träte schließlich ein vollkommen neues Wesen, der ungepanzerte Mensch.
  2. Im Projekt „Kinder der Zukunft“ ist das Augenmerk weniger auf die Sexualökonomie, d.h. die „erste Pubertät“ („Ödipuskomplex“) und die „zweite Pubertät“ (Geschlechtsreife) gerichtet, sondern auf Schwangerschaft, Geburt und Säuglingsalter. Man würde, praktisch vom Zeitpunkt der Empfängnis an, alles dafür tun, daß der Mensch keine Panzerung ausbildet. Da dies mit jeder Generation besser gelinge (die „Kinder der Zukunft“ haben selber Kinder), wäre die Menschheit nach wenigen Generationen befreit.
  3. Die Erforschung des Orgons verlange vom Menschen anders zu fühlen und zu denken: ungepanzert zu fühlen und zu denken (Orgonometrie). Dieser objektive Druck würde im Laufe der Zeit die Subjekte entsprechend weicher und „durchlässiger“ machen, d.h. eben die Panzerung verschwinden lassen. Eine Gesellschaft, die von der Orgonenergie so bestimmt wäre, wie die heutige von der Elektrizität, würde sich automatisch selbst entpanzern.

Abgesehen von hoffnungsvollen Einzelerscheinungen hat sich auf breiter gesellschaftlicher Ebene keine dieser drei Hoffnungen bewahrheitet. In vieler Hinsicht ist es sogar schlimmer geworden!

  1. Die „sexuelle Revolution“ war eine einzige Katastrophe aus (zu einem Gutteil drogeninduzierter) Kontaktlosigkeit und Oberflächlichkeit. Statt sich dem bioenergetischen Kern zu nähern, flüchteten die Menschen immer mehr in die oberflächliche soziale Fassade. Sexualität wird zunehmend reduziert auf „Performance“ und vor allem auf die Frage, was das soziale Umfeld „dazu sagt“. Bei Jugendlichen geht es immer weniger um Gefühle als vielmehr um das „Image“ und narzißtische Befriedigung. Die über das Internet überall und jederzeit abrufbare Pornographie und nicht zuletzt eine immer mechanistischer und „verkopfter“ werdende Sexologie tun ein Übriges. Darüberhinaus sind Reichs sexualökonomische Anschauungen aus Sicht der Political Correctness moralisch verwerflich. In dieser Hinsicht ist die antisexuelle Moral vielleicht stärker als jemals zuvor.
  2. Die aktuelle Diskussion um die Säuglingsbetreuung zeigt, daß wir den Kampf auf ganzer Linie verloren haben. Es fängt mit der künstlichen Befruchtung an, wo gegebenenfalls vorher eingefrorene Spermien und Eizellen in orgonotisch toten Reagenzgläsern miteinander vermischt werden, um dann in einer Gebärmutter heranzureifen, die vielleicht nicht ohne Grund zuvor „steril“ war. Künstliche Gebärmütter sind mittlerweile mehr als bloße Science Fiction. Immer mehr Kinder kommen per Kaiserschnitt zur Welt und auch sonst wird das gesamte perinatale und Säuglingsleben nach allen möglichen Interessen, außer den biologischen Bedürfnissen des Kindes ausgerichtet.
  3. Der eigentliche Verrat ereignete sich aber an Reichs größter Hoffnung: er habe „Gott“ mit der Entdeckung des Orgons greifbar gemacht und damit sowohl dem Mystizismus, als auch selbstredend dem Mechanismus den Todesstoß versetzt. Stattdessen haben zwei an sich gegnerische Fraktionen, die Spökenkicker und die Skeptiker, Reichs Entdeckung in die Zange genommen und so gut wie vernichtet. Das Orgon wurde zunehmend zu nichts anderem als eine neue Art von „Prana“ oder „Qi“, d.h. zu einem Vehikel, um extrem lebensfeindliche mystische Ideologien „wissenschaftlich“ zu untermauern. Die Proponenten sprechen dabei jeweils von einer „Weiterentwicklung“ des Reichschen Paradigmas und beklagen sich heftigst über „orthodoxe Reichianer“. Unvermittelt muß sich unsereiner mit C.G. Jung, Swami Durcheinanda und gechannelten Botschaften von Erzengel Achwasel herumplagen. Ein gefundenes Fressen für die mechanistischen Sektierer. Der Heidelberger Soziologe Edgar Wunder hat die bizarre Welt des „Skeptizismus“ ausführlich analysiert: Das Skeptiker-Syndrom: Zur Mentalität der GWUP.

Um das ganze übersichtlich zu halten, habe ich bisher einen vierten Punkt ausgelassen: Reich hoffte, durch eine „Entpanzerung der Erdatmosphäre“ langfristig auch die Menschen entpanzern zu können. Wenn der „DOR-Panzer“, der den Globus umschließt, mit Cloudbustern aufgebrochen und die übererregte ORANUR-Atmosphäre abgemildert werden könnte, würden auch die Erdbewohner „weicher“ werden.

Derartige Vorstellungen waren der ultimative Beweis, daß Reich in seinen letzten Jahren verrückt geworden ist. Entsprechend wurden seine apokalyptischen Warnungen nicht etwa nur überhört, sondern erst gar nicht wahrgenommen. Im letzten halben Jahrhundert haben wir entsprechend wirklich alles getan, um diesen Planeten in eine DOR- und ORANUR-Hölle zu verwandeln. Der letzte Streich waren die bioenergetisch hochtoxischen „Energiesparlampen“. Zu allem Überfluß kam es in den letzten Jahren zu einer atemberaubenden Explosion des Gebrauchs von „Croft-Cloudbustern“, mit denen „Chemtrails“ bekämpft werden sollen. Tatsächlich wird flächendeckend das Orgonenergie-Feld der Erde in einen künstlichen Expansionszustand versetzt („blauer Himmel“), der sie langfristig abtötet. Es ist ungefähr so wie die Zwangsgabe von Speed oder Kokain: das Opfer wird energetischer, leistungsfähiger, in jeder Beziehung mehr „high“ – und gleichzeitig mechanischer, kontaktloser und schon bald kommt das böse erwachen. Siehe dazu meine Ausführungen über den Kult der Expansion.

Wie zum Hohn werde ich dann auch noch allen Ernstes gefragt, warum ich so verbittert, aggressiv und voller Haß bin!

Was tun? Dazu muß erst einmal die Frage beantwortet sein, was eigentlich geschehen ist. Warum haben sich Reichs Hoffnungen nicht materialisieren können? Seit 1960 hat sich die Gesellschaft grundlegend geändert: aus einer autoritären, „kontraktiven“ wurde eine antiautoritäre, bioenergetisch überexpansive Gesellschaft. Das bedeutet, daß sich die Menschen weiter von ihrem biologischen Kern entfernt haben. Aus der mystifizierten Traum von „der großen Liebe“ wurde ein stupider mechanischer Akt, der Mensch wurde zu einer von der DNA gesteuerten bionischen Maschine und das, was an bioenergetischem Kontakt übrigblieb (denn schließlich sind wir keine bionischen Maschinen), wurde zu einem Mystizismus neuer Prägung. Diese neue Art von „Spiritualität“ ist verkopft, kompliziert und vor allem wirr (im Gegensatz zu genuiner, „bauchgesteuerter“ Mystik).

Wir haben es also mit einem imgrunde soziologischen Problem zu tun. Ein Ansatz, den Charles Konia verfolgt, auf dessen Blog ich nur immer wieder hinweisen kann. Hier sein neuster Beitrag: Communism/Socialism Is A Cancer Of The Social Body.

Tatsächlich vertritt Konia den fünften Ansatz Reichs zur Herstellung einer besseren Zukunft für die Menschheit: die Sozialpsychiatrie. Ich bin darauf an anderer Stelle eingegangen. Dieser Ansatz wurde vielleicht am gründlichsten und vor allem systematisch zerstört durch all den freudo-marxistischen Mumpitz, der seit „1968“ von „Reichianern“ verzapft wurde. Ihre hochintellektuellen Elaborate füllen mittlerweile ganze Bibliotheken! Sie haben den Kampf gegen die „autoritäre Gesellschaft“ immer weiter verschärft.

Sexpol 2012 (Teil 2)

18. Januar 2012

Eines der Hauptprobleme bei der Vermittlung des Reichschen Werkes ist die Mär, daß „mehr Ficken“, die Menschen „befreie“. Diese Sichtweise wurde etwa von Christopher Turner in seiner leider sehr einflußreichen Reich-Biographie Adventures in the Orgasmatron vertreten. Angesichts der Zustände in der permissiven Gesellschaft sei Reich definitiv widerlegt. Reich diese Vorstellung unterzuschieben ist natürlich vollkommen absurd, da er ausführlichst gezeigt hat, daß die Menschen aufgrund ihrer Panzerung orgastisch impotent sind. Ebensogut könnte man einem Farbblinden raten, er solle in einer farbenfrohen Umgebung leben, um zu gesunden!

Wie fast immer ist in diesen falschen Anschauungen ein Körnchen Wahrheit enthalten, – das sie am Leben erhält. In diesem Fall: partielle sexuelle Entspannung ist natürlich immer noch besser als gar keine. Wie Richard A. Blasband ausgeführt hat, gilt das sowohl für Masturbation, selbst wenn man dabei Schuldgefühle hat („Q & A: Masturbation and Guilt“, Journal of Orgonomy, 11(1), May 1977, S. 116), als auch für sexuelle Perversionen, die einer sexuellen Abstinenz vorzuziehen sind („Q & A: Neurotic Sexual Relations and Abstinence“, Journal of Orgonomy, 14(1), May 1980, S. 114). Der Neurotiker kann immer einen Höhepunkt erleben, der die sexuelle Spannung reduziert, wenn auch keinen Orgasmus, der sie vollkommen beseitigt (Elsworth F. Baker: „Sexual Theories of Wilhelm Reich“, Journal of Orgonomy, 20(2), November 1986, S. 176). Dies heißt natürlich nicht, daß man Sex als Heilmittel verschreiben kann (ebd., S. 183), jedoch kann man seine Triebe frei leben, solange sie andere nicht verletzen.

Für Freud war „die Sublimierung das einzige Mittel (…), ohne Verdrängung oder Perversionsbildung die Konflikte zwischen Ich und Sexualität zu lösen“ („Trieb- und Libidobegriffe von Forel bis Jung“, Frühe Schriften, S. 131). Reich hingegen war der Ansicht, die sexuelle, d.h. genitale Befriedigung ermögliche erst die Sublimierung von prägenitalen Strebungen.

Reich unterscheidet zwischen der genitalorgastischen Befriedigung und Sublimierung auf der einen und der prägenitalen Befriedigung und Reaktionsbildung auf der anderen Seite.

Dieser qualitative Unterschied drückt sich dann auch in einem quantitativen aus: Der neurotische Charakter leidet unter einer sich ständig steigernden Libidostauung, (…) weil seine Befriedigungsmittel den Bedürfnissen des Triebapparats nicht adäquat sind; der andere, der genitale Charakter, steht unter dem Einfluß eines ständigen Wechsels von Libidospannung und ädaquater Libidobefriedigung, verfügt also über einen geordneten Libidohaushalt. (Charakteranalyse, KiWi, S. 225f)

Beim genitalen Charakter stehen Ich-Libido („Selbsterhaltung“) und Objekt-Libido („Sexualität“) in keinerlei Widerspruch, sondern bestärken einander.

In der autoritären Gesellschaft hingegen werden mit Hilfe von Drohungen, die die Selbstliebe aktiviert (Angst um das eigene Selbst, etwa infolge mehr oder weniger direkter Kastrationsdrohungen), die sexuellen Objektstrebungen in Schach gehalten. Sie kommen dann nur mehr als „Idealismus“ zum Ausdruck. Aus Sexualität wird „Altruismus“. Diese Reaktionsbildung ist beispielsweise die Grundlage des Christentums („selbstlose Liebe“).

Seit 1960 haben sich die Charakterstrukturen der Massenindividuen zusehends verändert. Im antiautoritären Individuum ist von Drohungen und Sexualunterdrückung keine Rede mehr. An ihre Stelle tritt der Terror der „Political Correctness“, etwa in Bezug auf die „Gender-Problematik“. Als Kompensation der frustrierten Selbstliebe wird die Umwelt nur noch mit der Brille des Egoismus betrachtet und entsprechend opportunistisch ausgebeutet.

Der ungepanzerte, genitale Charakter ist orgastisch potent und deshalb fähig imgrund antisoziale prägenitale Strebungen zu sublimieren, d.h. sozial fruchtbar zu machen.

Der gehemmte Charakter der autoritären Gesellschaft ist orgastisch impotent und nur zu einer Karikatur des Sublimierens fähig: aus Selbstliebe wird heuchlerische „Nächstenliebe“. Derartige Reaktionsbildungen sind, so Reich, „krampfhaft und zwangsartig“, während die Sublimierung „frei strömt“.

Es ist, als ob hier das Es in Einklag mit Ich und Ich-Ideal direkt mit der Realität in Verbindung stünde, dort hingegen bekommt man den Eindruck, als ob alle Leistungen von einem strengen Über-Ich einem sich sträubenden Es aufdiktiert würden. (ebd., S. 238f)

Beim gehemmten, „idealistischen“ Charakter kommt es zu einer krampfartigen „Stärkung der Ich-Formation in Form chronischer Abpanzerung gegen Es und Außenwelt“, während beim ungehemmten, „opportunistischen“ Charakter das Ich zu schwach ist, um antisozialen libidinösen Regungen Herr zu werden. Entsprechend ist er Spielball zahlloser neurotischer Strebungen (ebd., S. 252).

Der ungehemmte Charakter der antiautoritären Gesellschaft gibt sich ganz seinem Egoismus hin und „lebt sich aus“. Baker hat 1970 dieses prägenitale Paradies anläßlich der ersten Welle des Antiautoritarismus, d.h. der Hippie-Bewegung, folgendermaßen analysiert:

Eine solche um das Vergnügen kreisende Kultur, würde allmählich verfallen und schließlich dem Nichts anheimfallen, wie es in der Zeit der alten Griechen und Römer geschah oder wie H.G. Wells es in Die Zeitmaschine für die Zukunft visualisierte. Es stimmt, daß man dazu fähig sein muß Lust, sogar Ekstase, zu erleben, um so Spannung entladenden zu können, aber das Leben findet Erfüllung in sinnhafter und schöpferischer Arbeit, nicht indem man sich auf künstlich hinausgezögerte Weise mit seiner Partnerin bzw. seinem Partner herumrekelt. Derartige Liebesspiele sind kein Ausdruck von Genitalität, vielmehr sind sie infantil mit oralen und masochistischen Komponenten. (Leserbrief an den „Playboy“, Journal of Orgonomy, 5(1), S. 116f)

Sexpol 2012 (Teil 1)

17. Januar 2012

Reich unterscheidet zwischen biopathischen und sozialen Störungen der erwachsenen Genitalität. Die erstere zu beseitigen, ist Aufgabe der psychiatrischen Orgontherapie, während die zweite Art der Störung der sozialen Beratung zugänglich ist. Neben dem psychoanalytischen Ambulatorium in Wien, das sich mit der Behandlung von neurotischen Erkrankungen „der Massen“ beschäftigte, verfolgte Reich den zweiten Ansatz in seinen Sexualberatungsstellen und in seiner politischen Arbeit, wie er sie in seinem Buch Menschen im Staat beschrieben hat.

Heute stehen Themen wie die folgenden im Vordergrund:

  • Ehehygiene: Beispielsweise in getrennten Betten schlafen, um länger die sexuelle Spannung aufrechtzuerhalten. Der Mann hat bei der Geburt seines Kindes nichts zu suchen! In keiner Kultur war der Mann jemals bei diesem Ereignis anwesend. Die immer weiter um sich greifende kontaktlose, „linksliberale“ Mode zerstört flächendeckend die sexuelle Beziehung zwischen Ehepartnern und damit die Familien!
  • Pornographie: Dem gigantischen Tsunami an Fehlinformationen über die Sexualität entgegenarbeiten. Das ist einfacher gesagt als getan, denn die moderne Sexualwissenschaft ist derartig vom linksliberalen Zeitgeist durchdrungen, daß sie das verzerrte Bild der Sexualität (pseudo-) wissenschaftlich absichert. Dabei kann sie sich auf die humanbiologische Forschung berufen, derzufolge „Sex nur im Kopf“ stattfindet. (Etwas, was von anderen Körperfunktionen im übrigen so nie behauptet wird!)
  • „sexuelles Experimentieren“: Die meisten Sexualratgeber führen geradezu systematisch von der Genitalität (Kontakt) weg und propagieren Ersatzkontakt, der zu einer geringeren Befriedigung führt, was wieder zu „Neuem“ animiert. Sexualität wird zu einer Art Droge.

Angesichts all des Unsinns über „Gender“ (der im übrigen sämtlichen Erkenntnissen der modernen Biologie widerspricht), bedeutet Aufklärung heute auch die denkbar basale Klärung der geschlechtlichen Identität. Was bedeutet es ein Mann bzw. eine Frau zu sein? Dazu schreibt Reich:

(…) in der offiziellen gesellschaftlichen Anschauung ist Hingabe mit Weibsein und unnachgiebige Härte mit Männlichkeit gefühlsmäßig verknüpft. In der gesellschaftlichen Ideologie ist es unvorstellbar, daß ein selbständiger Mensch sich hingeben und ein hingebender Mensch selbständig sein könne. So wie Frauen aus dieser Gleichsetzung heraus gegen ihre Weiblichkeit protestieren und männlich sein wollen, so wehren sich die Männer gegen ihren natürlichen geschlechtlichen Rhythmus aus Angst, weiblich zu erscheinen; – und daraus schöpft wieder die verschiedene Anschauung des Sexuellen bei Mann und Frau ihre scheinbare Berechtigung. (Die Funktion des Orgasmus, Fischer TB, S. 247)

Wie stark die Verwirrung mittlerweile, d.h. in der antiautoritären Gesellschaft, geworden ist, zeigen die medialen Produkte unserer „Kultur“. Eine einzige Freakshow.

Trotz (oder vielmehr gerade wegen) aller Freiheit herrscht heute auf sexuellem Gebiet mehr Konfusion als jemals zuvor. Aufklärung tut heute genauso Not wie 1930. Während damals jedoch Reichs Öffentlichkeitsarbeit und Broschüren von Katholiken und Neoheiden (Nazis) bekämpft wurden, steht heute die Political Correctness der Verbreitung sexualökonomischer Erkenntnisse entgegen.

Der gepanzerte Mensch ist unfähig, sich selbst zu regulieren, will aber ständig neue Freiheiten. Die freigelegte Energie, die nicht genital entladen werden kann, führt zu allen Arten von Ersatzkontakt. Ausgerechnet jene, die Reich eine Überbewertung der Sexualität vorwerfen, fordern eine hohe sexuelle und Liebeskultur, die „Kunst der Liebe“ (Thomas Kornbichler: Wilhelm Reich – Enfant terrible der Psychoanalyse, Berlin 1989, S. 74), während der angebliche Erotomane Reich das Bewußtsein von der Sexualität und die Sexualität vom Bewußtsein freihalten wollte. Bei Reich waren „Liebe, Arbeit und Wissen“ gleichberechtigt.

Man hat Reich vorgeworfen den Orgasmus als Allheilmittel zu vertreten, dies weist Elsworth F. Baker zurück und nennt die Orgonomie eine „rather puritanical discipline“ („Sexual Theories of Wilhelm Reich“, Journal of Orgonomy, 20(2), November 1986, S. 175).

Was diese Gesellschaft braucht, ist wahrhaftig nicht „mehr Sex“, sondern mehr Wissen und ein neues Verhältnis zur Arbeit. Am schockierendsten ist wohl der Hype um die Alterssexualität. Viagra, Feuchtigkeitscremes, Schönheitschirurgie, Pornographie, etc. Nicht, daß irgendetwas verdammenswert oder „ungesund“ an „Alterssexualität“ wäre! Es geht einfach darum, den natürlichen Rhythmen des Körpers zu folgen. Wie inhaltsleer muß das Leben eines Menschen sein, daß er ohne artifiziell angestachelten Sex als eine Art „Unterhaltungsprogramm“ nicht leben kann?!