Archive for the ‘Die Kinder der Zukunft’ Category

Peters Lektüre von KINDER DER ZUKUNFT (Teil 5)

13. Januar 2018

Kinder der Zukunft: einer der entscheidenden Sätze findet sich auf S. 22f: Ziel sei es, „den natürlichen Ausdruck des Neugeborenen zu verstehen und jede Einschränkung zu beseitigen“. Dieses Grundanliegen Reichs kann man wirklich auf alle Gebiete ausdehnen: in der Therapie wird versucht, den natürlichen Ausdruck freizulegen und zu unterstützen, desgleichen in den Versuchen die Arbeitsdemokratie freizulegen, selbst beim Cloudbusting, was die Selbststeuerung der Atmosphäre betrifft – überall. Das ist der Kern der Orgonomie. Sozusagen: der Kern ist ihr Kern. Und genau deshalb ist dieses Buch auch so überaus wichtig. Und genau weil es so wichtig ist:

Auf S. 27 schreibt Reich, daß „die Natur in den tiefen Quellen des lebendigen Prinzips ein Zusammenwirken der Menschen anstrebt“, doch die neurotischen Prinzipien „diese grundsätzliche Einigkeit der internationalen menschlichen Existenz zerreißen und trennen“. Das sollte, so Reich weiter, im Schmelztiegel USA leicht zu begreifen sein, im Gegensatz zu Ländern mit „nationalen Beschränkungen“. Soweit Reich. Das Prinzip „Kinder der Zukunft“ soll hier, ganz gemäß dem Zeitgeist nach zwei verheerenden Weltkriegen, der Durchsetzung des internationalistischen Projekts dienen. Etwa im Sinne dieser Schmelztiegelhexe (und, nein, ich bin kein Antisemit, aber sie ist nun mal das beste Beispiel):

Wir müssen bei Reich das Überzeitliche vom Zeitgebundenen trennen. Die Wahrheit von damals ist heute eine lebensfeindliche, pestilente Lüge, die unser Leben insbesondere aber das Leben unserer deutschen Kinder in eine veritable Hölle verwandelt! Oder wie Reich auf S. 29 schreibt: die biophysikalischen Grundlagen „sind jenseits der Veränderlichkeit“, während Institutionen und Ideologien unbedeutende sekundäre Funktionen darstellen, die veränderbar sind.

Ich werde gefragt, warum ich so streng mit dem Buch Kinder der Zukunft umgehe. Schlechte Umgangsformen, kompromißlos, extrem, etc. Sozusagen schlecht für „die Bewegung“ oder „die Sache“. Ich gebe nur das wider, was mir aufgefallen ist und was der Leser m.E. wissen sollte. Die Übersetzung ist flüssig zu lesen und gibt das Original korrekt wider. Aber ist das SELBSTVERSTÄNDLICHE erwähnenswert? Ist erwähnenswert, daß jeder SELBSTVERSTÄNDLICH das Buch lesen sollte, der sich auch nur marginal für Reich interessiert?

Ein anderes Beispiel: Teile von Äther, Gott und Teufel (1983) mußten ins Deutsche übersetzt werden. Eine ganz überwiegend gute Übersetzung. Nicht erwähnenswert, da SELBSTVERSTÄNDLICH. Erwähnenswert sind einzig und allein Stellen wie: „es gibt keinen luftleeren Raum“ (sic!), weil der Übersetzer allen Ernstes „vacuum“ mit „luftleer“ widergegeben hat. Ich muß so etwas erwähnen, allein schon, weil es sonst niemand macht. Für mein Empfinden ist ein solches Schweigen gewissenlos, nach dem Motto: „Hauptsache Äther, Gott und Teufel ist auf deutsch erschienen!“

Warum fehlt in Kinder der Zukunft, im Gegensatz zur amerikanischen Originalausgabe, die Quellenangabe des zentralen und wichtigsten Kapitels des Buches, „Die Kinder der Zukunft“? („Children of the Future. I. Report on the Orgonomic Infant Research Center“, Orgone Energy Bulletin, 2(4), Oktober 1950, S. 194-206). Kann man sich solche Nachlässigkeiten bei einem Freud-Buch vorstellen? Deshalb die rigiden Formalitäten, die Reich und später Elsworth F. Baker ihrer Umgebung aufzwangen: angesichts von „Orgasmus, Sexualökonomie und Entspannung“ muß man Respekt erzwingen. Siehe Reichs Rede an den Kleinen Mann.

Ich weiß, ich bin kleinlich, aber Fußnote 3, S. 21: „Der Begriff Sexualökonomie ist eine Weiterentwicklung der Freudschen Trieblehre.“ Warum nicht: „Die Sexualökonomie ist eine Weiterentwicklung der Freudschen Trieblehre“? Der Begriff der Sexualökonomie umfasse, so diese Fußnote des Übersetzers, die Gesamtheit der menschlichen Antriebe, nicht nur, wie häufig fälschlicherweise angenommen werde, den Sexualtrieb. Und warum heißt es denn „Sexualökonomie“? Lautet der Untertitel des Buches nicht „Zur Prävention sexueller Pathologien“? „Sexualität“ steht schlichtweg für die Expansion des Energiesystems, das eine Einheit ist, nicht, wie bei Freud, ein Sammelsurium voneinander vollkommen unabhängiger Triebe, die miteinander griechische Tragödie spielen. Regulator dieses Energiesystems ist der Orgasmus. Und was macht diese Fußnote? Sie relativiert die Bedeutung der Sexualität!

Aber zitieren wir das Glossar von Die Massenpsychologie des Faschismus:

Sexualökonomie. Der Begriff bezieht sich auf die Regulierungsweise der biologischen Energie oder, was dasselbe ist, des sexuellen Energiehaushalts des Individuums. Sexualökonomie meint die Art, in der ein Individuum mit seiner biologischen Energie wirtschaftet – wieviel davon es eindämmt, wieviel davon es orgastisch entlädt. Die Faktoren, die diese Regulierungsweise bestimmen, sind soziologischer, psychologischer und biologischer Natur. Die sexualökonomische Wissenschaft hat die aus dem Studium dieser Faktoren gewonnene Gesamtheit des Wissens zum Inhalt gehabt. Der Begriff bezeichnet Reichs Arbeit vom Zeitpunkt seiner Widerlegung der Freudschen Kulturphilosophie bis zur Entdeckung des Orgons, wonach er zu dem Terminus Orgonomie – Wissenschaft von der Lebensenergie – abgewandelt wurde.

So einfach, so funktionell ist das Leben! Ohnehin hätten wir uns das alles ersparen können, denn im amerikanischen Original lautet die Fußnote von Raphael und Higgins (die dort übrigens skandalöserweise nicht als solche gekennzeichnet ist, so daß jeder Leser sie Reich zuweisen wird, dessen Originalaufsatz gar keine Fußnoten hat!) entsprechend der offiziellen orgonomischen Definition von „Sexualökonomie“: „Sex economy refers to the manner in which the organism regulates its biological (orgone) energy.“ Ist dieses Fußnoten-Durcheinander etwa nicht erwähnenswert?

Warum, warum, warum müssen wirklich alle Bücher Reichs zu einem editorischen Alptraum entarten?!

In der Fußnote 5, S. 22 wird Dr. Müschenichs Doppelblindstudie über den Orgonenergie-Akkumulator erwähnt. Sie stamme aus dem Jahr 1995 (sic!). Als Beleg wird auf Dr. Müschenichs Buch von 1987 verwiesen… Puhhhhh… Ja, jetzt bin ich wirklich kleinlich, aber… Puhhhh…

P.S.: Gerade eben habe ich für neue Blogbeiträge in Reich-Büchern geblättert: In Charakteranalyse werden in einer Abbildung „blockierte Erregung“ und „blockierende Erregung“ miteinander vertauscht (KiWi, S. 574). In Äther, Gott und Teufel wird in einer Abbildung der Panzer nicht mit „Panzer“ beschriftet, sondern mit – „Liebe“ (1983, S. 67).

Peters Lektüre von KINDER DER ZUKUNFT (Teil 4)

8. Januar 2018

Ähnliches ließe sich über das Kapitel „Der Ursprung des menschlichen ‚Nein‘“ sagen, das Reich ebenfalls selbst herausgegeben hat, 1955 – in einer vollständig anderen Version („The Source of the Human ‚No’“, Orgonomic Medicine, 1(2), S. 101-105), als das was Higgins/Raphael uns hier kommentarlos präsentieren.

In dem von unserem fatalen Paar zu verantwortenden Buch fehlen in diesem Kapitel für die Orgonomie so wichtige Stellen wie die folgende, die wirklich jeder Student der Orgonomie kennen sollte, weil in der Orgonomie ständig darauf Bezug genommen wird:

Ich sprach über die ursprüngliche Schädigung, die dem Menschen widerfahren ist – Sie wissen, gleich bei Säuglingen. Darum geht es, diese Gleichgültigkeit. Niemand zeigt Interesse. Nichts kann ihr Interesse wecken. Das Protoplasma hat aufgehört zu funkeln. (meine Übersetzung)

Darum geht es bei dem Artikel! Wie kann man es wagen, einen der wichtigsten Artikel Reichs derartig zu kastrieren?! Ich glaube, ich spinne: was in dem Buch präsentiert wird ist nicht WILHELM REICHs Artikel „Der Ursprung des menschlichen ‚Nein‘“! Aaaarrrgggghhhhhhh!

Zum Schluß noch eine Bemerkung zum Übersetzen: Die Überschrift „Der Ursprung des menschlichen ‚Nein‘“ widerspricht dem Wesen der deutschen Sprache. Ich hätte übersetzt: „Das ‚Nein‘ des Menschen und sein Ursprung“. Oder nehmen wir beispielsweise Morton Herskowitz‘ Buch Emotional Armoring, das doch tatsächlich mit Emotionale Panzerung übersetzt wurde. Ist deine Panzerung auch emotional? Korrekt wäre m.E. „Die Panzerung der Emotionen“ oder besser „Gepanzerte Emotionen“. Englisch und Deutsch haben grundsätzlich unterschiedliche Strukturen. Beispielsweise ist es manchmal für einen Germanen die reine Tortur Baker und Konia zu lesen, geschweige denn übersetzen zu wollen, da die beiden vollkommen im anglosächsischen Sprachraum aufgehen – und sich beim durch die durch und durch logische deutsche Sprache gestählten Teutonen Knoten in den Hirnwindungen bilden. Es gibt kaum etwas Schwierigeres als das Übersetzen englischer Texte ins Deutsche! Daß ausgerechnet das schluderige Englisch das hochpräzise und jeder anderen Sprache überlegene Deutsche als internationale Sprache der Wissenschaft abgelöst hat…

Ja ja, die Übersetzerei. Reichs Übersetzer Theodore P. Wolfe hatte am Anfang das Problem, daß es im Englischen das Wort „energetisch“ einfach nicht gab, also übersetzte er „economic“ (sic!). Baker und Mathews haben später sogar „energic“ (sic!) gewählt. Ich würde mich nicht wundern, wenn Reich derjenige war, der das Wort „energetic“ in den englischen Sprachraum eingeführt hat! Baker sprach immer vom „emotional plague character“, anstelle von Reichs „pestilent character“. Reichs Version ist im Amerikanischen einfach nur daneben. In der deutschen Übersetzung von Bakers Der Mensch in der Falle heißt es für „emotional plague character“ unglaublicherweise „Charakter der emotionalen Pest“. Eine korrekte Übersetzung ist natürlich „pestilenter Charakter“. Ich übersetze „emotionell pestkranker Charakter“.

Peters Lektüre von KINDER DER ZUKUNFT (Teil 3)

7. Januar 2018

Was mich wirklich geärgert hat, und das schon 1983 bei der amerikanischen Originalausgabe von Kinder der Zukunft, ist eine sehr fragwürdige Fußnote von Wilhelm Reich (sic!) zu dem Kapitel „Über kindliche Masturbation“ aus dem Jahre 1928. Dort heißt es im Zusammenhang mit der sexuellen Entwicklung von Mädchen: „Allerdings könnte es angebracht sein, die Aufmerksamkeit kleiner Mädchen auf ihre Vagina zu lenken.“ Was für ein Unsinn, der in der deutschen Ausgabe sogar noch verschärft wird, weil es hier, im Gegensatz zur amerikanischen Originalausgabe, wahrheitswidrig heißt, diese Fußnote stamme aus dem Jahre 1949!

Der Orgonomin (nicht „Orgonomistin“) Louisa Lance war 1984 diese Fußnote aufgestoßen, wobei sie sie kurioserweise doch tatsächlich den Herausgebern Higgins und Raphael zuschrieb, derartig abwegig kam ihr offensichtlich die Fußnote vor. Lance: „Wenn die biologische Entwicklung ohne Panzerung stattfindet, ist dies nicht notwendig, da die in die Genitalien investierte Energie die Vagina zu einem Bereich von natürlichem Interesse und Neugier macht“ (Louisa Lance: „Children of the Future“, Offshoots of Orgonomy, No. 8, Spring 1984). In der deutschen Ausgabe sieht es jetzt so aus, daß Reich diese Selbstverständlichkeit 1949 nicht gewußt hätte und Eltern (gar „Erzieher“!) aus dieser reifen Position heraus dazu auffordert, kleine Mädchen, die nur von irgendwelchen äußeren Hautfalten wissen, auf ihre Vagina als Lustquelle hinzuweisen. Wirklich in jeder Beziehung gruselig, insbesondere angesichts der heutigen übergriffigen „Sexualerziehung“, die durchweg nichts anderes ist als sexueller Kindesmißbrauch.

Nochmal: Wenn die biologische Entwicklung ohne Panzerung stattfindet, ist es nicht notwendig, die Aufmerksamkeit kleiner Mädchen auf ihre Vagina zu lenken, da die in die Genitalien investierte Energie von ganz allein die Vagina zu einem Bereich von natürlichem Interesse und Neugier macht. Wenn aber die Entwicklung mit Panzerung, also neurotisch verläuft, kann das Lenken der Aufmerksamkeit auf die Vagina, vom Mädchen nur auf verheerende Weise als übergriffig empfunden werden, d.h. die psychosexuelle Entwicklung nur noch zusätzlich stören. Wie soll sich denn bitte dieses Aufmerksam machen praktisch vollziehen? Und es würde ja wohl durch genau jene neurotischen Personen erfolgen, die durch ihre sexualablehnende Grundeinstellung die Panzerung beim Mädchen erst hervorgerufen haben. – Wie ich es auch wende: die betreffende Fußnote macht orgonomisch keinen Sinn! Wie kontaktlos kann man eigentlich sein?!

Kann mir irgendjemand erzählen, warum es unser verpeiltes Herausgeber-Pärchen nicht für nötig befand, darauf hinzuweisen, daß Reich selbst 1950 eine Übersetzung des betreffenden Artikels von 1928 im Orgone Energy Bulletin veröffentlicht hat?! („About Genital Self-satisfaction in Children (1927)“, Orgone Energy Bulletin, Vol. 2(2), April 1950, S. 63-67). Dort ist also explizit nicht von „Masturbation“ oder „Onanie“ die Rede, abwertende Begriffe, sondern von GENITALER SELBSTBEFRIEDIGUNG. Aber Reichs Expertise scheint ja irgendwie keine Rolle mehr zu spielen… Warum wurde Reichs Einleitung aus dem Jahre 1950 weggelassen, die diesen Aufsatz in den bio-historischen Kontext stellt? Weil dieses Vorwort unser Pärchen bei der Vorspiegelung eines Buches mit dem Titel „Kinder der Zukunft“ gestört hätte? Wie das Buch jetzt ist, stehen Reichs orgonomische Aussagen über die „Kinder der Zukunft“ auf der gleichen Ebene wie seine psychoanalytischen Texte, insbesondere jene fatale Fußnote.

Peters Lektüre von KINDER DER ZUKUNFT (Teil 2)

6. Januar 2018

Kommen wir zum eigentlichen Buch, d.h. Reichs Text Kinder der Zukunft. Zur Prävention sexueller Pathologien. Herausgeber ist das Paar Mary Boyd Higgins und Chester M. Raphael. Der letztere war enger Mitarbeiter von Reich, seine Partnerin war ursprünglich seine Patientin.

Muß man eigentlich Philologie studiert haben, um zu wissen, wie man korrekt wissenschaftliche Schriften herausgibt? Das ist kein „Reich-Buch“, sondern eine kleine Sammlung seiner Schriften zur Kindererziehung und entsprechend müßte auch der Untertitel lauten! Diese Sammlung gruppiert sich um das Manuskript des Buches „Kinder der Zukunft“, das Reich aber nach vier oder fünf Kapiteln aufgegeben hat. Der Leser erfährt davon kein einziges Wort!

Im amerikanischen Original von 1983 wird immerhin erwähnt, daß das Kapitel „Fallangst bei einem drei Wochen alten Säugling“ Reichs Buch Der Krebs entnommen wurde, wo es sich um einen Abschnitt handelt. Warum dieser Abschnitt bzw. das „Kapitel“ vom deutschen Übersetzer aus dem amerikanischen rückübersetzt wurde, ist mir schleierhaft.

Es folgt das Kapitel „Mißhandlungen von Kindern“. Weder die amerikanischen Herausgeber noch der Übersetzer halten es für nötig, darauf hinzuweisen, daß das eine Notiz aus Reichs Zeitschrift International Journal of Sex-economy and Orgone Research aus dem Jahre 1942 ist mit dem weitaus passenderen Titel „Disastrous Fads in Infant Upbringing“ (1(3), November, S. 276-278).

Petitessen kann ich mir nicht verkneifen. Etwa, daß auf Seite 14 das amerikanische „orgonomist“ (der Orgonom) mit „Orgonomist“ übersetzt wird. Das wäre so, als würde man das amerikanische „agronomist“ mit „Agronomist“ übersetzen! Ein anderes Beispiel wäre der Astronom. Es gibt Pessimisten, Bigamisten, Alchimisten und Leninisten, aber keine „Orgonomisten“. Oder auf S. 197 der Verlag auf den „Wilhelm Reich Infant Trust Fund“ verweist. Die Organisation heißt heute „Wilhelm Reich Infant Trust“!

Peters Lektüre von KINDER DER ZUKUNFT (Teil 1)

5. Januar 2018

Ich bin gerade mal auf S. 17, trotzdem möchte ich bereits einiges sagen. Fangen wir mit dem Vorwort von Reichs Freund und Mitarbeiter William Steig, dem berühmten Cartoonisten, aus dem Jahre 1983 an.

Ich habe weniger etwas an diesem „orgonomisch korrekten“ Vorwort auszusetzen, als vielmehr an der Orgonomie selbst! Der typische Predigerton, wie wir ihn von der Kanzel oder von irgendwelchen weltverbessernden Schriftstellern und „Liedermachern“ – und von Reich selbst kennen: „Warum nur, warum…“ Warum können wir nicht in Harmonie zusammenleben, sondern müssen nach Reichtum, Macht und Anerkennung streben?! Rotgrüne Betroffenheit! Rousseau läßt grüßen! Darauf kann ich nur frei nach Nietzsche antworten: Weil das zu unserer Biologie gehört und weil nur der Agon uns zu dem gemacht hat, was wir sind. Ohne Wettstreit wären wir immer noch Jäger und Sammler, die Furcht vor Löwen und bösen Geistern haben! Übrigens sollte man mal Malinowski lesen: wenn irgendwas die Trobriandische Gesellschaft prägt, dann der Agon!

Jedes Tier wisse, so behauptet Steig, daß es Teil der Natur sei „und mit ihr zusammenarbeiten und ihre Gesetze befolgen [müsse]“. Das ist ein derartiger Unsinn! Tiere sind „Autisten“, wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe, und das „natürliche Gleichgewicht“ ist, wie ebenfalls dargelegt, eine romantische Mär.

Auf einer Metaebene ist Steigs Vorwort, das den Prozeß der Panzerung angreift, geradezu grotesk, denn aus ihr spricht vor allem eins: Steigs eigene spezifische PANZERUNG, seine linksliberale Panzerstruktur, die es ihm unmöglich macht, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist. Als Kontrast verweise ich auf Paul Mathews Ausführungen über die „genitale Welt“ hier auf diesem Blog: Teil 1, Teil 2 und Teil 3.

Die „Kulturdebatte“ zwischen Reich und Freud am Beispiel der Bundesliga

25. Dezember 2017

Frei nach Freud „geht die Kultur“ vor, was die Erziehung unserer Kinder betrifft. Alles, was ich als Kind wollte, war von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang durch das wilde Billwerder-Moorfleet streunen, mit meinen Spielkameraden ein haarstreubendes Abenteuer nach dem anderen zu bestehen. Aber die Wilden müssen ja zivilisiert werden und zur Schule gehen. Dabei zahlt die Gesellschaft einen hohen Preis dafür, daß sie Kinder in stinklangweilige Schulen preßt. Wir hatten immerhin noch lange Nachmittage zur freien Verfügung und unsere Eltern waren heilfroh uns nicht zu sehen. Heute ist das Leben der Kinder lückenlos durchorganisierter als das von Sträflingen!

Wie immer, wenn der gepanzerte Mensch etwas unternimmt, kommt am Ende so ungefähr das Gegenteil des Intendierten dabei raus. Die Menschen sollen auf die Erwachsenenwelt vorbereitet werden, doch tatsächlich bleiben die Erwachsenen infantil, weil sie die entsprechenden Strebungen in ihrer Kindheit nicht ausleben konnten. A.S. Neill, Gründer von „Summerhill“ und Freund Reichs, schreibt dazu:

Ich wollte, es ließe sich genau bestimmen, wieviel Schaden Kindern zugefügt wird, die man nicht spielen läßt, wie sie möchten. Ob die Menschenmassen, die den professionellen Fußballspielen zuschauen, nicht insgeheim ihren gehemmten Spieltrieb ausleben wollen, indem sie sich mit den Fußballern identifizieren, sie sozusagen stellvertretend für sich spielen lassen? Die meisten unserer ehemaligen Schüler gehen nicht zu Fußballspielen. (Neill: Theorie und Praxis der anti-autoritären Erziehung, Fischer TB, S. 79)

Offenbar konnte ich mich einigermaßen ausleben, denn mein aktiver und passiver Spieltrieb geht gegen null. Um so mehr befremden mich Menschen, die praktisch ihre gesamte so überaus kostbare Zeit mit Kinderspielen verbringen, etwa War of Soundso – oder wie die Videospiele immer heißen mögen, oder gebannt zuschauen, wie 22 „Männer“ einem Lederball hinterherlaufen.

Das, was die Gesellschaft an, wenn man so sagen kann, „Menschenzeit“ gewonnen hat, als sie Kinder vom „sinnlosen“ Spielen abgehalten hat und mit Polizeigewalt (sic!) auf Schulbänke preßte, verliert sie zigfach an den ganzen infantilen Schwachsinn, der für die meisten Menschen ihr wichtigster, wenn nicht einziger Lebensinhalt darstellt.

Dem gepanzerten Menschen ist das Lebendige grundlegend fremd. Beispiel Summerhill

18. Juli 2017

Neulich wurde hier eine der vielen konservativen Kritiken an A.S. Neill und Summerhill verlinkt. Ich wollte sofort etwas dazu schreiben, doch ist mir dazu partout nichts sinnvolles eingefallen. Manche Einwände sind derartig grundsätzlich falsch, daß man kaum mehr tun kann, als etwas hilflos auf die orgonomische Literatur zu verweisen. Und selbst dann: würden diese Kritiker sie durcharbeiten, kämen sie nur mit Stellen, die ihre Einwände weiter untermauern.

Das Problem ist argumentativ nicht bewältigbar, weil es charakterologischer Natur ist. Gepanzerte Menschen kennen kein spontanes Funktionieren. Alles muß von außen angestoßen und bewegt werden. Daß sich die Orgonenergie spontan, aus sich heraus bewegt, daß sie (arg mystisch ausgedrückt) „von selbst die Initiative ergreift“, ist ihnen wesensfremd. Entsprechend müssen in ihren Augen Kinder, die ungepanzert sind, bzw. deren Panzerung noch verhältnismäßig einfach aufzulösen ist, zu ihrem Glück gezwungen werden. Daß sie von sich aus lernbegierig sind und dafür auch manche Unbill auf sich nehmen und daß sie ihre Gemeinschaft spontan selbst organisieren und dabei umstandslos auch Sanktionen von der Gemeinschaft akzeptieren, das will nicht in den Kopf der besagten Kritiker. Wie zutiefst lächerlich und kontraproduktiv es ist, den Kindern Lernstoff und Disziplin aufzuzwingen, also daß nicht etwa Summerhill, sondern die Gesellschaft außerhalb Summerhills grotesk und entartet ist – gepanzerte Menschen werden das nie verstehen.

Ein Leben in Zwangsjacke und Gummizelle

23. Juni 2017

Als Kind wäre ich in der Schule beinahe draufgegangen. Mich hat dieser ganze Müll an der Tafel nicht die Bohne interessiert. Ich wollte nur eins: den ganzen Tag die mit allen möglichen und unmöglichen exotischen Pflanzenkeimlingen aus dem nahen Hafen verwilderte Industriebrache durchkämmen und am Ufer des Tidekanals nach dem suchen, was aus der Nordsee bis nach Hamburg angespült wurde. Ich wollte mich BEWEGEN. Heute würde man mich vielleicht mit der Droge Ritalin vollpumpen. Ich kann jetzt noch spüren, wie die Energie in meinem Körper rebellierte und wütete. Und diese verlogenen Schweine regen sich über das Schicksal von Legehennen auf!

Dazu berichtet die ÄrzteZeitung für Neurologen und Psychiater (Juni 2017) über ein interessantes Projekt aus Bremen. Seit Februar stehen Heimtrainer in einer 5. Klasse. Sie sind mit hohen Tischen ausgestattet, so daß die Kinder ihre Schularbeiten machen können, während sie in die Pedale treten. Erstmals eingeführt wurden sie 2007 von einem Gymnasiallehrer und Sportwissenschaftler in Wien. Die Schüler können sich besser konzentrieren, die Noten und das Sozialverhalten verändern sich zum Besseren.

Die Idee ist so lächerlich einfach und naheliegend, daß man sich fragt, warum nicht schon längst jemand auf sie verfallen ist. Haben denn die Leute nie Jungtiere beobachtet, die von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ununterbrochen herumtollen? Und was machen wir! Wir wickeln („pucken“) Babys, Sperren Kinder in Zuchthäser („Schulen“) und haben selbst nichts besseres zu tun, als vor Bildschirmen zu hocken. Es ist ein schieres Wunder, daß es nicht öfter Schulmassaker und Amokläufe gibt!

nachrichtenbrief23

18. Mai 2017

Der Archipel der Kitas

7. März 2017

Die „DDR“ wollte bis Mitte der 1960er Jahre das verwirklichen, was Krypto-Stalinisten auch bei uns einführen wollen: arbeitende Mütter ohne Doppelbelastung, d.h. die staatliche Krippenerziehung. In der „DDR“ sprach man von „Wochenkrippen“. Forschungen, die die negativen Folgen für die emotionale („psychische“) Entwicklung der Kinder zeigten, schränkten den anfänglichen Enthusiasmus der sozialistischen Obrigkeit zwar ein und das Programm wurde in der „DDR“ nicht mehr mit gleicher Vehemenz durchgesetzt, aber entsprechende Forschungsergebnisse wurden in der Folgezeit unterdrückt und die Bindungstheorie, also daß Kinder den unmittelbaren emotionalen Kontakt zur Mutter brauchen, um gesund heranzuwachsen, wurde zum Tabu. Und das, nachdem man herausgefunden hatte, daß sich gravierende Defizite im Vergleich zu normalen Kindern im Bereich Orientierung und Bewegung im Raum, beim Sprachvermögen und Sozialverhalten zeigten.

Die Pädagogin und Dozentin Ute Stary hat die Betroffenen befragt. „Sie schildern“, so Stary, „schwierige Beziehungsverhältnisse zu ihren leiblichen Eltern, daß sie das eher als angespannt empfinden, dieses Verhältnis, daß man sich auch ein stückweit fremd ist. Und daß sie selber Schwierigkeiten haben, in Beziehung zu kommen, sich auf Partnerschaften einzulassen und vor allen Dingen ihren eigenen Kindern gerecht zu werden.“

Die Ergebnisse ihrer Untersuchung hat Ute Stary in einem Fachbuch publiziert. Weitere Forschungsarbeiten zum Thema Wochenkrippe gibt es in Deutschland bislang nicht. Schade, sagt Ute Stary, wäre doch hilfreich, jetzt, wo das Bundesfamilienministerium kräftig in 24-Stunden-Kitas investiert und in die sogenannte Randzeitenbetreuung, abends und nachts.

Sozialisten, etwa der Modju Herbert Marcuse, haben Säuglinge und Kleinkinder schon immer gehaßt. Diese bewegen sich nämlich in jenen Bereichen, gegen die die Sozialisten aufbegehren. Säuglinge und Kleinkinder funktionieren weniger im Zerebrum, als vielmehr im Vegetativum, während die Charakterstruktur des Sozialisten das energetische Orgonom (zu dem das Zentrale Nervensystem gehört) betont, zuungunsten des orgonotischen Systems (zu dem das Autonome Nervensystem gehört). Mit Kindern oder gar Säuglingen kann man keine intellektuellen Debatten führen, sie sind deshalb langweilig und, wenn man so will, „reaktionär“. Diese eklig aus dem Kern heraus lebenden gefühlsduseligen kleinen Wesen, d.h. „Konservative“, gehören solange unter Quarantäne, bis sie zu vollwertigen Menschen herangereift sind, mit denen die Marcuses dieser Welt angeregt über repressive Strukturen debattieren können.