Max Stirner geht es nicht um Egoismus, sondern um Einzigkeit, d.h. darum, vor allem die Kinder von jenen inneren Instanzen freizuhalten, die sie von sich selbst entfremden und es ihnen unmöglich machen situationsgerecht und rational zu denken und zu handeln. Das ist Aufklärung in Stirners Sinne, während es etwa Kant darum ging, diese inneren Instanzen, etwa „Pflicht und Gewissen“, vor dem Zugriff der Aufklärung zu schützen. Im Anschluß hat Hegel diese Okkupationsmacht des Inneren weiter ausgebaut. Daran hat Marx‘ materialistische Wende nichts geändert, sondern ganz im Gegenteil den Einzelnen vollends zu einem bloßen „Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“ gemacht.
Woher wissen „aufgeklärte“ Intellektuelle praktisch instantan worum es bei L & S & R geht bzw. daß das gefährlich ist? Sie regen sich auf, als wenn es um ihre schiere Existenz geht! Es ist keine im eigentlichen Sinne intellektuelle Reaktion, sondern eine energetische. Wer das „Gewissen“, die „inneren Hierarchien“, das Über-Ich angreift – mit einem Wort den eigentlichen Kern der Panzerung (ihren psychologischen Sinn) – der stellt sich gegen das DOR, versucht es zu sequestrieren. Umgekehrt versucht das DOR das OR zu sequestrieren. (siehe dazu auch den morgigen Blogbeitrag!)
LSR ist dermaßen energetisch aufgeladen, daß man bei Annäherung einen elektrischen Schlag verpaßt bekommt. Und das meine ich nicht nur im übertragenen Sinne. Es geht um PHYSIKALISCHE Vorgänge, die mit psychologischen Inhalten verknüpft sind – der terrorartigen Furcht, die Menschen dazu treibt, frei pulsierende, erstrahlende Babys zu domestizieren, d.h. ihnen ein schlechtes Gewissen, ein schlechtes Körper- und Eigengefühl zu verpassen und ihnen „Werte zu vermitteln“. Dem Toten, d.h. dem Gepanzerten (DOR), ist das Lebendige (OR) unerträglich, ruft unerträgliche Sehnsüchte hervor und erinnert an verdeckte unerträgliche Schmerzen eines verpfuschten Lebens. Man nimmt Rache, folgt seinem Ressentiment – das den Gegnern von LSR tief ins Gesicht gegraben ist.
Homo normalis reagiert aus seinem DOR-Sumpft heraus niemals derartig emotional heftig mit übersteuerten Haßreaktionen auf einen Mann wie Hegel und dessen bekanntes Diktum: „Die Pädagogik ist die Kunst, die Menschen sittlich zu machen.“ Kultur ginge vor Natur und man müsse die Eigentümlichkeit des Kindes brechen:
…bestimmt sich das Recht der Eltern über die Willkür der Kinder durch den Zweck, sie in Zucht zu halten und zu erziehen. Der Zweck von Bestrafungen ist nicht die Gerechtigkeit als solche, sondern subjektiver, moralischer Natur, Abschreckung der noch in Natur befangenen Freiheit und Erhebung des Allgemeinen in ihr Bewußtsein und ihren Willen. (Grundlinien der Philosophie des Rechts)
Gegen diese „Erhebung des Allgemeinen“, d.h. gegen die Zerstörung der Eigenheit des Kindes, die Zerschlagung seiner Fähigkeit zur Selbstregulation, die Zerstörung seiner freien Pulsationsfähigkeit, die Kreuzigung seiner Lebendigkeit sind nur drei Männer aufgestanden und haben dafür einen hohen Preis bezahlt: LaMettrie, Stirner und Reich. Ihre Gegner waren Diderot, Marx und Freud, die jeweils im Namen der Aufklärung alles in ihrer Macht taten, damit alle zukünftigen Kinder von Geburt an weiterhin „vergesellschaftet“ werden und das mit immer perfideren und durchschlagenderen Methoden. Ihr letztendliches Ziel war das Ersticken jedweder Lebendigkeit, der Triumph des Todes, DOR.
Diese Arbeit von Klaus Heimann spiegelt die Orgonomie in Deutschland bzw. das orgonomische Wissen in Deutschland Mitte/Ende der 1970er Jahre wider. In diese Zeit reichen die Bemühungen zurück, die Orgonomie in Deutschland, nach der restlosen Zerstörung erster Anfänge auf deutschem Boden, die 1933 erfolgte, erneut zu etablieren. Das damalige orgonomische Wissen ist der Ausgangspunkt des NACHRICHTENBRIEFes und sollte deshalb von jedem, der neu zu unseren Netzseiten stößt, als Einführung gelesen werden, damit wir alle eine gemeinsame Grundlage haben. Klaus Heimanns Arbeit hat den Zauber des Anfangs an sich und möge in einer neuen Generation das Feuer von neuem entzünden:
Die orgonomische Psychologin Virginia Whitener hat die Erziehungspraxis in Zeiten des gesellschaftlichen Zerfalls wie folgt zusammengefaßt:
Ohne Konsequenz und das Setzen von Grenzen fürchtet und mißtraut ein Kind seinen eigenen Gefühlen. Bei ihm steigt die Angst, wenn die Erwachsenen nicht die Kontrolle haben. Werden Kinder zu sehr verwöhnt, nehmen sie einen Mangel an Kraft bei ihren Eltern wahr. Das ängstliche Gefühl durchdringt alles, das Kind fühlt sich unsicher. Wenn die Eltern Grenzen setzen und sich daran halten, ist es frei, seine eigenen Gefühle, Angst oder Wut, auszudrücken und hat dabei den Trost, daß die Eltern seine Gefühle tolerieren können. Das Kind läßt Wut und Schmerz aus sich heraus, findet Erleichterung und lernt, Gefühle zu tolerieren und nicht zu fürchten, einschließlich der Wut über seine Eltern. Wenn Mama und Papa eine unparteiische Haltung gegenüber unangenehmen Gefühlen zeigen, d.h. sie als Teil des Lebens betrachten, mit dem sie umgehen können, ist den Kindern auf zweifache Weise geholfen. Wenn die Eltern den irrationalen Forderungen ihrer Kinder nicht nachgeben, um Gefühlsausbrüche zu vermeiden, nicht die emotionalen Eruptionen ihrer Kinder fördern bzw. sich nicht über die Maßen an diesen beteiligen und die Kinder nicht zu Gefühlsäußerungen drängen oder diese bestrafen, helfen sie ihnen, den Kontakt zu deren eigenen Gefühlen aufrechtzuerhalten. Die Kinder können dann, abhängig von ihrem Alter, in Streßsituationen die zunehmende Fähigkeit für Gefühlsausdruck und rationales Denken entwickeln. Natürlich muß im Sinne der Sicherheit des Kindes und anderer Personen destruktives Verhalten gestoppt werden, damit das Kind Respekt vor sich selbst und anderen lernen kann und es sich sicher fühlen kann, wenn es darum geht Gefühle auszudrücken. Die Kontrolle, die Weitsicht und der Reifegrad des Kindes sind noch nicht vollständig entwickelt und werden mit fortschreitender Entwicklung im Laufe der Jahre zunehmen. Widersprüchliche Emotionen und Impulse bei den Eltern fördern Verwirrung und das Ausagieren. („Changes in Parenting with Progress in Therapy“, The Journal of Orgonomy, Vol. 50,1)
Läßt man Kindern alles durchgehen, erhält man keine selbstbewußten Nachkommen, sondern welche, die ständig zwischen substanzloser Anmaßung und Unsicherheit changieren, zwischen Rebellion und rückgratloser Anpassung. Ein schönes Beispiel sind Muttis Sturmtruppen, die „Anti“fa.
Erstaunlicherweise sieht es in türkischen und arabischen Familien nicht viel anders aus und auch das Produkt der Erziehung ist zwar nicht identisch, aber doch erstaunlich ähnlich. Jungendlich Straftäter mit Migrationshintergrund „werden speziell von ihren Müttern extrem verwöhnt und erfahren keinerlei Grenzsetzung. Die Lehrerinnen, Lehrer und Jugendamtsmitarbeiter, die als Erste mit den Familien zu tun haben, wenn sich bereits in der Grundschule erste Verhaltensauffälligkeiten zeigen, berichten von Gewaltbereitschaft und Respektlosigkeit. Wenn die Mütter – und höchst gelegentlich auch die Väter – darauf angesprochen werden, suchen die Eltern das Verschulden grundsätzlich beim ‚System‘.“ Zuhause sind sie der Pascha und draußen fordern sie, unsicher und schwach wie sie sind, „Respekt“. So die geselbstmordete Jugendrichterin Kerstin Heisig vor einem Jahrzehnt in ihrem Buch Das Ende der Geduld.
Woher kommt die Wut, wenn ein Kind neurotische Impulse ausleben darf? Die Ironie liegt darin, daß, wenn man dem Kind alles durchgehen läßt, die tieferen Bedürfnisse des Kindes bei dieser Annäherungsweise übersehen werden. Nachgeben gegenüber den sekundären neurotischen Impulsen des Kindes verschafft nur oberflächliche Befriedigung und verhindert tatsächlich die spontane Entwicklung und den Ausdruck der tieferen, gesunden, primären Impulse. Die letzteren werden also in hohem Maße frustriert, von daher die Wut.
Oft haben die Eltern den Instinkt, „Nein“ zu sagen, setzen sich aber über ihn hinweg, weil sie sich schuldig fühlen. Dies ist bei permissiver Elternschaft üblich. Eine der immer wiederkehrenden Verzerrungen des Konzepts der Selbstregulierung ist die Vorstellung, daß ein Kind nicht behindert werden sollte, indem man „Nein“ sagt. (Peter Crist: “Problems of Childhood Self-Regulation in an Age of Permissiveness”, The Journal of Orgonomy 50(1))
Das Konzept „Arbeitsdemokratie“ kann man nicht jemanden „vorlegen“, man muß es sich mit ihm und anderen gemeinsam erschließen – erarbeiten! Die „Glossar-Einträge“ Reichs zum Thema sind eine erste Orientierung, um überhaupt ins Gespräch kommen zu können, doch das Wesen der Arbeitsdemokratie erschließt sich erst – durch Arbeitsdemokratie. Es ist wie in der Psychotherapie: Am Anfang arbeitete Freud autoritär mit Hypnose und Suggestion, schließlich Deutungen, doch angefangen mit der Verwissenschaftlichung der Therapie, zu der Reich im übrigen die entscheidenden Impulse gab, entwickelte sich die moderne Psychotherapie zu einem Arbeitsbündnis, in dem gemeinsam etwas erarbeitet wird unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Funktionen und des unterschiedlichen Informations- und Wissenstandes der beiden Partner. Aus dieser Warte kann man auch die Arbeitsdemokratie verstehen.
Auf die Frage, was die Orgonomie angesichts ihrer auch politischen Ursprünge („Sexpol“) jenseits der individuellen Psychotherapie tun könne, hatte Reich, Myron Sharaf zufolge, folgendes zu sagen:
Seine eigene Antwort war die zunehmende Betonung der organischen, langsamen individuellen und gesellschaftlichen Entwicklung. Menschen, die wissen, was sie tun, sollten ruhig arbeiten und ein Beispiel geben, so daß lebenspositive Konzepte und Techniken sich langsam organisch ausbreiten und andere beeinflussen. Dieses Prinzip wurde in der Pädagogik, Psychiatrie, Soziologie und später in seiner biologischen und physikalischen Arbeit angewandt. Sein Punkt war: laßt die Arbeit selbst und die Verbindung zwischen den Arbeitenden die Entwicklung bestimmen. Laßt uns die übliche Agitation in ihrer üblichen politischen, ideologischen Form beseitigen. (Sharaf, M.R.: „Wilhelm Reich and the Bio-social Revolution, Part II“, Energy and Character, Vol. 3, No. 2, Sept. 1972, S. 57-62)