Archive for the ‘Psychotherapie’ Category

W. Reichs fotografische Darstellung des Orgasmusreflexes

19. Dezember 2025

Robert Hase

Bislang war mir nicht bekannt, dass Wilhelm Reich den Orgasmusreflex bildlich darzustellen versucht hat. In seiner Broschüre Orgasmusreflex, Muskelhaltung und Körperausdruck* enthält der Bildteil jedoch ein Foto, das offenbar den Orgasmusreflex zeigen soll. Die Aufnahme ist allerdings von äußerst geringer Qualität und vermittelt kaum erkennbare Details.

Es stellt sich die Frage, weshalb Reich ein derart unscharfes und inhaltlich wenig aussagekräftiges Bild in seine Publikation aufnahm. Auf dem Foto ist ein Arm in einem hellen Hemd zu sehen; auf Höhe des Oberarms befindet sich eine Hand, vermutlich die Reichs selbst, möglicherweise aber auch die des abgebildeten Patienten. Im Oberkörper und Becken ist eine starke Schrägstellung zu erkennen, die offenbar eine Phase des Orgasmusreflexes darstellen soll. Eine eindeutige Interpretation ist jedoch nicht möglich.

Das Foto besitzt keine dokumentarische oder wissenschaftliche Beweiskraft. Dennoch scheint Reich selbst die Abbildung als bedeutsam erachtet zu haben, da er sie trotz ihrer geringen Qualität veröffentlichte. Weiteres Bild- oder Filmmaterial Reichs zum Orgasmusreflex ist mir bislang nicht bekannt.

* Reich, Wilhelm: Orgasmusreflex, Muskelhaltung und Körperausdruck. Zur Technik der charakteranalytischen Vegetotherapie. Der dialektische Materialismus in der Lebensforschung. Bericht über die Bion-Versuche. Klinische und experimentelle Berichte. Abhandlungen zur personellen Sexualökonomie Nr. 5. Sexpol-Verlag, Oslo-Kopenhagen, 1937

Alexander Lowen (Teil 3)

15. Dezember 2025

Scientology beruht auf Hypnose, die durch das „Auditing“ aufrechterhalten und verstärkt wird. Am Anfang steht der Kommunikationskurs, zu dessen Hauptübungen es gehört, daß sich zwei beliebige Personen gegenübersitzen und sich ohne zu blinzeln oder irgendeine andere Regung zu zeigen zwei Stunden lang anstarren, wobei die Uhr bei jeder Regung von neuem auf null gestellt wird. Für Primaten wie dem Homo sapiens ist das die ultimative Streßsituation, die, wenn Flucht oder Angriff unmöglich gemacht werden, nur durch einen einzigen Mechanismus entschärft werden kann: die Trennung von bioenergetischer Erregung und der Wahrnehmung dieser Erregung. Reich bezeichnete das als „schizophrene Spaltung“. In der Schizophrenie ist diese Spaltung tief verankert, bei Opfern von „Psychotechniken“ ist sie nur oberflächlich und muß deshalb künstlich aufrechterhalten werden, wobei sie sich im Laufe der Zeit natürlich auch tiefer verankert.

Fatalerweise gibt es in der Gestalt der „Bioenergetik“ Alexander Lowens eine Entsprechung beim „Reichianismus“. Hier wird die Trennung von Erregung und Wahrnehmung durch zweierlei erreicht: durch Aufbrechen der Panzerung mittels Folter und durch Überschwemmen des Körpers mit bioenergetischer Erregung, die die Toleranzschwelle weit übersteigt. „Folter“? Erstens ist wohlbekannt, daß man sich Folter nur entziehen kann, wenn man tranceartig „weggeht“ (Spaltung) und zweitens: die biophysische Intervention in der Orgontherapie besteht in nichts anderem als durch Druck an der richtigen Stelle die Muskelpanzerung so zu verstärken, daß sie nachgeben muß. Das kann sehr schmerzhaft sein. „Reichianer“ haben sich ausgerechnet auf diesen Aspekt der Reichschen Therapie kapriziert. Doch während in der Orgontherapie gilt, daß diese Intervention entsprechend einer psychoanalytischen „Deutung“ nur dann angewendet werden darf, wenn nach viel Widerstandanalyse der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist, bombardieren „Reichianer“ mit maximaler Gewalt ihre „Patienten“ mit diesen Interventionen. Das entspricht in etwa den „wilden Deutungen“ in der Psychoanalyse, denen Reich mit seinem Klassiker Charakteranalyse entgegengetreten ist.

Ähnlich wie es in der Psychoanalyse infolge der verfrühten Deutungen zu „chaotischen Situationen“ gekommen ist, erzeugt der blinde und sinnlose Angriff auf den Muskelpanzer ein bioenergetisches Durcheinander, bei dem die obenerwähnte Spaltung biophysische Struktur wird: die oberen Segmente, insbesondere aber das Augensegment, panzern sich vermehrt ab, um die aus den verfrüht entpanzerten unteren Segmenten freigewordene bioenergetische Erregung zu binden. Die Augenpanzerung führt zur Spaltung ähnlich wie bei der Schizophrenie.

Ohnehin erinnert das Geschehen in „bioenergetischen“ Übungsräumen eher an eine Folterkammer als an die Praxis eines Orgontherapeuten. In der Orgontherapie geht es um die Befreiung und den Ausdruck unterdrückter Emotionen, die „Ausdruckssprache des Lebendigen“, also letztendlich dem Orgasmusreflex die Bahn zu ebnen. Das ist etwas grundsätzlich anderes als das Einnehmen von „Streßpositionen“, um emotionale Reaktionen zu erzwingen. Es entspricht wieder dem Gegensatz zwischen einer geregelten Charakteranalyse und dem „Bombardieren“ des Unbewußten mit willkürlichen Deutungen in der Psychoanalyse. Außerdem induziert der Schmerz jeweils eine scharfe bioenergetische Kontraktion, die, da die teilweise seit Jahrzehnten unterdrückten schmerzhaften Emotionen nicht systematisch befreit werden, das bioenergetische System des Organismus noch mehr schädigt, als es ohne diese Form von „Therapie“ ohnehin schon war. Der ursprünglichen Traumatisierung wird eine neue hinzugefügt. Diese Kontraktion bedingt an sich bereits Spaltung, da der Raum zwischen zentraler Erregung und peripherer Wahrnehmung wächst:

lowenexpkontr

Alexander Lowen (Teil 2)

14. Dezember 2025

Die Geschichte wiederholt sich immer wieder, was es möglich macht Grundmuster zu erkennen. Was Beispielsweise Peter Gay in seiner Freud-Biographie über Alfred Adler geschrieben hat, trifft wortwörtlich alles auf Alexander Lowen zu. Adler hatte mit einer „Psychoanalyse ohne Libido“, die ganz auf den Gegensatz von Machtstreben und Gemeinschaftsgefühl aufgebaut war, einigen Erfolg. Bei Lowen war es eine Karikatur der Orgontherapie ohne Orgonenergie und Genitalität. Ich zitiere Gay. Freud habe gesagt, Adlers Darstellungen seien so abstrakt, „daß sie oft unverständlich seien“. Und weiter:

Außerdem neige Adler dazu, bekannte Ideen unter neuen Namen zu präsentieren. „Man hat den Eindruck, daß in dem ‚männlichen Protest‘ irgendwie die Verdrängung steckte.“ Mehr noch, „unsere alte Bisexualität heißt bei ihm psychischer Hermaphroditismus, als ob es etwas anderes wäre“. Aber eine falsch, fabrizierte Originalität sei noch das Geringste: Adlers Theorie vernachlässige das Unbewußte und die Sexualität. Sie sei nur „allgemeine Psychologie“, zugleich „reaktionär und retrograd“. (Freud, Fischer TB, 2006, S. 253)

Hinzu kommt Ferenczis Hinweis, daß Adlers „Minderwertigkeitslehre“ eine breitere Ausführung des Freudschen Konzepts des „körperlichen Entgegenkommens“ sei. Freud sagte damals voraus: „All diese Adlerschen Lehren werden großen Eindruck machen und der Psychoanalyse zunächst sehr schaden“ (ebd., S. 254). Wie gesagt, alles wie mit Lowen und der Orgonomie!

Alexander Lowen (Teil 1)

13. Dezember 2025

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Alexander Lowen und Stanley Keleman in den 1970er Jahren die „Körpertherapie“ als ungeheuren Durchbruch verfochten: „Die Seele über den Körper heilen.“ Das wäre angeblich die Essenz der von Reich entwickelten Therapie! Jetzt finde ich in der Bahn zufällig einen Flyer mit der Überschrift „Psyche hilft Körper“.

„Es ist unglaublich, wie viel Kraft die Seele dem Körper zu verleihen vermag“. Dieser Satz von Wilhelm von Humboldt aus dem frühen 19. Jahrhundert hat heute ebenso viel Gültigkeit wie zu Humboldts Zeiten. Über viele Jahrzehnte wurde der Kraft der Seele allerdings nicht die Bedeutung beigemessen, die ihr zusteht.

Als Student der Orgonomie fühlt man sich manchmal wie ein Zeitreisender, den es ins Mittelalter verschlagen hat, und den die mittelalterlichen Vorstellungen, etwa über das Leib-Seele-Problem („Körper beeinflußt Seele“ gegen „Seele beeinflußt Körper“) schrecklich auf die Nerven gehen.

leibseele

Die Orgontherapie ist keine „Körpertherapie“, denn es geht nicht um „die Integration des Körpers in die Psychotherapie“ und ähnliches, sondern darum, das neurotische Gleichgewicht aufzuheben mit dem Ziel, den genitalen Primat und damit die orgastische Potenz (der regelrechte Haushalt der biologischen Energie) herzustellen. Geht das ohne körperliche Interventionen, um so besser.

Aus eigner Erfahrung kann ich sagen, daß es weitaus effektiver ist, selbst zu spüren, wie man jahrzehntelang beispielsweise die Schultern gehalten hat, als von außen darauf gebracht zu werden. Es ist effektiver, sich seiner neurotischen Idiosynkrasien bewußtzuwerden und sie aufzugeben, statt durch Massage oder „Übungen“ „gerade gerichtet“ zu werden. Freiheit kann einem nicht geschenkt werden. Entweder nimmt man sich die Freiheit oder man wird nie frei sein.

Das A und O der Therapie ist die Motivation, also der Wille, ein neuer Mensch zu werden und ein besseres Leben zu führen. Es geht nicht darum, sich hinzulegen und durch „Handauflegen“ an sich herum manipulieren zu lassen, bis sich irgendwelche Verspannungen lösen.

Es geht aber auch nicht darum, mit dem „Willen“, bzw. der „Psyche“, den Körper zu heilen. Ich verweise auf die Stelle in Peter Reichs Der Traumvater (München 1975, S. 28f), wo Reich am Beispiel einer Filmszene mit John Wayne kritisch die Beeinflussung des Körpers durch die Psyche beleuchtet:

Und die Art, wie sie etwas leisten oder durchsetzen, ist ebenfalls hartleibig. Erinnerst du dich an den Film mit John Wayne, in dem er stürzt und zum Krüppel wird? (…) Du weißt, als er im Bett saß, auf das Ende seines Gipsverbandes schaute und seine Zehen beobachtete, beschloß er, wieder gehen zu lernen. Und er sagte immer wieder zu sich: „Ich muß diesen Zeh bewegen. Ich muß diesen Zeh bewegen.“ Schau, das ist die starre, die verkrampfte Art, Dinge zu überwinden. (…) Hindernisse und Behinderungen in dieser Weise zu überwinden, durch Gewalt, durch sogenannte Willenskraft (…) das ist die starre, verkrampfte, mechanistische Art, Leistungen zu vollbringen. Er mußte sich so anspannen und verhärten, sich selbst mit aller Gewalt dazu zwingen, wieder gehen zu lernen, daß er darüber vergaß, wie man liebt und freundlich ist. (…) Am besten ist es, einfach zu atmen, sich zu entspannen und es auf natürliche Weise kommen zu lassen. Erzwinge nie etwas, laß es einfach auf natürliche Weise eintreten, dann ist es immer okay.

Entsprechend geht es in der Orgontherapie nicht darum, sich etwa zum „richtigen“ Atmen zu zwingen, sondern darum, es einfach „arbeitsdemokratisch“ geschehen zu lassen.

Orgontherapie ist imgrunde nichts anderes als „Orgasmustherapie“ und genauso wenig wie einem ein Orgasmus von außen aufgezwungen werden kann, kann man einen Orgasmus „wollen“. Das einzige, was man tun kann, ist, die Hemmnisse, die sowohl der Hingabe, als auch der Aggression entgegenstehen, fahren zu lassen.

Alles andere ist Sadomasochismus und auf die Therapie übertragen das, was ich als „Blauen Faschismus“ bezeichnet habe. Tatsächlich unterscheiden sich die diversen „Reichianischen“ Körpertherapien kaum von dem, was Reich in Charakteranalyse als Masochismus beschrieben hat: „Bringe mich von außen zum Platzen!“. Den sadistischen Körpertherapeuten (den „Bioenergetikern“, selbsternannten „Orgontherapeuten“, etc.) ist es eine Lust, ihren „Patienten“ diese Freude angedeihen zu lassen.

Es ist auffällig, daß immer wieder „Reichianische“ Therapeuten und selbsternannte „Orgontherapeuten“ hervortreten, die mit einer ganzen Palette von Therapietechniken Patienten für sich gewinnen wollen. Es ist teilweise schreiend komisch, was sie nicht alles zusätzliche zur (angeblichen) Orgontherapie anbieten. Das reicht von „Craniosakral-Therapie“ über „Ayurveda“ bis hin zur „Geistheilung“, gar „Akupunktur“. Was sie mit diesen ellenlangen Listen zur Schau stellen, ist nicht etwa ihre „Zusatzqualifikation“, sondern ihre Unfähigkeit, therapeutisch effektiv zu arbeiten. Es ist der verzweifelte Versuch kontaktloser Neurotiker Kontakt herzustellen. Imgrunde sind es Perverse, die mit allen möglichen Folterwerkzeugen ihre „Liebe“ zum Ausdruck bringen wollen.

Peter Töpfer (Teil 9)

28. November 2025

Wir sind endlich bei dem alles krönenden, Mitte dieses Jahres erschienenen Hauptwerk Peter Töpfers angelangt: Max Stirner und die Tiefenwahrheit als post-psychotherapeutisches Selbstermächtigungsverfahren (Bernd A. Laskas LSR-Projekt und die Weiterentwicklung der im Kognitiven, Affektiven und Korporellen operierenden Neuen Aufklärung).

Das Buch hebt mit der Aussage an, beim LSR-Projekt ginge es „um die fundamentalsten Dinge unseres Lebens (…) – das Totalprekariat der menschlichen Existenz –, auf die die Gegenaufklärung mit einer Rückwendung zum Transzendenten glaubt antworten zu können“ (S. 18). Nein, geht es nicht! Es geht Laska nicht um die „menschliche Existenz“, mit der ist alles in Ordnung, es geht nicht um das Sein und das Nichts, sondern um die jeweilige prekäre individuelle Existenz in einer durch die individuelle Implementierung eines „irrationalen Über-Ichs“ seit unzähligen Generationen vollkommen irrational gewordenen Gesellschaft. Das mag in der Formulierung kein großer Unterschied sein, doch von Anfang an stimmt Töpfer einen „existentiellen“ quasi „gnostischen“, geradezu „religiösen“ Ton an, der Laskas aufklärerischen Intentionen diametral zu widerläuft und ein 859seitiges Ausweichmanöver einleitet.

Dieses beginnt mit einer, wie stets bei Töpfer, fast unerträglich langatmigen Darstellung der am Jenseits ausgerichteten Lebensauffassung des Holocaustleugners und katholischen Gegenaufklärers Vincent Reynouard. Ja, es ist vollkommen absurd, wegen bloßer Worte, dazu noch Aussagen über die mittlerweile ferne Vergangenheit, ins Gefängnis zu kommen, aber ausgerechnet mit einer solchen Person und ihrem mystischen Gewäsch (man ist ja „Agnostiker“…) das erste Kapitel anzustimmen, in dem es in Folge um Bernd A. Laska, Wilhelm Reich und Laskas Nachfolger Christian Fernandes geht… Was soll das?!

Die Neue Aufklärung, etwa LaMettrie, ist, so Töpfer, ins „Sensuelle, also den Sinn“, sozusagen mitten ins Leben, vorgestoßen und hat „eine metaphysisch indifferente und agnostische Position“ eingenommen, die ein unausgesprochenes Bündnis mit den Gegenaufklärern ermöglichte, während die Alte Aufklärung Gott durch das sinnlose Nichts ersetzt hatte und danach dieses Nichts auch in der Mitte ihres Lebens gähnte (S. 23f).

Ihre Radikalen Kollegen erinnerten sie an den Urschmerz der Vernichtung ihrer Person. Da sie diesen Urschmerz unbedingt von sich fernhalten mußten – die Gegenaufklärer ließen ihn und den Trost dagegen zum Teil zu –, mußten sie die Neuen Aufklärer mörderisch verfolgen oder aber „repulsieren“, wie Laska das nennt. (S. 24)

Problem ist, so Töpfer, daß „das Nichts, die vernichtete Person und der ‚repulsierte‘ Urschmerz natürlich auch die Radikalen Aufklärer selbst betreffen“ (S. 25).

Wir landen bei Töpfer immer wieder konsequent an der Über-Ich-Problematik vorbeizielend beim „Existentiellen“, d.h. dem „Urschmerz“. Man könnte sagen, von dem Elend des neurotischen Charakters (Massenneurose) und dessen Über-Ich-Problematik werden wir abgelenkt hin zum Elend des schizophrenen Charakters, bei dem sich, wegen früher Vernachlässigung, alles um die bloße Existenz des Ich dreht. Ich erinnere an die Rede vom „Totalprekariat der menschlichen Existenz“!

Tatsächlich hat Töpfer hier einen Nerv getroffen, nämlich den, daß Laska den größten Epochenbruch seit 6000 Jahren, als die Panzerung des Menschen im Anschluß an die sexuelle Revolution anfing zu kollabieren, nicht recht ins Kalkül genommen hat. Ich spreche vom 1960 erfolgten Wechsel von der autoritären „neurotischen“ Über-Ich-Gesellschaft hin zu einer antiautoritären „schizophrenen“ Gesellschaft, in der das Über-Ich „isoliert“ ist, die Menschen nicht mal mehr wissen, ob sie Männlein oder Weiblein sind, die Moral auftritt wie der unvorhersehbar agierende sadistische Mörder in einem Horrorfilm und die Menschen zu undifferenzierten Fleischhaufen werden, die sich im „Urschmerz“ winden. Töpfer bzw. seine durch Arthur Janov inspiriertes „post-psychotherapeutisches Selbstermächtigungsverfahren“ („Befreiungs-Urschrei“) ist ein Ausdruck dieses epochalen Zusammenbruchs der Muskelpanzerung der Menschheit und ihre Ersetzung durch okulare Panzerung. Daß Töpfer Laska, die „Jahrtausendentdeckung“ und die Idee der Prophylaxe, dieses letzte Aufkeimen von Rationalität, in diesem Buch dekonstruiert, ist integraler Bestandteil dieses Verfallprozesses. Bezeichnenderweise spielt die verbrecherischste Seite der sexuellen Revolution, Kindersex, bei diesem Vernichtungswerk eine zentrale Rolle, wie wir noch sehen werden. Laska wird sozusagen zwischen den beiden Haupttriggerpunkten der BRD aufgeknüpft: zwischen Holocaustleugnung und Pädophilieverdacht.

Frei nach Karl Kraus ist die Tiefenwahrheit die Krankheit, die sie zu heilen vorgibt! Dazu gehört auch, daß Aufklärung heute eben NICHT „korporell“ sein kann, denn mit der Auflösung der Muskelpanzerung haben wir bereits genug affektives Ausagieren in der Gesellschaft, wohingegen bei all dem antiautoritären Irrationalismus der Appell an die Vernunft und klares Denken immer wichtiger wird. Dazu gehört das Angehen der Oberfläche, der sozialen Fassade, und das Vermeiden wahrheits- und freiheitskrämerisch bei zu tiefen biophysischen Schichten anzusetzen.

Schmerz, Lust, Motivation, Emotion, Hauptwiderstand: Orgontherapie

19. November 2025

In der Orgontherapie gibt es zwei in den meisten Darstellungen vernachlässigte zentrale Elemente. Das erste Element verweist auf die Vergangenheit, d.h. auf den Grund, warum wir uns überhaupt abpanzern. Das zweite verweist auf die Zukunft, d.h. was an die Stelle der Panzerung tritt: das freie, lustvolle Strömen der organismischen Orgonenergie.

Meinem Spruchkalender zufolge hat der Kabarettist Anselm Vogt gesagt: „Er verfehlte die Lust, weil er den Schmerz vermeiden wollte.“ Genau dieser Mechanismus verursacht die Panzerung und erhält sie aufrecht. Beispielsweise sehen wir nicht die atemberaubende Schönheit dieser Welt und nehmen nicht am zwischenmenschlichen Dialog teil – an jenem grandiosen Roman, an dem die Menschheit seit Jahrtausenden kollektiv arbeitet –, weil wir schmerzvolle Dinge nicht sehen und nicht hören wollen. Das pulsierende Leben geht an uns vorbei. Stattdessen stolpern wir blind, taub und stumm durchs Leben und scheitern an ihm. Ein ganzes Leben verfehlt, nur weil wir einem kleinen, weil vorübergehenden Schmerz ausweichen wollten. Wir sind wie verschreckte Meeresmuscheln, die sich aus Angst nicht mehr öffnen. Menschen bleiben lieber ein ganzes Leben lang einsam und allein, nur weil sie vor dem Schmerz der Zurückweisung Angst haben. Ein „Ereignis“, das nur Sekundenbruchteile andauert. Wir nehmen lieber Jahrzehnte des Nachbarschaftsstreits auf uns, statt einmal (nämlich ganz zu Anfang) für ein oder zwei Minuten die offene Konfrontation zu suchen. Tatsächlich beruht fast unser gesamtes Rechtssystem darauf: daß die Menschen nicht ihr eigenes Leben in die Hand nehmen, sondern allem ausweichen und sich hoffnungslos verheddern – verpanzern. Die Orgontherapie will diesen sprichwörtlichen Gordischen Knoten durchschlagen.

Wie macht sie das? Nicht durch den Appell an Vernunft und Einsicht, wie man aus den obigen Ausführungen vielleicht schließen könnte, und erstrecht nicht durch „Körperarbeit“, sondern mittels Mobilisierung der organismischen Energie. Dies natürlich in einem sehr spezifischen Sinne, d.h. im Sinne einer Stärkung der Motivation. Nur eine entsprechend große Motivation bringt uns nämlich dazu, den kurzen Schmerz auf uns zu nehmen. „Denke nicht an die mögliche schmerzhafte Zurückweisung, sondern an die ungeheure Lust, die du in ihren Armen genießen wirst!“ – Das ist natürlich leichter gesagt als getan, aber es geht ja schließlich auch nicht um „Motivationstraining“ („Tsjakkaa – Du schaffst es!“), sondern um den Kern der Orgontherapie: die zielgerichtete Mobilsierung von Emotionen: „Die Mobilisierung der plasmatischen Strömungen und Emotionen ist (…) identisch mit der Mobilisierung von Orgonenergie im Organismus“ (Charakteranalyse, KiWi, S. 472).

Nun, jeder Idiot kann Emotionen mobilisieren. Schließlich ist das das Metier der Politiker, die alle ihrem ungeschlagenen Meister Adolf Hitler nacheifern. Es bedarf eines Therapeuten, der weiß was er tut. Es bedarf jemanden, der sich in der Welt der Psychopathologie, in der Welt der Neurosen und Psychosen auskennt (ein Psychiater) und da Emotionen immer auch etwas Körperliches sind, sollte er selbstredend Arzt sein. Und es bedarf jemanden, der sich in der Funktionsweise der organischen Orgonenergie auskennt: es bedarf eines medizinischen Orgonomen.

Er ist beispielsweise in der Lage einen Wutausbruch des Patienten zu unterbrechen, weil die Wut nur eine in diesem Moment wichtigere Emotion, etwa das Weinen, am Ausdruck hindern soll, also nichts anderes als Abwehr ist. Er denkt funktionell, nicht mechano-mystisch („Der Ausdruck von Wut ist [an und für sich] gut!“). Der medizinische Orgonom ist nicht Teil der anti-autoritären Kultur, in der jeder (fast!) alles und das zu jedem Zeitpunkt ausdrücken darf – nur nicht seine wahren (im Zweifelsfall „faschistischen“) Gefühle. Der medizinische Orgonom mißachtet das zentrale Dogma der anti-autoritären Gesellschaft und fällt Werturteile, aber er wird niemals moralistische Urteile fällen. Beispielsweise wird immer klar sein, daß er Homosexualität als neurotisches Symptom betrachtet, aber er wird niemals einen homosexuellen Patienten moralisch abwerten. Oder mit anderen Worten: der Patient ist 100%ig in sicheren Händen; ihm wird gesagt, was er wissen muß, um zu gesunden, aber er wird niemals und unter keinen Umständen in seiner Integrität angegriffen. Stelle dich deinen Ängsten, versuche sie auszuhalten und werde du selbst und damit Teil dieser wunderbaren Welt. Alles andere, alles andere als Orgontherapie, ist bloße Zeitverschwendung und macht alles nur noch schlimmer. Die Lebensenergie, das Orgon, wurde entdeckt, sie folgt gewissen Gesetzmäßigkeiten, die der medizinische Orgonom kennt und die ausschließlich er therapeutisch nutzen kann.

Ein mir immer mehr ins Auge springendes Problem ist, daß Leute, die brotlose Fächer, etwa Politologie oder Ethnologie, studiert haben (der wirkliche Bedarf an neuen Politologen und Ethnologen pro Jahr läßt sich mit den Fingern einer Hand ablesen!), statt Taxifahrer zu werden, sich als „Reichianische“ „Körperpsychotherapeuten“ niederlassen – und unglaublicherweise auch noch Leute finden, die sie bezahlen. Würden die auch zu einem Automechaniker gehen, dessen einzige Ausbildung ein Studium der, sagen wir mal, Slawistik ist?! Natürlich nicht. Aber in Sachen menschlicher Emotionen hält sich wirklich jeder für einen Experten – und findet Anhänger. Lauter kleine Adolf Hitlers mit ihrem debilen Gefolge auf dem Weg ins Verderben!

All das Muskelquetschen und „Energiemobilisieren“ und „Charakteranalysieren“ bringt rein gar nichts, wenn nicht immer wieder und wieder der Patient mit seinem charakterlichen Hauptwiderstand konfrontiert wird, bis er ihn schließlich existentiell als Symptom erfährt und aufgibt. Orgontherapie ist nicht wildes Herumschreien und Ausleben verdrängter Emotionen, sondern wohldurchdachte „biopsychiatrische Chirurgie“, die ausschließlich von ausgebildeten und ständig supervidierten Spezialisten durchgeführt werden kann.

Peter Töpfer (Teil 3)

17. November 2025

Tatsächlich erweist sich der Anarchist Töpfer als Apologet der antiautoritären Unsokratie-Dekadenz:

Grundlage und Kennzeichen nicht-totalitärer und freiheitlicher Gesellschaften ist die Nicht-Existenz von sog. objektiver Wahrheit. Totalisieren Subjekte ihre Wahrheit, geschieht dies immer zur Beherrschung und Ausbeutung anderer Subjekte, die mit einem Geheimdienst kontrollierte werden müssen. Schon auf der Rede von „objektiver Wahrheit“ basiert der Totalitarismus, nicht erst auf dem Zwang zu deren Anerkennung. So, wie es keine objektive Wahrheit gibt, so gibt es strenggenommen natürlich auch keine Gemeinschaft. Gemeinschaft ist nicht etwa eine Ansammlung von Individuen, sondern bezeichnet das, was diese Individuen gemein haben. Es gibt tatsächlich nur Einzelne, deren Interessen sich zum Teil decken oder ähneln. Nicht eine Gemeinschaft wird geschwächt oder gestärkt, sondern Einzelne. (Die Wahrheit, S.191)

Der Hinweis darauf, daß, allein schon, wenn sich der Blick nach innen richte, jeder seine „eigene Wahrheit“ habe, sticht nicht, da das genau jener liberalistischen Mentalität entspricht, die den Westen systematisch zersetzt und uns beispielsweise zahllose „Geschlechtsidentitäten“ beschert hat. Diese Inkommensurabilität der Einzelnen prägt das ganze Grundgefühl von Töpfers Werk. Schon in der Jugend habe ihn dieses Fremdwort fasziniert. „[Es] spiegelte mein Empfinden dessen wider, was ich in mir hatte, was diesseits war (ich positionierte mich damals im Jenseits)“ (S. 276).

Für mich stand schon (…) als Säugling (…) fest: Die Menschheit ist durch und durch gottserbärmlich fertig: alles läuft vollständig verkehrt. Sie ist völlig erdrückt unter einer ganzen unendlichen Katastrophe, die kein Wort hat. (…) Die zivilisierte Menschheit stellt eine Abfolge von Katastrophen dar. Grund für diese Abfolge ist die Abwesenheit, zumindest die nahezu vollständige Verwandlung von Wahrheit. (S. 291)

Für Töpfer „steckt“ die Wahrheit „unter“ der Energie, von der die östlichen Weisheitslehren sprechen (Prana, Chi – also wohl auch das Orgon!). Wir hingegen sind, so Töpfer, „nordische“ Männer der Tat und unsere Erleuchtung ist die Aufklärung! (S. 314). Das ist Gnosis pur. Was bleibt ist purer Affekt, haltloser Aktionismus, „Erleuchtung“.

Es ist das „gnostische“, d.h. mystische Empfinden des gepanzerten Menschen, der die Trennmauer, eben die Panzerung, intuitiv spürt, aber ohne Therapeuten sie in seiner inneren Versponnenheit niemals wird einreißen können, egal wie verzweifelt er auch „den Weg der Wahrheit“ gehen mag. Wir sind im zwischenmenschlichen Verkehr (Mutterbindung, Familienleben, Ödipuskomplex) in die Falle geraten und können sie ausschließlich durch den zwischenmenschlichen Verkehr einer Orgontherapie wieder verlassen. Alles andere sind „gnostische“ Spinnereien über ein mystisches „Selbst“ unterhalb der – Welt!

Ich glaube „deiner Wahrheit“ nicht, denn jeder Blick, jede Geste, die Mimik, die Art, wie du dich bewegst, sagt alles über dich – mehr, als du selbst über dich weißt. Niemand wird jemals die Wahrheit über sich selbst ergründen können: – niemand ist so weit entfernt von sich wie der Autist. Ich weiß mehr über das Innenleben der jungen Frau, die mir erklärt, ihre „wahre, innere Identität“ sei ein lila Astralfuchs von Andromeda, als sie es selbst wahrscheinlich je ergründen wird.

Reich wies in seiner charakteranalytischen Vegetotherapie darauf hin, daß deine Worte nicht zu deinem Gefühlsausdruck passen. Du lügst! Bei Töpfer ist es umgekehrt: Worte tragen sich nicht selbst durch ihre faktische Logik, sondern werden durch den individuellen Gefühlsausdruck „bewiesen“. Es ist wie bei Frauen: wer weint und schreit und „betroffen“ ist, vertritt die vermeintliche „Wahrheit“! Das meine ich nicht abfällig, denn Töpfer ist tatsächlich ein expliziter Verfechter des „Matriarchats“, ohne zu ahnen, daß seit 1960 das Patriarchat schleichend bereits durch ein „Matriarchat“ abgelöst wurde, in der es keine „patriarchalische“ Autorität, also keine objektive Wahrheit mehr gibt, sondern nur noch (vermeintlich) „authentische“ Gefühle bzw. sogenannte „subjektive Wahrheiten“. Der Irrationalismus triumphiert! Volatile Stimmungen beherrschen alles, als würde Deutschland gerade menstruieren! Interessanterweise waren die Anhänger des „Hysterikers“ Hitler in dieser Hinsicht kaum von den heutigen Betroffenheits-Grünen zu unterscheiden.

Töpfer hat von seinem durch und durch mechanistischen Ansatz her überhaupt keinen Zugriff auf die innere Wirklichkeit: „… das Ganze hat keine Wahrheit: Es ist keine Person. Nur eine Person trägt auch Wahrheit“ (S. 192). „Die Aussage dieses Buches kann mit Bildern aus der Informatik anschaulich gemacht werden“ (S. 195). Dazu paßt das ständige „Streben nach der Wahrheit“, der Kampf bzw. Krampf um die Wahrheit, so als wäre Wahrheit nicht einfach nur da wie das natürliche und spontane Pulsieren und Strömen im Organismus! Die „Suche nach sich selbst“ ist der gleiche sadomasochistische Unsinn wie die „Suche nach Gott“.

„Alle Prägungen, alle in widrigen Umständen erfolgte Programmierungen können mittels Wahrheit aufgelöst werden, so daß neue, lebensbejahende Programme Platz greifen” (S. 200). Abgesehen von den Phrasen: ist das nicht einfach Freuds „Bewußtmachen des Unbewußten“? („Die Ansätze des frühen Freud [entsprachen] durchaus der Wahrsagerei“ [S. 313].) Die Wahrheit soll „fließen“, was immer das auch bedeuten soll. „Der freie Fluß der Wahrheit als Voraussetzung von Zufriedenheit wird hergestellt, indem das seelisch belastende Material verschwindet, das gesagt und losgeworden wird“ (S. 207). Tatsächlich ist es aber so, daß das Orgon ins Fließen kommt. Ob es, so Reich, dabei zu Erinnerungen kommt, über das, was dieses Fließen ursprünglich gestoppt hat, oder diese ausbleiben, ist letztendlich gleichgültig.

„Die-Wahrheit-leben heißt im Lebensfluß bleiben (…) Das Nicht-die-Wahrheit-leben besteht im Bremsen, im Drängen gegen die Flußrichtung und die Kraft der Wassermassen, der Lebensenergie“ (S. 215f, vgl. S. 317). Klingt gut, aber was in diesem Buch nicht vorkommt, ist die Gegenwahrheit, d.h. die Abwehr, die Panzerung. Konkret bedeutet das, daß du so konsequent in der Wahrheit leben kannst, wie du willst, dir wird doch immer elender (dann, „haben Sie Pech, dann ist das Schicksal“ [S. 318)]) und es passiert genau das, was in einer schlecht durchgeführten „Körperpsychotherapie“ geschieht: ständig wirst du von unkontrollierbaren Affekten überschwemmst. Es ist wie bei einem Bach, wo sich angeschwemmtes Holz verkeilt und sich in diesem Gitter Blätter, Geröll und Schlamm verfängt, bis der Bach aufgestaut wird und die umliegenden Felder überflutet. Es hilft wenig, verschlimmert sogar alles, immer mehr „Wassermassen“ zu mobilisieren. Rational wäre es, nach und nach die Hölzer aus dem Damm zu ziehen, bis der Bach wieder frei fließen kann. Reichs Charakteranalyse!

Töpfer sieht sich in der Traditionslinie „Reich – Janov – Töpfer“ (S. 309), tatsächlich ist er aber weit hinter Freud zurückgefallen. Reich habe die Körper-Geist-Frage nicht wirklich gelöst und sei, im Gegensatz zu Stirner, „Philosoph geblieben“. Im Janovschen „Urschrei“ gäbe es jedoch keine Philosophie mehr, sondern nur noch „Person“ und „Ich“ (S. 301f). Es gibt keinen Körper und keinen Geist mehr, kein Objekt und kein Subjekt, sondern nur noch „Ich“. Das bezeichnet man als „Autismus“ und genau das hat Janovs verbrecherische „Primärtherapie“ etwa aus John Lennon gemacht: einen in sich selbst versponnenen Jammerlappen auf der Suche nach sich selbst.

„Es hatte sich ausphilosophiert“ (S. 303). „Das Zeitalter der Psychotherapie ist vorbei. Wie überhaupt das Zeitalter der Wissenschaft vorbei ist. Jetzt kommt – für die, die es wollen – eine Zeit, wo man alles so sagt, wie man es empfindet, wie es einem vorkommt, erscheint“ (S. 311). Das sei Töpfers Schritt über seine Vorgänger Reich und selbst Janov hinaus!

Töpfer zufolge sind „Hemmungen“ und „Verklemmungen“ rein subjektiv, d.h. deine derzeitige Wahrheit, und deshalb gelte es sie nicht etwa zu „überwinden“, sondern, so Töpfer, zu „unterwinden“ – indem man zu sich selbst, „unterhalb“ der Energien zurückkehrt (siehe oben zur „Gnosis“!). Die Hindernisse erweisen sich als bloße „Unzufriedenheit“. „Dann revidiert der Kunde [„Patient“] seine Wahrheit und wandelt sie um.“ In Töpfers gnostischer Theorie bis du dann nur noch Subjekt und damit „wahr“ (S. 307f). Dergestalt hat Töpfer Reich (und, wie gesagt, sogar den noch größeren Janov!) „überwunden“ und so wird er in seinem späteren Werk zur „Tiefenwahrheit“ Bernd A. Laska „überwinden“.

Das ganze Gedöns mit der „Unterwindung“ von Psyche, Soma und Energie, das ganz man selbst, d.h. nur noch authentischer Affekt sein, erinnert mich an folgende Szene aus der Unsokratie – Töpfers Alternative zu Reich und Laska, seine Weiterentwicklung von Janov:

Peter Töpfer (Teil 1)

13. November 2025

Peter Töpfer, obwohl bekennender Stirnerianer und Reichianer, war kaum je Thema im NACHRCHTENBRIEF. Das hat unterschiedliche Gründe. Wie ich dem „Nationalanarchisten“ Töpfer schon in den 1990er Jahren schrieb, müsse ich an den nationalsozialistischen Philosophen Alfred Baeumler denken, der zwar konstatierte, daß Nietzsche „an sich“ ein hervorragender Nationalsozialist gewesen wäre, gäbe es da nicht ein klitzekleines Problemchen: Nietzsche war weder Nationalist noch gar Sozialist, sondern denkbar vehementer Gegner dieser Anschauungen. Exakt genauso ginge es mir mit dem „Nationalanarchismus“! Nun, 2025, bin ich mit wachsendem Alter mittlerweile immer nationalistischer und immer anarchistischer geworden. Hinzu kommt, daß Töpfer zwar kein Holocaust-Leugner ist, aber… Holocaustleugnungskonferenz in Teheran 2006 – Wikipedia Ums Verrecken, ich bin charakterlich unfähig ein „Israelkritiker“ zu werden!

Ein weiterer Grund ist Töpfers Verehrung für und Anschluß an Arthur Janov.

Eines Tages machte ich in einem Buch von Arthur Janov eine Entdeckung, und es fiel mir wie Schuppen von den Augen; Janov sprach davon, daß der Bäuchling die Sauerstoffzufuhr durch die Nabelschnur als nichts andres als Liebe empfindet. (Töpfer: Die Wahrheit, S. 284, Hervorhebung von PT)

Sic! Für mich ist Janov nichts weiter als gequirlte Scheiße! Bereits in den 1970er Jahren haben sich Schulkameraden begeistert über ihre Lektüre des damals unglaublich gehypten Janovschen „Urschreis“ ausgelassen, worauf ich bereits zu der Zeit nur verächtlich meine Augen verdrehen konnte: „Elende, billige Pop-Psychologie!“ Später lernte ich, daß die Orgonomen, gelinde gesagt, auf Janov nicht gut zu sprechen sind (dort S. 154-160) und solchen Unsinn wie oben empört aufspießen. Janov und Reich: ein Kategorienfehler!

Und schließlich haben mich Töpfers Bücher beim ersten Durchblättern nie angesprochen. Ein ganzes Buch über die „Wahrheit“? In seinen letzten Büchern tauche ich, Peter Nasselstein, auch noch ständig auf… „Um Gottes Willen!“

Aber nehmen wir das bereits zitierte Buch über Die Wahrheit von 2006. Zunächst fällt auf, daß es falsch herum gedruckt wurde, also wie ein hebräisches, arabisches oder japanisches Buch. Das soll wohl den Weg „zurück zur Wahrheit“ symbolisieren. Die wahrscheinlich schlechteste Buchdruckidee seit Gutenberg! Aber es gibt einen inhärenten Grund: bei der inneren Wahrheitssuche lassen wir „die Tausend Seiten Drama ablaufen wie in einem Buch und zwar von hinten nach vorne“ (S. 214).

Zu Beginn der Lektüre sagte ich mir: „Das schaffe ich nie!“ Der in einem makellosen Deutsch verfaßte Text plätscherte dahin und als ich das Buch aus der Hand legte, wußte ich beim besten Willen nicht mehr, bei welchem Paragraphen ich im aufgeschlagenen Buch gerade gewesen war. Es brauchte Zeit, bis mir die Logik des Buches aufging und wie ausgesprochen klar und zielführend es geschrieben ist. Inhaltlich führt es von Reich über Janov (siehe oben…) zu schließlich Töpfer, von der Psychotherapie hin zu deren Überwindung durch die „Wahrsagerei“, das Sagen der Wahrheit. Es geht um ein Leben in der Wahrheit, was zur Heilung frühkindlicher Verletzungen und Traumata führt (Stichwort „Urschrei“).

Charles Konia in der Diskussion (Teil 5)

3. November 2025

Der amerikanische Orgonom Dr. Charles Konia über den Ausschluß Wilhelm Reichs aus der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung 1934: Ein schicksalhaftes Ereignis

Robert (Berlin) 2014:

Ein sehr guter Artikel.

So global habe ich es früher auch betrachtet, aber in den letzten Jahrzehnten verlor ich den Focus.

Danke an Peter für die Publikation und Übersetzung.

Dazu Jonas:

Erstaunlich, wie aktuell der Text scheint, obwohl er fast 20 Jahre alt ist!

O.:

„Das American College of Orgonomy ist heute die einzige wissenschaftliche Organisation, die Reichs Entdeckungen in unverfälschter Form gegenwärtigen und zukünftigen Generationen übermittelt.“ (s.o.)

So hatte ich es auch früher gesehen oder sehen wollen.

– Auf was liegt die Betonung im Satz? wissenschaftlich, unverfälscht oder gegenwärtigen und zukünftigen Generationen übermittelt?

Alle (ACO fremden Publikationen) beziehen sich heute (seit 1967) auf Baker und nicht mehr auf Reich. Er taucht in quasi allen Literaturverzeichnissen auf und wird inhaltlich kopiert.

Aber wird hinterfragt, was er geschrieben hat?

1965, zwei Jahre zuvor kommt Lowens „Liebe und Sexualität“ heraus, eine Behandlung der Orgasmusthematik noch ohne großes Therapieangebot. 1975 legt er nach mit „Bio-Energetik“. Die Behandlungsmethoden ähneln sich wie ein Ei dem anderen. Wer schreibt ab? Oder sind beide von Reich in gleichem Maße inspiriert?

Hatte Lowen seine Bioenergetik schon 1967 fertig entwickelt und praktiziert?

Die viel gepriesene „psychiatrische Orgontherapie“ hält in ihrer Technik – dem Buch nach zu urteilen – nicht stand. Baker verlässt Reichs Regel von oben nach unten zu arbeiten, um den Patienten von innen aufzuladen, Depressiven (nicht beim depressiven Charakter) will er Energie aus dem Becken mobilisieren. Das würde ich als pure Bioenergetik verstehen.

Ich frage mich seit geraumer Zeit, was in den USA falsch gelaufen ist, bei der Ausbildung der Mediziner, von Reichs Therapie wird nichts übermittelt.

Darauf ich gereizt:

Ich wollte das gerade beantworten, muß aber dieses Unterfangen aufgeben, da O. nur nebulösen Unsinn schreibt. Das fängt schon damit an, daß Lowen seine Behandlungsmethode bereits 1958 (zweite Auflage 1971) veröffentlicht hat. Zum Rest… Seufz.

O.:

Danke. 1958 war sein erstes Buch „Körperausdruck und Persönlichkeit“ herausgekommen.

hier das für mich erstmal „schockierende“ Zitat, vielleicht erschließt sich mir ja nicht der tiefere Sinn, weil immer nur etwas kurz angedeutet wird und es dann weiter geht:

„Eine Ausnahme sind Depressive, bei denen das niedrige Energieniveau und starke Hemmung eine frühe Befreiung des Beckens gefahrlos machen. (…)“ (BAKER 1967, S. 86)

„Die sieben Segmente … werden gewöhnlich in dieser Reihenfolge ‚befreit‘, abgesehen davon, dass die Brust oft zuerst beweglich gemacht wird, damit man sie verwenden kann, um im Organismus Energie aufzubauen und für zusätzliche Stoßkraft von innen zu sorgen, um sowohl die Auffindung als auch die Beseitigung weiterer Blockierungen zu unterstützen.“ (BAKER 1967, S. 87)

Peter:

In Bakers Buch steht auch, daß bei Depression das Energieniveau rapide absinken kann. Dem muß entgegengewirkt werden durch Mobilisierung der Atmung. Es geht immer darum, welche FUNKTION was hat, nicht darum rigide irgendwelche „Prinzipien“ einzuhalten.

Konias Glossar wurde wie folgt diskutiert:

Robert (Berlin):

„sekundäre Triebe: Der gestörte Ausdruck der primären Triebe, der darauf beruht, daß der Panzer dabei versagt hat, die destruktiven Impulse in Schach zu halten.“

Nanu, auch wenn der Panzer die sekundären Triebe in Schach hält, die primären Triebe müssten durch den Panzer doch immer irgendwie verbogen sein? Oder irre ich mich mal wieder?

Darauf ich:

Also, damit wir nicht über zweifelhaften Übersetzungen stolpern, erstmal das Original:

secondary drives – Disturbed expressions of primary drives resulting from the failure of armor to contain destructive impulses.

Primäre Triebe werden einfach ausgedrückt. Sieht man bei jedem Tier. Wenn sich das Menschentier abpanzert, haben wir idealerweise den symptomlosen „Jesuitenschüler“ vor uns: immer kontrolliert, ausgeglichen, nett, rational, blablabla – während innerlich der Haß des eingesperrten und malträtierten Tieres wütet. Nur leider ist die Panzerung ein sehr fragiles Gebilde, so daß die Triebe schließlich doch wieder durchbrechen – in Gestalt der sekundären Triebe.

O.:

Das Glossar zeigt über die wichtigsten Begriffe schon fast die wichtigsten theoretischen Grundannahmen. Kleine Fehler wären hier schon fast unverzeihlich, daher steckt da schon viel Arbeit drin.

„orgonomist“ klingt im Deutschen schräg, vielleicht ist „Orgonom“ der bessere Begriff, obwohl es mir auch nicht gefällt, hat es Reich ja schon als Grundform für einen Organismus benutzt.

Über die „Biopsychiatrie“ (in Anlehnung an die „Biopathie“) habe ich mich am meisten gewundert.

Mir würde ein einheitlicher Begriff wie „orgonomische Psychiatrie und orgonomischer Psychiater“ am besten gefallen, wobei der auch etwas neu wäre. Auf keinen Fall sollte man hier beliebig und alle paar Jahre sich was neues ausdenken, das würde komisch und verwirrend wirken.

Peter 2025: Biopsychiater sind Psychiater, die ihre Patienten von der biologischen Panzerung her betrachten und wie die Panzerung die biologische (Orgon-) Energie behindert.

Warum ausschließlich das AMERICAN COLLEGE OF ORGONOMY? (Teil 4)

14. September 2025

Jedem, der die orgonomische Literatur verfolgt, wird über kurz oder lang auffallen, daß die psychiatrische Nosologie der medizinischen Orgonomen eine vollkommen andere ist als die der normalen Psychiater. Wo findet sich in der Orgonomie etwa der „Borderliner“ oder gar die „multiple Persönlichkeit“? Patienten haben in der Psychiatrie und Psychotherapie „histrionische Persönlichkeitszüge“ oder „anankastische Persönlichkeitszüge“, aber von einem „hysterischen Charakter“ oder „Zwangscharakter“ ist nie die Rede. Leute können unter einer „bipolaren Störung mit anakastischen Persönlichkeitszügen“ leiden. Fällt so etwas in der Orgonomie ganz unter den Tisch?

Peter A. Crist beschäftigt sich u.a. mit derlei Fragen in „Nature, Character, and Personality. Part 1: Introduction and General Principles“ (The Journal of Orgonomy, Vol. 27, No. 1, Spring/Summer 1993, S. 48-60).

Demnach entsprechen „Persönlichkeitsstörungen“ der Unfähigkeit der äußeren Schicht der menschlichen Charakterstruktur, also der „sozialen Fassade“, den Ausdruck der zweiten Schicht, d.h. der „sekundären Schicht“, in Schach zu halten. Entsprechend dreht sich in der modernen Psychiatrie alles um soziale Normen. Das was gesellschaftlich stört, soll eingeschränkt werden. Wenn die „soziale Fassade“ die sekundären Triebe nicht mehr kontrollieren kann, greift die soziale Kontrolle in Gestalt des Psychiaters ein.

Orgonomische Psychiater beschäftigen sich mit einem ganz anderen Problem, dem „Charakter“. Hier geht es um die Fähigkeit der zweiten, d.h. der mittleren Schicht die Impulse, die aus dem bioenergetischen Kern nach außen Drängen, zu binden oder zu entladen. Der triebgehemmte Charakter ist entsprechend wie tot, er besteht fast nur aus „Energiebindung“, man denke etwa an den Zwangscharakter. Der triebhafte Charakter hingegen ist „Opfer seiner Triebe“, wird von wilden Ausbrüchen und Süchten getrieben. Der genitale Charakter jedoch kann sich je nach Situation angemessen zurückhalten oder sich vollkommen gehenlassen. Entsprechend beruht die Charaktereinteilung nicht auf sozialen, sondern biologischen Normen.

Das ganze kann man in etwa wie folgt beschreiben:

Die gängige Psychiatrie wird vom roten Pfeil beschrieben, die orgonomische vom blauen.

Diese Zusammenhänge sind auch der Grund warum ich gestern so sehr über den Begriff des „okularen Charakters“ aufgeregt habe. Mit solchen Begrifflichkeiten (die man in diversen „Reichianischen“ Therapieschulen zuhauf findet) wird die oben beschriebene Unterscheidung hoffnungslos zugekleistert und das Resultat kann nur sein schlechte gängige Psychiatrie plus schlechte orgonomische Psychiatrie, also weniger als gar nichts!

Die multiple Persönlichkeit ist eine Störung, bei der es zu einer Fragmentierung der sozialen Fassade in voneinander isolierten „Persönlichkeiten“ gekommen ist, die jedoch jeweils auf den zugrundliegenden einheitlichen Charakter zurückgeführt werden können. Die Störungen der sozialen Fassade, die den Borderliner kennzeichnen, werden in der gängigen psychiatrischen Literatur beschrieben: ständiger Wechsel von Idealisierung und Entwertung in Beziehungen, überstarke Angst vor Verlassenwerden, wankendes Selbstbild, selbstzerstörerisches Verhalten, innere Leere, extreme Stimmungsschwankungen, aufbrausendes, paranoides Temperament, etc. Die histrionische Persönlichkeit präsentiert ständig eine „dramatische Fassade“. Alle diese Persönlichkeitsstörungen können einzeln oder in Kombination bei den unterschiedlichsten Charakterstrukturen auftreten.

Das Wesen des Orgonomischen Funktionalismus wird sehr schön deutlich, wenn man Crists Erläuterungen von vor 20 Jahren mit seinem einem Brief an die Freunde des American College of Orgonomy von 2012 vergleicht. Obwohl das Thema ein ganz anderes ist, die Renovierung des „Hauptquartiers“ der Orgonomie, geht es doch um die gleichen bioenergetischen Überlegungen über die Fassade („Persönlichkeit“) und den Charakter.