Posts Tagged ‘Friedrich Kraus’

Max Stirner, Soter (Teil 23)

25. August 2025

Äußere Gesetze kann man hinnehmen, wie man die Schwerkraft hinnimmt, aber die Menschheitsbeglücker wollen den „neuen Menschen“ schaffen, der Ideale verinnerlicht hat – und somit seine Eigenheit verloren hat. Stirner geht es weniger um abstrakte libertinistische „Freiheit“, sondern, da es z.B. immer eine beliebige Straßenverkehrsordnung geben muß, um die Eigenheit – die auch (oder sogar grade) die Hyperlibertinisten bei den Kindern brechen wollen, damit eine „freiheitliche“ Gesellschaft funktionieren könne (vgl. Der Einzige, S. 343f). Es gilt die Originalität und „Genialität“, die „bestimmte Eigenheit“ (Der Einzige, S. 179f) der Kinder aktiv zu unterstützen (nicht nur zu „tolerieren“), auf daß sie die natürliche Gesellschaft der Familie verlassen und mit anderen Vereine bilden können – die nicht sterben, d.h. zu Karikaturen der natürlichen Gesellschaft werden. Etwa die „Volksgemeinschaft“ als große Familie, wo sich dann, wie von Reich beschrieben, der Massenmensch mit dem Führer identifiziert.

Da ihm die innere Beherrschtheit durch irrationale kollektive Ideen der Menschen, also deren Freiheitsunfähigkeit, bewußt war, konnte Stirner kein Anarchist sein. Im allgemeinen wird er wohl als solcher verbucht, aber er argumentierte, wie die Todfeinde des Anarchismus von jeher über „den Pöbel“ gerichtet haben: „Weil in der Gesellschaft sich die drückendsten Übelstände bemerkbar machen, so denken besonders die Gedrückten, also die Glieder aus den unteren Regionen der Sozietät, die Schuld in der Gesellschaft zu finden, und machen sich’s zur Aufgabe, die rechte Gesellschaft zu entdecken. Es ist das nur die alte Erscheinung, daß man die Schuld zuerst in allem Anderen als in sich sucht; also im Staate, in der Selbstsucht der Reichen usw., die doch gerade unserer Schuld ihr Dasein verdanken“ (Der Einzige, S. 129). Konsequent will der angebliche „Anarchist“ Stirner keine Revolution, die auf neue Einrichtungen zielt, sondern die „Empörung“, die dahin führt, „Uns nicht mehr einrichten zu lassen, sondern Uns selbst einzurichten“ (Der Einzige, S. 354).

Für ihn haben die Unterdrückten keinerlei Recht auf Freiheit – „weil sie die Freiheit nicht haben, haben sie eben das Recht dazu nicht“. Sie wüßten die Freiheit nicht zu nutzen, wenn man sie ihnen geben würde – und deshalb sind sie nicht schon längst frei (Der Einzige, S. 207). „Betragt Euch als mündig, so seid Ihr’s ohne jene Mündigsprechung, und betragt Ihr Euch nicht darnach, so seid Ihr’s nicht wert, und wäret auch durch Mündigsprechung nimmermehr mündig.“ (Der Einzige, S. 185). Dies ist exakt der gleiche Gedanke, der auch hinter Reichs soziopolitischen Auffassungen und seinem Kampf gegen die verantwortungslose „Freiheitskrämerei“ steht. Beide Männer hatten die gleiche Lösung für das menschliche Dilemma: die Kinder von Anfang an so zu erziehen, daß sie freiheitsfähig werden, bzw. bleiben, bis sich die Menschheit nach einigen Generationen ganz von der Unfreiheit befreit hat. Doch anstatt diesen bequemen Weg zu beschreiten, der ja größtenteils im Unterlassen besteht, greifen wir, von willkürlichen Erziehungsideen angestachelt, ständig ein. Wo doch die eigene „egoistische“ Freiheit zwangsläufig die Freiheit der anderen, insbesondere aber der Kinder nach sich ziehen würde.

Reich hat gegen die willkürlichen Meinungen, z.B. wie Kinder zu erziehen seien oder was gesund sei, die objektive Autorität der nachweisbaren Lebensenergie Orgon gestellt. Diese „objektive Autorität“ des Orgons steht nicht im Gegensatz zur persönlichen „Eigenheit“, von der Stirner sprach, sondern ist sozusagen ihre Substanz – die Natur des Menschen, sein Kern, frei nach Friedrich Kraus die spontan (eigen) funktionierende „Tiefenperson“. Das Orgon ist also keine externe Autorität, der sich die Eigenheit anzupassen, der sie sich zu opfern hat, sondern diese Eigenheit selbst.

Daß die Menschen dieser Identität nicht gewahr werden; ihre Unwissenheit und Kontaktlosigkeit, ist für das religiöse Empfinden, für das „Heilige“ verantwortlich. Bei Menschen, die beten, zeigt sich diese „schizophrene“ Spaltung ganz deutlich, denn stets steht ein Wunsch im Mittelpunkt: die Sehnsucht nach Wiedervereinigung mit dem göttlichen Widerpart. Aus dem beschränkten weltlichen, aller Eigenheit entblößtem Ich, soll das entschränkte, göttliche, „eigentliche“ Ich werden.

Wie Reich 1941 schrieb, konnte der Mensch, der von jeher das kosmische Orgon in sich spürte, sich nur als Objekt und Werkzeug dieser Macht empfinden – der er sich gerne unterwarf, da sie ihm orgastische Erfüllung schenkte. Dies erkläre, warum sich der Mensch so gerne und widerstandslos religiösen Gefühlen hingibt. Erst er, Reich, sei weitergegangen und habe diese Energie, die bisher als unerkennbarer Gott mystifiziert wurde, wissenschaftlich zugänglich und handhabbar gemacht. Erst er, Reich, habe die Angst vor dem Numinosen, dem Tabu, dem Heiligen überwunden (Reich: Biophysical Functionalism and Mechanistic Natural Science, International Journal of Sex-Economy and Orgone Research 1(2), July 1942, S. 97-107).

Wir ersticken in der Mystifikation dessen, was die Quelle unserer Existenz ausmacht, was uns selbst ausmacht. In einem ähnlichen Sinne, wie Reich, wollte auch Stirner die Welt „entheiligen“, denn „alles Heilige ist ein Band, eine Fessel“ (Der Einzige, S. 237). Wir ersticken in der Mystifikation dessen, was die Quelle unserer Existenz ausmacht, was uns selbst ausmacht. Die Aufklärung, d.h. die restlose Entzauberung der Welt, hat noch nicht einmal ansatzweise begonnen. Wohin die Pseudo-Aufklärung geführt hat, gegen die sich Stirner wandte, zeigt sich heute mehr denn je ganz praktisch daran, daß die Entscheidungsträger jedweden Sinn für die Realität verloren haben und ausschließlich in ideologischen Blasen leben – und entsprechend dieses Land zerstören. Stirner befreit davon und ist deshalb aktueller als jemals zuvor.

Was würdet Ihr aber denken, wenn Euch Einer erwiderte: daß man auf Gott, Gewissen, Pflichten, Gesetze usw. hören solle, das seien Flausen, mit denen man Euch Kopf und Herz vollgepfropft und Euch verrückt gemacht habe? Und wenn er Euch früge, woher Ihr’s denn so sicher wißt, daß die Naturstimme eine Verführerin sei? Und wenn er Euch gar zumutete, die Sache umzukehren, und geradezu die Gottes- und Gewissensstimme für Teufelswerk zu halten? Solche heillose Menschen gibt’s; wie werdet Ihr mit ihnen fertigwerden? Auf eure Pfaffen, Eltern und guten Menschen könnt Ihr Euch nicht berufen, denn die werden eben als eure Verführer von jenen bezeichnet, als die wahren Jugendverführer und Jugendverderber, die das Unkraut der Selbstverachtung und Gottesverehrung emsig aussäen, die jungen Herzen verschlämmen und die jungen Köpfe verdummen. (Der Einzige, S. 179)

Max Stirner, Soter (Teil 19)

5. August 2025

Der Konflikt zwischen Max Stirner und Reich zeigt sich nicht nach der Funktion des Orgasmus von 1927 und auch nicht nach der Funktion des Orgasmus von 1942, sondern erst mit der „Funktion des Orgasmus“ von 1951 (Die kosmische Überlagerung). Genau da wo es „kosmisch“ wird, wird das Verhältnis zwischen Stirner und Reich problematisch. Weniger weil „Gott“ oder so etwas auftritt, sondern weil hier (in Gestalt des energetischen „Orgonoms“) überindividuelle Prinzipien, Gemeinsame Funktionsprinzipien, autonome Relationen bzw. „Funktionen“ ins Spiel kommen, „scholastische Realien“.

Reich wollte die Menschen von ihrem „Charakterpanzer“, d.h. ihren erstarrten Verhaltensmustern befreien, die jede wesenseigene Willensäußerung illusorisch machen. Entsprechend hatte sich schon Stirner fast hundert Jahre zuvor gegen die Welt „fixer Ideen“ gewandt, die wir selbst aufgestellt haben, denen wir aber trotzdem als absoluten Autoritäten blind folgen. Irgendwelche Leitlinien werden willkürlich aufgestellt und gelten fürderhin als heiliges Gesetz, dem wir uns zu unterwerfen haben, auch wenn mittlerweile die Umstände ganz andere sind. So sind wir an unserem gestrigen Willen gebunden. Stirner: „Mein Wille in diesem Falle wäre erstarrt. Die leidige Stabilität! Mein Geschöpf, nämlich ein bestimmter Willensausdruck, wäre mein Gebieter geworden. Ich aber in meinem Willen, Ich, der Schöpfer, wäre in meinem Flusse und meiner Auflösung gehemmt“ (Der Einzige, S. 215). Die Nähe zum Reichschen Konzept der Panzerung ist evident.

Stirner schreibt im Rückblick über sich selbst: „Was Stirner sagt, ist ein Wort, ein Gedanke, ein Begriff; was er meint, ist kein Wort, kein Gedanke, kein Begriff. Was er sagt, ist nicht das gemeinte, und was er meint ist unsagbar“ (Parerga, S. 149). Ähnlich wie Reich mit der Beseitigung des Panzers den authentischen Menschen unter der Charaktermaske freisetzt, befreit Stirner das konkrete Individuum aus dem „Reich der absoluten Gedanken“, „d.h. Gedanken, welche einen eigenen Gedankeninhalt haben“. „Es ist, indem du der Inhalt des Einzigen bist, an einen eigenen Inhalt des Einzigen, d.h. an einen Begriffsinhalt nicht mehr zu denken“ (Parerga, S. 151).

Wie Stirner die Befreiung von den erstickenden Begriffshülsen beschreibt, gemahnt an die Orgontherapie:

Ein Ruck tut Mir die Dienste des sorglichsten Denkens, ein Recken der Glieder schüttelt die Qual der Gedanken ab, ein Aufspringen schleudert den Alp der religiösen Welt von der Brust, ein aufjauchzendes Juchhe wirft jahrelange Lasten ab. Aber die ungeheure Bedeutung des gedankenlosen Jauchzens konnte in der langen Nacht des Denkens und Glaubens nicht erkannt werden. (Der Einzige, S. 164)

Die Aufklärung hätte ein solches „Recken der Glieder“ sein müssen, stattdessen wurden die Menschen nur noch mehr in die Welt bedeutungsloser Begriffe verstrickt. Die Aufklärer waren um keinen Deut besser als die Pfaffen: auch sie pfropften die Köpfe und Herzen mit Flausen über Gewissen, Pflichten, Gesetze voll. Auch sie waren nur Verführer – um keinen Deut besser als die „Jugendverführer und Jugendverderber, die das Unkraut der Selbstverachtung und Gottesverehrung emsig aussäen, die jungen Herzen verschlämmen und die jungen Köpfe verdummen“ (Der Einzige, S. 179).

Den „Idealisten“ ging es darum, den alten jüdischen und paulinischen Glauben an unabhängige Individuen, die sich gegenüber einem wandelbaren, launischen Gott, einem „Jenseits außer Uns“, versündigen können, durch ein unwandelbares „Jenseits in Uns“ zu ersetzen. Sobald sich der Mensch, fabulierte der „Atheist“ Fichte, „rein, ganz und bis in die Wurzel vernichtet“, bleibe, sozusagen als Kondensat der Seele, Gott übrig. „Diese Selbstvernichtung bestehe in der erkennenden Einsicht in die Scheinhaftigkeit der endlichen Individualität“ (Micha Brumlik: Deutscher Geist und Judenhaß, München 2002, S. 110).

Vor Stirner war alle Kritik willkürlichen Ideen dienstbar. Es handelte sich immer nur um den Streit zwischen Ideen. Stirner hat diese Ideenwelt grundsätzlich überwunden, indem er sie von einer ganz anderen, tieferen Ebene, von außerhalb des bloßen Denkens aus kritisierte (vgl. Jacob Meyerowitz: Visualizing the Limit of Thought, The Journal of Orgonomy 28(1), Spring/Summer 1994, S. 62-83). Damit war seine Kritik nicht normativistisch, aber gleichzeitig auch in keinster Weise relativistisch oder gar nihilistisch, denn er hatte die Ideen nicht alternativlos verworfen (Bernd A. Laska: Max Stirner als pädagogischer Anarchist). Seine Alternative war der lebendige Ursprung der toten Ideen, der das Kriterium seiner Kritik darstellte.

Da der besagte „Ursprung“, das Lebendige, jenseits der Ideen steht, ist er nicht in Worte ausdrückbar und damit „Nichts“. Entsprechend beginnt und endet Stirners Hauptwerk mit den Worten: „Ich hab‘ Mein Sach‘ auf Nichts gestellt“. Doch sind umgekehrt aus der Warte dieses unsagbaren „Nichts“ seinerseits die Ideen substanzlos und nichtig, da der Willkür des Lebendigen ausgeliefert. Stirner hat an die Stelle des bisherigen substanzlosen Wortgeklingels sozusagen, um mit Reich zu sprechen, „die Ausdruckssprache des Lebendigen“ gesetzt. Für Stirners vom bloßen Denken befreite Betrachtung ist der „unsagbare Urgrund“ nicht substanzlos, keine abstrakte Idee, sondern aktiv funktionierende unmittelbare Wirklichkeit – für deren Funktionieren dann aber auch das Wort „Willkür“ keinen Sinn mehr macht, da man ebensogut von Notwendigkeit sprechen könnte. Man muß unwillkürlich an Friedrich Kraus‘ „spontan dranghaft schöpferische“ „vegetative Strömung“ bzw. „Tiefenperson“ denken (Allgemeine und spezielle Pathologie der Person. Klinische Syzyiologie. Besonderer Teil. I: Tiefenperson, Georg Thieme Verlag, Leipzig 1926, S. 3).

Stirner hat diesen lebendigen Ursprung der Ideen provisorisch als „Eigner“, „Einziger“ oder „Egoist“ bezeichnet, was leider im gewöhnlichen Sprachgebrauch die besagte substanzlose abstrakte Willkür und Beliebigkeit impliziert, im Sinne von „Tu, was Du willst!“ Willkürlich handelt aber nur der, der nicht Herrscher über die Ideen ist, sondern ganz im Gegenteil von willkürlichen Ideen beherrscht wird, die nichts mit der jeweiligen konkreten Situation zu tun haben. Der Eigner tut als Naturwesen einfach, „was er nicht lassen kann“. Er steht jenseits von Ideen wie „Pflicht“ oder „Freiheit“.

Die fünf Stufen der Orgonomie (Teil 1)

12. Mai 2025

Wie jede Wissenschaft ist auch die Orgonomie eine Geschichte von Fehlschlägen. Die Theorie von heute wird morgen kopfschüttelnd überwunden. Fangen wir mit der Psychoanalyse an, die als Reich um 1920 herum auf den Plan trat, schlicht und ergreifend gescheitert war. Das beliebige Bewußtmachen unbewußter Anteile der Psyche machte die Menschen nicht gesünder. Freud entwickelte daraufhin die Todestriebtheorie: eh alles scheiße und man muß sich in dieser Scheiße einrichten! Reich entwickelte hingegen die Charakteranalyse, d.h. das systematische Aufdecken der unbewußten Anteile – was dem Grundwesen der Freudschen Psychoanalyse fundamental widersprach (unsystematisches „freies Assoziieren“). Die 1920er Jahre waren sozusagen die Orgonomie 0.0.

In den 1930ern versuchte Reich das Erbe von Friedrich Kraus (Flüssigkeits- und Ionenströme im Körperplasma) weiterzuführen (Orgonomie 1.0), nur um am Ende feststellen zu müssen, daß die ganze „bioelektrische Theorie“ vorne und hinten nicht paßte und er etwas tun mußte, was er zuvor dezidiert abgelehnt hatte: aus der Libido eine Art „Lebensenergie“ zu machen. Die sexualökonomische Lebensforschung wurde wie zuvor die klassische Psychoanalyse zur Makulatur und es entwickelte sich die „Orgon-Biophysik“, die Orgonomie 2.0. Bis 1950 wurde alles schön ausgearbeitet und am Ende erstmals von Rech als „Orgonomie“ bezeichnet. Bumm, das ORANUR-Experiment schlug ein und versenkte diesen Ozeanriesen, da zentrale Voraussagen schlichtweg falsch waren! Diese Orgonomie 3.0 entwickelte sich in den 1950er Jahren inmitten der juristischen Auseinandersetzungen und dem ORANUR-Chaos.

Nach Reichs Tod versuchte Charles Konia das von Reich hinterlassene Trümmerfeld aufzuräumen und stellte fest, daß dessen „orgonometrischen“ Aufstellungen nicht recht zusammenpaßten. Resultat war eine neue Ausstellung, die die Einführung der Funktion „koexistierende Wirkung“ erzwang, was die Orgonomie mit der Jahrtausendwende wieder vollkommen umwarf: aus einem Weltbild einer Art „feinstofflichen“ Sauce, die das Weltall durchwabert, zu einer, na ja, vielleicht mehr „holographischen“ Welt: Orgonomie 4.0.

Um die Entwicklung und den heutigen Stand der Orgonomie erfassen zu können, muß etwas weiter ausgeholt werden – hier am Beispiel meines Aufsatzes über Orgonogenetik:

Das Orgon hat zwei Eigenschaften im Bereich der relativen Bewegung: Pulsation und die Kreiselwelle („energetisches Orgonom“, „Bohnenform“, „Embryoform“). Zunächst einmal läßt sich zeigen, daß die Pulsation (verkörpert im Vegetativen Nervensystem) sich im Verlauf der Evolution zum Menschen immer weiter differenziert und eindeutiger wird, d.h. der Sympathikus repräsentiert im Verlauf der Stammesgeschichte immer eindeutiger Kontraktion und entsprechend der Parasympathikus die Expansion. Primordiale Orgonenergie-Funktionen werden also immer eindeutiger zu Struktur. Parallel dazu werden die Emotionen immer bedeutsamer („Emotionalisierung“). Das gleiche gilt für die Orgonom-Form und die zunehmende „Sexualisierung“ des Menschen im Vergleich zu unseren evolutionären Vorfahren bzw. deren gegenwärtigen Repräsentanten.

Der Materie (DOR) wird auf dieser Weise im Zeitverlauf der Stempel der „Prämaterie“ (Orgon) aufgedrückt. Das kann man unmittelbar unter dem Mikroskop bei Bionen beobachten, die aus zerfallender Materie hervorgehen und sich zu Protozoen organisieren, oder indirekt wenn man die auffallende „mechanisch“ wirkenden Urtiere mit heutigen „geschmeidigen“ Tieren vergleicht.

Orgonomie im Schnelldurchlauf (Teil 2)

31. März 2025

1927 erschien das Buch Die Funktion des Orgasmus, das die Grundlage der spezifischen Lebensarbeit Reichs darstellt. In den folgenden Jahren arbeitete Reich in fünf Bereichen die Grundlagen dessen aus, was wir heute als „Orgonomie“ kennen.

1. Er wurde zu einem militanten Marxisten, der im Anschluß, angefangen mit der 1934 erschienen Schrift Was ist Klassenbewußtsein? sich das Konzept erarbeitete, das er später als „Arbeitsdemokratie“ bezeichnete.

2. Er engagierte sich in der Sexualreformbewegung und erarbeitete im Rückgriff auf die Arbeit von Bronislaw Malinowski die theoretischen Grundlagen seines späteren Konzepts „Kinder der Zukunft“.

3. Er baute die Psychoanalyse zur Charakteranalyse aus, um diese dann ab 1934 zur „charakteranalytischen Vegetotherapie“ zu erweitern.

4. Auf der Grundlage der damaligen biomedizinischen Forschung, insbesondere der von Friedrich Kraus („vegetative Strömung“), legte er die theoretischen Grundlagen dessen, was er ab1934 als „sexualökonomische Lebensforschung“ bezeichnete.

5. Mit der Ausarbeitung und Weiterentwicklung des auf Marx und Engels zurückgehenden Dialektischen Materialismus legte er die Grundlagen des späteren „orgonomischen Funktionalismus“.

Bemerkenswerterweise wurden diese fünf Stränge nicht nur zwischen 1927 und 1934 zu Zeiten seines sehr zeitaufwendigen und lebensgefährlichen politischen Engagements ausgeformt, sondern lassen sich jeweils auf seine Formations- und Selbstfindungsjahre zwischen 1919 und 1926 zurückverfolgen. Sein starkes soziales Engagement zeigte sich bereits in seiner Arbeit am von ihm angeregten psychoanalytischen Ambulatorium für Mittellose in Wien. Eine Arbeit, die sich in seinem ersten Buch, Der triebhafte Charakter (1925), niederschlug, das sich hauptsächlich mit dem „Lumpenproletariat“, sozusagen „den Wilden“ der Neuzeit, beschäftigte und das seine ersten charakteranalytischen Formulierungen enthält. Es sei auch auf seine beiden Artikel über „Eltern als Erzieher“ (1926) und seine frühen naturphilosophischen Studien (insbesondere Henri Bergson und F.A. Lange) verwiesen. Nach 1927 (Die Funktion des Orgasmus) kondensierten sich diese Anfänge zu den genannten fünf Strängen.

Die Zeit zwischen 1927 und 1934 ist kaum zu überschätzen und man reibt sich die Augen, was der Mann in diesen sieben Jahren alles geleistet hat. Nicht nur, daß er die Psychoanalyse zur Charakteranalyse weiterentwickelte, kreierte er auch eine eigenständige Massenpsychologie und das nicht nur in der bequemen Schreibstube, sondern im aktiven politischen Kampf. Sowohl in Wien als auch in Berlin baute er eine sexualpolitische Organisation auf. Quasi nebenbei schrieb er ein Buch zur Ethnographie, das selbst Bronislaw Malinowski selbst beeindruckte, und verfaßte eine sexualsoziologische Studie. Später wurden sie bekannt als Der Einbruch der sexuellen Zwangsmoral und als Die sexuelle Revolution. Und er bereitete spätestens mit seiner bahnbrechenden Studie über den masochistischen Charakter, die Anlaß des endgültigen Bruchs mit Freud war, den „Einbruch ins biologische Fundament“ vor.

Der Orgasmus im Schlaf

3. Juli 2024

Ist es ein Zufall, daß wir überwiegend an ein und demselben Ort schlafen und „miteinander schlafen“? Träumen und Orgasmus sind funktionell identisch, dazu paßt von der inneren Logik her auch der gleiche Ort.

Was ist der Mensch? Das was Reich im Anschluß an Friedrich Kraus‘ „Tiefenperson“ zunächst „vegetative Strömung“ bzw. später „orgonotische Strömung“ genannt hat und was er in den bioelektrischen Versuchen, den Bionexperimenten und nicht zuletzt in der charakteranalytischen Vegetotherapie (später psychiatrischen Orgontherapie) praktisch untersucht hat. Diese orgonotische Strömung spaltet sich auf in die „psychische“ Wahrnehmung und die „somatische“ orgonotische Erregung. Die letztere spaltet sich wiederum auf in die Funktionen „koexistierende Wirkung“ und „relative Bewegung“.

Die relative Bewegung kommt konkret in der Kreiselwelle und der orgonotischen Pulsation zum Ausdruck. Das Phänomen „Leben“ ist das Pulsieren der organismischen Orgonenergie innerhalb einer elastischen Membran. Der Drang nach der genitalen Überlagerung entspricht dem Drang der in der Membran gefangenen organismischen Orgonenergie hin zur freien atmosphärischen Orgonenergie. Dieser Drang findet im Orgasmus seine Erfüllung. Der Orgasmus ist einerseits nichts anderes als eine extrem beschleunigte, „zuckungsartige“ Pulsation (wie man es bei Einzellern während der Zellteilung beobachten kann) und andererseits das „Ausschwingen“ der Kreiselwelle durch das Genital hindurch. Beides kommt im Orgasmusreflex zum Ausdruck, durch den überschüssige Energie ausgestoßen wird, so daß sich der Organismus in einem expansiven Zustand erhalten kann „ohne Angst haben zu müssen zu platzen“. Ansonsten müßte er nämlich seine Energieproduktion drosseln.

Ähnlich ist es mit dem Schlaf im allgemeinen und dem Träumen im besonderen bestellt. Nur daß sich das nicht im Bereich der „relativen Bewegung“ abspielt, sondern in dem der „koexistierenden Wirkung“. Der Schlaf dient dazu, eine hohe energetische Ladung des Organismus aufrechtzuerhalten und das Träumen ist ein unverzichtbarer Bestandteil dieses Energiehaushalts. Auch hier greifen wir über unsere „Membran“ hinaus und durchschreiten in unserer Imagination weite Reisen durch Raum und Zeit vollkommen losgelöst von den Gesetzen der Materie und der gängigen Logik. Freud hat das 1900 in seinem Buch Traumdeutung eingehend beschrieben und damit die Psychoanalyse (wenn man so will „Psychologik“) begründet. Ein Fundament, auf dem Reich dann zwei Jahrzehnte später anfangen konnte das Gebäude der Charakteranalyse und der Sexualökonomie zu errichten.

Die koexistierende Wirkung äußert sich in Erstrahlung (der Traum ist buchstäblich ein Licht in der Dunkelheit des Schlafs) und Anziehung. Die letztere Funktion kommt in der „freien Assoziation“ zum Ausdruck, der nach Freud das Traumgeschehen bestimmt. Im Traum lösen wir durch „Probehandeln“ ungelöste Konflikte auf, lösen Spannungen, und versuchen dergestalt „über Nacht“ ein entspanntes Äquilibrium wiederherzustellen. Je neurotischer wir sind, desto aufwühlender und heftiger sind die Träume (meist verdrängen wir sie deshalb) und vor allem desto komplizierter und „geheimnisvoller“. Je gesünder wir durch eine psychiatrische Orgontherapie werden, desto einfacher und durchsichtiger (psychoanalytisch einfacher deutbar) werden die Träume – und entsprechend wird der Schlaf erfrischender.

Das alles kann man sich an jenem Medium am besten vergegenwärtigen, das dem Träumen derartig nahe kommt, daß indigene Völker anfangs keinen Unterschied erkennen können: dem Film. Es gibt Filme, die hinterlassen nur Chaos und ein schlechtes Gefühl, wenn sie uns nicht schlichtweg gleichgültig lassen, und es gibt Filme, die uns tief berühren und „erfüllt“ zurücklassen. Man denke auch an das griechische Drama (Stichwort „Katharsis“) und seine Entsprechungen in der indischen und chinesischen Kultur. Wir fühlen uns danach „rein“ und „befreit“ und können freier durchatmen – wie nach der genitalen Umarmung („nach dem Orgasmus“).

Grundlage dieser Entspannung ist ein Analogon zur genitalen Überlagerung: in der erlösenden Metapher finden zwei „sich an sich ausschließende Elemente“ zu einer sinnfälligen Einheit. Unser Leben wird „sinnvoll“, unser Ausblick optimistisch und expansiv. Das ist die Grundlage dessen, was wir „Kunst und Kultur“ nennen, deren Funktion es ist, bei den Menschen ein hohes orgonotisches Potential aufrechtzuerhalten. Was passiert, wenn dies wegbricht, kann man beim erschreckenden Zerfall indigener Kulturen nach dem Kontakt mit unserer „Zivilisation“ beobachten – sowie beim antiautoritären Zerfall eben dieser „Zivilisation“. Was bleibt, ist übelriechendes und wie Scheiße aussehendes Gesindel mit grünen Haaren und Grüner Gesinnung. (Es soll niemand behaupten, die Orgasmustheorie sei unpolitisch!)

Aus Laskas Email-Verkehr Anfang der 2000er Jahre: Über die Einsamkeit

11. April 2024

Aus Laskas Email-Verkehr Anfang der 2000er Jahre: Über die Einsamkeit

Friedrich Kraus –> Wilhelm Reich: „vegetative Strömung“ (Entwurf 2006)

2. Juli 2023

Friedrich Kraus –> Wilhelm Reich: „vegetative Strömung“ (Entwurf 2006)

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 69)

17. Juni 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

LaMettrie zusammengefaßt:

1. die Maschine, und zwar eine sozusagen „vitalistische Maschine“ im Sinne von Friedrich Kraus („vegetative Strömung“, Elektrolyte, Membranen, „Bioelektrizität“) und Reichs „sexualökonomischer Lebensforschung“.

2. die Bedeutung der Imagination, die dieses „Maschinelle“ sozusagen in die geistige Welt ausweitet und so der üblichen „geistigen Welt“ (Philosophie, Kultur) ein Ende setzt. (Ich habe den Eindruck, daß Ursula Jauch in ihrem großen Buch über LaMettrie mit ihrer Rede, ihrem Gerede, von der „Wiederverzauberung der Welt“, LaMettrie verfehlt, denn der will die geistige Welt ganz im Gegenteil endgültig entzaubern.)

3. sein Konzept der Wollust als eine teilweise verblüffend paßgenaue Vorwegnahme der Reichschen Orgasmustheorie. (LaMettrie verwendet sogar explizit den Begriff „die Funktion der Wollust“).

4. schließlich die Negation des Schuldgefühls, des später sogenannten „Über-Ich“; eine innere bzw. verinnerlichte Instanz, die diese ganze natürliche Maschinerie durcheinanderbringt („verdorbene Imagination“ durch Triebstau) und so die Menschen um ihr Glück bringt.

In Die Kunst, Wollust zu empfinden exemplifiziert LaMettrie seine quasi „sexualökonomische“ Weltsicht mit Hilfe einer Art hypothetischer „Trobriander“, d.h. zwei Menschenkindern, die sich in einer Art Garten Eden lieben. Dieses sozusagen „sexualökonomische“ Idyll findet seine Entsprechung in ökonomischen Szenarios dieser Zeit mit Hirten und Fischern und Bauern, die ihre Güter frei austauschen. Man denke nur an Adam Smith. Typisch Rokoko! Und natürlich anthropologischer Unsinn. Wie uns die „genital gesunden, matristischen“ Trobriander in Melanesien zeigen, ist sowohl das Liebesspiel als auch die Ökonomie nicht primär ein einfacher wilder Austausch im Hier und Jetzt, in dem der Faktor Zeit keine Rolle spielt, sondern das Eingehen von längeren Bindungen durch Geschenke, die zurückgezahlt werden müssen – mit Zins. So entsteht ein Gewebe von gegenseitigen Verpflichtungen, die die Gesellschaft zusammenhält.

Interessanterweise ging und geht es den Marxisten und selbst den heutigen „Zinskritikern“ stets darum, dieses Geflecht gegenseitiger Verpflichtungen zu zerschlagen und die Wirtschaft auf bloßen Tausch zu reduzieren (was war die DDR-Wirtschaft anderes als offizieller und inoffizieller primitivster Tauschhandel?) und die Sexualität auf Physiologie frei vom „bürgerlichen“ Brimborium.

Ich erwähne das, weil es zeigt, wie schnell LSR ins Gegenteil verkehrt werden kann. Unvermittelt steht LaMettrie neben seinem Gegensatz, dem Marquis de Sade, Stirner wird zum Paten irgendwelcher „Egoisten“, gar Serienmördern, und Reich wird zum Urvater der „sexuellen Revolution“… – und das durch kaum merkliche Akzentverschiebungen, die der Oberflächlichkeit der Massen zu schulden ist. LaMettrie wird einerseits zum Propheten mechanischer Androiden, andererseits zu einer Art „Drogenpapst“ und vor allem zum Vorgänger von de Sade!

Genau deshalb hat Laska um jedes Wort gerungen, nur um nicht wieder L und S R mißverstanden dastehen zu lassen.

Besprechung von ORGONOMIC FUNCTIONALISM No. 8, Spring 2021 (Teil 2)

10. August 2021

Der Inhalt dieser Ausgabe ist viel zu umfangreich und komplex, als daß ich ihn besprechen könnte, deshalb hier nur jeweils ganz kurz zu jedem Aufsatz:

Experiments with Professor Roger Du Teil in Oslo, July and August, 1937 (S. 1)

Es geht u.a. um Experimente mit Bionen aus Erdboden, Holzkohle, Blutkohle, Gras und Moos, sowie das „Präparat 6“.

On the Natural Organization of Work in Work Democracy, Part II (S. 14)

Bei jedem Satz von 1939 spürt man, daß Reich aus der sozialistischen Bewegung stammt – wobei die ganze Ausrichtung aber durchaus antisozialistisch ist, sondern vielmehr libertär: der Staat soll sich den menschlichen Bedürfnissen angleichen, statt umgekehrt.

From Sexual Hygiene to the Cancer Problem (S. 25)

Das hat Reich im Mai 1938 geschrieben, entsprechend haben wir hier zwar bereits weitgehend den Inhalt von Der Krebs vor uns, nur daß alle energetischen Phänomene im Sinne der „Elektrik“, wie sie beispielsweise Friedrich Kraus formuliert hatte, erklärt werden.

Preface to BIONS AND CANCER (S. 37)

In diesem Vorwort vom Juli 1939 zu einer Version von dem, was schließlich als Der Krebs erscheinen sollte, erklärt Reich, dieses Buch werde nicht allgemein zugänglich gemacht werden, weil entsprechende Erfahrungen mit Die Bione davon abrieten.

Report On the Behavior of Staphylococcus and Streptococcus when Exposed to Electrical Current (S. 38)

Hier geht es um den Versuch seinen Schüler Jörgen Neergaard von dessen Osteomyelitis zu heilen, indem die Eiterbakterien durch einen sehr schwachen Strom geschwächt werden.

Properties of the S-bacillus (S. 42)

Im Winter 1937/38 geschrieben, geht es imgrunde um das gleiche Thema: die Bekämpfung von Krankheitserregern („T-Bazilli“), nur diesmal vermittelt durch („elektrisch“ geladene) Bione („PA-Bione“).

The Appearance of Bionous Tissue Disintegration (S. 45)

Als Reich das erste Mal lebendiges, ungefärbtes Krebsgewebe unter großer Vergrößerung betrachtet, fühlt er sich sofort an die Bion-Präparate erinnert, die er bisher untersucht hatte.

The Organization of Cancer Cells (S. 49)

Die obige Beobachtung führt unmittelbar zur orgonomischen Krebstheorie: bionös zerfallendes Gewebe reorganisiert sich neu zu Krebszellen, so wie Protozoen aus abgestorbenem Gras oder Moos hervorgehen.

Bion Cultures Available on October 1, 1938 (S. 52)

Ich konnte nie überzeugend erklären, wie angesichts der Bione eigentlich das Pasteurisieren, also das Sterilisieren durch Erhitzung funktionieren soll. Durch die Lektüre habe ich endlich begriffen, daß Hitze T-Bazillen (und entsprechende „Stäbchen“) nachhaltig zerstört, während Bione davon unberührter bleiben bzw. sich mit dem Abkühlen neu organisieren können.

Orgonometrie (Teil 3): Kapitel 59

17. März 2020

orgonometrieteil12

59. Energie: Metapher und Konstrukt

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