Archive for the ‘Psychotherapie’ Category

Warum werden Orgontherapie-Patienten nicht orgastisch potent?

1. Februar 2025

Eine der Trumpfkarten, die Kritiker der Orgonomie gerne ziehen, ist die Frage danach, ob Patienten wirklich das Ziel der Therapie erreichen, die orgastische Potenz. Erst einmal ist das nicht das Ziel, ohne dessen Erreichen die ganze Unternehmung keinen Sinn machte, sondern der Orientierungspunkt der Therapie. Es geht um die Vereinigung krankhaft auseinandergerissener Biofunktionen. Die Aufhebung dieser inneren Zerrissenheit (einer nicht nur „psychischen“, sondern vor allem biophysischen Zerrissenheit) ist in jedem einzelnen Schritt ein erstrebenswertes Ziel, das zwar stets das logische Endziel „orgastische Potenz“ (die endgültige und komplette Aufhebung der inneren Zerrissenheit) impliziert, aber trotzdem, bzw. eben deshalb, ist auch jeder Teilerfolg erstrebenswert. Solange sich die Orgontherapie am Endziel orientiert und deshalb in letzter Konsequenz zu ihm führt, ist es egal wie lange sie dauert und sie hat sich auch im vollen Umfang gelohnt, wenn, wie im überwiegenden Großteil der Therapien, die orgastische Potenz nie erreicht wird. Wenn sich der Patient im Verlauf der Zeit nicht stetig immer wohler und integrierter fühlt, ist er nicht in Orgontherapie, sondern einem Scharlatan aufgesessen! Orgontherapie ist ein Weg von A (der Neurose) nach B (der orgastischen Potenz), alles andere ist ein zielloses Herumirren, das nirgendwo hinführt.

Selbst wenn kein einziger Patient jemals das Ziel „orgastische Potenz“ erreichen sollte, bedeutet das nicht, daß etwas an der Orgontherapie nicht stimmte. Aber natürlich gibt es einige Patienten, die dieses Ziel erreichen. Man siehe dazu die Artikel „Genitality: Myth or Reality?“ (The Journal of Orgonomy, Vol. 21, No. 2, November 1987, S. 154-158) von Richard A. Blasband, „Genitality Reached by a Chronic Depressive“ (ebd., S. 159-171) von Barbara G. Koopman und „A Patient Brought to Genitality“ (ebd., S. 172-184) von Charles Konia.

Im Vorwort zu dieser Ausgabe des Journal of Orgonomy, das Reichs dreißigsten Todestag markiert, führt Koopman aus, daß Genitalität real sei und erreichbar und daß man diesen einmal erreichten Zustand aufrechterhalten kann. Dazu würden zwei Fälle präsentiert von denkbar unterschiedlichen Charaktertypen mit zwei entsprechend unterschiedlichen Therapieverläufen. Warum das Erreichen der Genitalität so lange dauert und von so wenigen erreicht wird? Der entscheidende Faktor sei die Kontaktfähigkeit des Therapeuten und inwieweit er selbst Angst vor Bewegung und Veränderung hat.

Je mehr er in Kontakt mit sich selbst ist, desto besser kann er mit dem Patienten und der Arbeit Kontakt herstellen. Unsere persönliche Evolution verlangt, daß wir ständig nach echtem Kontakt, sowohl mit uns selbst als auch mit der Umwelt, und seiner Aufrechterhalten streben. Das ist das primäre Werkzeug für die Heilung, genauso wie Genitalität das Endziel der Therapie darstellt.

In Die Funktion des Orgasmus (Fischer-TB, S. 190) spricht Reich von seiner „orgasmotherapeutischen Aufgabe“. Die „Vegetotherapie“ (die spätere Orgontherapie) ist nur eine sozial notwendige Fehlbezeichnung für „Orgasmotherapie“ – und ausgerechnet jene, die heute nichts mehr von der uneingeschränkten Orgasmustheorie wissen wollen, nennen sich „Vegetotherapeuten“. Was diese Leute mit dem Namen Wilhelm Reichs machen ist über alle Maßen abscheulich.

Die Frage, ob Reich ein genitaler Charakter war, ist ziemlich unfruchtbar. Elsworth F. Baker, der die Familienmitglieder und Geliebten von Reich in Orgontherapie hatte und deshalb diese Frage vielleicht als einziger einigermaßen sinnvoll hat beantworten können, meint, daß er wohl nicht ganz ausschließen könne, daß Reich ein vollwertiger genitaler Charakter war, aber seine persönliche Vorstellung von einem genitalen Charakter sähe etwas anders aus, da Reich für seinen Geschmack zu viele phallisch-narzißtische Züge hatte. Nach Bakers Definition war Reich ein „funktioneller genitaler Charakter“, d.h. wenn es ihm gut ging, funktionierte er rational, sobald aber der Streß ein bestimmtes hohes Level überschritt, fiel er in ein neurotisches phallisch-narzißtisches Muster, das er wieder verließ, sobald sich die Situation besserte oder er mit der Situation umzugehen lernte.

Somit reagierte Reich exakt wie jemand, der eine Orgontherapie in jeder Hinsicht erfolgreich abgeschlossen hat: betrachtet man ihn, wenn es ihm gut geht, hat er tatsächlich seinen Charakter verändert (aus einem neurotischen wurde ein genitaler Charakter), geht es ihm schlecht, besteht unauslöschlich die Tendenz, daß er genauso reagiert wie früher („einen krumm gewachsenen Baum kann man nicht wieder grade machen“). Nun ist es so, daß dies, d.h. die Ausbildung eines „funktionellen genitalen Charakters“ nicht nur infolge einer Orgontherapie geschieht, sondern manchmal auch spontan bei Menschen, die eine Struktur haben, die nahe an der Genitalität ist (also Hysterikerinnen und Phallische Narzißten, deren Hysterie und phallischer Narzißmus nicht besonders stark ausgeprägt ist). Reich war so ein neurotischer Mensch, der aufgrund seines frühen Sexuallebens sich zu einem „funktionellen genitalen Charakter“ entwickelt hat. Das läßt sich alles widerspruchsfrei erklären. Ohnehin kann es einen „idealen“ genitalen Charakter in unserer Gesellschaft gar nicht geben. Er wäre nicht lebensfähig. Siehe das Schicksal der Naturvölker. Man betrachte auch Reichs eigenen hilflosen, „naiven“ und „blauäugigen“ Umgang mit der Emotionellen Pest.

Überhaupt finde ich es fruchtbarer, die Frage zu stellen, ob Reich „anders“ als „Homo normalis“ war. Typischerweise wird Reich – auf eine unglaublich spießige Weise – immer dann kritisiert, wenn er anders als Homo normalis war. Ich find ihn eher kritikwürdig, wenn er sich genauso wie Homo normalis verhalten hat. Reich war immer dann neurotisch, wenn er nicht er selbst war. Die verdammten Spießer sehen es genau umgekehrt.

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Medizinische Orgontherapie” und folgende

24. Januar 2025

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Medizinische Orgontherapie“ und folgende

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Orgontherapie” und folgende

11. Januar 2025

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Orgontherapie“ und folgende

David Holbrook, M.D.: Die Orgonomie über das Denken und seine Beziehung zu den Gefühlen: Das Denken ist nicht nur eine Funktion des Gehirns (Teil 3)

8. November 2024

DAVID HOLBROOK, M.D.:

Die Orgonomie über das Denken und seine Beziehung zu den Gefühlen: Das Denken ist nicht nur eine Funktion des Gehirns

David Holbrook, M.D.: Die Orgonomie über das Denken und seine Beziehung zu den Gefühlen: Das Denken ist nicht nur eine Funktion des Gehirns (Teil 2)

7. November 2024

DAVID HOLBROOK, M.D.:

Die Orgonomie über das Denken und seine Beziehung zu den Gefühlen: Das Denken ist nicht nur eine Funktion des Gehirns

David Holbrook, M.D.: Die Orgonomie über das Denken und seine Beziehung zu den Gefühlen: Das Denken ist nicht nur eine Funktion des Gehirns (Teil 1)

6. November 2024

DAVID HOLBROOK, M.D.:

Die Orgonomie über das Denken und seine Beziehung zu den Gefühlen: Das Denken ist nicht nur eine Funktion des Gehirns

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Homosexualität und die Angst der Psychiater”

29. September 2024

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Homosexualität und die Angst der Psychiater“ und folgende

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Haken” und folgende

17. September 2024

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Haken“ und folgende

ANHANG zu „Stirners Nachschlag, du Affe!“

12. September 2024

Die gängige Psychiatrie versuchte die Patienten über den Körper zu beeinflussen zunächst durch, ja, körperliche Folter (daher der Name „Klapsmühle“), später beispielsweise durch Schocktherapie, Schlafentzug und ähnliches, schließlich über die vermeintliche „Hirnchemie“. Auf der anderen Seite versuchten die Psychoanalyse und davon abgeleitete Systeme die Patienten über deren Ideen zu beeinflussen. Reich hingegen ist das Problem direkt angegangen. Das heißt, er hat sich nicht für die Symptome und die vermeintlich „hinter ihnen stehenden Ideationen“ interessiert, sondern für den konkreten Patienten, sein Gehabe, sein Benehmen, seine Körperhaltung, den Eindruck, den er vermittelt, seinen Charakter. Diesen geht es DIREKT anzugehen und dessen Funktion aufzulösen: die Verhinderung einer frei fließenden Lebensenergie – und letztendlich die Funktion des Orgasmus freizusetzen.

Diese Unmittelbarkeit, die sich weder um vermeintlich „objektive“ noch um vermeintlich „subjektive“ Gegebenheiten kümmert, da das „Objektive“ ideologisch verseucht und das „Subjektive“ das verinnerlichte Fremde ist, weit weg von jedem authentischen Subjekt, – diese Unmittelbarkeit ist durch und durch Stirnersche Geisteshaltung. In der Charakteranalyse bzw. Orgontherapie geht es darum „das Fremde in Eigenes zu verwandeln“ (Der Einzige und sein Eigentum, reclam, S. 353), indem die Entzweiung in Subjekt und Prädikat zur ursprünglichen Einheit zurückgenommen wird. Das ursprüngliche Kind ist nicht dies (etwa „süß“) oder das (etwa „ein Sturkopf“), also ein in diesem Fall hysterischer oder Zwangscharakter, sondern es ist schlichtweg es selbst. Ziel der Reichschen Therapie ist es, dich aus einem dank der Erziehung selbstentzweiten Besessenen wieder zu dir selbst zu machen, zum EINZIGEN.

Das, was Reich als „Charakterpanzer“ bezeichnet hat, nannte Stirner „Stabilität“ – im Sinne von Stillstand, „Damm gegen den Fluß“ – Panzerung:

… Wäre Ich nicht an meinen gestrigen Willen heute und ferner gebunden? Mein Wille in diesem Falle wäre erstarrt. Die leidige Stabilität! Mein Geschöpf, nämlich ein bestimmter Willensausdruck, wäre mein Gebieter geworden. Ich aber in meinem Willen, Ich, der Schöpfer, wäre in meinem Flusse und meiner Auflösung gehemmt. Weil Ich gestern ein Narr war, müßte Ich’s zeitlebens bleiben. … (ebd., S. 215)

Alle Prädikate von den Gegenständen sind meine Aussagen, meine Urteile, meine – Geschöpfe. Wollen sie sich losreißen von Mir, und etwas für sich sein, oder gar Mir imponieren, so habe Ich nichts Eiligeres zu tun, als sie in ihr Nichts, d.h. in Mich, den Schöpfer, zurückzunehmen. Gott, Christus, Dreieinigkeit, Sittlichkeit, das Gute usw. sind solche Geschöpfe, von denen Ich Mir nicht bloß erlauben muß, zu sagen, sie seien Wahrheiten, sondern auch, sie seien Täuschungen. Wie Ich einmal ihr Dasein gewollt und dekretiert habe, so will Ich auch ihr Nichtsein wollen dürfen; Ich darf sie Mir nicht über den Kopf wachsen, darf nicht die Schwachheit haben, etwas „Absolutes“ aus ihnen werden zu lassen, wodurch sie verewigt und meiner Macht und Bestimmung entzogen würden. Damit würde Ich dem Stabilitätsprinzip verfallen, dem eigentlichen Lebensprinzip der Religion, die sich’s angelegen sein läßt, „unantastbare Heiligtümer“, „ewige Wahrheiten“, kurz ein „Heiliges“ zu kreieren und Dir das Deinige zu entziehen. (ebd., S. 378f)

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Geschichten” und folgende

30. August 2024

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Geschichten“ und folgende