Posts Tagged ‘Enkulturation’

Reichs WAS IST KLASSENBEWUSSTSEIN? 90 Jahre später

23. Oktober 2024

1934 erläuterte Reich in seiner Schrift Was ist Klassenbewußtsein?, wie das Klassenbewußtsein der vom System ausgebeuteten Arbeiter zersetzt wurde. Sie, die sämtliche Werte erschaffen haben und deshalb danach streben müßten, die Früchte ihrer Arbeit, den „Mehrwert“ ihrer Mühen auch zu genießen, statt immer weiter zu verelenden, identifizieren sich mit dem Ausbeutersystem, indem sie über ihr manipuliertes Gefühlsleben in es eingebunden werden. Der Arbeiter identifiziert sich durch „Enkulturation“ mit den „Werten“ der Kapitalistenklasse.

Genau das gleiche haben wir heute plastisch vor Augen, wo die arbeitende Bevölkerung von Kindheitstagen an so abgerichtet wird, daß sie sich mit dem „Wertesystem“ der gesellschaftlichen Parasiten identifiziert. Man betrachte etwa die Vita der geistig minderbemittelten Außentoastbrotparasitin oder die Aktivitäten irgendwelcher ProfessorInnen für „Technik und Diversität“. Sie treiben uns in Kriege, von denen nur das Finanzkapital profitiert, zerstören systematisch unsere Lebenswelt und brechen uns ökonomisch das Rückgrat. Oder man vergegenwärtige sich, daß die „Arbeiterpartei“ SPD heute Tummelplatz der Kinder der staatlichen Ausbeuterklasse ist, die nur für eins kämpft: daß die Zahl der höheren Beamten, der nichtsnutzigen Funktionäre und der Mitarbeiter sogenannter „Nicht-Regierungs-Organisationen“ exponentiell wächst, zusammen mit dem Lumpenproletariat „Bedürftiger“, die sie „betreuen“ können und die sie umgekehrt „demokratisch“ an der Macht, das heißt an den Futtertrögen hält.

Gesichert wird die Herrschaft der ausbeuterischen Parasiten dadurch, daß deren Weltsicht durch die Schulen und Universitäten, vor allem aber durch die Medien zur Gesamtatmosphäre der Gesellschaft gemacht wird. Das ganze natürlich abgesichert durch einen immer brutaler vorgehenden Repressionsapparat und eine Klassenjustiz, der zufolge ich Weidel als „Nazischlampe“ titulieren kann, aber hart sanktioniert werde, wenn ich Habeck als „Bahnhofspenner“ bezeichne. Aber an und für sich ist diese Repression überflüssig, da von vornherein jedwedes Klassenbewußtsein der um ihre Zukunft (und die akkumulierte Arbeitsleistung ihrer Vorfahren) Betrogenen von einer Kultur hintertrieben wird, die die Gefühle prägt und uns unserer authentischen Sprache beraubt, bis wir das vermeintliche „Staatswohl“ zersetzende Gedanken nicht mal mehr – denken können.

Ohnehin wird jedwede Klassensolidarität unmöglich gemacht, weil durch die Überfremdung jeder Rest einer Arbeiterkultur zerstört wird. Ziel sind homogenisierte Siedlungs- und „Ansiedlungsgebiete“ für das internationale Großkapital, das die Staaten zu ihren Agenturen und die NGOs zu ihren Stoßtruppen im Klassenkampf von oben gemacht haben. Von der systematischen Verschwuchtelung, selbst von Fußballfans, will ich erst gar nicht anfangen. Die Farben der Bisexualität sind „Rosa plus Blau“. Identitätsloses, geschlechtsloses Sklavengetier. – Die Zersetzung des Klassenbewußtseins beginnt genau hier. Wehe dem, der diese schwule Scheiße nicht unterschreiben will!

Die Orgonomie als abtrünnige „Breakaway Civilisation“

17. Oktober 2024

Diejenigen Menschen fühlen sich zur Orgonomie hingezogen, welche sich von der Gesellschaft entfremdet fühlen, als wären sie Außerirdische, während sie selbst tief mit der Natur, Kindern, Wildtieren, dem Wald verbunden sind. Sie sind selber unerziehbare „Wildmenschentiere“. Alle anderen Menschen empfinden sich als Teil der Gesellschaft, identifizieren sich vollkommen mit deren moralischem Code, und haben überhaupt kein Gefühl für die Natur. Sie sind enkulturiert! Es geht um „Leben in der Fassade“ vs. Kernkontakt, Oberflächlichkeit vs. Tiefe.

Funktionalismus, also das ungepanzerte, „wilde“ Denken, ist, ganz einfach, Perspektivismus: Orgonometrie ist nicht eindimensional wie Sprechen und Schreiben, sondern braucht eine zweite Dimension („Bifurkation“). Tiefe ist, wieder ganz einfach, die dritte Dimension. Perspektive IST Kontakt. Die meisten Menschen versuchen die Dimensionen zu reduzieren, indem sie Drogen konsumieren, fernsehen und sich mit geistlosem Smalltalk beschäftigen. Sie sind eingebettet in die Gesellschaft und blicken BUCHSTÄBLICH nicht über den Rand hinaus.

Unsere ganze gegenwärtige Kultur ist darauf angelegt, unsere „Freiheitsgrade“ immer weiter einzuschränken. Die Welt um uns herum wird immer flacher und unser Gefühlsleben immer hohler. Man betrachte nur die Entwicklung der Filmkunst oder der Popularmusik. Unfaßbar seichter Schrott. Und selbst die klassische Musik und der Jazz verlieren zusehends an jedem emotionalen Appeal. Technisch mögen sie hervorragend sein, aber die Seele und die Kreativität, der persönliche Ausdruck, ist verschwunden. „Klassikstars“. Von der seelenlos gewordenen Bildenden Kunst brauchen wir gar nicht erst anfangen.

Selbst die Wissenschaft: seit der Entwicklung der Quantenmechanik in den 1920er Jahren hat sich nichts mehr wirklich Innovatives getan. Es gibt heute schlichtweg keine Naturwissenschaft im eigentlichen Sinne mehr, sondern nur akademischen Leerlauf. Interessanterweise begann Reich Anfang der 1930er Jahre sich dem Labor zuzuwenden, um die Orgasmus-Formel jenseits der Psychotherapie zu untersuchen. Was er spätestens mit den Bion-Versuchen in Angriff nahm, war ein kompletter Neuanfang der gesamten Naturwissenschaft. ER war der einzige, DER EINZIGE, Wissenschaftler weit und breit.

Wir gehen immer weiter in die Tiefe, während der Rest der Menschheit immer flacher wird und sich von der Zweidimensionalität unaufhaltsam weiter auf eine „nulldimensionale“ Singularität zubewegt. Ich sage nur „KI“, „Tansgender“ und „Transhumanismus“. Wir und sie werden bald nichts mehr miteinander zu tun haben.

Viele kämpfen darum, die Orgonomie doch noch irgendwie an den Mann bringen zu können. Nein, die Menschen gehen einen anderen Weg. Beispielsweise interessiert sich niemand mehr für die Orgontherapie, weil man mit Hilfe der Psychopharmaka seinen Gefühlen, insbesondere der Angst, entkommen will – emotional verflachen will. Niemand will mehr in die Tiefe gehen! Niemand will mehr seinen Panzer verlieren, sondern ganz im Gegenteil eine schöne blitzende Rüstung verabreicht bekommen. Diese Leute haben bereits ihr Menschsein aufgegeben. Wie Reich so häufig andeutete: die entfliehen ihrem Tiersein, der Biologie, der Tiefe. Laßt sie verrecken! Die neue Welt beginnt mit uns!

Wem das zu abstrakt ist: man schaue sich die Wahlergebnisse in Deutschland an. Offenbar wollen die Menschen eine DDR 2.0 bzw. ein Kalkutta an der Spree. Morgen dazu mehr.

Besprechung der Anthologie DAS LSR-PROJEKT

9. August 2024

Das neue Laska-Buch ist da!

Irgendwie fehlt das „Abstract“ zum LSR-Projekt. Man weiß nicht recht, worauf man sich einläßt und worauf man achten soll. Das scheint mir generell das Problem zu sein, wenn man „so allein vor sich hin tüftelt“: daß man sozusagen sich die Sahnestücke für zuletzt aufbewahren will – es fehlt der heilsame Zwang die Zusammenfassung an den Anfang der Arbeit zu stellen. Der Autor sitzt zuhause und reibt sich genüßlich die Hände bei der Vorstellung, wie der Leser jene Landschaft durchschreitet und in sich organisch aufnimmt, die der Autor für ihn geschaffen hat, um ihn zu ganz bestimmten Ausblicken zu führen. Und wie fühlt sich der Leser? WENN er überhaupt angefangen hat, das unbeschilderte Land zu betreten, d.h. zu lesen, fühlt er sich als würde er durch ein sinnlosen finsteren Irrgarten stolpern, wobei er sich ständig fragt: „Was mach ich hier eigentlich? – und was soll das ganze überhaupt?“

Also: zuerst die Resultate präsentieren! Auch wenn es weh tut: „Perlen vor die Säue werfen!“, „Jetzt verpufft meine hart erarbeitete Wahrheit!“ Die gleich am Anfang präsentierten Früchte kann der Leser wohl nicht würdigen, vielleicht nicht mal verstehen, aber er weiß, worauf er bei der Lektüre achten soll. Zumindest sollte man erklären, was man mit ihm vorhat.

Ein solches „Abstract“ liegt nun mit dem von dem Würzburger Philosophen Dr. Christian Fernandes herausgegebenen Laska-Anthologie Das LSR-Projekt vor.

Man erlaube mir einen eigenen kleinen Versuch:

Begriffe wie „Selbstsucht“, „Egoismus“, „Eigensinnigkeit“, „Sichgehenlassen“ haben zu recht einen denkbar schlechten Leumund. Gleichzeitig erweist sich jedem denkenden und historisch versierten Menschen „die Gesellschaft“, an die man sich anpassen soll, um nicht „selbstsüchtig“, „rücksichtslos“ etc. zu sein, als denkbar „irrational“, im Sinne von destruktiv, verblendet und dem sicheren Untergang geweiht. Jeder Mensch, der in dieser Gesellschaft aufwächst und durch sie „enkulturiert“ wird, verinnerlicht vom Tage seiner Geburt an diese Irrationalität, so daß seine vermeintliche „Eigensinnigkeit“ schließlich nur Ausdruck dieser Irrationalität sein kann. Die Irrationalität wird dadurch verdoppelt, daß die als „Über-Ich“ verinnerlichten gesellschaftlichen Gebote, das bekämpfen sollen, was es ohne sie gar nicht gäbe. Genau das bezeichnet Bernd A. Laska als „irrationales Über-Ich“. Potenziert wird diese Irrationalität dadurch, daß durch die Bildung des „irrationalen Über-Ich“ die Selbstregulierung jedes Einzelnen durch ein „rationales Über-Ich“ (schlichtweg Rücksicht auf andere gemäß der im ungestörten Sozialverkehr jedem sich von selbst evident werdenden Goldenen Regel) unmöglich gemacht wird.

Peter liest die Laska/Schmitz-Korrespondenz (Teil 17)

22. April 2024

Reichs grundlegender Dissens mit der Naturwissenschaft des 20. Jahrhunderts läßt sich in dem simplen Satz aus Christusmord zusammenfassen: „Der Raum ist nicht leer; und niemand hat je Atome oder die Luftkeime von Amöben gesehen“ (Freiburg 1978, S. 32).

Richard Feynman („Quantenelektrodynamik“), sicherlich der wichtigste Physiker nach dem Zweiten Weltkrieg, hat auf die Frage, welche wissenschaftliche Erkenntnis er einer Menschheit übermitteln würde, die nach einer globalen Katastrophe wieder von vorn mit einer Steinzeit beginnen müßte, und er nur eine kurze Message senden könne, geantwortet: daß alle Materie aus Atomen bestünde, daraus ließe sich die gesamte Physik rekonstruieren. Entsprechend würde ein Biologe vielleicht mit „unsichtbaren Keimen“ kommen, da das unmittelbare praktische (Hygiene) und theoretische Folgen (Erbinformation) hat.

Reich hat beide Vorstellungen als „Metaphysik“ von sich gewiesen und sich der Natur, wenn man so will, streng „phänomenologisch“ genähert. Beispielsweise wollte er zu Beginn seiner Bionversuche explizit nichts über den damaligen Stand der Mikrobiologie wissen, die seine „Bione“ sofort als diesen oder jenen Mikroorganismus abqualifiziert hätte. Ähnlich, als er die Strahlung der SAPA-Bione mit Hilfe des Elektroskops untersuchte, wollte er nichts von der Ladungstrennungstheorie hören, die alle „orgonotischen“ Phänomene mit (den Elektronen von) Atomen wegerklärt hätte.

Das führe ich hier an, weil Hermann Schmitz in den Human- bzw. Geisteswissenschaften ähnlich vorgeht. Die Phänomenologie, erst recht die Schmitzsche Neue Phänomenologie, beginnt voraussetzungslos mit der Beobachtung. Halb ironisch könnte man sagen: „Ich hab‘ mein Sach‘ auf nichts gestellt!“ – Beide, Reich und Schmitz, sind dezidiert nichtnihilistisch, denn Reich stellt sich mit seinem „kosmischen Lebensäther“ explizit gegen Einsteins „kosmische Leere aus bloßen mathematischen Abstraktionen“ (kein Zitat), während Schmitz den Raum affektiv besetzt („Gefühlsraum“).

Laska, ursprünglich ein „Reichianer“, und Schmitz sollten sich allein von daher „gesucht und gefunden“ haben; nicht von ungefähr kommt der intensive Austausch zwischen beiden. Woher dann der auffällige grundsätzliche Dissens? Der alles entscheidende Unterschied zwischen beiden ist die Parteilichkeit: das Kind oder die Kultur, d.h. die in die Kultur hereinbrechende Natur oder die Kultur?!

Dazu schreibt Schmitz, er sei beispielsweise dagegen,

den Kindern die grausamen und unheimlichen Geschichten aus der Märchenliteratur, denen sie sich fasziniert zuwenden, vorzuenthalten, weil die Phantasie dadurch auf Abwege geraten könnte. Wie die Kinderkrankheiten zur Ausbildung eines strapazierfähigen Immunsystems, so gehören vielfältige Eindrücke, die im Dunkel undeutlichen Verlangens nach Anziehendem und Abstoßendem Leuchtpunkte setzen, zur Vorbereitung einer selbständigen, in personaler Emanzipation durch personale Regression hindurch reifenden Persönlichkeit, die in einem steril rationalen Schutzklima verkümmern würde. Ich bin durchaus der Meinung, daß die Aufklärung und Abstoßung des Ungemäßen in der Enkulturation nur nachträglich erfolgen kann (…) (S. 360)

Parteilich ist man, wenn man sich gegen das Über-Ich stellt, d.h. auf die Seite des Lebendigen. Da hilft es dann auch nichts, wenn sich Schmitz gegen den „Konstellationismus“, d.h. gegen die atomistische Zerstückelung der Natur stellt, wobei dann die isolierten Faktoren wieder mechanisch vernetzt werden (S. 359). Dieser quasi „Funktionalismus“ bei Schmitz hilft nicht, weil es für ihn, genau wie für Stirner und im krassen Gegensatz zu Reich, kein „allgemeinverbindliches Kriterium für Rationalität“ gibt. Von daher auch seine Probleme mit dem irrationalen vs. rationalen Über-Ich (S. 353, 357).

Beispielsweise schwebt ihm als „Religion der Zukunft“ der japanische Shintoismus vor:

eine Religion ohne Dogmen und Mythen. Wo dem Japaner etwas Heiliges begegnet, etwa eine frische Quelle, ein imponierender Baum oder ein sonderbarer Stein, errichtet er einen kultischen Schrein, umwickelt den Baum, beschriftet den Stein. Ganz spontan sammelt sich das Volk, etwa auf dem Weg zur Arbeit, und spricht ein kurzes Gebet zum kami, was nicht präzis ein als persönlich vorgestelltes Wesen ist, sondern eine schwach personifizierte göttliche Macht. (S. 357)

Das auch sadistische Massenmörder und Kinderschänder ein Gebet zum „kami“ sprachen und lebenslang vollkommen in „einpflanzenden Situationen“ eingebettet waren… Dazu Schmitz zu Laska:

Sie sprechen die Problematik der Enkulturation an. Was Sie in diesem Zusammenhang als das – rationale oder irrationale – Über-Ich bezeichnen, das auf diese Weise an das Kind weitergegeben werde, ist in meiner Terminologie die gemeinsame implantierende Situation (aus Situationen), in die das Kind hineinwächst. (…) Die Bedeutsamkeit der implantierenden Situation ist aber binnendiffus, d.h., sie besteht nicht aus lauter einzelnen Bedeutungen (Sachverhalten, Programmen, Problemen), die man der Reihe nach auf den Prüfstand stellen könnte, ob sie rational oder irrational sind. Daher muß jede Zensur scheitern, die die implantierende Situation vor Zulassung zum Kind darauf prüft, was als irrational verworfen und als rational durchgelassen werden soll. (S. 356f)

Dazu fällt mir langsam nichts mehr ein… Außer vielleicht der Verweis auf das eine Buch, das die gesamte Human- und Geisteswissenschaft, vor allem aber die Neue Phänomenologie ad absurdum führt:

Peter liest die Laska/Schmitz-Korrespondenz (Teil 2)

25. März 2024

Hermann Schmitz schreibt allen Ernstes: „Von Autonomie halte ich überhaupt nicht viel; ich setze an ihre Stelle eine Autokritik der Vernunft“ (S. 73). Man fühlt sich unmittelbar an die Maoisten und ihre „Selbstkritik“ erinnert! Die Hemmung durch „implantierende Situationen“ können „von großem Nutzen sein, um sich (…) zurechtzufinden. Aus dem ‚Charakterpanzer‘, den Sie (Laska) negativ werten, können Flügel werden, es kommt nur darauf an, was der Mensch daraus macht“ (S. 75). „Er soll sich darauf besinnen, daß seine Gestaltungskraft, seine Initiative aus Empfänglichkeit und nicht aus Autonomie stammt“ (S. 115).

Daß das keine Ausrutscher sind, zeigt sich, wenn wir sozusagen von der „Charakteranalyse“ zur „Sexualökonomie“ übergehen. Schmitz plaziert die Ehrfurcht, im Sinne der Angst vor dem Über-Ich, auf der gleichen Ebene wie die Angst vor der Wirklichkeit, etwa Stolperfallen oder Giftschlangen (S. 85f). An dieser Stelle sieht man, daß die gesamte Neue Phänomenologie kaum mehr ist als der Marxismus oder Nietzscheanismus: Abwehr, das mehr oder weniger trickreiche Bannen des Teufels Stirner. Wie sehr man in dieser Hinsicht aneinander vorbeireden kann, wird deutlich, wenn Schmitz fast schon „Reichianisch“ argumentiert:

Zu jedem großen Schwung bedarf es der spannenden Engung, und dafür, wenn der Schwung einem großen Ziel, das den Menschen ganz in Anspruch nimmt, dienen soll, der Ehrfurcht, ohne die die Begeisterung verpufft; das wäre, als ob der Geschlechtsakt mit der Ejakulation beginnen sollte, wenn der Widerstand schon weg ist und die befreiende Weitung als Erschlaffung des Antriebs einsetzen kann. Ejaculatio praecox – das gibt es ja, und das Ergebnis ist ein gehöriger Katzenjammer; so ähnlich stelle ich mir das Ergebnis der Befreiung der Menschheit von Ehrfurcht durch Stirner vor. (S. 86)

Dazu paßt eine schlichtweg sprachlos machende Naivität – und etwas, was man vielleicht „innere Versponnenheit“ nennen könnte. Beispielsweise antwortet er auf Laskas Forderung nach der Negation des irrationalen Über-Ich:

Statt einer Heilkur durch Ausscheidung des „Giftes“ der Tradition empfehle ich eine Verwertung als Stimulans selbständiger Standpunktfindung durch kritische Auseinandersetzung, die mehr oder weniger polemisch sein kann, aber nicht sein muß, etwa so, wie erwachsene Kinder aus dem Abstand eigener Besonnenheit zu ihren Eltern Stellung nehmen. (S. 114)

Tatsächlich ist es Laska, der hier die Rolle des Erwachsenen übernimmt. Laska ist derjenige, der den „unbedingten Ernst“, ein gewichtiges Thema in der Korrespondenz, vertritt. Er schreibt beispielsweise, daß die Aufklärung „nach Abarbeitung ihrer rein intellektualistischen Komponente“ steckengeblieben sei. „Ja, der Gedanke liegt nahe, daß diese geistige Lähmung bzw. Selbstaufgabe Europas mit der (z.B. in den rezenten Diskussionen über ‚Zuwanderung‘ – nicht nur in Deutschland) immer mehr in den Blickpunkt rückenden biologischen korrespondiert“ (S. 112).

Sowohl die Sache selbst, als auch den denkbar „unbedingten Ernst“ der Sache hat der verschrobene Schmitz nicht begriffen. Eine Sache, am besten vielleicht ausgedrückt in Laskas Worten über La Mettrie:

Enkulturation und Erziehung sind, wie La Mettrie natürlich wußte, für den Menschen so lebensnotwendig wie unvermeidbar. Aber gerade das, was allgemein als ihr wichtigster Effekt angesehen wird, die weitgehend „unbewußt und ungeprüft“ erfolgende Weitergabe von Wert- und Charakterhaltungen – also die Errichtung eines Über-Ichs, welche das werdende Ich als innere Instanz „über sich“ bereits vorfindet, wenn es sich zu entfalten beginnt – bezeichnet La Mettrie als „unheilvollste Mitgift“, als „Unkraut im Kornfeld des Lebens“, als „grausames Gift“, das dem Menschen „das Leben vergällt“. Warum? Weil es in aller Regel ihm die Fähigkeit zu authentischem Glückserleben beeinträchtigt und ihm den Weg versperrt, die „Kunst, Wollust zu empfinden“ auszubilden. La Mettries Fazit: „Den ärgsten seiner Feinde trägt der Mensch also in seinem Inneren.“ (Julien Offray de La Mettrie – Portrait (lsr-projekt.de))

Schmitz tut einfach so, als würde Laska JEDE Vermittlung von Kultur, etwa die Sprache, ablehnen – um dann diesen Strohmann süffisant umzuhauen. Und Schmitz macht aus dem Gift, der genannten „Mitgift“, etwas, was man abzuarbeiten und an dem man zu wachsen hat. Er führt dazu aus:

An die Stelle des [Stirnerschen] Leitbildes des Eigners setze ich das [wie PN findet Freudsche] Leitbild des Wellenreiters, der aus den tragenden, aber auch gefährlichen Wellen des leiblich-affektiven Betroffenseins seine Impulse schöpft, aber für die Selbstbehauptung im Reiten auf dem flüssigen Element alle Kräfte seines kritischen Verstandes einzusetzen vermag, so daß er „nicht der Willkür der Wellen, sondern dem Willen seiner Einsicht Folge leistet“ (Goethe […]). (S. 115)

Laskas ultimative Antwort auf Schmitz: „Immer wieder machten Sie (…) deutlich, daß Sie sich ein gelungenes Leben nur unter einer äußeren bzw. verinnerlichten Autorität vorstellen können, nicht aber unter einer ‚eigenen‘ inneren, eben einem ‚rationalen Über-Ich‘“ (S. 432).

Email [Über Theologie] (2004)

4. Februar 2024

Email [Über Theologie] (2004)

Was ist das „rationale Über-Ich“ im LSR-Projekt?

11. Juli 2023

Ich habe mich stets an Bernd Laskas Unterscheidung zwischen „irrationalem Über-Ich“ und „rationalem Über-Ich“ gestoßen. Siehe insbesondere seine Formulierungen in Individuelle Selbstermächtigung und rationales Über-Ich. Man denke im Vergleich nur an sein LSR-Motto „Liquidar Super-Ego Radicalmente“. Danach doch noch ein Über-Ich ins LSR-Projekt zu schmuggeln, erschien mir stets als inkonsequent. Das irrationale Über-Ich sei, so Laska, vorrational durch Enkulturation entstanden, eingebleut worden, und würde die Ausbildung eines rationalen Über-Ich, das ein gedeihliches Miteinander ermöglicht, verhindern. Man verbietet sich, gemäß dem rationalen Über-Ich, selbst etwas, was der gegebenen Situation und den eigenen langfristigen Interessen abträglich ist, statt antrainierten Vorgaben, also dem irrationaln Über-Ich, zu folgen.

Das ist nachvollziehbar, verwirrt aber m.E. die im genannten Motto zusammengefaßte Grundbotschaft des LSR-Projekts; führt sie formallogisch geradezu ad absurdum. Klarheit wird geschaffen, wenn wir Freuds tiefenpsychologische Begrifflichkeit (Es, Ich, Über-Ich) hintanstellen und uns Reichs biopsychologischen Formulierungen zuwenden, also der Unterscheidung in bioenergetischen Kern, sekundäre Schicht und Fassade.

Es gibt nur eine Übereinstimmung zwischen dem Freudschen und dem Reichschen Modell: die irrationale sekundäre Schicht, die sich als Produkt der Panzerung zwischen den inhärent rationalen Kern und die Fassade schiebt, entspricht teilweise dem Über-Ich. Das Über-Ich ist sozusagen die psychische Repräsentanz der Panzerung. Es gilt die Panzerung und damit das Über-Ich aufzulösen.

Tatsächlich muß man aber zwischen der durch und durch irrationalen sekundären Schicht und der mehr neutralen „mittleren Schicht“ unterscheiden. Oder wie Reich es ausdrückte: der Kranke ist seiner Panzerung ausgeliefert, sie beherrscht ihn, während der Gesunde frei über seine Panzerung verfügt. Auch der Gesunde kann sich „zusammenreißen“, „zumachen“, seine Impulse kontrollieren. Das ist aber eine willentliche, rationale Kontrolle, anstelle des Kontrollverlusts des Neurotikers, der seiner Panzerung (seinem Über-Ich) willenlos ausgeliefert ist.

Auch muß man zwischen dem Über-Ich und „der Stimme des Gewissens“ unterscheiden, das tiefenpsychologisch dem „Ichideal“ und biopsychologisch dem Kontakt mit dem bioenergetischen Kern entspricht. Das Beste in uns, unsere höchsten und edelsten Aspirationen, versuchen, das dem Kern Aufoktroyierte, Fremde, „das Innere Vergiftende“ zu sequestrieren. Die Fassade und der Kern streben danach miteinander Kontakt aufzunehmen und lösen dabei die sekundäre Schicht auf – jedenfalls versuchen sie es. „Man überwindet den inneren Schweinehund.“ Große, erhebende Kunst ist Ausdruck davon.

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Laskas „irrationales Über-Ich“ ist funktionell identisch mit der sekundären Schicht, sein „rationales Über-Ich“ mit der mittleren Schicht. Ich habe mich mit dieser Problematik schon des öfteren beschäftigt, beispielsweise hier.

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 71)

7. Juli 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Die Kritik an Stirner (angefangen bei Moses Hess, Karl Marx etc.) lief immer auf zwei Dinge hinaus: in erster Linie, daß Stirner nur die Apologie des ohnehin „egoistischen“ Bestehenden liefere, und in zweiter Linie, daß seine Theorie für Vertierung stehe, d.h. die Negierung all dessen, was uns vom „egoistischen“ Tier scheidet. Stirner kategorischer Imperativ sei, Moses Hess zufolge, gewesen: „Werdet Tiere!“ (Laska: Ein dauerhafter Dissident, S. 26).

Wie immer waren die allerersten hilflosen Einwände auch die treffendsten, die den Kern der Sache freigelegt haben, ohne daß es die Kritiker selbst gemerkt hätten. Der Kern der Stirnerschen Sache ist die Entlarvung der Enkulturation oder mit anderen Worten, das Menschentier wird dressiert und gefügig gemacht, so daß es an seiner eigenen Unterdrückung voller Begeisterung partizipiert. Selbst des Menschentiers großartigste „humanistische“, „sozialistische“, sogar „anarchistische“ Utopien, die „das Bestehende“ überwinden sollen, sind durch den durch die Dressur vollkommen benebelten Geist geprägt und verschlimmbessern nur alles. Die Enkulturation muß angegangen werden, wenn sich daraus irgendwelche anderen Veränderungen ergeben, gut, aber ohne das den Menschenzoo großartig umzuorganisieren bringt gar nichts, sondern wird mit aller Wahrscheinlichkeit das Los der Zoomenschentiere nur verschlimmern. – Ich verweise auf die Überschrift dieser Blogserie!

Marx „überwand“ Stirner schlicht dadurch, daß er das „Ego“ des „Egoisten“ verschwinden ließ: für Marx ist der Mensch nichts anderes als ein “Ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse“, was nichts anderes bedeutet, als daß er ausschließlich aus Über-Ich, Panzer, sekundärer Schicht besteht. Wird das angegangen, geraten „Marxisten“ in Todesangst!

Den allerersten Einwänden gegen Stirner sind keine weiteren gefolgt bzw. es sind nur Wiederholungen derselben. Man denke nur einmal an Kolakowskis Aussage von 1968: „Die [von Stirner angestrebte] Destruktion der Entfremdung, also die Rückkehr zur Authentizität, wäre nichts anderes als die Zerstörung der Kultur, die Rückkehr zum Tiersein … die Rückkehr zum vormenschlichen Status“ (ebd., S. 90). Damit sind wir bei dem, was Reich als die Zentralideologie der gepanzerten Gesellschaft ausgemacht hat: der Mensch will kein Tier sein, kein „sexuelles Tier“, sondern ein „ethisches Wesen“, das „nach Höherem“ strebt.

Daß dieses „Streben“ selbst zutiefst sexueller Natur ist, stellte Reich bereits in den frühen 1930er Jahren da, abschließend dann in Die kosmische Überlagerung Anfang der 1950er Jahre. Dieser Drang bestimmt sowohl die Spiritualisten, die sich eine „Entladung“ in „höhere Sphären“ hinein ersehnen, als auch die Materialisten bzw. „Historischen Materialisten“, die von einer „befreiten Zukunft“ träumen, die ihrem Leben zumindest sozusagen im „Vorhinein“ einen Sinn verleiht.

Freud hat zwar im Anschluß an Nietzsche das Tier im Menschen anerkannt – aber als etwas, das es zu überwinden gilt durch Verurteilung, Distanzierung, Sublimierung, denn „die Kultur geht vor“, d.h. die Enkulturation. Man stelle sich nur mal vor, Marx und Freud würden miteinander verbunden! Gemach, der intellektuelle Jauchepfuhl, in dem wir gegenwärtig langsam aber sicher ersaufen, ist wirklich nichts anderes als „Freudo-Marxismus“.

Und dann kommt Stirner und entlarvt die gesamte Menschheitsgeschichte nicht zuletzt aber die Aufklärung als eine Geschichte der Besessenheit und wirft den Menschen auf das Hier und Jetzt zurück. Organisiert euer Leben in „Vereinen“, die den jeweiligen egoistischen Interessen des jeweiligen Vereinsmitglieds dienen; Reichs von Marxisten gerne als „platt“ denunzierte „natürliche Arbeitsdemokratie“, die ohnehin schon besteht.

Das Zauberwort ist „Atheismus“, wobei es aber gar nicht um „Gott“ geht, sondern weitaus radikaler um das Heilige AN SICH. Was nützt es, wenn ich mich von „Gott“ befreie, dafür aber „die Menschheit“ anbete oder von irgendetwas anderem besessen bin, d.h. Sklave, statt Eigner meiner selbst. Ich bin Tier und lebe meine Gelüste im Verein mit Gleichgesinnten. Alles andere ist der Wahnsinn von Besessenen.

Aber wie der bedeutende Denker Dieter Bohlen einmal sagte: „Das Problem ist: Mach einem Bekloppten klar, daß er bekloppt ist.“ Setze einen Süchtigen auf Entzug und er rastet aus. Konfrontiere die Frommen aller Provenienz mit Stirner…