Posts Tagged ‘Augenkontakt’

Liebe und Orgasmusangst bei einem paranoid-schizophrenen Charakter (Teil 3)

18. Juni 2019

von David Holbrook, M.D.

Fallbeispiel (Fortsetzung)

George hat Komponenten eines Gesichtsorgasmus erlebt – Zucken von Lippen und Kinn – während Episoden von verstärktem Schrecken, Sehnsucht und Traurigkeit, die er im Bett mit Angela erlebt hat. Diese okularen und oralen Phänomene gemahnen an Reichs Beschreibung der Schwierigkeit des schizophrenen Charakters, sein okulares und orales Funktionieren biophysisch mit dem Rest seines Organismus zu integrieren:

Es gibt „…eine Störung im Augensegment, von der wir glauben, daß sie etwas mit dem oralen Orgasmus zu tun hat, mit dem Gesichtsorgasmus beim Säugling.“ (Reich 1949b, S. 52) „Ich habe noch keinen Schizophrenen gesehen, der keine schwere traumatische Erfahrung in der Entwicklung seiner oralen Sehnsucht gemacht hat … Der Schizophrene ist energetisch stärker als jeder andere Typ. Da gibt es einen sehr starken Energiepush nach außen. Wenn er draußen auf nichts trifft, einfach nichts. Es gibt keinen Kontakt … [Aber das Kind] kann sich noch nicht panzern … Es könnte Wut entwickeln, schreiende Wut… Nun die Augen … die kommen hier ins Spiel … Wenn es einen derartigen Mangel an Verschmelzung der verschiedenen Funktionen gibt, eine Schwäche, und die Augen beginnen bei einem oralen Orgasmus, einem Gesichtsorgasmus zu zucken …. dann wird die Verbindung zwischen dem Zucken und einer schweren traumatischen Erfahrung in der Entwicklung der oralen Sehnsucht in die spätere orgastische Erfahrung in der Pubertät übertragen …. Schizophrenie tritt hauptsächlich in der Pubertät auf …. Es gibt einen großen Aufschwung, wenn die orgastische Funktion einsetzt … Es gibt einen enormen Schock oder Angst bzw. Schrecken mit Augen und Mund und Zucken aus … dem Säuglingsalter …. Dann kann es in der Pubertät zu einem Zusammenbruch kommen, wenn der gesamte Organismus in orgastische Kontraktionen zu geraten beginnt …. die Augen sind sehr involviert …. Nicht nur in der Krankheit, vor allem aber in den Endphasen [der medizinischen Orgontherapie], wenn die orgastischen Funktionen einsetzten. Dann passiert etwas mit den Augen. Die Augen passen nicht dazu. Der Organismus weigert sich sozusagen, die Augen in die Gesamtfunktion einzubringen, als wäre damit Terror verbunden. Und in den Augen liegt Schrecken. In den Augen setzt ein Terror ein, der die umfassende Funktion der Zuckungen verhindert und ihnen, die angenehm sein sollten, widerspricht. Und das scheint spezifisch für den schizoiden Charakter zu sein … der Schizophrene … ist hervorragend in der Integration. Er ist intelligent. Er weiß so viel. Er integriert sich gut. Aber gerade das ist seine Gefahr … Seine große Intelligenz, seine hochenergetische Funktion, die nach vollständiger orgasmischer Beteiligung verlangt. Nur das stellt die Gefahr dar [kursiv und fett von mir – DH] … Die Basis des Gehirns paßt nicht dazu … Es gibt einen Riß … die schizophrene Spaltung bzw. der Riß ist im Kopf zentriert, vor allem in zwei Regionen. Eines sind die Augen, die mit der Basis des Gehirns verbunden sind, und das andere ist der Mund. Beide, insbesondere die Augen, gehen offenbar zurück auf die ersten zwei oder drei Lebenswochen, in denen das Neugeborene die Welt ergreift und beginnt, die Welt zu integrieren und sich von der Welt zu trennen….Man kann den Schizophrenen an seinem Unwillen erkennen, seine Augen und den gesamten oberen Bereich innerhalb des restlichen Funktionierens schwingen zu lassen.“ (Reich 1949b, S. 67-70)

Über ihre ganze sexuelle Beziehung hinweg erlebte George häufig klare Episoden bewußten Schreckens. Diese treten in der Regel unmittelbar nach dem Beginn des Intimwerdens im Bett auf. Meistens ist er in der Lage, ohne offensichtliche Angst intim zu sein, aber er hat diese Episoden des Schreckens auch häufig. Während dieser Episoden wird er überwältigt und verspürt das Bedürfnis, sich von Angela loszureißen (glücklicherweise ist Angela, eine ziemlich gesunde Hysterikerin, bemerkenswert verständnisvoll, geduldig und empathisch). Er liegt dann mit Angstzuständen auf dem Rücken, meistens stumm, starrt an die Decke und vermeidet vollständig jeglichen Augenkontakt.

Während dieser Episoden ist sein Körper zunächst steif. Er geht in seinen Augen „weg“ und kann Angela nicht ansehen. Er hat das Gefühl, sich in sein Hinterhaupt zurückzuziehen, so als ziehe sich seine Energie zu diesem Ort zurück, um sich irgendwie zu verstecken. Allmählich erlebt er kleine Zuckungen, die in seinem Hinterkopfbereich beginnen und langsam seinen Körper bis zu seinen Füßen hinunterlaufen. Ich habe solche Episoden auch in seiner Therapie miterlebt. Wenn sich dieses Zucken entwickelt, wandelt es sich in ein allgemeines Zittern um. George hat das Gefühl der Zuckungen, die aus seinem Hinterhaupt stammen und sich auf seinen ganzen Körper ausbreiten, mit einem alten zerfallenden Steingebäude verglichen, in dem Teile eines Steinvorsprungs – sein Hinterhaupt – abbrechen und zu Boden prasseln.

Wenn das Zittern voranschreitet, bilden sich gemeinhin Tränen in seinen Augen. Zunächst gibt es kein offenes Weinen. Es ist das Bild von jemandem, der zu sehr Angst davor hat zu weinen und dergestalt nach Hilfe zu rufen – gelähmt. Mentale Bilder und Gedanken beginnen sich George aufzudrängen und er ist dann in der Lage, Angela verbal mitzuteilen, was er sieht und denkt und fühlt. Manchmal ist er mit traurigen Gedanken und Gefühlen über seine gescheiterte Ehe überfordert. Zu anderen Zeiten ist er über seine Kinder tief traurig und wünscht sich, er hätte ihnen ein besseres Familienleben bieten können. Manchmal hat er Gedanken und Gefühle über seine Mutter und seinen Vater und darüber, wie ungeliebt, allein und geschädigt er sich in seiner Herkunftsfamilie fühlte. All dies wird im allgemeinen zu sehr tiefem, quälendem Schluchzen führen, begleitet von einem tiefen kosmischen Gefühl, im Universum verloren und losgelöst zu sein, verzweifelt allein und vernachlässigt. Er ist jedoch in der Lage, diese Gefühle gegenüber Angela auszudrücken, und so wird es ihm möglich, sich emotional wieder mit ihr zu verbinden, was dann zu einem erfolgreichen Neuansatz der genitalen Umarmung führt.

Einmal, im Bett mit Angela, aber in einem dieser ängstlichen, tiefen und einsamen „kosmischen“ Gefühlszustände (die m.E. mit seiner Erfahrung mit der schizophrenen Spaltung zu tun haben), präsentierte sich vor seinem geistigen Auge ein mentales Bild des Seins im Mutterleib. Anstatt sich im Mutterleib warm und verbunden zu fühlen, hatte er ein seltsames Gefühl von Trennung und Kälte, Einsamkeit, Leere und Berührungslosigkeit, etwas ähnlich dem Gefühl, wie oben beschrieben, im Universum losgelöst und verloren zu sein. Diese Erfahrung war sehr unheimlich und fühlte sich für ihn äußerst überzeugend an. Er schluchzte sehr tief, während er neben Angela im Bett lag. Er hatte das Gefühl, daß er eine tatsächliche somatische Erinnerung an den Mutterleib hatte und daß dieses Gefühl der Unverbundenheit, des schizophrenen Autismus, dort im Uterus seiner Mutter begonnen haben könnte. Ich glaube, daß es nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich ist, daß seine Schizophrenie im Mutterleib begann und daß dies in der Tat eine wirkliche somatische Erinnerung an den Mutterleib gewesen sein könnte, obwohl es unmöglich ist, dies mit Sicherheit zu wissen.

Bei einer anderen Gelegenheit, diesmal während einer therapeutischen Sitzung mit mir, während er in einem tiefen Gefühlszustand auf dem Rücken lag, bekam er das Bild und das Gefühl, ein Säugling zu sein und auf einem kalten Edelstahltisch in einem Operationssaal auf dem Rücken zu liegen.3 Bei dieser Gelegenheit hatte er auch den Eindruck, daß er irgendwie eine tatsächliche somatische Erinnerung durchlebt hat und auf irgendeine Art von Operationstisch im OP gelegt wurde nach seiner Geburt durch einen geplanten Kaiserschnitt. Das Datum seiner Geburt wurde vorher gewählt, ohne auf das Einsetzen der Wehen zu warten, um mit dem Kaiserschnitt zu beginnen. Die Wehen werden normalerweise durch Hormone ausgelöst, die vom Fötus abgegeben werden, wenn der Fötus „fertig“ ist. George hat gesagt, er fühle sich im Leben immer als „nicht bereit“, und er fühle ständig Angst und Alleinsein, auch in Gesellschaft anderer.

 

Anmerkungen

2 In seinem alltäglichen Leben ist er sich im Laufe der Jahre sehr bewußt geworden, daß sich sein Hinterkopf zusammenzieht, wenn er sich davon abhält etwas auszudrücken.

3 Diese Art von Bildern und Gedanken „kommen zu ihm“, statt die Eigenschaft eines bewußt gewollten Denkens zu haben. Es ist, als ob das Bild in ihn eindringt. Das Phänomen hat eine abgespaltene Qualität, als ob der Gedanke oder das Bild nicht sein eigen wären.

 

Literatur

  • Reich W 1949b: Processes of Integration in the Newborn and the Schizophrenic. Orgonomic Functionalism 6, 1996. Rangeley, Maine: The Wilhelm Reich Infant Trust

 

Dieser Text wurde mit Genehmigung von Dr. Holbrook seiner Facebook-Seite entnommen und übersetzt.

Liebe und Orgasmusangst bei einem paranoid-schizophrenen Charakter (Teil 2)

16. Juni 2019

von David Holbrook, M.D.

Fallbeispiel

George ist ein 42-jähriger geschiedener Rechtsanwalt und Vater von drei Kindern. Er war 9 Jahre mein Patient. Er kam zunächst wegen Depressionen aufgrund seiner unglücklichen Ehe zu mir. Kurz nachdem er zu mir kam, löste sich seine Ehe auf und innerhalb von zwei Jahren begann er mit seiner aktuellen Freundin Angela auszugehen.

George hat in der Therapie große Fortschritte gemacht. In den letzten Jahren, als sich seine Beziehung zu Angela vertiefte, hatte er im Zusammenhang mit ihrer Liebesbeziehung eine Reihe außergewöhnlicher psychischer (psychologischer) und somatischer Erfahrungen, von denen einige wie Manifestationen von Orgasmusangst erscheinen. Ich werde diese Erfahrungen weiter unten beschreiben.

Obwohl George von Anfang an in vielerlei Hinsicht in der Lage war, mit Angela emotional offen zu sein, nahm die Entwicklung ihrer sexuellen Beziehung längere Zeit in Anspruch.

Auf der psychischen (Liebes-) Ebene hatte George das Gefühl, als erlebe er Liebe auf eine Art und Weise, wie er sie noch nie zuvor in seiner Entwicklung erlebt hatte. Mit anderen Worten, es war nicht so, daß er diese Art von Liebe in der Vergangenheit erlebt hatte, und es lange her war, seit er sie gefühlt hatte; vielmehr empfand er diese Liebe als etwas Neues, das er weder als Erwachsener noch als Kind oder sogar als Baby erfahren hat. In den frühen Stadien seiner Beziehung zu Angela beschrieb er, wie er in seinem Bett lag und fühlte, „als ob Energie aus dem Universum buchstäblich in meinen Körper strömte – ich hatte fast das Gefühl, als würde ich dem Bett entschweben“. Dies ist ein anschauliches Beispiel für die Tatsache, daß Liebe eine biophysikalische Aktivität ist.

Als seine Ehe fehlschlug und schließlich tot war, war er immer depressiver geworden und es war immer schwieriger, die Dinge zu tun, die er zu tun hatte. Sein Einkommen sank und er schob viele lebensnotwendige Aufgaben vor sich hin. Aber er hatte nie suizidale Anwandlungen und gab nie völlig auf. Man spürt, daß er eine innere Stärke hat, die praktisch unbezwingbar ist. Auf der anderen Seite hatte er sich mehr und mehr „erstarrt“ gefühlt, bevor er Angela traf. Er sah sich oft als einen Mann, der in einem Schneesturm durch die gefrorenen Steppen ging und wußte, daß er die menschliche Zivilisation niemals erreichen werde und zum Sterben im Schnee verdammt sei, aber trotzdem immer weiterschritt. Eine andere Metapher, die er häufig verwendete, war Davy Crockett in Alamo. Er wußte, daß Hilfe fast sicher niemals eintreffen werde, aber er kämpfte weiter und konzentrierte sich auf die Aufgabe im Hier und Jetzt, jeden eindringenden Soldaten einzeln zu töten.

Seine Ehe war viele Jahre lang ohne Sex gewesen und die neue körperliche Beziehung zu Angela fühlte sich an, als würde er zum ersten Mal die Sexualität entdecken. Sogar nachdem er und Angela sich sexuell näher gekommen waren, bemerkte George, daß er zwar in einem nicht-sexuellen Kontext oft in der Lage ist, tiefen Augenkontakt mit ihr herzustellen, doch es in der genitalen Umarmung viel schwieriger ist, diesen Blickkontakt aufrechtzuerhalten. Im nicht-sexuellen Kontext findet er es auch oft „zu viel“, wenn er lange Blickkontakt hält, obwohl er für kurze Zeit sehr tiefen Augenkontakt herstellen kann. Er sagt, daß er dies auch während der genitalen Umarmung tun kann, aber schließlich spüre er, wie Energie von seinen Genitalien nach oben zu seinem Hinterkopf abfließt, als würde die Energie aus seinen Genitalien fliehen, um sich in seinem Kopf zu verstecken.1 Wenn die Energie seine Genitalien verläßt, verliert er infolge seine Erektion. Er findet, daß, wenn er seine Augen schließt, es leichter fällt die Erregung in seinen Genitalien aufrechtzuerhalten, entsprechend wechselt er zwischen geschlossenen Augen mit kürzeren Zeitabschnitten des Augenkontakts mit Angela.

In der Therapie kann George spüren, wo sich die Energieladung in seinem Körper befindet, und dann die Energie ausdrücken und bewegen. Ich denke dabei manchmal an eine Form von „somatischer freier Assoziation“, bei der er seine nonverbalen Impulse ohne Hemmung einfach wahrnimmt und ausdrückt, ähnlich wie in der Psychoanalyse ein Patient versucht, die Grundregel zu befolgen und zu sagen, was ihm in den Kopf kommt. Wenn Georges Energie an einem bestimmten Tag in seinem Kopf ist, muß er sich manchmal aufsetzen und sprechen, um sie abzulassen, oder er kann auf der Couch liegen und Laute von sich geben. Dieses Hervorbringen von Nichtworten kann dann dazu führen, daß die Energie aus seinem Brustsegment ausgedrückt wird, wobei das Schreien zu Schluchzen führen kann. Das kann dann voranschreiten zum Treten und Strampeln.

Wenn sich sein Hinterkopf angespannt anfühlt, kann er ihn manchmal lockern, indem er den Kopf nach hinten vom Rand der Therapiecouch herabhängen läßt oder indem er den Kopf in einer „Nein“-Bewegung sehr kräftig hin und her schüttelt. Normalerweise erlebt er eine Welle akuter Fallangst, wenn er dies tut, als Ergebnis der zuvor gebundenen, jetzt aber plötzlich freigesetzten Energie aus seinem Hinterkopf, die an der Vorderseite seines Körpers heftig nach unten strömt.

Wenn er spürt, daß die Energie in seinem Kopf steckenbleibt und sich als übermäßiger innerer Dialog manifestiert, was ihm eine frustrierende „intellektualisierende“ Erfahrung in seinem Kopf verschafft, wird er diese mentale Energie manchmal durch Schreien entladen und freisetzen. „Halt‘s Maul, halt‘s Maul, halt‘s Maul!!!“ Dies kann einen äußerst wütenden Charakter annehmen und führt stets dazu, daß sich die internen „Stimmen“ auflösen. Er ist dann freier, Emotionen und Energie in anderen Segmenten zu erleben. Wir haben hier ein Beispiel für das orgonomische Verständnis der Psyche als energetischen Prozeß:

Ideen können entstehen und vergehen. Ihre Existenz hängt vom Zustand der Energiebewegung im Körper ab“ (Reich 1950, S. 6, kursiv im Original). „… Gedanken beruhen teilweise auf der hohen orgonotischen Ladung des Gehirns, die die Energie von Emotionen und Sensationen aus dem Körper abzieht“ (Konia 2004, S. 108). Sobald die Energie des Gedankens entladen ist, ist die Energie des Körpers wieder frei, um sich zu demjenigen Segment zu bewegen, das zu diesem Zeitpunkt das höchste orgonotische Potential besitzt.

 

Anmerkungen

1 Das Hinterhaupt ist der Bereich des Kopfes, an dem der Schädel sich mit dem Hals verbindet, ein Grenzbereich zwischen der okularen und der oralen Panzerungszone, der innen mit der Basis des Gehirns korrespondiert.

 

Literatur

  • Konia C 2004: Applied Orgonometry II: The Origin and Function of Thought. The Journal of Orgonomy 38(1):100-111
  • Reich W 1950: Orgonomic Functionalism, Part II. Orgone Energy Bulletin 2(1):1-15, New York: Orgone Institute Press

 

Dieser Text wurde mit Genehmigung von Dr. Holbrook seiner Facebook-Seite entnommen und übersetzt.

Blogeinträge August-Oktober 2014

9. Oktober 2018

Charles Konia über den roten und shwarzen Faschismus:

August-Oktober 2014

  • Es reicht nicht Obama zur Rede zu stellen
  • Die Funktion von Terroristen und Terrorismus verstehen
  • Die Organisation des schwarz-faschistischen Staates
  • Ein College-Kurs über sozio-politische Orgonomie
  • Die Entwicklung des okularen Panzers bei Säuglingen
  • Ebola und ISIS

ZUKUNFTSKINDER: 1. „Rousseauismus“? a. Von der Schwarzen Pädagogik zum digitalen Zeitalter

23. Januar 2018

Ein neuer Artikel auf http://www.orgonomie.net:

ZUKUNFTSKINDER:

1. „Rousseauismus“? a. Von der Schwarzen Pädagogik zum digitalen Zeitalter

Orgonomie als Weltanschauung

24. September 2013

Es gibt zwei Arten von „Orgonomie“, die kaum etwas mit Reichs Orgonomie zu tun haben. Die erste macht aus Reichs Beiträgen eine in sich geschlossene „Weltanschauung“, die zweite benutzt Reichs Lebenswerk als eine Art Steinbruch, wo man nach Belieben (d.h. nach den eigenen ideologischen Vorlieben) mal das und mal jenes herausklauben kann.

Dem aufmerksamen Leser dieses Blogs wird aufgefallen sein, daß die einzelnen Beiträge untereinander nicht immer harmonieren und ab und an „Widersprüche“ auftreten. Dazu ist zu sagen, daß der Student der Orgonomie die Welt immer wieder von neuem und möglichst unvoreingenommen betrachtet. Er hat keine in sich geschlossene „Weltanschauung“, d.h. er hat kein Brett vor dem Kopf. Er ist offen für alles und im guten und echten Sinne liberal.

Man nehme etwa die drei Grundtabus, auf denen die gepanzerte Gesellschaft aufgebaut ist: Sexualität, Politik und Religion. In der gegenwärtigen anti-autoritären Gesellschaft ist es nur allzu verständlich, wenn der Student der Orgonomie dem Uneingeweihten als „puritanisch“, „konservativ“ und sogar als „christlich“ erscheinen mag. Wenn sich die Umstände geändert haben, könnten wir uns durchaus im entgegengesetzten Lager wiederfinden. Außerdem entwickelt sich die Orgonomie im allgemeinen und die orgonomische Soziologie im besonderen beständig fort.

Das Mißverständnis, daß es sich bei der Orgonomie um eine „in sich geschlossene Weltanschauung“ handelt, entsteht auch dadurch, daß es etwa undenkbar ist, daß sich ein Cloudbuster-Operateur (Meteorologie, Ingenieurwesen) nicht mit Reichs sexualökonomischen Theorien auseinandersetzt (Medizin, Psychologie, Soziologie) und sich nicht fortwährend in orgontherapeutischer Behandlung befindet. Wie überall in der Wissenschaft geht es darum, die Instrumente und Geräte intakt zu halten. In der Orgonomie ist das wichtigste Instrument der menschliche Geist und Körper sowie das soziale Gefüge zwischen den Arbeitenden (Arbeitsdemokratie).

Ab und an hatte ich wirklich genug von der Orgonomie. Es waren „WTF“-Momente. Da war beispielsweise der Augenblick, als ich über die Rolle des Augenkontakts bei Menschenaffen sprach, die ihn als extrem aggressiven Akt wahrnehmen. Mein „orgonomisches“ Gegenüber reagierte heftigst: das müßten die Verhaltensforscher falsch interpretiert haben! – Es paßt nicht zur „orgonomischen“ Weltanschauung, in der beispielsweise der „tiefe Augenkontakt“ eine wesentliche Rolle spielt. Bei solchen Reaktionen denke ich mir dann: „Scheiße! In was für eine Sekte grenzdebiler Irrer bin ich hier bloß reingeraten?“ Andere Beispiele sind irrationale Reaktionen auf meine faktisch begründeten Zweifel über Giordano Bruno oder die Hexenverfolgung oder die offensichtliche Beobachtung daß es, oh Schreck, Rassenunterschiede gibt.

Ähnlich die Reaktion, als ich erwähnte, daß Malinowski seinem posthum veröffentlichten Tagebuch zufolge Probleme mit dem Rassismus der Trobriander hatte, die einen Horror vor Körpergerüchen haben und jedes Körperhaar entfernen. Und dann kommt da so ein übelst vor sich hin müffelnder (generell ist Kleidung, diese Segnung des weißen Mannes, in den Tropen unhygienisch!), ständig schwitzender, blasser und wie ein Halbaffe über und über behaarter Untermensch (ein Mitteleuropäer) wie Malinowski daher! Malinowski hat sich gerächt, indem er von „Niggern“ und, was die jungen Trobrianderinnen betraf, „Huren“ sprach. Aber erwähne das mal gegenüber einem ganz in der „orgonomischen“ Weltanschauung aufgehenden Sektierer, für den Malinowski ein orgonomischer Heiliger ist! „Blödsinn!“ Da müßte ich was mißverstanden haben, blablabla.

Für diese Leute scheint es keine objektive Wirklichkeit zu geben. Alles wird mit einer vermeintlich „orgonomischen“ Brille gesehen, ohne daß sie sich bewußt sind, daß sie eine Brille tragen. Diese Brille ist fast durchgehend rosa gefärbt: Friede, Freude, Eierkuchen.

Reich ist nicht ganz unschuldig für das Aufkommen dieser Weltanschauung, mußte er sich doch zeitlebens mit Leuten auseinandersetzen, für die der Mensch ein „sadomasochistisches Tier“ war, die Welt ein von wachsender Entropie und dem „Todestrieb“ bestimmtes Jammertal; dauerhaftes Glück sei Illusion, der Stoizismus die angemessene Geistesverfassung. Noch heute sind die arroganten Hackfressen der Reich-Hasser von diesem Gedankengut durchfurcht.

Tatsächlich hat sich die Gesellschaft aber mittlerweile grundlegend geändert. Aus der autoritären Gesellschaft wurde die anti-autoritäre Gesellschaft und an die Stelle von Sigmund Freud ist Erich Fromm getreten. Zwar spreizen sich in pseudo-intellektuellen Schmierantenblättern noch immer die Zyniker, aber der Gutmensch dominiert zusehends die Szenerie. Jetzt hat er sich sogar seinen eigenen Reich-Film gedreht: ein weicher, verletzlicher, durch und durch anti-autoritärer Reich, der nahe am Wasser gebaut hat. Aussagen Reichs, die nicht in diese Weltanschauung passen, hat Reich, dieses Weichei, dann halt aus Angst vor „McCarthy“ getätigt!

Ähnlich sieht es im Bereich der Orgonbiophysik aus. Da haben wir ein perfektes Weltsystem vor uns: der Raum ist mit einer Art Sauce (dem Orgon) gefüllt, das durch das Universum, die Atmosphäre und den menschlichen Körper fließt, wie es die „alten Weisheiten“ der Völker und verschiedene moderne Esoteriker lehren. Mein Protest, daß man die Orgonenergie nicht einfach mit dem Äther, dem Od, dem Chi und all den anderen „feinstofflichen“ Essenzen gleichsetzen kann, wird jeweils verächtlich vom Tisch gewischt. Reichs Orgon wird mit den verzerrten Wahrnehmungen von gepanzerten Menschen gleichgesetzt!

Reich war ein Wissenschaftler, kein Begründer von etwas, was die Welt nun wirklich als allerletztes braucht: eine neue Weltanschauung. Tatsächlich ist diese vermeintlich „orgonomische“ Weltanschauung derartig beschränkt, klaustrophobisch und offensichtlich falsch und schlichtweg peinlich, daß man den Kritikern der Orgonomie manchmal nur aus vollem Herzen rechtgeben kann. Tatsächlich entspricht diese „orgonomische“ Weltanschauung dem Weltbild des kleinen Mannes, der nicht etwa nach Erkenntnis sucht, sondern nach Halt und Orientierung in dieser Welt.

downwithhim