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Eine Leseliste zur Einführung in Bernd A. Laskas LSR-Projekt

20. Mai 2023

Die folgenden Bücher und Artikel sollte man in dieser Reihenfolge lesen, um sich in Bernd A. Laskas LSR-Projekt einzuarbeiten.

Am Anfang steht natürlich Laskas Reichs Biographie sowie Reich selbst und zwar jenes Buch, das Laska ursprünglich in seinem LSR-Verlag neu herausbringen wollte: Reichs von seinen beiden engsten Mitarbeitern, dem Psychiater Elsworth F. Baker und dem Gynäkologen Chester M. Raphael, kurz nach Reichs Tod zusammengestellte Ausgewählte Schiften.

Daß Reich in dieser Liste an erster Stelle steht, hat sowohl historische als auch inhaltliche Gründe: mit ihm hatte sich Laska zuerst beschäftigt (und das als einer der ersten in unserem besetzten Vaterland) und zweitens ist Reich eine notwendige Einführung, um LaMettrie überhaupt verstehen zu können, nämlich daß sich beide Ärzte mit genau den gleichen beiden Dingen beschäftigt haben – nur daß dies bei LaMettrie zeit- und „verfolgungsbedingt“ nicht so eindeutig ist. Die besagten beiden Dinge sind das Angehen des Charakterpanzers (also des Über-Ichs) und die Orgasmustheorie, bei LaMettrie entspricht das seinen Theorien über das Schuldgefühl und „die Kunst Wollust zu empfinden“.

Die Frage ist natürlich, warum ich Stirner an die dritte Stelle verschoben habe, hatte Laska diesen doch nach Reich und vor LaMettrie für sich entdeckt. Zunächst einmal waren Reich und LaMettrie Ärzte und ihre beiden Theorien machen, wie angedeutet, einander verständlicher und zweitens wollte Laska in der Chronologie seines LSR-Projekts zunächst durchaus inhaltlich vorgehen, d.h. jeweils die Theorien seiner drei Helden herausarbeiten. Ansatzweise hat er das bei Reich und den Vorreden zu seinen LaMettrie-Übersetzungen auch gemacht, doch änderte er dann seinen Plan: „Die Widerstände und Abwehrmechanismen gegen L/S/R traten (….) in den Vordergrund meines Interesses; sie waren aufzudecken und zu studieren, bevor an ein Verständnis für die Intentionen von L/S/R auch nur zu denken war. Hier bot sich allerdings aus verschiedenen Gründen vorzugsweise Stirner bzw. dessen Wirkungsgeschichte an, so daß anstelle der ursprünglich geplanten Schriftenfolge zunächst die Stirner-Studien erscheinen.“ Dieses „Zunächst“ erwies sich dann als der eigentliche Abschluß des LSR-Projekts. Stirner ist nur in der von Laska angedeuteten Weise erschließbar, d.h. vom Widerstand gegen sein Werk her, und die Vorkenntnisse, die wir durch die Auseinandersetzung mit Reich und LaMattrie erworben haben, dienen uns hierbei als Orientierungspunkte, ohne die wir uns allzuleicht verirren könnten, beispielsweise „Stirner als Vertreter des Egoismus und Herold der nihilistischen Transgemeinde“.

Bernd A. Laska: Wilhelm Reich (https://www.amazon.de/gp/product/3499502984)

Wilhelm Reich: Ausgewählte Schriften (https://www.buchfreund.de/de/d/p/76916429/ausgewaehlte-schriften-eine-einfuehrung-in-die)

Bernd A. Laska: Zum Status der Reich’schen Theorie (1980): A. Allgemeiner Überblick (http://lsr-projekt.de/wrb/wrstatus.html)

Bernd A. Laska: Zum Status der Reich’schen Theorie (1980): B. „Früher“ contra „später“ Reich eine überflüssige Kontroverse (http://lsr-projekt.de/wrb/wrstatusb.html)

Bernd A. Laska: Zum Status der Reich’schen Theorie (1980): C. Freuds „Kommentar“ zu Reich (http://lsr-projekt.de/wrb/wrstatusc.html)

Bernd A. Laska: Zum Status der Reich’schen Theorie (1980): D. Reichs Krise 1926/27 (http://lsr-projekt.de/wrb/wrstatusd.html)

Bernd A. Laska: Wilhelm Reich – ohne Freud, Marx, Orgon (http://lsr-projekt.de/wrlex.html)

Bernd A. Laska: Die Negation des irrationalen Über-Ichs bei Wilhelm Reich (http://lsr-projekt.de/wrnega.html)

Bernd A. Laska: Wilhelm Reich als Sexuologe (http://lsr-projekt.de/wrsex.html)

Bernd A. Laska: Wilhelm Reich als Faschismusforscher (http://lsr-projekt.de/wrfasch.html)

Bernd A. Laska: Wilhelm Reich – Essenz und Konsequenz (http://lsr-projekt.de/wrinnuce.html)

Bernd A. Laska: Intro LSR (http://lsr-projekt.de/intro.html)

Bernd A. Laska: LSR als „anarchistisches“ Projekt (http://lsr-projekt.de/anarcho.html)

Julien Offray de La Mettrie: Der Mensch als Maschine (http://lsr-projekt.de/verlag.html#lsrqu1)

Julien Offray de La Mettrie: Über das Glück oder Das höchste Gut („Anti-Seneca“) (http://lsr-projekt.de/verlag.html#lsrqu2)

Julien Offray de La Mettrie: Philosophie und Politik (http://lsr-projekt.de/verlag.html#lsrqu3)

Julien Offray de La Mettrie: Die Kunst, Wollust zu empfinden (http://lsr-projekt.de/verlag.html#lsrqu4)

Bernd A. Laska: La Mettrie und die Kunst, Wo(h)llust zu empfinden – ein Portrait (http://lsr-projekt.de/lmsex.html)

Bernd A. Laska: La Mettrie – ein gewollt unbekannter Bekannter (http://lsr-projekt.de/lm-un-bekannt.html)

Bernd A. Laska: 1750 – Rousseau verdrängt La Mettrie (http://lsr-projekt.de/Rousseau-La-Mettrie.pdf)

Bernd A. Laska: Die Negation des irrationalen Über-Ichs bei Lamettrie (http://lsr-projekt.de/lmnega.html)

Bernd A. Laska: Panajotis Kondylis – unfreiwilliger Pate des LSR-Projekts (http://lsr-projekt.de/kondylis.html)

Bernd A. Laska: Martin Walser und La Mettrie (http://lsr-projekt.de/walser.html)

Max Stirner: Der Einzige und sein Eigentum (https://www.amazon.de/Einzige-sein-Eigentum-Reclams-Universal-Bibliothek/dp/3150030579)

Bernd A. Laska: Parerga, Kritiken, Repliken (http://lsr-projekt.de/verlag.html#lsrqu2)

Bernd A. Laska: Ein heimlicher Hit (http://lsr-projekt.de/verlag.html#ss1)

Bernd A. Laska: Ein dauerhafter Dissident (http://lsr-projekt.de/verlag.html#ss1)

Bernd A. Laska: „Katechon“ und „Anarch“ (http://lsr-projekt.de/verlag.html#ss1)

Bernd A. Laska: Max Stirner in nuce (http://lsr-projekt.de/msinnuce.html)

Bernd A. Laska: Max Stirner – Leben, Werk, Wirkung (http://lsr-projekt.de/mslex.html)

Bernd A. Laska: Der Stachel Stirner (http://lsr-projekt.de/stachel.pdf)

Bernd A. Laska: Die Negation des irrationalen Über-Ichs bei Max Stirner (http://lsr-projekt.de/msnega.html)

Bernd A. Laska: Max Stirner als Psychologe (http://lsr-projekt.de/Max-Stirner-Psychologe.html)

Bernd A. Laska: Nietzsches initiale Krise (infolge Stirner) (http://lsr-projekt.de/nietzsche.html)

Bernd A. Laska: Die Individualanarchisten und Stirner (http://lsr-projekt.de/msinda.html)

Bernd A. Laska: Der schwierige Stirner (http://lsr-projekt.de/msswi.html)

Bernd A. Laska: Den Bann brechen ! – Teil 1: Stirner, Marx, Marxforschung (http://lsr-projekt.de/msbann1.html)

Bernd A. Laska: Den Bann brechen ! – Teil 2: Stirner, Nietzsche, Nietzscheforschung (http://lsr-projekt.de/msbann2.html)

Bernd A. Laska: Max Stirner – ein anarchistischer Pädagoge? (http://lsr-projekt.de/mspa.html)

Bernd A. Laska: Der sexuelle „Verein“: Prototyp des Stirner’schen „Vereins“ (http://lsr-projekt.de/mssex.html)

Bernd A. Laska: Vade retro! – Zur Repulsionsgeschichte von Stirners ‚Einzigem‘ (https://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/52066/file/Jahrbuch_FVF_22_2016_Laska_71_100.pdf)

Das große Mißverständnis

12. Mai 2023

Der vorurteilsbeladene Ignorant denkt und spricht nur Belangloses; er drischt, wie man sagt, nur leeres Stroh; oder, was auf dasselbe hinausläuft, er käut ständig die kümmerlichen Weisheiten unserer Scholastiker wieder (sofern er sie kennt). Der begabte Mensch hingegen folgt Schritt für Schritt der Natur, der Beobachtung und der Erfahrung. Er erkennt nur als gültig an, was den höchsten Grad an Wahrscheinlichkeit für sich hat. Und er zieht seine Schlüsse nicht vorschnell, unumstößlich und gegen jede vernünftige Einsicht, sondern aus Tatsachen, die zumindest ebenso klar sind wie die bereits bewährten, produktiven Prinzipien. (Julien Offray de LaMettrie: Philosophie und Politik, S. 34f)

All die Idioten verlassen die Orgonomie, weil diese von Natur aus schmutzig ist und zwar in wirklich allen Aspekten. Es begann mit der klinischen Beurteilung von und der Therapie mit schmutzigen Menschen (triebhafte Charaktere, echte Borderline-Freaks). Es ging nicht, wie bei Freud, um die Sublimierung der Triebe dekadenter Oberschichtler, sondern um schmutzige Gefühle, um Sexualität. Es ging um schmutzige Kommunisten, schmutzige „Sexualreform“ und schmutzige Politik. Politik, bei der man sich die Hände schmutzig macht, was „linke Intellektuelle“ wie Otto Fenichel oder Erich Fromm nie getan haben. Reich setzte sich mit dem schmutzigen Faschismus (er sprach mit echten Nazis und las ihre Ergüsse) und dem Alltagsleben des kleinen Massenmenschen auseinander. Seine Bion-Forschung begann mit einfacher „Gemüsesuppe“, Heuaufgüssen usw. Aus der Sicht des Physikers geht es bei Orgon und Co. nur um „Datenrauschen“ – Schmutz. Nichts ist bei Reich klar und eindeutig. Funktionalismus ist „unscharfe Logik“. Selbst die organisatorischen Aspekte der Orgonomie waren von Anfang an und sind bis heute chaotisch. Die Orgonomie ist kein sicherer Ort für „Sucher“, keine feste Weltanschauung, keine Lebensform. Es gibt nichts „Sauberes“ und klar Umrissenes an ihr. Sie ist der ultimative Alptraum für den mechano-mystischen Geist, der in einer aseptischen platonischen Welt leben möchte, da er eine Todesangst vor Bewegung und Veränderung hat.

Ein typisches Mißverständnis ist es, Artikel mit der Überschrift „… aus orgonomischer Sicht“ zu schreiben. Ich tue das auch ab und an, aber es ist vom Ansatz her grundlegend falsch, oder sagen wir lieber irreführend. Es gibt keinen festen „orgonomischen“ „Ort“, von dem aus man die Dinge betrachten könnte. Orgonomie ist die Anstrengung in der Ebene, das Forschen und ständige Korrigieren, sozusagen „das Wühlen im Dreck“. Das sieht man etwa an einer korrekt durchgeführten Orgontherapie. Ein richtiger Orgonom tritt nicht als „Guru“ auf, der dich mit seherischem Blick durchschaut und dir den Weg weist! Es geht um die Etablierung der Selbstregulation, bei der Anweisungen, was man zu tun oder zu lassen hat, ein Widerspruch in sich selbst wären. Es geht schlicht und ergreifend um die Konfrontation mit deinem neurotischen Charakter und mit deiner biophysischen Rigidität. Irgendwelche Idioten, die sich zu „Reichianischen“ Therapeuten aufschwingen und meinen, den Patienten das vermeintlich „richtige“, quasi „orgonomische“ Funktionieren lehren zu können, „orgonomische Prinzipien“ aufoktroyieren zu können, verfehlen die ganze Angelegenheit auf denkbar fundamentale Art und Weise. Es ist eine genaue Entsprechung der obenerwähnten dogmatischen Vorgabe „des orgonomischen Standpunkts“. Entweder arbeitet man mit Funktionen, Beziehungen, Kontakt – oder man wirkt nur zerstörerisch.

Was ich hier beschreibe, sind schlichtweg die Entstellungen der Orgonomie durch den Kleinen Mann, der aus jedem fruchtbaren Ansatz eine sterile Doktrin macht. Wie Reich in Äther, Gott und Teufel erläutert, ist der Kleine Mann ein Mechano-Mystiker, der keine Unsicherheit, Unbestimmtheit, keine Bewegung und Spontanität ertragen kann und entsprechend aus dem Universum eine Maschine, sowie aus seinen Kindern Roboter macht. Er gestaltet die Welt nach seinen vorgefaßten Ideen. Reich hingegen hat sich stets der Wirklichkeit ausgesetzt, ist wirklich an die Front des Lebens, des Labors und der Umwelt gegangen, um sich der einen und einzigen Quelle der Wahrheit auszusetzen: der Wirklichkeit. Alles, was sich nicht der Wirklichkeit gemäß verhält, alles was nicht naturgemäß ist, wird von der Natur erbarmungslos ausgemerzt. Orgonomie ist nichts anderes als Secundum naturam. Folge der Natur oder krepiere! Deine saubere Welt aus Konstruktionen und „Theorien“ ist ein lächerliches Kartenhaus, das beim nächsten kleinen Lufthauch kollabieren wird. Vielleicht ist es nicht schade um dich, aber mit Sicherheit ist es schade um die, die du mit in den Abgrund reißt.

Datei „laska-biblio“ (2014)

27. Dezember 2022

Datei „laska-biblio“ (2014)

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 1)

10. Juni 2022

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Es ist dies das Wahrzeichen aller reaktionären Wünsche, daß sie etwas Allgemeines, Abstraktes, einen leeren, leblosen Begriff herstellen wollen, wogegen die Eigenen das stämmige, lebenvolle Einzelne vom Wust der Allgemeinheiten zu entlasten trachten. (Max Stirner: Der Einzige und sein Eigentum, Stuttgart 1981, S. 254)

Der „Panzer“ der Orgonomie und das „Über-Ich“ der Psychoanalyse sind funktionell identisch: ins Innere aufgenommene Außenwelt. Es ist das Trojanische Pferd, der Feind innerhalb der eigenen Mauern, die Überwachungskamera in uns selbst, die Polizei in unserem Inneren, das „Überwachungs-Ich“. „Ich“, weil es durch Identifikation mit dem Feind entsteht, d.h. den Vertretern einer lebensfeindlichen Gesellschaft in unserer Kindheit – unsere Eltern. Diese „inneren Hierarchien“ zu beseitigen bzw. ihre Formierung zu verhindern und so die Selbststeuerung freizusetzen, war das, was Julien Offray de La Mettrie (1709-1751), Max Stirner (1806-1856) und Wilhelm Reich (1897-1957) von allen anderen Denkern abhob. Von daher Bernd A. Laskas Kürzel „LSR“. LSR ist die Aufklärung, ansonsten ist ausnahmslos alles die lebensfeindliche Reaktion.

In der Orgonomie taucht der Begriff „Über-Ich“ nur noch marginal als psychoanalytischer Restbestand auf („der Patient hat ein sadistisches Über-Ich“ und ähnliche Formulierungen). Reichs Mitarbeiter und späterer Biograph Myron Sharaf hat darauf hingewiesen, daß Reich ganz bewußt auf eine psychoanalytische Begrifflichkeit verzichtet hat, um sich vom Freudistischen Paradigma abzuheben. Ausgerechnet Reich, der als einziger das Über-Ich wirklich ernstnahm, hat diesen Begriff nicht mehr verwendet – eben weil er es als einziger ernst nahm. Ohne Elsworth F. Baker wäre heute der Begriff „Über-Ich“ (zusammen mit anderen psychoanalytischen Begriffen) in der Orgonomie tabu! Wenn’s nach seinem innerorgonomischen Kritiker Chester M. Raphael gegangen wäre, könnte man nicht mal mehr vom „Charakter“ sprechen.

In der Charakteranalyse legte Reich dar, daß das Über-Ich funktionell identisch mit der Panzerung ist (KiWi, S. 217-219). Er beschreibt zunächst wie das Ich zwischen dem Es und der Außenwelt vermittelt, indem es die frustrierende Außenwelt in sich aufnimmt und so das Über-Ich als Selbstbehauptungsmechanismus ausbildet. Kurz danach beschreibt Reich den Panzer als Schutzmittel gegen die Außenwelt, der sich ebenfalls aus den Elementen der Außenwelt aufbaut.

Das Über-Ich, sozusagen die psychologische Seite der Panzerung, ist demnach, genau wie die Panzerung selbst, ein Schutz gegen die Außenwelt: man paßt sich an, damit einen die feindliche Außenwelt nicht vernichtet. „Anpassung“ und „Autonomie“ schließen sich aber aus. Das Über-Ich ist in die Persönlichkeit inkorporierte Außenwelt und behindert die persönliche Autonomie. Durch die biophysiologische Panzerung (das tiefenpsychologische Über-Ich) wird aber nicht nur die Freiheit behindert, sondern auch das mit der Freiheit untrennbar verbundene Verantwortungsbewußtsein und die Rationalität! Rationalität bedeutet die Harmonie von einerseits innerer Triebnatur und andererseits gesellschaftlicher Organisation von Liebe, Arbeit und Wissen. Rationalität ist nichts anderes als die Harmonie der Funktionen.