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Max Stirner, Soter (Teil 2)

5. April 2025

Natürlich bleiben auch die Demütigen und Zurechtgebogenen stets nichts anderes als Egoisten – aber welche, die durch ihr instinktloses, tölpelhaftes, brutales Verhalten, dem Egoismus einen schlechten Leumund verschaffen. Aus diesem Grunde ist Stirner auch kaum für den „Normalo“ geeignet – der, verkorkst wie er ist, nur auf dumme Gedanken kommt. Immerhin: vielleicht wächst er ja über sich selbst hinaus – und lernt, seinen Kindern nicht das anzutun, was ihm selbst angetan wurde. Aber zurück zum Problem: Wie Perverse leben sich die instinktlosen Tölpel nicht ganz aus, sondern stets nur abgetrennte und deshalb groteske Teilaspekte ihres Daseins. Es ist ein „unfreiwilliger“ Egoismus, d.h. ein Egoismus, der sich selbst nicht als solchen (an)erkennt.

Gegen diese „Besessenen“ setzt Stirner den bewußten Egoisten, den „mit sich einigen Egoisten“ (Der Einzige, S. 286), der „sich selbst fühlt“ (Der Einzige, S. 302), zu sich gekommen ist, bei sich zu Hause ist (Der Einzige, S. 320), „Selbstgefühl“ (Der Einzige, S. 303). Bei Reich ist dieser „ganzheitliche“ (im Gegensatz zum innerlich zerrissenen, verkrüppelten, d.h. gepanzerten) Egoismus funktionell identisch mit voller Integration und dem freien Fließen der kosmischen Orgonenergie durch den Körper. Stirner spricht vom „unablässigen Fluten ihrer stündlichen Selbstschöpfung“ bei echten Egoisten, ihrer „zuckend und schauernd“ erfahrenen „seligen Passion einer unaufhörlichen Verjüngung und Neugeburt“ (Stirner: Parerga, Kritiken, Repliken, Nürnberg 1986, S. 92f).

Ohne diese innerliche Ganzheit ist nur eine in sich zerrissene, in sich widersprüchliche, impotente Aufmüpfigkeit gegen die bestehenden Verhältnisse möglich, die auf diese Weise schließlich doch immer wieder reproduziert werden (man betrachte die Geschichte Frankreichs oder Rußlands!), während das, was Stirner als „Empörung“ bezeichnet, aus innerer Souveränität fließt, die sich nicht aus dem Kampf gegen das Bestehende definiert, sondern den bestehenden Irrsinn mit Nichtbeachtung straft. Der Empörer entzieht dem Bestehenden den Lebenssaft, indem er es verläßt und sich über es erhebt (Der Einzige, S. 354).

Was Stirner damit meinte, kann man sich am ehesten anhand des Christentums vergegenwärtigen. Stirner vergleicht das christliche „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist“ mit den gleichzeitigen aufwieglerischen Bewegungen der Juden gegen die Fremdherrschaft. Jesus sei kein Revolutionär gewesen, sondern ein Empörer. Aus einer Veränderung der Zustände, sah er kein Heil erwachsen, stattdessen richtete er sich empor. „Er war gerade darum, weil er das Umwerfen des Bestehenden von sich wies, der Todfeind und wirkliche Vernichter desselben; denn er mauerte es ein, indem er darüber getrost und rücksichtslos den Bau seines Tempels aufführte, ohne auf die Schmerzen des Eingemauerten zu achten“ (Der Einzige, S. 355f). „Im ‚los‘ vollenden Wir die vom Christentum empfohlene Freiheit, im sündlos, gottlos, sittenlos usw.“ (Der Einzige, S. 173).

Man vermerkt es liberalerseits den ersten Christen übel, daß sie gegen die bestehende heidnische Staatsordnung Gehorsam predigten, die heidnische Obrigkeit anzuerkennen befahlen und ein „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist“ getrost geboten. Wieviel Aufruhr entstand doch zu derselben Zeit gegen die römische Oberherrschaft, wie aufwieglerisch bewiesen sich die Juden und selbst die Römer gegen ihre eigene weltliche Regierung, kurz wie beliebt war die „politische Unzufriedenheit“! Davon wollten jene Christen nichts wissen; wollten den „liberalen Tendenzen“ nicht beitreten. Die Zeit war politisch so aufgeregt, daß man, wie’s in den Evangelien heißt, den Stifter des Christentums nicht erfolgreicher anklagen zu können meinte, als wenn man ihn „politischer Umtriebe“ bezichtigte, und doch berichten dieselben Evangelien, daß gerade er sich am wenigsten an diesem politischen Treiben beteiligte. Warum aber war er kein Revolutionär, kein Demagoge, wie ihn die Juden gerne gesehen hätten, warum war er kein Liberaler? Weil er von einer Änderung der Zustände kein Heil erwartete, und diese ganze Wirtschaft ihm gleichgültig war. Er war kein Revolutionär, wie z.B. Cäsar, sondern ein Empörer, kein Staatsumwälzer, sondern Einer, der sich emporrichtete. Darum galt es ihm auch allein um ein „Seid klug wie die Schlangen“, was denselben Sinn ausdrückt, als im speziellen Falle jenes „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist“; er führte ja keinen liberalen oder politischen Kampf gegen die bestehende Obrigkeit, sondern wollte, unbekümmert um und ungestört von dieser Obrigkeit, seinen eigenen Weg wandeln. Nicht minder gleichgültig als die Regierung waren ihm deren Feinde, denn was er wollte, verstanden beide nicht, und er hatte sie nur mit Schlangenklugheit von sich abzuhalten. Wenn aber auch kein Volksaufwiegler, kein Demagog oder Revolutionär, so war er und jeder der alten Christen um so mehr ein Empörer, der über Alles sich emporhob, was der Regierung und ihren Widersachern erhaben dünkte, und von Allem sich entband, woran jene gebunden blieben, und der zugleich die Lebensquellen der ganzen heidnischen Welt abgrub, mit welchen der bestehende Staat ohnehin verwelken mußte. (Der Einzige, S. 355f)

Warum taucht Der Einzige und sein Eigentum in der Bibliographie von Reichs Buch über die Jesus-Geschichte, Christusmord 1953 auf? Weil Reich sich an die obige Stelle (Der Einzige, S. 355f), die er 1919/20 gelesen hatte und die man leicht überliest, nach Jahrzehnten erinnert? Kaum! Weil das Buch zu seiner Entwicklung gehört und deshalb in einem Buch genannt werden muß, das in der Reihe „Biographische Materialien“ erscheint? Kaum, denn dafür ist diese Bibliographie denn nun doch viel zu fixiert auf das Christusthema. Bleibt als Möglichkeit, daß Reich kurz vorher Der Einzige erneut gelesen hat. Ich weiß, daß ich wieder über alle zulässigen Grenzen hinaus spekuliere, aber was soll’s:

Die obige Stelle war die unmittelbare Initialzündung für Reichs Christusmord und die erneute Lektüre Stirners hat, ähnlich wie bei Carl Schmitt in der Kerkerhaft (siehe Bernd A. Laska: „Katechon“ und „Anarch“. Carl Schmitts und Ernst Jüngers Reaktionen auf Max Stirner), etwas mit Reichs damaliger Lebenskrise zu tun: „Alone“, ORANUR, die zerfallende Ehe, der Bruch mit Theodore Wolfe, Zeitzeugen zufolge hat sich Reich plötzlich vollkommen verändert, der Rückzug nach Maine, der angebliche Ausbruch seiner Psychose (Boadella et al.), Reichs Konfrontation mit dem Herztod, an dem er denkbar knapp vorbeischlitterte, etc. – damals ist etwas zerbrochen und dieser Bruch hat etwas mit der Stirner-Lektüre zu tun!

Das würde bedeuten, daß Reichs Leben sich zwischen zwei Stirner-Lektüren ausspannt. Vorspiel 1919/20: Stirner-Lektüre – im Drama 1923-1951 (von der Orgasmustheorie bis zum ORANUR-Experiment) wird das Stirner-Erlebnis verdaut, Palimpsests im Sinne Laskas aufgebaut und das „unterirdische“ LSR-Projekt weitergebracht – Finale: alles bricht zusammen, die ORANUR-Krise: Reich stellt fest, daß das „unnatürliche“ Irrationale einen Platz im Natürlichen hat – zerschmettert und desillusioniert findet der Held wieder Trost beim „Bruder Max“ seiner frühen Jahre: erneute Stirner-Lektüre – Christusmord. Nachspiel: „Ich bin ein Außerirdischer!“ – Zugegeben Spekulation.

Die große Marx-Verarsche der „Reichianer“

26. Mai 2024

Erstmal, ohne Friedrich Engels hätten wir nie und nimmer von Marx gehört! Er wäre, wenn überhaupt, ungefähr so bedeutsam wie Moses Hess oder Bruno Bauer – eine Fußnote der Sozial- und Philosophiegeschichte des 19. Jahrhunderts, mit der nur Spezialisten etwas anfangen können. Es war der Unternehmersohn und vierschrötige Lebemann Engels, der den weltfremden Marx zeitlebens ökonomisch über Wasser gehalten hat. Sogar eine nicht unbeträchtliche Anzahl der Artikel, die der „Journalist“ Marx verkaufte, hatte tatsächlich Engels geschrieben. Später war es Engels, der die frühe SPD finanzierte – unter der Bedingung, daß sie Marx als Partei-Ideologen akzeptierten. Engels hat nicht nur den die „Marxistische Weltanschauung“ erfunden, er war auch der erste Marxistische Apparatschik, der den gesamten Marx-Mythos künstlich fabrizierte.

Wie der ehemalige hochrangige „DDR“-Funktionär Hermann von Berg in den 1980er Jahren konstatierte, konnte Marx nur unter zwei Gruppen „wissenschaftlich“ reüssieren: erstens unter Historikern, die keine Ahnung von Ökonomie hatten, und zweitens Ökonomen, die keine Ahnung von dem tatsächlichen Entwicklungsstand der ökonomischen Wissenschaften Anfang und Mitte des 19. Jahrhunderts hatten. Beide konnten nicht einschätzen, daß Marx in der Wirtschaftslehre null Neuwert geschaffen hatte und nichts anderes als ein peinlicher Blender war. Insbesondere war in Friedrich Wilhelm Schulz‘ Buch von 1843, Die Bewegung der Production: eine geschichtlich-statistische Abhandlung zur Grundlegung einer neuen Wissenschaft des Staats und der Gesellschaft, alles zu finden, was ein Vieljahrhundert später Marx in seinem Kapital als wissenschaftliche Revolution verkaufen wollte. Nicht ohne Grund mußte er von seinen Anhängern und insbesondere Engels aus seiner Lethargie gerissen und praktisch gezwungen werden, endlich abzuliefern… Und zwar ein Produkt, das anfangs auf keinerlei Interesse stieß!

Von Berg hebt auch hervor, daß man sich von dem imposanten Umfang der Marx-Engelschen Gesamtausgabe nicht blenden lassen sollte, da Marx imgrunde nur drei Werke von Interesse verfaßt hat: Das Kommunistische Manifest von 1848, Das Kapital von 1867 und die Randglossen zum Parteiprogramm der SPD von 1875 – der Rest sind vollkommen vernachlässigbare Gelegenheitsschriften, Polemiken und, ähhh, Randglossen…

Mit dem Manifest fängt der Skandal schon an, denn knapp vier Jahre hatte sich der Nichtsnutz mit Ökonomie und Sozialismus beschäftigt und schon legte er die Summe seiner „Lebensarbeit“ vor, die er genau so auch hätte 30 Jahre später schreiben können. Die Ideologie war nicht Ausfluß seiner „wissenschaftlichen“ Bemühungen, sondern umgekehrt! Die Theorie des ganze zwei Jahrzehnte später erschienenen Kapitals hätte er bequem auf vielleicht 50 Seiten ausbreiten können – ohne irgendjemanden beeindrucken zu können. „Überzeugen“ tut einfach nur der Umfang, die alles erstickenden schier zahllosen Fußnoten und eine schlichtweg nicht nachvollziehbare Schreibe. Und was schließlich die „Randglossen“ zum Gothaer Parteiprogramm der SPD betrifft: die sind nicht ohne Grund erst posthum erschienen, denn sie sind wirklich nur Murx, den die Funktionäre der SPD nur peinlich berührt zur Kenntnis nehmen und beiseite legen konnten.

Das ist also der großartige Marx, mit dem linke „Reichianer“ die Orgonomen seit jeher plagen und als ignorante Idioten hinstellen wollen, die Reich gar nicht verstehen können.

Marx ist einfach nur Emotionelle Pest. Man nehme etwa das Ende von Das Elend der Philosophie von 1847, die Quintessenz des „Marxismus“ – sogar noch ein Jahr vor dem Manifest:

Inzwischen ist der Gegensatz zwischen Proletariat und Bourgeoisie ein Kampf von Klasse gegen Klasse, ein Kampf, der, auf seinen höchsten Ausdruck gebracht, eine totale Revolution bedeutet. Braucht man sich übrigens zu wundern, daß eine auf den Klassengegensatz begründete Gesellschaft auf den brutalen Widerspruch hinausläuft, auf den Zusammenstoß Mann gegen Mann als letzte Lösung? Man sage nicht, daß die gesellschaftliche Bewegung die politische ausschließt. Es gibt keine politische Bewegung, die nicht gleichzeitig auch eine gesellschaftliche wäre. Nur bei einer Ordnung der Dinge, wo es keine Klassen und keinen Klassengegensatz gibt, werden die gesellschaftlichen Evolutionen aufhören, politische Revolutionen zu sein. Bis dahin wird am Vorabend jeder allgemeinen Neugestaltung der Gesellschaft das letzte Wort der sozialen Wissenschaft stets lauten: „Kampf oder Tod; blutiger Krieg oder das Nichts. So ist die Frage unerbittlich gestellt.“ (George Sand)

Man vergleiche das mit der dezidiert antipolitischen sozialen Orgonomie Reichs… Seit weit über 40 Jahren beschäftige ich mich jetzt mit diesem Murx – und möchte mehr denn je jedem „Marxistischen“ „Reichianer“ „Mann gegen Mann“ höchstpersönlich die Fresse polieren! Die Chuzpe dieser verpeilten Ignoranten verschlägt mir nach all den Jahren immer noch den Atem.

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 115)

10. März 2024

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

In der normalen, d.h. triebgehemmten Neurose, wie Freud sie beschrieben hat, wendet sich das Ich gegen das Es. Beim triebhaften Charakter, wie ihn Reich beschrieben hat, wendet sich das Ich gegen das Über-Ich.

Freud war gegen die „Kämpfer gegen das Über-Ich“ (der frühe Ferenczi, Gross, Reich), weil er – nicht ganz zu unrecht – ein solches Vorgehen mit dem Untergang von (nicht nur dieser, sondern aller) Kultur, Zivilisation und aller Menschlichkeit assoziierte.

Das besondere an Reich ist nun, daß er diese rationale Gegenposition Freuds unterlaufen hat, indem „ausgerechnet“ er jenen Charakter, nämlich den triebhaften Charakter, untersucht hat, der genau das verkörpert, was Freud befürchtet hat: „revolutionäres Chaos“.

Worauf beruht der untherapierbare triebhafte Charakter? Auf einer inkonsequent durchgeführten „Revolution“. Man kann die Kinder nicht „ein bißchen“ frei erziehen, sondern es gibt nur die Alternative zwischen ganz frei (–> genitaler Charakter) oder ganz repressiv (–> neurotischer Charakter). Entweder ganz „LSR“ oder gar kein „LSR“! [ = Liquidation des Super-Ego, radikal!]

Freud und die Freudianer haben sich dieser Alternative entzogen und haben sich für ein bißchen Freiheit und ein bißchen Repression entschieden – was letztendlich (man betrachte nur die bis vor etwa 50 Jahren von der Psychoanalyse dominierten USA) zu einer Generation von triebhaften Charakteren führte: Freud mit seinem dilettantischen Pseudo-„LSR“ (Freud als angeblich radikaler Aufklärer!) ist also letztendlich für das verantwortlich, weswegen er Ferenczi, Gross, Reich sozusagen prophylaktisch angegriffen hat.

Um diese Dialektik geht es mir: das oberflächlich Rationale bei Freud, als er „LSR“ angriff – das abgrundtief Irrationale bei Freud, als er „LSR“ angriff – und Reichs absolut unangreifbar rationale Position. Reich war der einzige, der kein Quacksalber, Scharlatan und gemeingefährlicher Narr war.

Reich vs. Freud ist nicht nur irgendeine obskure intellektuelle Beschäftigung:

  1. Ohne eine geregelte Abpanzerung kommt es zum vollkommenen Desaster: „entweder die guten alten Zeiten“ oder „freedom, not licence“ – aber eben keine „licence“.
  2. Ohne eine geregelte Entpanzerung kommt es zum vollkommenen Desaster: Charakteranalyse statt wilder Psychoanalyse, Lowensche „Bioenergetik“, etc.
  3. Es gibt nur einen einzigen Weg zu einer wirklichen Veränderung der Gesellschaft: die Freiheitskrämer ausschalten.

Und selbst da wo Freud recht hatte: Wäre es wenigstens ein konsequenter Reaktionär gewesen! Aber nein, er mußte den Aufklärer spielen und sozusagen eine Teilmenge von LSR loslösen und unter die Leute bringen, was zweierlei Effekt hatte:

  1. erstens konnte er Reich damit blenden, der den „wahren Freud“ vertreten wollte; und
  2. hat Freud genau als das gewirkt, was er „Ferenczi, Gross, Reich“ vorhielt: als Zersetzer der Kultur, der mit einem Pseudo-LSR die Gesellschaft in Richtung „triebhafter Charakter“ trieb.

Mein Argument ist, daß Reich schon 1925 für Disziplin stand und eine „konservative“ Herangehensweise: verkörpert durch die Charakteranalyse. Im Vergleich dazu war Freud der „wilde Analytiker“. – In anderer, nämlich „politischer“ Hinsicht, war zu dieser Zeit Reich der „zu wilde“, was er später ja auch einsah und Freud recht gab. – Das hört sich widersprüchlich an, ist aber ganz einfach und, wie ich finde, einleuchtend.

Nehmen wir doch nur mal die Stracheys, die Reich in Berlin hörten, als er über den triebhaften Charakter sprach (siehe https://nachrichtenbrief.com/2022/10/06/erganzung-zum-24-kapitel-freuds-christusmord-meines-buches-der-verdrangte-christus-bd-1/) – wozu ich Laska schrieb: „Sicherlich haben Sie recht, wenn Sie behaupten, daß diese ‚DMF-Freudianer‘ sofort spürten, daß Reich ein ganz schlimmer LSR-Finger ist, gegen den ‚die Kultur‘ zu verteidigen sei, etc. – gleichzeitig waren die Stracheys aber auch ein schwul-lesbisches ‚Ehepaar‘, das vieles von dem verkörperte, was Reich mit dem Begriff ‚triebhaft‘ umrissen hatte. (BTW: Für Reich war Homosexualität eine schwere Krankheit, für Freud war sie es nicht – und so in vielem: in vielem war im Verhältnis SF/WR Freud der ‚Liberale‘.)“ [DMF ist das Gegenteil von LSR und steht für Diderot, Marx, Freud.]

Ich verweise auf Reichs schematische Gegenüberstellung von triebgehemmten und triebhaften Charakter (Frühe Schriften, S. 321f):

Zwangsneurose

  1. Manifeste Ambivalenz
  2. Reaktive Wandlung der Ambivalenz
  3. Strenges, ins Ich eingebautes Über-Ich
  4. Starke Verdrängung und Reaktionsbildung
  5. Sadistische Impulse mit Schuldgefühl verknüpft
  6. Charakter übergewissenhaft, asketische Ideologien
  7. Das Ich unterwirft sich dem Über-Ich

Triebhafter Charakter

  1. Manifeste Ambivalenz
  2. Keine reaktive Wandlung oder überwiegender Haß
  3. Isoliertes Über-Ich
  4. Mangelhafte Verdrängungen
  5. Sadistische Impulse ohne Schuldgefühl
  6. Charakter gewissenlos, Sexualität manifest, das entsprechende Schuldgefühl eventuell in neurotischen Symptomen verankert oder total verdrängt
  7. Das Ich steht beiderseits ambivalent zwischen Lust-Ich und Über-Ich, de facto Gefolgschaft nach beiden Seiten

Freuds Ideal war die organische Verschmelzung von Ich und Über-Ich (= das gehemmte Ich). Reichs Ideal war das vom Über-Ich befreite Ich (= das ungehemmte Ich). Und er wußte etwas, was Freud nicht wußte: das der triebhafte Psychopath (z.B. der „Generalpsychopath“ Adolf Hitler) entgegen allem Anschein erst recht vom Über-Ich versklavt ist – und daß ein Gutteil seiner (Reichs) psychoanalytischen Kollegen selbst solche Psychopathen waren und Psychopathen erzeugten. Das hat, wie erwähnt, viel vom Gegensatz LaMettrie/DeSade bzw. Stirner/Marx (der „Satanist Marx“).

Heute, in einer von Diderot („liberale Aufklärung“), Marx („Gerechtigkeit = Gleichheit“) und Freud („polymorph-perverse Toleranz“) geprägten Gesellschaft bilden wir uns ein, uns vom Über-Ich zu befreien – in Wirklichkeit geraten wir erst recht in seine Fänge.

Freiheitskrämer sind jene, die polit- und „sexual“-revolutionär gegen das Über-Ich ankämpfen. Sie sind zu bekämpfen, wenn es überhaupt irgendeine Hoffnung geben soll, sich vom Über-Ich zu befreien! Deshalb war Freuds Opposition gegen Reich nicht nur irrational! Deshalb sind konservative Feldzüge nicht nur irrational.

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 86)

5. November 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Immer wieder liest man, daß die Religion die schlimmste Geißel der Menschheit sei und wir glücklich wir doch wären, gäbe es diesen mörderischen Aberglauben nicht. Es ist leider etwas vertrackter, als sich das linke Träumer ausmalen, denn selbst wenn die „Freiheit von der Religionsfreiheit“ bestünde, d.h. Atheismus im Sinne, daß kein Über-Ich mehr implantiert wird, fängt das Elend erst wirklich an. Einfach weil es immer Restbestände der alten über-ich-igen Welt geben wird, die wie unwiderstehliche Kristallisationskeime für die lebensfeindliche Reaktion wirken. Das hat ja Stirner selbst gesagt: „unsere Atheisten sind fromme Leute“. Oder etwa, kaum ist die sexuelle Freiheit gegeben, fangen die Leute an mit ihrer „Geschlechtsidentität“ zu experimentieren (manche mit ausdrücklichem Verweis auf Stirner!). Das ist wie bei der Hysterikerin; an sich ein genitaler Charakter, der aber aus Angst vor der Genitalität wirklich alles und jedes „genitalisieren“ kann – nur halt nicht die Genitalität selbst.

Mit anderen Worten: jede Revolution mündet in die Reaktion. Ganz platt „Angst vor der Freiheit“ und deshalb Flucht zurück in noch mehr, in verschärfte Unfreiheit. In diesem Sinne muß auch jede Aufklärung scheitern. Worauf die Katholen, beispielsweise „Pater Brown“, schon immer triumphierend verweisen konnten: der Glauben verschwindet und dafür zieht der pure Aberglaube ein.

Die Lösung kannte Reich aus seiner psychotherapeutischen Praxis: die langsame Akklimatisierung an die gewonnene Freiheit. Evolution. Was natürlich im gesellschaftlichen Feld bedeutet, daß sich die Aufklärung niemals wird durchsetzen können, weil alles so langsam vor sich geht, daß sich die Gegenaufklärung bequem wird durchsetzen können und sich wirklich gar nichts ändert.

Es bleibt dann nur, gemäß Reichs ursprünglichem „Leninismus“, eine Art „Wächterrat“, der das Projekt Aufklärung doch noch am Leben erhält, d.h. den besagten Akklimatisierungsprozeß am Leben erhält, einfach indem er ein Stachel im Fleisch bleibt. Und genau das ist der gesellschaftliche Ort des LSR-Projekts – meiner Meinung nach.

Nach außen hin, mag das wie der ultimative Idealismus aussehen, doch wie Reich, sagte geht aus jedem Sein ein Sollen hervor, aus jeder gegebenen Frage nur eine einzige Antwort. Das ist kein Idealismus, das ist Pragmatismus. Jeder Apfel fällt den „idealen“ kürzesten Weg vom Baum auf die Erde. Alles andere ist Unsinn. Genauso ist alles Unsinn, was nicht LSR entspricht.

Reich im Kampf gegen den Nihilismus des Westens (Teil 3: Linke Pestratten aus der Hölle)

26. Oktober 2023

Die Neue Linke, etwa die „Frankfurter Schule“ oder Saul Alinsky, glaubte nicht mehr an eine Revolution mit Waffengewalt, sondern an das schrittweise Zersetzen des kapitalistischen bzw. neuerdings des „patriarchalischen“ Machtgefüges über viele Generationen hinweg. Es galt die Bildungseinrichtungen, die Medien und die politischen Ämter allmählich zu infiltrieren und sie langsam aber sicher in Marxistische Transformationsagenturen umzuwandeln. Man schaue sich heute die humanwissenschaftlichen Fakultäten an, selbst in den naturwissenschaftlichen geht es nur noch um ideologische Vorgaben („Klima“); man denke an die Rotstrahlung, die von ausnahmslos allen Medien ausgeht, und die Tatsache, daß, egal was immer du wählst, du von den Grünen (Bolschewisten) regiert wirst.

Es ist die Ausbreitung der Emotionellen Pest. Genuin „links“ wird sie dadurch, daß alles über den Kopf geschieht, gemäß der okularen Pathologie, die die Linke kennzeichnet. Alles ist zerebral und „ideologisiert“. Alles dreht sich um „Bildung“ und „Anleitung von oben“, um „ideologische Zersetzungsarbeit“. Nichts ist bodenständig gewachsen, organisch, „basisdemokratisch“ – um einen eigenen Begriff dieser Pestratten zu verwenden.

Reich hatte mit seinem Projekt „Kinder der Zukunft“ formal einen ähnlichen Ansatz, was die Generationenfolge betrifft, doch ging es ihm nicht um Ideologie und die Indoktrination neuer „Bildungsinhalte“, d.h. um die Ersetzung des alten Über-Ich durch ein neues Über-Ich, sondern ganz im Gegenteil um die schrittweise Freilegung der naturgegebenen Eigenheit eines jeden Kindes durch das systematische Ausradieren des Über-Ich. Es geht darum der Natur zu folgen und nicht irgendwelche Kopfgeburten durchzusetzen. Beispielsweise steht bei der Rolle der Frau nicht eine abstrakte „Emanzipation“ (Angleichung an den Mann) im Vordergrund, sondern das Interesse des Kindes, das ohne engen orgonotischen Kontakt zur Mutter emotional so verkrüppelt, daß die Errichtung einer neuen, freieren Gesellschaft von vornherein ausgeschlossen ist. Die Linke hingehen lebt explizit, man denke nur an Herbert Marcuse, von derartigen Seelenkrüppeln. Sie sind ihr neues „revolutionäres Subjekt“.

Apropos Kinder der Zukunft: Shannon Cofrin Gaggero, Mutter von zwei Kindern (2 und 4), schreibt im Internet unter der Überschrift „Preserving My Children’s Innocence Is An Act Of Preserving White Supremacy“ über ihre progressiven Erziehungsmethoden. Zu Beginn spricht sie von ihrem natürlichen Instinkt ihre Kinder zu beschützen, aber, nein, sie will ihre Kinder opfern. Denn von selbst würden ihre privilegierten Kinder nicht von rassischer und klassenmäßig bedingter Ungerechtigkeit betroffen sein. Gegen die Redewendung: „Laßt Kinder, Kinder sein“, wendet sie ein, daß nicht allen Kindern dieses Privileg zuteil wird. Ihre Kinder sollen lernen, daß es Ungerechtigkeit gibt. Sie müssen die „Funktionsweise von Unterdrückungssystemen“ kennenlernen. „Die Benennung der Rasse und der Ungerechtigkeit mit meinen Kindern sind direkte Maßnahmen, die ich jetzt ergreifen kann, um die weiße Vorherrschaft zu überwinden. Ich möchte nicht länger ihre Unschuld bewahren, da dies den Status quo bewahrt. (…) Wie sehen Sie das? Sind Sie bereit, damit aufzuhören, die Unschuld Ihres Kindes zu bewahren, und damit zu beginnen, die weiße Vorherrschaft abzubauen?“

Peters epochemachendes 10 Punkte-Programm für die Neue Rechte

10. Oktober 2023

1. Das Subjekt der Geschichte sind weder Klassen noch „Rassen“ (Ethnien, Nationen), sondern alle Arbeitenden, egal ob sie im Hamburger Hafen Container verladen oder als „Kapitalisten“ eine Firma für Logistiksoftware gegründet haben. Daß es im Arbeitsprozeß reale „Klasseninteressen“ (etwa gegen eingeschleuste nichtarbeitende Parasiten) gibt und Menschen mit dem gleichen ethnischen Hintergrund reibungsfreier zusammenarbeiten können, ist unbenommen.

2. Das Konzept der „Emotionellen Pest“, die immer dann vorliegt, wenn sich bei einer Handlung das vorgegebene Motiv nicht mit dem eigentlichen Motiv deckt („Verraten durch einen Kuß“): sie ist sowohl für die angeblich „humanistische Massenmigration“ als auch für die Spaltungen unter jenen verantwortlich, die dagegen etwas tun wollen – das vorgegebene Motiv deckt sich nicht mit dem eigentlichen Motiv deckt.

3. Die Massenpsychologie grundsätzlich jedweden …ismus: die Massen sind freiheitsunfähig, so daß jede Revolution kontraproduktiv sein wird, Es kann nur eine „Empörung“ im Sinne Stirners geben, durch die man sich selbst verändert (die „Prepper“ sind ein schönes Beispiel).

4. Ein Metamodell der Politik: das Dreischichtenmodell und die daraus abgeleitete soziopolitische Charakterologie, die die Forschung neuerdings immer und immer wieder bestätigt. Die politische Einstellung ist Teil der individuellen biologischen Struktur!

5. Reichs Sexualökonomie bietet eine Alternative zur allgemeinen Dekadenz, die im Kern nichts anderes als sexuelle Perversion ist.

6. Eine Utopie: das Ende des Muckertums und der Domestizierung, die Kinder der Zukunft – befreit vom Über-Ich.

7. Lebenspraxis: die „Arbeitsdemokratie“ als Kern und gleichzeitiges Korrektiv des Anarcho-Kapitalismus – entsprechend Stirners Verein als Kern und Korrektiv der „Gemeinschaft“.

8. Eine Denkmethode, die nach dem Gemeinsamen von Gegensätzen sucht und auf diese Weise die Kategorien der Wirklichkeit anpaßt, Kategorien sinnvoll ordnet, Kategorienfehler beseitigt, d.h. Klarheit schafft.

9. Die Entdeckung des Orgons, die, da dessen Funktionsgesetze auf allen Größenebenen und in allen Funktionsbereichen identisch sind, es erlaubt, jeweils nicht gegen, sondern mit „dem Fluß des Leben“ zu arbeiten.

10. Das Konzept der „Gegenwahrheit“: beispielsweise ist Politik an und für sich irrational, aber wir verurteilen uns zur Randexistenz einer folgenlosen Fundamentalopposition, wenn wir nicht einsehen, daß man immer abwägen muß zwischen weniger schlimm (AfD) und ganz ganz ganz schlimm (beispielsweise CDU). Mit den unsterblichen Worten Dr. Helmut Kohls: „Wichtig ist, was hinten rauskommt!“

Das Jüngste Gericht begann 1960 (Teil 3)

21. März 2023

Die Progressiven in der autoritären Gesellschaft waren vorwiegend kulturkritisch, d.h. es wurde das „geistige Schicksal des Menschen“ gerungen, wobei die Gesellschaft als „idealistische“ Ganzheit betrachtet wurde. In der antiautoritären Gesellschaft geht es dann vorwiegend um gesellschaftskritische Fragen, d.h. um „materialistische“ Konflikte, die die besagte „Ganzheit“ als Illusion entlarven. Mit anderen Worten geht es um Subversion! Der Übergang von der einen „Kritik“ zur anderen fällt in die 1960er Jahre.

Genauso wie es in der „kulturkritischen Periode“ nie darum ging irgendetwas tatsächlich grundlegend zu verändern, sondern, um mit Reich zu reden, die Falle immer wieder von neuem zu dekorieren („die Kultur geht vor!“), geht es in der heutigen „gesellschaftskritischen Periode“ nicht um die tatsächliche „Emanzipation“ irgendwelcher vermeintlich benachteiligter gar unterdrückter Gruppen, sondern einzig und allein um die Spaltung der Gesellschaft, um der Spaltung an sich. Es müssen Zeichen gesetzt, d.h. immer neue spaltende Frontlinien gezeichnet werden.

Tatsächlich ist die Revolution der 1960er Jahre nichts anderes als der klägliche Versuch einer sexuellen bzw. biologischen Revolution. Alte, überkommene Strukturen sollten aufgebrochen werden, doch verursachte dieser chaotische Versuch eine derartige Angst, eine bioenergetische Panik, daß sich seitdem die Gesellschaft selbst zerstört. Selbst die Definition von Kategorien wie „Deutscher“ oder „Frau“ wird zunehmend unmöglich, da dieser Verweis auf Identität, Eigenheit, Einheit und Natürlichkeit einen derartig starken bioenergetischen Spannungszustand hervorruft, daß sofort alles getan wird, die „Gesellschaftskritik“ immer weiter bis zu den absurdesten Konsequenzen voranzutreiben. All die sich selbstverstümmelnden Borderliner-Monster, die heute unsere Städte bevölkern, sind der sinnfällige Ausdruck der „woken“ Gesellschaftskritik.

Peter liest die kommentierte Neuauflage der Originalausgabe von Reichs MASSENPSYCHOLOGIE DES FASCHISMUS (Teil 5)

6. Januar 2023

In der Ausgabe der Massenpsychologie des Faschismus von 1933 heißt es:

Wenn revolutionäre Propaganda die kardinale Aufgabe hat, das Proletariat zu „entnebeln“, so kann das nicht einfach dadurch geschehen, daß man an sein notabene unentwickeltes bzw. unreines Klassenbewußtsein appelliert, auch nicht allein dadurch, daß man ihm die objektive ökonomische und politische Lage ständig vor Augen führt, gewiß nicht allein dadurch, daß man den an ihm geübten Betrug ständig entlarvt. Die allererste Aufgabe der revolutionären Propaganda ist die verständnisvollste Rücksichtnahme auf die Widersprüche im Arbeiter, auf die Tatsache, daß nicht etwa ein klares Klassenbewußtsein überdeckt oder vernebelt ist, sondern daß die das Klassenbewußtsein bildenden Elemente der psychischen Struktur teils unentwickelt, teil durchsetzt mit gegenteiligen kleinbürgerlichen Strukturbestandteilen sind. Das Herausdestillieren des Klassenbewußtseins der breiten Massen ist wohl die Grundaufgabe der Propaganda. (Reich 1933, S. 74)

In der Ausgabe von 1945, bzw. in deren deutschen Manuskript, wurde das vorsichtig korrigiert:

Wenn die revolutionäre Propaganda die kardinale Aufgabe hatte, „das Proletariat zu entnebeln“, so konnte das nicht einfach dadurch geschehen, daß man an sein „Klassenbewußtsein“ appellierte, auch nicht allein dadurch, daß man ihm die objektive ökonomische und politische Lage ständig vor Augen führte, gewiß nicht allein dadurch, daß man den an ihm geübten Betrug ständig entlarvte. Die allererste Aufgabe der revolutionären Propaganda wäre die verständnisvollste Rücksichtnahme auf die Widersprüche im Arbeiter gewesen, auf die Tatsache, daß nicht etwa ein klarer revolutionärer Wille überdeckt oder vernebelt war, sondern daß das Revolutionäre in der psychischen Struktur teils unentwickelt, teils mit gegenteiligen reaktionären Strukturelementen durchsetzt war. Das Herausdestillieren der revolutionären Gesinnung der breiten Massen ist wohl die Grundaufgabe bei der Freilegung ihrer gesellschaftlichen Verantwortlichkeit. (Fischer TB, S. 79f)

Das „Kleinbürgertum“ wird durch „das Reaktionäre“ ersetzt, das „Klassenbewußtsein“ durch „revolutionäre Gesinnung“ und dabei an die „gesellschaftliche Verantwortung“ appelliert. Es geht, wie es in der Übersetzung von T.P. Wolfe so schön heißt, um „liberating their social responsibility“. Man sieht hier unmittelbar, wie hinter der Marxistischen Ausdrucksweise von 1933 sich ein sozusagen „charakteranalytischer“ Ansatz verbarg (sozusagen die Freisetzung genitaler Strebungen, die aufgrund der Sexualmoral mit prägenitalen Anteilen versetzt sind, was zu paralysierenden Widersprüchen führt), der gleichzeitig auf die Welt der Arbeitsdemokratie vorverweist, mit der Freisetzung des bioenergetischen Kerns und der funktionellen Harmonie von Freiheit („Revolution“) und gesellschaftlicher Verantwortung.

Reich hat nichts gegen „Wertungen“:

Die bürgerliche akademische Forschung fordert die Trennung von Sein und Sollen, Erkennen und Handeln. Sie dünkt sich daher „unpolitisch“, der Politik disparat. Die Wissenschaft der Logik behauptet sogar, daß sich aus dem Sein niemals das Sollen ableiten lasse. Wir erkennen darin eine Beschränkung, die den Zweck hat, sich ungestört akademischer Forschung hingeben zu können, ohne auch die Konsequenzen, die jeder ernsthaften wissenschaftlichen Einsicht innewohnen, ziehen zu müssen, Konsequenzen, die regelmäßig fortschrittlich, sehr oft umstürzlerisch sind. Für uns geht die Bildung theoretischer Ansichten nicht nur aus den Notwendigkeiten des lebendigen Lebens, aus dem Zwange, praktische Probleme unseres Daseins zu lösen, hervor, führt die theoretische Ansicht nicht nur zu neuem, besserem, angepustetem Handeln und Bewältigen der praktischen Aufgaben; mehr, eine Theorie gewinnt für uns nur dann Wert, wenn sie sich in der Praxis und durch sie bestätigt. Alles andere überlassen wir den Jongleuren des Geistes, den Hütern der bürgerlichen „Werte“ordnung. (Reich 1933, S. 159)

„Wertungen“ werden zwar auch von der „nationalsozialistischen Mystik“ vorgenommen, doch Reich leitet sie „aus den Bedingungen des gesellschaftlichen Prozesses [ab], der als ‚Niedergang‘ einer Kultur in Erscheinung tritt, um die vorwärtsdrängenden und die bremsenden Kräfte zu erkennen, die Erscheinung des Niedergangs als historisches Ereignis zu begreifen und nicht zuletzt die Keime der neuen Kulturformen zu sichten, denen wir dann zur Geburt verhelfen“ (S. 90f). Das entspricht weitgehend der Charakteranalyse, wo es darum geht die prägenitalen Anteile von den genitalen zu scheiden und den letzteren zum Durchbruch zu verhelfen. Daß das nichts mit Marxismus zu tun hat, sieht man etwa an der heutigen Gender- und Transgender-Diskussion, wo Linke praktisch immer geradezu automatisch für die prägenitalen Strebungen plädieren, weil die auf abstrakte Weise „progressiv“, d.h. gegen das Überkommene sind.

Heute, in der antiautoritären Gesellschaft, kann der, wenn man so will, „Reich’sche Massenpsychologe“ nur auf Seiten der AfD stehen. Und das nicht, weil sich die Orgonomie seit 1933 großartig geändert hätte, sondern weil heute die Schweinerei größtenteils links steht.

Freiheit und Verantwortung (Schlußbemerkung)

1. Januar 2023

Praktisch alle Menschen in höheren Positionen, seien es Beamte oder Angestellte, leiden unter einer Persönlichkeitsstörung. Sie sind in diese ihre hohe Position nicht etwa durch Leistung gelangt, sondern durch ihr Intrigieren, ihr nach oben Buckeln und nach unten Treten, ihr über Leichen Gehen. Sie sind wie psychopathische Serienmörder, für die ihre Mitmenschen bloße Pappschablonen sind, die man nur beachtet, wenn sie einem nützlich sind, und die man beseitigt, sobald sie einem im Wege stehen. Die wenigen, die geistig normal sind, können ihre hohe Position nur halten, wenn sie ihre Gedanken für sich behalten und ein Doppelleben führen, bei dem ihre gesunden, rationalen Anteile wie eingekapselt sind. Wer auch nur etwas Einblick in den Staatsapparat, die Verwaltung und das Arbeitsleben in Konzernen hat, weiß wovon ich rede!

Noch schlimmer sind vielleicht diejenigen Menschen, die „aufgewacht“ sind, und instinktiv merken, daß diese Gesellschaft zutiefst krank ist, d.h. von der Emotionellen Pest regiert wird. Sie sind von den Psychopathen an den Schalthebeln leicht manipulierbar. Man denke nur an die bis vor kurzem fanatisierten „Masken- und Impfaktivisten“, die „Klimaaktivisten“ oder die „Genderaktivisten“ oder, wenn wir zum irren Rand blicken, die „Q-Anhänger“ oder Flacherdler. Sie, die typischen gutmütigen Opfer, werden von den beschriebenen hochstehenden Psychopathen benutzt, um erstens eine Agenda durchzusetzen (etwa den Great Reset) und um zweitens den Widerstand gegen diese Agenda mit vermeintlich „okkulten Wahrheiten“ zu fluten, die eine rationale Auseinandersetzung unmöglich machen. Wer herrschen will, muß vor allem die Opposition gegen seine Herrschaft beherrschen!

Was tun? Die Emotionelle Pest hat zwei Gegner: die Aufklärung, d.h. das Böse ans Licht Bringen, und die Arbeitsdemokratie, d.h. das Gute, ohne das nichts überlebensfähig wäre. Das bedeutet schlicht, daß man immer und immer wieder die Mechanismen, die Funktionsweise der Pest aufdeckt. Und zweitens gilt es auf unterer und lokaler Ebene die rationalen arbeitsdemokratischen Beziehungen stets von neuem herzustellen, wenn sie durch die Pest in Unordnung gebracht worden sind. Ein Umsturz oder eine Revolution bringen rein gar nichts, da über kurz oder lang doch nur wieder die Psychopathen an die Macht drängen und die faschistischen Obskurantisten jede rationale Regung lahmlegen werden. Nur Liebe, Arbeit und Wissen können uns retten, sonst nichts!

Dr. Batkis und Dr. Reich (Teil 1)

29. Mai 2022

Im folgenden werde ich in drei Teilen Auszüge (der Anfang und das Ende) von Die Sexualrevolution in Rußland von Dr. Batkis, Dozent am sozialhygienischen Institut in Moskau aus dem Jahre 1925 vorstellen. Übersetzung aus dem russischen Manuskript von Stefanie Theilhaber. Das ganze erschien in der Reihe BEITRÄGE ZUM SEXUALPROBLEM herausgegeben von Dr. Felic A. Theilhaber als Heft IV. Es erschienen in dieser Reihe insgesamt 20 Hefte im anarchistischen Verlag Der Syndikalist, Fritz Kater.

Die ersten beiden hier präsentierten Ausschnitte lassen erkennen, warum Reich sich 1927/28 voll Begeisterung dem Kommunismus zuwandte, der letzte Teil kündigt aber bereits die Sexualreaktion des Stalinismus an. (Der Rest des Heftes beschäftigt sich mit dem Kleinklein der Sowjetgesetzgebung insbesondere Ehe- und Abtreibungsrecht.)

Reich kannte diese Broschüre. Jedenfalls erwähnt er sie in Die sexuelle Revolution als „Die sexuelle Revolution in der Sowjetunion“ in Zusammenhang mit der Abtreibungsfrage und der Ehegesetzgebung.

Die Sexualrevolution in Rußland

Die heutige Sexualgesetzgebung der Sowjetrepubliken ist das Werk der Oktoberrevolution. Diese Revolution ist nicht nur als politische Erscheinung, sofern sie dem Proletariat die politische Diktatur sicherte, von Wichtigkeit. Die von ihr ausstrahlenden Umwälzungen erstrecken sich auch auf das übrige Leben.

Ihr Befreiungswerk eröffneten die Führer der Revolution nicht damit, daß sie mutig und entschlossen sich der Fesseln der alten Gesetze und Einrichtungen entledigten und mit einer Proklamation großer und geschwollener Prinzipien den Umsturz einleiteten. Denn leicht stürzen Prinzipien bei einem Zusammenstoß mit dem Alltag, mit der Wirklichkeit, wie Kartenhäuser zusammen. Dafür ist die Geschichte der ersten französischen Revolution das lehrreichste Beispiel, wo Stubenluft und graue Theorie für ihre Einrichtungen und Gesetze Gevatterschaft standen.

Die soziale Gesetzgebung der russischen kommunistischen Revolution will kein Produkt reiner Kathederweisheit sein, sondern stellt einen Niederschlag des Lebens dar. Erst nach der erfolgten Umwälzung, nach dem Triumph der Praxis über die Theorie, trachtete man nach neuen, festen Bestimmungen einer ökonomischen Ordnung. Damit wurden auch Formen für die Einrichtung des Familienlebens und für die Gestaltung der sexuellen Beziehungen gemäß den Nöten und den natürlichen Erfordernissen des Volkes geschaffen.

Die zaristische Gesetzgebung bestand aus mehreren Bänden, in denen grenzenloser Despotismus, Sanktionierung der Willkür, der Gewalttätigkeit und der Versklavung des Weibes die Grundnote abgaben.

Das alte russische Ehe- und Familienrecht war der Abklatsch des allgemeinen Systems, das auch in politischer und ökonomischer Beziehung das System der Bedrückung war.

Die Auffassung und Wahrnehmung der Familie als, einer Privatangelegenheit, die unbegrenzte Machtbefugnis des Hauptes der Familie über alle Familienmitglieder, nach dem Vorbild der römischen Paterfamilie, das Anführen verschiedener unwissenschaftlich kanonischer Gesetze mit religiöser kirchlicher Moral, die die Frau als das „Gefäß des Teufels“ bezeichnen, vollkommene Ignorierung der natürlichen Verhältnisse, – das waren die charakteristischen Seiten dieser zaristischen Gesetzgebung.

„Die Frau muß ihren Mann fürchten“, jene Redensart, die während der Eheschließung in der rechtgläubigen Kirche der Frau mit auf den Lebens- und Eheweg gegeben wurde, war das grundlegende Motiv jener Gesetze. Ähnlich war auch die Lage der Kinder in der Familie. Der Teil der Gesetzgebung, in dem die entsprechenden Gesetze niedergeschrieben waren, trug die charakteristische Überschrift „Über die Macht der Eltern“.

Die uneheliche Mutterschaft, fast ohne Schutz, die Abtreibung mit Zwangsarbeit bestraft, grenzenlose Exploitation der Frauen-und Kinder-Arbeit, die sinnlose Einmischung der Gesetze und Beschnüffelung des persönlichen, intimen sexuellen Lebens unter der Maske der Besorgnis für die öffentliche Sittlichkeit einerseits und andererseits das begünstigende Einwirken auf die Verbreitung der Prostitution zu derselben Zeit – das waren die weiteren Tendenzen dieser Gesetzgebung.

Die breiten Volksmassen, insbesondere die Bauern waren vollkommen unter dem Einfluß der unwissenden Geistlichkeit und der Amtsbehörden.

Die Geistlichkeit lehrte jahrhundertelang die Bauern den Glauben an die teuflische Herkunft des Weibes, das aus der männlichen Hüfte zur Lust des Mannes geschaffen worden ist, und sie nährte den Glauben an die göttliche Autorität dieser wahrhaft teuflischen Gesetze.

Die Arbeiter und die Bauern, ewig unterdrückt, ewig erniedrigt im politischen und ökonomischen Leben, hatten nur eine einzige Möglichkeit, wo sie die Herren sein könnten, ein einziges Feld, wo sie anderen unter der Gönnerschaft von Gott und Gesetz ihre unbegrenzte Macht fühlen lassen konnten. Dieses Feld war ihre eigene Familie, diejenigen, auf die sich ihre Macht erstreckte waren ihre Weiber und ihre Kinder.

Seit langem schon erklärten die vorgeschrittenen Arbeiter und Bauern und die freiheitlichen intelligenten Elemente der russischen Gesellschaft, daß sie Feinde dieser mittelalterlichen Normen seien. Normen, die die freie Entwicklung der Gesellschaft und des Individuums hemmten, Normen, die im dauernden Widerspruch zu der Wirklichkeit standen.