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Peter Töpfer (Teil 9)

28. November 2025

Wir sind endlich bei dem alles krönenden, Mitte dieses Jahres erschienenen Hauptwerk Peter Töpfers angelangt: Max Stirner und die Tiefenwahrheit als post-psychotherapeutisches Selbstermächtigungsverfahren (Bernd A. Laskas LSR-Projekt und die Weiterentwicklung der im Kognitiven, Affektiven und Korporellen operierenden Neuen Aufklärung).

Das Buch hebt mit der Aussage an, beim LSR-Projekt ginge es „um die fundamentalsten Dinge unseres Lebens (…) – das Totalprekariat der menschlichen Existenz –, auf die die Gegenaufklärung mit einer Rückwendung zum Transzendenten glaubt antworten zu können“ (S. 18). Nein, geht es nicht! Es geht Laska nicht um die „menschliche Existenz“, mit der ist alles in Ordnung, es geht nicht um das Sein und das Nichts, sondern um die jeweilige prekäre individuelle Existenz in einer durch die individuelle Implementierung eines „irrationalen Über-Ichs“ seit unzähligen Generationen vollkommen irrational gewordenen Gesellschaft. Das mag in der Formulierung kein großer Unterschied sein, doch von Anfang an stimmt Töpfer einen „existentiellen“ quasi „gnostischen“, geradezu „religiösen“ Ton an, der Laskas aufklärerischen Intentionen diametral zu widerläuft und ein 859seitiges Ausweichmanöver einleitet.

Dieses beginnt mit einer, wie stets bei Töpfer, fast unerträglich langatmigen Darstellung der am Jenseits ausgerichteten Lebensauffassung des Holocaustleugners und katholischen Gegenaufklärers Vincent Reynouard. Ja, es ist vollkommen absurd, wegen bloßer Worte, dazu noch Aussagen über die mittlerweile ferne Vergangenheit, ins Gefängnis zu kommen, aber ausgerechnet mit einer solchen Person und ihrem mystischen Gewäsch (man ist ja „Agnostiker“…) das erste Kapitel anzustimmen, in dem es in Folge um Bernd A. Laska, Wilhelm Reich und Laskas Nachfolger Christian Fernandes geht… Was soll das?!

Die Neue Aufklärung, etwa LaMettrie, ist, so Töpfer, ins „Sensuelle, also den Sinn“, sozusagen mitten ins Leben, vorgestoßen und hat „eine metaphysisch indifferente und agnostische Position“ eingenommen, die ein unausgesprochenes Bündnis mit den Gegenaufklärern ermöglichte, während die Alte Aufklärung Gott durch das sinnlose Nichts ersetzt hatte und danach dieses Nichts auch in der Mitte ihres Lebens gähnte (S. 23f).

Ihre Radikalen Kollegen erinnerten sie an den Urschmerz der Vernichtung ihrer Person. Da sie diesen Urschmerz unbedingt von sich fernhalten mußten – die Gegenaufklärer ließen ihn und den Trost dagegen zum Teil zu –, mußten sie die Neuen Aufklärer mörderisch verfolgen oder aber „repulsieren“, wie Laska das nennt. (S. 24)

Problem ist, so Töpfer, daß „das Nichts, die vernichtete Person und der ‚repulsierte‘ Urschmerz natürlich auch die Radikalen Aufklärer selbst betreffen“ (S. 25).

Wir landen bei Töpfer immer wieder konsequent an der Über-Ich-Problematik vorbeizielend beim „Existentiellen“, d.h. dem „Urschmerz“. Man könnte sagen, von dem Elend des neurotischen Charakters (Massenneurose) und dessen Über-Ich-Problematik werden wir abgelenkt hin zum Elend des schizophrenen Charakters, bei dem sich, wegen früher Vernachlässigung, alles um die bloße Existenz des Ich dreht. Ich erinnere an die Rede vom „Totalprekariat der menschlichen Existenz“!

Tatsächlich hat Töpfer hier einen Nerv getroffen, nämlich den, daß Laska den größten Epochenbruch seit 6000 Jahren, als die Panzerung des Menschen im Anschluß an die sexuelle Revolution anfing zu kollabieren, nicht recht ins Kalkül genommen hat. Ich spreche vom 1960 erfolgten Wechsel von der autoritären „neurotischen“ Über-Ich-Gesellschaft hin zu einer antiautoritären „schizophrenen“ Gesellschaft, in der das Über-Ich „isoliert“ ist, die Menschen nicht mal mehr wissen, ob sie Männlein oder Weiblein sind, die Moral auftritt wie der unvorhersehbar agierende sadistische Mörder in einem Horrorfilm und die Menschen zu undifferenzierten Fleischhaufen werden, die sich im „Urschmerz“ winden. Töpfer bzw. seine durch Arthur Janov inspiriertes „post-psychotherapeutisches Selbstermächtigungsverfahren“ („Befreiungs-Urschrei“) ist ein Ausdruck dieses epochalen Zusammenbruchs der Muskelpanzerung der Menschheit und ihre Ersetzung durch okulare Panzerung. Daß Töpfer Laska, die „Jahrtausendentdeckung“ und die Idee der Prophylaxe, dieses letzte Aufkeimen von Rationalität, in diesem Buch dekonstruiert, ist integraler Bestandteil dieses Verfallprozesses. Bezeichnenderweise spielt die verbrecherischste Seite der sexuellen Revolution, Kindersex, bei diesem Vernichtungswerk eine zentrale Rolle, wie wir noch sehen werden. Laska wird sozusagen zwischen den beiden Haupttriggerpunkten der BRD aufgeknüpft: zwischen Holocaustleugnung und Pädophilieverdacht.

Frei nach Karl Kraus ist die Tiefenwahrheit die Krankheit, die sie zu heilen vorgibt! Dazu gehört auch, daß Aufklärung heute eben NICHT „korporell“ sein kann, denn mit der Auflösung der Muskelpanzerung haben wir bereits genug affektives Ausagieren in der Gesellschaft, wohingegen bei all dem antiautoritären Irrationalismus der Appell an die Vernunft und klares Denken immer wichtiger wird. Dazu gehört das Angehen der Oberfläche, der sozialen Fassade, und das Vermeiden wahrheits- und freiheitskrämerisch bei zu tiefen biophysischen Schichten anzusetzen.

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 7)

17. Juli 2022

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Der Eigner seiner Selbst ist der Einzige – wie Gott. Gott sagt von sich selbst: „Ich bin, der ich bin“, d.h. er ist schlichtweg. Das impliziert zweierlei: erstens die Einheit der Widersprüche (das Sein) und zweitens die Aufrechterhaltung der Widersprüche (die Zeit).

Der gepanzerte Mensch hat kein Sein, sondern ist nur willkürliche Fassade. Man nehme etwa folgende Anekdote über Reichs Mitarbeiter (und Judas) Michael Silvert, ein Psychiater, die von Elsworth F. Baker überliefert wurde:

Bei einer anderen Gelegenheit brachte (Silvert) mir eine Patientin zur Konsultation. Ich untersuchte sie und stellte die Diagnose einer Schizophrenie. Unter anderem sagte sie, sie habe eine Katze, eine echte Katze, in ihrem Magen. Silvert stimmte mit meiner Diagnose überein. Er brachte sie dann zu Reich, der sie in einem Haus in Rangeley unterbrachte, wo sie als seine Patientin übernachten konnte. Reich untersuchte sie und sagte, sie sei im Wesentlichen gesund. Da Reich sie für gesund erklärt hatte, brachte Silvert sie in der nächsten Woche erneut nach Rangeley und stellte sie am selben Ort als seine Ehefrau vor. Reich war wütend, aber Silvert arbeitete sich mehr und mehr in Reichs Gunst hinein, wie wir später sehen werden, bis er Reich buchstäblich in den Tod führte. Ich möchte hinzufügen, daß die Patientin ein Jahr später in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurde, wo sie mehrere Jahre blieb. Man kann sich fragen, wie Reich die Diagnose übersehen konnte. Ich habe schon viele Patienten gesehen, die ich für fast gesund hielt, nur um sie in der nächsten Woche für psychotisch zu halten. (Baker: My Eleven Years with Reich)

Das ist ein extremes Beispiel, aber alle gepanzerten Menschen sind auf diese Weise gespalten, d.h. keine wirkliche Einheit, so daß man ständig böse Überraschungen mit ihnen erlebt. Sie leiden alle unter so etwas wie einem, wenn man so sagen kann, „universellen Borderline-Syndrom“. An einem Tag kann dein Freund die tiefste Person sein, die man sich vorstellen kann, nur um am nächsten Tag oberflächlich und ein unausstehlicher „homo normalis“ zu sein. Politiker leben geradezu davon, daß man sie nicht fassen kann! Sie haben kein „Sein“!

Das ist nicht die von Reich beschriebene „schizophrene Spaltung“ von Erregung und Wahrnehmung, sondern es ist die eigentliche Natur der Panzerung: die Spaltung zwischen dem inneren Orgon und dem Umwelt-Orgon. Es ist, als gäbe es eine Spaltung in der Struktur der (gepanzerten) menschlichen Existenz selbst. Wie im antiken griechischen und römischen Theater, als die Schauspieler Masken trugen. Da ist die Maske und das echte Gesicht – und vielleicht ist die Maske manchmal authentischer als das „echte“ Gesicht!

Den ständigen Verrat, die immer wieder auftretende Unverläßlichkeit und Willkür, die wir durch unsere Mitmenschen erfahren, ist vielleicht die grundlegendste Erfahrung, die ein Mensch machen kann. Ich glaube nicht, daß es jemals in der orgonomischen Literatur beschrieben und analysiert wurde. Vielleicht stellen es Horrorfilme am besten dar: wenn sich ein Mensch unvermittelt „dämonisch“ verhält, sein „wahres Gesicht zeigt“, wie man so schön sagt. Was ist passiert? Ganz einfach, kein menschliches gepanzertes Wesen kann EINS sein, kein gepanzertes Wesen kann authentisch sein, kein gepanzertes Wesen kann Versprechungen für die Zukunft machen, weil alle gepanzerten Wesen durch die Panzerung in zwei gespalten sind. Das klingt wie ein orgonomische Selbstverständlichkeit – ist aber der wahre Schrecken unserer Existenz: es zerstört jede Art von Vertrauen, d.h. die Grundlage der menschlichen Existenz. (Wenn das Baby seiner Mutter nicht vertrauen kann, ist alles verloren.) Das ist die tiefste Tragödie, die man sich vorstellen kann. Im Grunde ist Reichs „Christus“ (Gott wurde zum Menschen) das einzige Wesen, das nicht gespalten ist, d.h. er konnte Versprechungen für die Zukunft machen – so entstand die christliche Religion mit ihrem Versprechen des Paradieses und des ewigen Himmels.

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Orgonometrie (Teil 3): Kapitel 59

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59. Energie: Metapher und Konstrukt

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7. März 2020

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58. Von Freuds „Libido“ zu Reichs „Orgon“

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24. September 2019