
ABSCHLUSS DES BUCHES!
Scham ist letztendlich immer sexuelle Scham und das Schuldgefühl ist letztendlich immer ein sexuelles Schuldgefühl. Zur Illustration braucht man nur die Geschichte von Adam und Eva am Beginn der Bibel zu lesen, die, Reich zufolge, die Entstehung der Panzerung beschreibt. Das ungepanzerte Menschentier ist noch frei von Scham und Schuld. Oder, vorsichtiger ausgedrückt, angesichts einer entsprechend ungepanzerten, d.h. sexualpositiven Gesellschaft sind derartige „blockierte Gefühle“ nur vorübergehend und lösen sich schnell wieder in ihre Bestandteile auf: sie verdichten sich nicht zu unauflösbaren „Komplexen“.
Was sind diese „Bestandteile“? Das gesunde Meschentier pulsiert zwischen Expansion und Kontraktion. Bei guten Bedingungen mit einem leichten Überhang zur Expansion. Man beobachte ein beliebiges anderes Tier, etwa seinen Hund oder seine Katze! Die Skelettmuskulatur kommt ins Spiel, wenn wir das Objekt unserer Lust buchstäblich angehen oder es für uns gewinnen wollen. Scheitern wir oder werden gar zurückgewiesen, entwickeln wir ein Gefühl von Scham. Aufgrund der gesellschaftlichen Erwartungshaltung „verlieren wir gegenüber den anderen unser Gesicht“. Wenn wir bei Gefahr fliehen oder der Gefahrenquelle aggressiv gegenübertreten, kommt das Gefühl von Schuld ins Spiel. Während Scham an der Körperoberfläche blockierte Energie ist (von daher das Erröten), ist Schuld Energie, die in der Skelettmuskulatur förmlich steckenbleibt, weil wir uns angesichts der sozialen Normen im Unrecht fühlen und deshalb aus Angst unsere Wut nicht zum Ausdruck bringen können. Die Aggression wird gestoppt, bleibt in der Muskulatur gebunden und fühlt sich an wie eine zusätzliche Last. Von daher das Gefühl, daß die Schuld buchstäblich wie ein Gewicht auf uns lastet, so als müßten unsere Muskeln eine reale Masse stemmen.
Früher sind die Menschen mit dieser nicht ausgedrückten Wut, also dem Schuldgefühl, besser zurecht gekommen, weil sie eine „muskuläre Abwehr“ hatten und entsprechend praktisch nichts anderes getan haben, als die Last der Welt auf ihren Schultern zu tragen. Hinzu kam, daß sie zumeist gläubige Christen waren und im Wahn lebten, daß „Christus durch sein Sühneopfer sie von dieser Last ein für allemal befreit hat“. Seit sich nach ungefähr 1960 infolge der völlig gescheiterten „sexuellen Revolution“ die Panzerung zunehmend in eine „intellektuelle Abwehr“ wandelte (Augen- statt Muskelpanzerung), konnte die mit der unterdrückten Wut verbundene Energie nicht mehr muskulär gebunden werden und begann in den Menschen frei zu flotieren; Menschen, die als „Intellektuelle“ zusätzlich auch ihren Halt in der kindlich-magischen Wahnwelt des Christentums verloren hatten.
Infolge bauten diese vermeintlich „Aufgeklärten“ in ihrer Panik eine eigene, diesmal vollkomme irdische „Wahnwelt“ auf, d.h. eine bizarre Welt des Wahnwitzes, in der jährlich 150 Milliarden Euro für Asylanten (muslimische Invasionstruppen) sinnlos bzw. DENKBAR kontraproduktiv verpulvert werden, wir unseren gesamten Wohlstand opfern, um „das Klima zu retten“ und wir aus Rücksicht auf eine klitzekleinen Minderheit von persönlichkeitsgestörten Trans- und Genderperversen unsere gesamte Kultur und Wissenschaft zerstören. Dabei geht es immer nur um das eine: zu beweisen, daß man nicht „böse“ (d.h. wütend) ist! Die Schuld soll dergestalt verschwinden. Jedes charakterologische Fossil, das aufgrund seiner muskulären Abwehr gar nicht betroffen ist und folglich dieses woke Beschwörungsritual zur Bändigung des nagenden Schuldgefühls nicht mitmacht, wird als eben das, als Fossil betrachtet. Bestenfalls als schamloser Untermensch! Schamlos wie Björn Höcke! Hat dieser minderwertige Außerseiter darüber hinaus auch keinerlei Probleme, seine rationale Wut zum Ausdruck zu bringen, ist er ein „Nazischwein“ und damit vogelfrei. „Nazis töten!“
Ich habe soeben den Untergang unserer westlichen Schuldkultur BIOENERGETISCH erklärt. Die islamischen und fernöstlichen Schamkulturen, bei denen sich alles um das irreversible „Verlieren des Gesichts“ dreht, gehen hingegen deshalb zugrunde (man betrachte nur das gegenwärtige Japan, China wird bald folgen, auch die aufstrebenden Golfstaaten), weil in einer Gesellschaft, in der niemand einen Fehler einräumen kann, Korrekturen unmöglich sind. Aufgrund der Migrationspolitik wird der Westen genauso vollständig blockiert werden. Ohne die Orgonomie, d.h. eine wirkliche sexuelle Revolution, die Scham und Schuld, die immer einen sexualfeindlichen Kern haben, wird am Ende ein Planet stehen, tot wie der Mond.
Tragikomisch wird es, wenn eine Scham- mit einer Schuldkultur kollidiert:
[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]
Im Kern des Gottesglaubens sah LaMettrie das Schuldgefühl, Stirner die verinnerlichten Hierarchien, bzw. das jenseits in uns, und Gott Reich das Über-Ich bzw. die Panzerung: das Fremde verdrängt das Eigene. Es geht nicht darum, ob es „horizontal“, also in unserer Umwelt einen „Gott“ gibt, d.h. irgendwelche ominösen Mächte, die man auch als „die Materie“ bzw. „Allmutter“ bezeichnen könnte, sondern um die „vertikale“ Frage, ob es ÜBER mir einen Gott gibt, ein „Über-Ich“, das mich besetzt, besitzt wie ein Dämon. Dann ist es auch egal, ob ich mich als „Atheist“ bezeichne, wie etwa die Marxisten, die trotzdem fromm sind, „vertikal“ von Schuld und Moral beherrscht werden, oder ob ich an die beseelte Natur glaube (Animismus), also formal „Theist“ bin, aber dabei im Sinne Reichs „ungepanzert“ bin.
Natürlich ist auch beides möglich bzw. ist beides meist ineinander verschränkt wie etwa in der Griechischen Stoa: der Mensch ist „horizontal“ eingebunden in einen Kosmos, in dem alles mit allem verknüpft ist, und (bzw. aber) es geht „vertikal“ um die Beherrschung der Begierden. Ob man dieses „Über-Ich“ personifiziert, wie dann später im Christentum, ist letztendlich egal, weshalb auch die Frage nach dem (A-)Theismus in die Irre führt. Deshalb konnte auch Reich von Marx und insbesondere Lenin so in die Irre geführt werden: weil Reich zumindest anfangs nicht klar zwischen „Gottlosigkeit“ und „Über-Ich-Losigkeit“ unterschieden hat.
Das bringt mich abschließend noch einmal zum leidigen Thema „irrationales Über-Ich“ vs. „rationales Über-Ich“: Stirner unterschied zwischen von oben eingegebenen und von der Umwelt angeregten Ideen. Das „irrationale Über-Ich“ ist sozusagen „vertikal“, gibt Befehle wie ein Puppenspieler, der seine Marionette dirigiert, das „rationale Über-Ich“ hingegen ist „horizontal“. Ich muß mich im gesellschaftlichen Raum orientieren und einpassen, was ich automatisch seit Kindheitstagen beim gemeinsamen Spielen und allgemein im Umgang über die Goldene Regel und etwa den Straßenverkehr lerne. Dadurch entwickele ich etwas (das „rationale Über-Ich“), das ich gerne als „Neben-Ich“ bezeichnen möchte: es ist nicht die „vertikale“ Stimme meines Vaters von oben („Über-Ich“), sondern die „horizontale“, d.h. die auf Augenhöhe befindliche Stimme meines Nebenmannes („Neben-Ich“). Keine (ver)inner(licht)e Instanz über mir im Sinne Stirners, sondern neben mir, d.h. ich identifiziere mich nicht mit dem Vater, sondern mit dem Bruder. Das Über-Ich ist „unappelierbar“ – mit dem Nebenmann hingegen „kann man sprechen“. Ich trage damit nicht meinen fremden Feind (Über-Ich), sondern meinen gleichgesinnten Freund (Neben-Ich) in meinem Inneren. Erinnert sei an Stirners „Verein“!
Beim Über-Ich spricht Stirner von den internalisierten Hierarchien, dem Jenseits oder vielmehr Gott in uns und, in Bezug auf die „frommen Atheisten“ von der Gesellschaft in uns. Beim Neben-Ich ist auch etwas in uns: Wollust ist nur möglich, wenn ich mich auf den Partner einlasse, mich mit ihm bzw. natürlich ihr identifiziere, ähnlich in der gemeinsamen Arbeit oder überhaupt in einem gedeihlichen zwischenmenschlichen Miteinander, Stichwort „Spiegelneuronen“. Beim Über-Ich sind meine Ich-Grenzen sozusagen nach oben hin („vertikal“) verschmiert, d.h. das Ich wird vom Über-Ich okkupiert, der Mensch ist nicht mehr er selber, sondern nimmt einen „Charakter“ an, spielt eine bloße Rolle und vergißt dabei, daß er dabei nur Schauspieler ist. Beim Neben-Ich sind meine Ich-Grenzen sozusagen zur Seite hin („horizontal“) verschmiert. Und genau hier ist auch eine Lücke in Stirners Gedankengebäude, denn ohne die Menschen „neben mir“, meine Mitmenschen gäbe es gar kein „Ich“, keine Sprache, kein Bewußtsein, kein Begriff von „selbst“ bzw. vom „Selbst“: ohne ein Außen gibt es kein Innenleben. Und selbst das ist noch rein akademisch, denn ohne soziale Umwelt gäbe es mich von Anfang an gar nicht, da ein einzelner Mensch nicht nur biologisch und materiell, sondern vor allem auch emotional gar nicht lebensfähig wäre. Beim Säugling ist das offensichtlich. Ich weiß natürlich, daß für Stirner die Familie und all das kein „Verein“ in seinem Sinne ist… – wie gesagt, da ist eine Lücke in seinem Denken. Sowohl bei La Mettrie (wie Christian Fernandes in seinem neuen Buch ausführt) und Reich (jedenfalls dem späten Reich – den Laska nicht mehr als so wichtig empfand) sehe ich diese Lücke nicht.
Das „Horizontale“ ist auch beim Militär wichtig: das „vertikale“ Befehl und Gehorsam ist, klar, unverzichtbar, aber imgrunde wichtiger für die Kampfkraft ist die „horizontale“ Kameradschaftlichkeit: ich muß mich auf meinen Nebenmann verlassen können, im Zweifelsfall mein Leben für ihn geben, und wir müssen ein eingespieltes Team sein. Potentiell stört da alles „Vertikale“ eher. Das machte absurderweise auch die Stärke der Wehrmacht aus, die dezidiert „horizontal“ funktionierte, mit weitgehender Entscheidungsfreiheit der unteren Ränge und einer landsmannschaftlichen Homogenität der Züge (beispielsweise waren der Unteroffizier und alle anderen im Zug meines Vaters Hamburger, die sich blind verstanden und in jeder Hinsicht die gleiche Sprache sprachen). Während die Alliierten, insbesondere die Amis und die Russen, starr auf zentrale Führung setzten und auf eine Durchmischung der Kader, damit die Einzelnen nur über die Führung verbunden waren. Problem ist, die Zentrale weiß gar nicht, kann gar nicht wissen, was gerade an der Front vor sich geht und die Soldaten können untereinander kaum kommunizieren. Ähnliches läßt sich über die Betriebsführung im täglichen Wirtschaftsleben sagen. Diversität ist unsere schlimmste Schwäche! – Das Über-Ich ist vollkommen kontaktlos banane, während das Neben-Ich nichts anderes ist, als eben das: Kontakt mit der Wirklichkeit.
Im platonischen Dialog Protagoras erläutert Hippias in einer sehr kurzen Rede ethische und politische Ansichten. Wie auch andere zeitgenössische Sophisten stellt er dort die Natur (phýsis) in einen Gegensatz zum in der menschlichen Gesellschaft geltenden Gesetz (nómos). Wenn Dinge einander ähnlich sind, so seien sie es von Natur aus; einige Menschen seien von Natur aus Verwandte, Freunde und Mitbürger. Das Gesetz hingegen sei ein Tyrann der Menschen und erzwinge vom Menschen Unnatürliches. https://de.wikipedia.org/wiki/Hippias_von_Elis
Hier gehört auch die Frage von Theismus und Über-Ich hin: Laska hat sich explizit gegen den bei Reich so wichtigen Komplex (Bachofen, Matriarchat, Trobriander, DeMeos Saharasia-Theorie, Historischer Materialismus – „Urkommunismus“) verwahrt und alles auf eine Utopie ausgerichtet. Diesen Unterschied zwischen „Gott über mir“ und „Gott neben mir“, findet sich beispielsweise noch bei den germanischen Göttern. Grabfunde, Überlieferungen, etc. weisen darauf hin, daß sich unsere heidnischen Vorfahren nicht groß um das Christentum scherten. Ein weiterer Gott, ein weiterer Kult, der problemlos in die existierenden Tempel und Kulte und Überlieferungen integriert werden konnte. Man war sozusagen auf Augenhöhe mit den Göttern. Ganz anders bei den Christen, die radikal alles „Heidnische“ zurückwiesen und schließlich sogar die Inquisition ins Leben riefen und den Staatsapparat einschalteten, um „Ungläubige“ grausam töten zu lassen. Für mich ich das ein fernes Echo des Unterschieds zwischen einer „Neben-Ich-Gesellschaft“ und einer „Über-Ich-Gesellschaft“.
— Ende der Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte —
Ich verdanke Christian Fernandes sehr viel. Mit seiner akribischen und bahnbrechenden Herausarbeitung des Konzepts der „tugendhaften Lust“ bei LaMettrie hat er mir Reich und die Orgonomie neu erschlossen. Als, for lack of a better term, „Reichianer“ fristet man schon eine merkwürdige Existenz. Beispielsweise bin ich im vergangenen Wochenende vollkommen unvermittelt und unvorbereitet in den gigantischen Hamburger CSD-Umzug hineingeraten. Eine Millionenmetropole ganz im Zeichen der orgastischen Impotenz und der Feier der „Buntheit“ der sekundären Triebe. Vollkommen ausgetickt („Scheiße, ich MUSS hier weg!“) bin ich, angesichts eines lesbischen Paares mit der kleinen Tochter in der Mitte, die begeistert eine kleine Regenbogenfahne schwang. Entweder bin ich vollkommen gaga – oder alle anderen… Von all dem ganz offen antisexuellen Zeugs, das mir von konservativer Seite seit meiner Geburt meist nonverbal und subkutan eingetrichtert wurde, brauche ich gar nicht erst anfangen. Ein Außerirdischer erleidet eine Bruchlandung auf einem Planeten voller maliziöser Horrorclowns!
Die Lektüre dieses Buches war für mich eine große Erleichterung. Endlich eine Stimme, die nichts mit Reich zu tun hat, aber in jedem Satz und vollkommen unabhängig und im Rekurs auf einen Mann, der vor fast drei Jahrhunderten lebte, – die vollkommen in Übereinstimmung mit der Reichschen Orgasmustheorie steht. Endlich die Wahrheit der Sexualökonomie in eigenen Worten, frisch erzählt. Befreit vom ewig gleichen „Reichianischen“ Mantra konnte ich förmlich aufatmen. Genitalität existiert und ist der eine Faktor, um den sich das gesamte „Geistesleben“ der Menschen dreht.
Das Besondere an LaMettrie ist nicht nur, daß er im Gegensatz zu de Sade und Casanova und Rousseau etc. die Genitalität vorbehaltlos feiert, sondern stets im Zusammenhang mit dem Problem des zerstörerisch wirkenden Schuldgefühls sieht. Es ist eine Vorwegnahme von Reichs Orgasmustheorie und, wenn man so will, „Über-Ich-Theorie“ (Panzerungstheorie = Charakteranalyse). Genau wie bei Reich sind auch bei LaMettrie diese beiden Elemente nicht voneinander zu trennen. Die befriedigende Lust reguliert das Seelen- und Sozialleben, weil sie „tugendhaft“ macht und damit das Schuldgefühl, das der Untugend Grenzen setzen soll, überflüssig macht. Wobei umgekehrt das Schuldgefühl eine befriedigende Lust unmöglich macht. Es geht schlichtweg darum, die gesamte scheinbar rettungslos verpeilte Gesellschaft vom Kopf auf die Füße zu stellen.
Wenn man sich jahrzehntelang mit Reich beschäftigt, wird man schließlich betriebsblind. Ich danke Christian Fernandes dafür, mich wieder zum Kern der Angelegenheit gebracht zu haben. Hinzu kommt, daß diese Arbeit die erste Fortführung und eigenständige Weiterentwicklung von Laskas LSR-Projekt darstellt. Besser geht es nicht!
Das Grundcharakteristikum gepanzerten Denkens ist das Zerstückeln der funktionellen Einheit in unversöhnliche Gegensätze, die dann notdürftig in willkürlichen zusammengezimmerten Konstrukten wieder zusammengeführt werden. Nehmen wir die Bibel; das Buch, das die Geschichte der Menschheit beschreibt.
Am Anfang stehen zwei Bäume. Der eine Baum schenkt das ewige Leben, d.h. man ist eins mit allem. Der zweite ist der „Baum der Erkenntnis“, d.h. diese Eintracht wird analytisch auseinandergenommen, das angeblich Gute vom angeblich Schlechten geschieden – die Einheit zerfällt und mit der Zwietracht zieht der Tod in die Welt ein.
Der kleine Finger meiner rechten Hand lebt verhältnismäßig „ewig“. Schlag ich ihn aber mit einem Hackebeil ab, löse ich ihn aus der Einheit des Körpers, wird er schnell verrotten. Entsprechend hatten sich Adam und Eva von Gott gelöst, als sie sich seinem Gebot widersetzten und vom Erkenntnisbaum aßen. Die Frucht ihrer Sünde war der Tod.
Gott kehrte in Gestalt Christi zu seinen Geschöpfen zurück, um die Nachkommen von Adam und Eva zu erlösen. Was und wie das geschah, läßt sich auf zweierlei Art und Weise beschreiben und erklären, d.h. gemäß dem Schisma des Christentums in West- und Ostkirche; einer Zwietracht, in der sich die Urtragödie der Menschheit wiederholt.
In der Westkirche mußte die Menschheit das Paradies verlassen, weil es sich Gottes „Einheitsgebot“ (d.h. nicht von der entzweienden Frucht zu essen) widersetzte. Diese Ursünde, die Urrebellion, war erblich und konnte nur aufgehoben werden, indem das unschuldig geborene himmlische „Christkind“ auf die Erde kommt und am Kreuz stellvertretend die Sühne für all die schuldbeladen geborenen Erdenkinder übernimmt und durch seinen Martertod ungeschehen macht. Du bist erlöst, wenn du dich zu Christus bekennst und auf diese Weise mit ihm eins wirst und dergestalt an der Sündenvergebung teilhast.
In der Ostkirche hingegen erbten die Kinder von Adam und Eva nicht etwa deren Sünde, litten also nicht an der „Erbsünde“, sondern sie erbten so etwas wie einen „Gendefekt“: daß man sterben muß, den Tod. Der Herrscher des Garten Edens erschien schließlich erneut auf Erden, um an den „Baum des Lebens“ geschlagen zu werden. Wer in der Eucharistie von der Frucht dieses Baumes ißt (dem Fleisch und Blut Christi), wird vom besagt Defekt geheilt und dergestalt vom Tod befreit.
Im Osten ist also von Schuld und Sühne gar keine Rede, was dabei aber verlorengeht. ist das „Christkind“. Es ist schlichtweg undenkbar, daß in der orthodoxen Ikonographie Christus als schwaches, ahnungsloses, hilfsbedürftiges Menschenbaby dargestellt wird, so wie es der Westen tut, um Christi alles entscheidende Unschuld möglichst sinnfällig zu unterstreichen. Allein schon damit entfällt in der orthodoxen Welt die Möglichkeit ein Buch wie Reichs Christusmord zu formulieren!
Andererseits zeichnet die römisch-katholische und protestantische Interpretation der Bibel ein derartig kleinkariertes, legalistisches und rachsüchtiges Gottesbild, daß in ihr Atheismus und Nihilismus von vornherein angelegt sind.
Nur so wurde überhaupt die Aufklärung möglich, aber unter welchem Preis! Der Preis war die Fixierung des westlichen Geistes auf die Frage der Schuld und auf das Schuldgefühl. Wirklich alles dreht sich um das Schuldgefühl, d.h. die in der Muskulatur blockierte Aggression (die besagte Rebellion gegen Gottvater)!
Für den konservativen westlichen Christen wurde das immerhin durch den immer wieder beschworenen Opfertod Christi gemildert. Das Schuldgefühl wurde weitgehend erledigt und der Konservative konnte sich deshalb mit anderem beschäftigen und einigermaßen rational handeln.
Beim vermeintlich „aufgeklärten“ nur oberflächlich vom Christentum emanzipierten Liberalen hingegen löste sich wegen seiner strukturellen Unfähigkeit zum „Glauben“ (Vertrauen aufgrund von Kernkontakt) dieser Knoten keinesfalls und bestimmte ungebrochen sein Leben. Das erklärt die dauernden Versuche des Liberalen mit immer neuen gutmenschlichen Aktionen, Sozialprogrammen, Masseneinwanderung, Unterwerfungsgesten und immer neuen Schuldbekenntnissen, irgendwie mit der nagenden Schuld umzugehen. Imgrunde beschäftigt ihn nichts anderes! Es ist ein Irrsinn jenseits jeder Psychose!
Das erklärt auch den instinktiven Haß des Liberalen auf das „durch und durch gewissenlose“ orthodoxe Rußland, der anfänglich sogar den Marxismus beseelte und seit 1989 erneut beseelt. Entsprechend ist auch die fanatische Kriegsbegeisterung AUSGERECHNET des Liberalen angesichts des Ukrainekriegs erklärlich. Umgekehrt steht der Osten dem Emanzipatorischem, dem Individuum und der individuellen Verantwortung beim Westmenschen unverständig gegenüber.
In gewisser Weise sehen wir, West und Ost, im jeweils anderen förmlich den leibhaftigen Teufel. Das ist so, weil der gepanzerte Mensch weder das Proto-Evangelium (die Geschichte vom Garten Eden) noch das Evangelium (die Geschichte vom Christusmord) verstehen kann. Er sieht nur immer Bruchstücke, die er jeweils zu einseitigen bizarren Kollagen zusammenfügt. Die wahre Geschichte des Christentums wurde erst 1953 erzählt.
[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]
LaMettrie zusammengefaßt:
1. die Maschine, und zwar eine sozusagen „vitalistische Maschine“ im Sinne von Friedrich Kraus („vegetative Strömung“, Elektrolyte, Membranen, „Bioelektrizität“) und Reichs „sexualökonomischer Lebensforschung“.
2. die Bedeutung der Imagination, die dieses „Maschinelle“ sozusagen in die geistige Welt ausweitet und so der üblichen „geistigen Welt“ (Philosophie, Kultur) ein Ende setzt. (Ich habe den Eindruck, daß Ursula Jauch in ihrem großen Buch über LaMettrie mit ihrer Rede, ihrem Gerede, von der „Wiederverzauberung der Welt“, LaMettrie verfehlt, denn der will die geistige Welt ganz im Gegenteil endgültig entzaubern.)
3. sein Konzept der Wollust als eine teilweise verblüffend paßgenaue Vorwegnahme der Reichschen Orgasmustheorie. (LaMettrie verwendet sogar explizit den Begriff „die Funktion der Wollust“).
4. schließlich die Negation des Schuldgefühls, des später sogenannten „Über-Ich“; eine innere bzw. verinnerlichte Instanz, die diese ganze natürliche Maschinerie durcheinanderbringt („verdorbene Imagination“ durch Triebstau) und so die Menschen um ihr Glück bringt.
In Die Kunst, Wollust zu empfinden exemplifiziert LaMettrie seine quasi „sexualökonomische“ Weltsicht mit Hilfe einer Art hypothetischer „Trobriander“, d.h. zwei Menschenkindern, die sich in einer Art Garten Eden lieben. Dieses sozusagen „sexualökonomische“ Idyll findet seine Entsprechung in ökonomischen Szenarios dieser Zeit mit Hirten und Fischern und Bauern, die ihre Güter frei austauschen. Man denke nur an Adam Smith. Typisch Rokoko! Und natürlich anthropologischer Unsinn. Wie uns die „genital gesunden, matristischen“ Trobriander in Melanesien zeigen, ist sowohl das Liebesspiel als auch die Ökonomie nicht primär ein einfacher wilder Austausch im Hier und Jetzt, in dem der Faktor Zeit keine Rolle spielt, sondern das Eingehen von längeren Bindungen durch Geschenke, die zurückgezahlt werden müssen – mit Zins. So entsteht ein Gewebe von gegenseitigen Verpflichtungen, die die Gesellschaft zusammenhält.
Interessanterweise ging und geht es den Marxisten und selbst den heutigen „Zinskritikern“ stets darum, dieses Geflecht gegenseitiger Verpflichtungen zu zerschlagen und die Wirtschaft auf bloßen Tausch zu reduzieren (was war die DDR-Wirtschaft anderes als offizieller und inoffizieller primitivster Tauschhandel?) und die Sexualität auf Physiologie frei vom „bürgerlichen“ Brimborium.
Ich erwähne das, weil es zeigt, wie schnell LSR ins Gegenteil verkehrt werden kann. Unvermittelt steht LaMettrie neben seinem Gegensatz, dem Marquis de Sade, Stirner wird zum Paten irgendwelcher „Egoisten“, gar Serienmördern, und Reich wird zum Urvater der „sexuellen Revolution“… – und das durch kaum merkliche Akzentverschiebungen, die der Oberflächlichkeit der Massen zu schulden ist. LaMettrie wird einerseits zum Propheten mechanischer Androiden, andererseits zu einer Art „Drogenpapst“ und vor allem zum Vorgänger von de Sade!
Genau deshalb hat Laska um jedes Wort gerungen, nur um nicht wieder L und S R mißverstanden dastehen zu lassen.

Die folgenden Bücher und Artikel sollte man in dieser Reihenfolge lesen, um sich in Bernd A. Laskas LSR-Projekt einzuarbeiten.
Am Anfang steht natürlich Laskas Reichs Biographie sowie Reich selbst und zwar jenes Buch, das Laska ursprünglich in seinem LSR-Verlag neu herausbringen wollte: Reichs von seinen beiden engsten Mitarbeitern, dem Psychiater Elsworth F. Baker und dem Gynäkologen Chester M. Raphael, kurz nach Reichs Tod zusammengestellte Ausgewählte Schiften.
Daß Reich in dieser Liste an erster Stelle steht, hat sowohl historische als auch inhaltliche Gründe: mit ihm hatte sich Laska zuerst beschäftigt (und das als einer der ersten in unserem besetzten Vaterland) und zweitens ist Reich eine notwendige Einführung, um LaMettrie überhaupt verstehen zu können, nämlich daß sich beide Ärzte mit genau den gleichen beiden Dingen beschäftigt haben – nur daß dies bei LaMettrie zeit- und „verfolgungsbedingt“ nicht so eindeutig ist. Die besagten beiden Dinge sind das Angehen des Charakterpanzers (also des Über-Ichs) und die Orgasmustheorie, bei LaMettrie entspricht das seinen Theorien über das Schuldgefühl und „die Kunst Wollust zu empfinden“.
Die Frage ist natürlich, warum ich Stirner an die dritte Stelle verschoben habe, hatte Laska diesen doch nach Reich und vor LaMettrie für sich entdeckt. Zunächst einmal waren Reich und LaMettrie Ärzte und ihre beiden Theorien machen, wie angedeutet, einander verständlicher und zweitens wollte Laska in der Chronologie seines LSR-Projekts zunächst durchaus inhaltlich vorgehen, d.h. jeweils die Theorien seiner drei Helden herausarbeiten. Ansatzweise hat er das bei Reich und den Vorreden zu seinen LaMettrie-Übersetzungen auch gemacht, doch änderte er dann seinen Plan: „Die Widerstände und Abwehrmechanismen gegen L/S/R traten (….) in den Vordergrund meines Interesses; sie waren aufzudecken und zu studieren, bevor an ein Verständnis für die Intentionen von L/S/R auch nur zu denken war. Hier bot sich allerdings aus verschiedenen Gründen vorzugsweise Stirner bzw. dessen Wirkungsgeschichte an, so daß anstelle der ursprünglich geplanten Schriftenfolge zunächst die Stirner-Studien erscheinen.“ Dieses „Zunächst“ erwies sich dann als der eigentliche Abschluß des LSR-Projekts. Stirner ist nur in der von Laska angedeuteten Weise erschließbar, d.h. vom Widerstand gegen sein Werk her, und die Vorkenntnisse, die wir durch die Auseinandersetzung mit Reich und LaMattrie erworben haben, dienen uns hierbei als Orientierungspunkte, ohne die wir uns allzuleicht verirren könnten, beispielsweise „Stirner als Vertreter des Egoismus und Herold der nihilistischen Transgemeinde“.
Bernd A. Laska: Wilhelm Reich (https://www.amazon.de/gp/product/3499502984)
Wilhelm Reich: Ausgewählte Schriften (https://www.buchfreund.de/de/d/p/76916429/ausgewaehlte-schriften-eine-einfuehrung-in-die)
Bernd A. Laska: Zum Status der Reich’schen Theorie (1980): A. Allgemeiner Überblick (http://lsr-projekt.de/wrb/wrstatus.html)
Bernd A. Laska: Zum Status der Reich’schen Theorie (1980): B. „Früher“ contra „später“ Reich eine überflüssige Kontroverse (http://lsr-projekt.de/wrb/wrstatusb.html)
Bernd A. Laska: Zum Status der Reich’schen Theorie (1980): C. Freuds „Kommentar“ zu Reich (http://lsr-projekt.de/wrb/wrstatusc.html)
Bernd A. Laska: Zum Status der Reich’schen Theorie (1980): D. Reichs Krise 1926/27 (http://lsr-projekt.de/wrb/wrstatusd.html)
Bernd A. Laska: Wilhelm Reich – ohne Freud, Marx, Orgon (http://lsr-projekt.de/wrlex.html)
Bernd A. Laska: Die Negation des irrationalen Über-Ichs bei Wilhelm Reich (http://lsr-projekt.de/wrnega.html)
Bernd A. Laska: Wilhelm Reich als Sexuologe (http://lsr-projekt.de/wrsex.html)
Bernd A. Laska: Wilhelm Reich als Faschismusforscher (http://lsr-projekt.de/wrfasch.html)
Bernd A. Laska: Wilhelm Reich – Essenz und Konsequenz (http://lsr-projekt.de/wrinnuce.html)
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Bernd A. Laska: Intro LSR (http://lsr-projekt.de/intro.html)
Bernd A. Laska: LSR als „anarchistisches“ Projekt (http://lsr-projekt.de/anarcho.html)
Julien Offray de La Mettrie: Der Mensch als Maschine (http://lsr-projekt.de/verlag.html#lsrqu1)
Julien Offray de La Mettrie: Über das Glück oder Das höchste Gut („Anti-Seneca“) (http://lsr-projekt.de/verlag.html#lsrqu2)
Julien Offray de La Mettrie: Philosophie und Politik (http://lsr-projekt.de/verlag.html#lsrqu3)
Julien Offray de La Mettrie: Die Kunst, Wollust zu empfinden (http://lsr-projekt.de/verlag.html#lsrqu4)
Bernd A. Laska: La Mettrie und die Kunst, Wo(h)llust zu empfinden – ein Portrait (http://lsr-projekt.de/lmsex.html)
Bernd A. Laska: La Mettrie – ein gewollt unbekannter Bekannter (http://lsr-projekt.de/lm-un-bekannt.html)
Bernd A. Laska: 1750 – Rousseau verdrängt La Mettrie (http://lsr-projekt.de/Rousseau-La-Mettrie.pdf)
Bernd A. Laska: Die Negation des irrationalen Über-Ichs bei Lamettrie (http://lsr-projekt.de/lmnega.html)
Bernd A. Laska: Panajotis Kondylis – unfreiwilliger Pate des LSR-Projekts (http://lsr-projekt.de/kondylis.html)
Bernd A. Laska: Martin Walser und La Mettrie (http://lsr-projekt.de/walser.html)
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Max Stirner: Der Einzige und sein Eigentum (https://www.amazon.de/Einzige-sein-Eigentum-Reclams-Universal-Bibliothek/dp/3150030579)
Bernd A. Laska: Parerga, Kritiken, Repliken (http://lsr-projekt.de/verlag.html#lsrqu2)
Bernd A. Laska: Ein heimlicher Hit (http://lsr-projekt.de/verlag.html#ss1)
Bernd A. Laska: Ein dauerhafter Dissident (http://lsr-projekt.de/verlag.html#ss1)
Bernd A. Laska: „Katechon“ und „Anarch“ (http://lsr-projekt.de/verlag.html#ss1)
Bernd A. Laska: Max Stirner in nuce (http://lsr-projekt.de/msinnuce.html)
Bernd A. Laska: Max Stirner – Leben, Werk, Wirkung (http://lsr-projekt.de/mslex.html)
Bernd A. Laska: Der Stachel Stirner (http://lsr-projekt.de/stachel.pdf)
Bernd A. Laska: Die Negation des irrationalen Über-Ichs bei Max Stirner (http://lsr-projekt.de/msnega.html)
Bernd A. Laska: Max Stirner als Psychologe (http://lsr-projekt.de/Max-Stirner-Psychologe.html)
Bernd A. Laska: Nietzsches initiale Krise (infolge Stirner) (http://lsr-projekt.de/nietzsche.html)
Bernd A. Laska: Die Individualanarchisten und Stirner (http://lsr-projekt.de/msinda.html)
Bernd A. Laska: Der schwierige Stirner (http://lsr-projekt.de/msswi.html)
Bernd A. Laska: Den Bann brechen ! – Teil 1: Stirner, Marx, Marxforschung (http://lsr-projekt.de/msbann1.html)
Bernd A. Laska: Den Bann brechen ! – Teil 2: Stirner, Nietzsche, Nietzscheforschung (http://lsr-projekt.de/msbann2.html)
Bernd A. Laska: Max Stirner – ein anarchistischer Pädagoge? (http://lsr-projekt.de/mspa.html)
Bernd A. Laska: Der sexuelle „Verein“: Prototyp des Stirner’schen „Vereins“ (http://lsr-projekt.de/mssex.html)
Bernd A. Laska: Vade retro! – Zur Repulsionsgeschichte von Stirners ‚Einzigem‘ (https://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/52066/file/Jahrbuch_FVF_22_2016_Laska_71_100.pdf)
[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]
Peter Sichrovsky: Der Antifa-Komplex, München 1999. Mich interessierte das Buch, weil es von einem stammt, der erst Freund von Bubis und dann von Haider war. Offenbar ein freier Geist, der von allen gehaßt wird. Und dann ist da noch die kurze Literatur-Liste am Ende des Buches, wo Reichs Massenpsychologie des Faschismus (Köln 1997) auftaucht. Ich war gespannt, wie Sichrovsky diese Lektüre verarbeitet hat. Reich kam nicht vor, nur der Vollständigkeit halber erwähnte „psychonalytische Erklärungsansätze“ und Erich Fromm. Bis ich schließlich über den einzigen wirren Absatz im ansonsten sehr klar geschriebenen Buch stieß. Er schweigt über Reich, aber ausgerechnet an der Stelle, wo es um die LSR-Problematik geht (Über-Ich und „Unbehagen in der Kultur“), kommt er ins kaum nachvollziehbare Stottern:
Einige wenige – jedoch sehr lautstarke – Nachkommen der Täter versuchten den übertragenen väterlichen Schuldkomplex in eine Aggressivität gegen potentielle alte und neue Täter umzusetzen. Während das Schuldbewußtsein als die Differenz des Kulturanspruchs von Über-Ich und Ich die Antifa-Generation nicht weiter beschäftigte, quälte sie das Schuldgefühl als ein Unbehagen, das sich infolge der vom Kulturanspruch geforderten Triebunterdrückung einstellt und anhält, solange dieser Anspruch in Geltung ist. Die antifaschistische Generation vor allem in Deutschland kämpfte somit von Beginn an einen hoffnungslosen Ersatzkrieg, den ihre eigenen Vorfahren bewußt versäumt hatten. (S. 132)
Interessant wie einerseits Sichrovsky (Der Antifa-Komplex, S. 97) auf Edgar Alexanders Buch Der Mythus Hitler von 1937 reagiert, nämlich ganz in Übereinstimmung mit dem Katholen Alexander – und wie Reich reagierte: „M.“ (Karl Teschitz = Karl Motesiczky) nimmt LSR-Partei für die Nazis gegen die Katholiken und implizit etwa gegen (den natürlich erst später auftretenden) Stauffenberg. Teschitz spricht von den „positiven, fortschrittlichen Momente(n) im Nationalsozialismus“, dessen „fortschrittliche(m) Element“ (M.: Besprechung von „Edgar Alexander, Der Mythus Hitler“ Zeitschrift für Politische Psychologie und Sexualökonomie V(1)(15), S. 76-78).
Manche führen ja das Dritte Reich darauf zurück, daß Hitler nur einen Hoden hatte (stimmt nicht, er hatte mindestens zwei!), ein dicker Wälzer über Hitlers angebliche homophile Neigungen ist veröffentlicht worden, etc. So ein Monster kann er nicht gewesen sein, denn sonst hätten sich nicht so viele Riefenstahls, Rommels, (anfangs) Stauffenbergs, etc. von seinem Charme einfangen lassen. Thomas Mann hat ihn, spät und deshalb mutig, sogar als seinen „Bruder“ bezeichnet, desgleichen George Orwell.
Reich meinte, Hitler wäre der Normale schlechthin: „Nur dann, wenn die Struktur einer Führerpersönlichkeit mit massenindividuellen Strukturen breiter Kreise zusammenklingt, kann ein ‚Führer‘ Geschichte machen“ (Die Massenpsychologie des Faschismus, Fischer TB, S. 53). Gleichzeitig war er für Reich der „Unnormale“ schlechthin, nämlich der „Generalpsychopath“.
Genau diese Zwiespältigkeit machte das Faszinosum Hitler aus: auf der einen Seite der vorhersagbare Durchschnittsuntertan, auf der anderen der unvorhersehbar agierende wilde Mann. Aus dem gleichen Grund sind die Menschen ja auch von blutdürstigen Massenmördern so fasziniert, die bieder wirken, im Heimlichen aber unaussprechliche Dinge tun, d.h. ausbrechen. Das Phänomen Hitler hat demnach wenig bis gar nichts mit all dem moralischen und ethischen Brimborium zu tun, mit dem uns die Volkspädagogen quälen, sondern mit unserer gespaltenen, unauthentischen Existenz.