Posts Tagged ‘Selbstbestimmung’

Max Stirner, Soter (Teil 21)

16. August 2025

Die Auflösung der Gesellschaft ist der Verkehr oder Verein. Der Verein ist „die eigen gewollte Einheit“ (Der Einzige, S. 254). Den Verein kann man genausowenig auf den Begriff bringen wie den Einzigen: beides sind keine fixen „Gedanken“, sondern stehen jenseits davon, d.h. sind „bestimmungsloses“ Leben (Parerga, S. 202). „Der Verein ist nur dein Werkzeug oder das Schwert, wodurch Du deine natürliche Kraft verschärfst und vergrößerst; der Verein ist für Dich und durch Dich da, die Gesellschaft nimmt umgekehrt Dich für sich in Anspruch und ist auch ohne Dich; kurz die Gesellschaft ist heilig, der Verein dein eigen: die Gesellschaft verbraucht Dich, den Verein verbrauchst Du“ (Der Einzige, S. 351). Stirners Ziel ist „die Anarchie, die Gesetzlosigkeit, die Eigenheit“ (Der Einzige, S. 115), weshalb er gegen die Liberalen war mit ihrer Tyrannei der Vernunft, denn die vertragen „keine Ungezogenheit und darum keine Selbstentwicklung und Selbstbestimmung“ (Der Einzige, S. 116).

Wird durch eine Gesellschaft nur meine Freiheit beschränkt, dann ist sie tatsächlich ein „Verein“, wird aber meine Eigenheit beschränkt, so ist die Gesellschaft „eine Macht für sich, eine Macht über Mir, ein von Mir Unerreichbares, das Ich zwar anstaunen, anbeten, verehren, respektieren, aber nicht bewältigen und verzehren kann, und zwar deshalb nicht kann, weil Ich resigniere. Sie besteht durch meine Resignation, meine Selbstverleugnung, meine Mutlosigkeit, genannt – Demut. Meine Demut macht ihr Mut, meine Unterwürfigkeit gibt ihr die Herrschaft“ (Der Einzige, S. 343f).

Allerdings entsteht auch durch Verein eine Gesellschaft, aber nur wie durch einen Gedanken eine fixe Idee entsteht, dadurch nämlich, daß aus dem Gedanken die Energie des Gedankens, das Denken selbst, diese rastlose Zurücknahme aller sich verfestigenden Gedanken, verschwindet. Hat sich ein Verein zur Gesellschaft kristallisiert, so hat er aufgehört, eine Vereinigung zu sein; denn Vereinigung ist ein unaufhörliches Sich-Vereinigen; er ist zu einem Vereinigtsein geworden, zum Stillstand gekommen, zur Fixheit ausgeartet, er ist – tot als Verein, ist der Leichnam des Vereins oder der Vereinigung, d.h. er ist – Gesellschaft, Gemeinschaft. Ein sprechendes Exempel dieser Art liefert die Partei. (Der Einzige, S. 342)

Man darf den Verein nicht einfach nur als ein einseitiges Instrument betrachten, mit dem der Einzelne seine Mittel multipliziert (Der Einzige, S. 287) und sich dergestalt in eine gottgleiche Position bringt, vielmehr beruht der Verein in einer Welt, in der nichts mehr heilig ist, notwendigerweise auf Gegenseitigkeit, d.h. dem Verkehr zwischen Einzigem und Einzigem zu beiderseitigem Genuß; ein Verkehr gegen den sich die ach so soziale Gesellschaft wehrt, da er ihre Heiligkeit untergräbt (Der Einzige, S. 240f). „Verkehr ist Gegenseitigkeit“, während Gesellschaft nur eine von außen definierte rein mechanische Anordnung ist, – die durch den Verkehr zwischen Einzelnen nur gestört wird. Der wirkliche, d.h. persönliche Verkehr ist vollkommen unabhängig von der Gesellschaft (Der Einzige, S. 239f). In der Gesellschaft darf der Mensch „nicht unbekümmert mit dem Menschen verkehren, nicht ohne ‚höhere Aufsicht und Vermittlung‘“ (Der Einzige, S. 249). „Statt das Volk frei machen zu wollen, hätte er auf die einzig realisierbare Freiheit, auf die seinige, bedacht sein sollen“ (Der Einzige, S. 252). „Aber die Eigenheit, die will Ich Mir nicht entziehen lassen. Und gerade auf die Eigenheit sieht es jede Gesellschaft ab, gerade sie soll ihrer Macht unterliegen“ (Der Einzige, S. 343).

In was für einem Ausmaß wir in einer luftleeren, gespenstischen Scheinwelt leben, in der wir zu ersticken und zu erfrieren drohen, kann man sich an der „Liebe“ vergegenwärtigen: wir lieben nicht etwa, um in ihr unseren Genuß zu finden, sondern aus edler Uneigennützigkeit. Wenn es unser Gegenüber mit uns ebenso macht – „hätten wir das ideale Paar einer Narrenehe: zwei Menschen, die sich in den Kopf gesetzt haben, ohne sich selbst im anderen zu genießen, aus purer Aufopferung eines das andere zu lieben“ (Parerga, S. 221). Noch schlimmer als diese „Liebe“ zwischen altruistischen Irrenhäuslern, ist die „coole“ machiavellistische Manipulation von „Liebe“, wie sie in der westlichen Magie und im östlichen Tantra gelehrt wird und gerade en vogue ist: sie beruht auf den „yogischen“ Verzicht des Selbstgenusses, d.h. Sexualität soll in Macht transformiert werden.

Nur dem Besessenen und Unechten kann Stirner als „autistisch“ und herzlos erscheinen – in Wirklichkeit ist es derjenige, der aus der lebendigen Liebe eine nekrophile Farce macht: derjenige der von der Gesellschaft, der Familie, der Gemeinschaft schwärmt. (Vgl auch Reich über „sexuelle Dauerbeziehung“ und „ewigwährende Zwangsehe“ in Die sexuelle Revolution: dem Katholiken ist das erstere ein herzloser, autistischer, „ironistisch-nihilistischer“ Graus – dem „Reichianer“ ganz entsprechend das letztere.)

Es ist immer das gleiche: statt sich und das Leben zu genießen, opfert man sich und das Leben irgendwelchen Chimären (Der Einzige, S. 361). Stirner geht es einzig und allein um eben diesen egoistischen Selbstgenuß, – weshalb die Gemeinschaft und die Liebe sein Element sind. Konsterniert frägt er seine Kritiker, die ihm „lieblosen Egoismus“ vorhalten, was an der Isoliertheit eigentlich „egoistisch“ sein solle. Was um alles in der Welt sei daran egoistisch, auf den Genuß der Geselligkeit und der Liebe zu verzichten? (Parerga, S. 180). „Wer einen Menschen liebt, ist um diese Liebe reicher als ein anderer, der keinen liebt; aber ein Gegensatz von Egoismus und Nicht-Egoismus ist darin keineswegs vorhanden, da beide nur ihrem Interesse folgen“ (Parerga, S. 181).

„Arbeitsdemokratie“ und „Emotionelle Pest“: Eine Warnung

20. März 2025

Laß dir nicht „im Namen der Arbeitsdemokratie“ in deine Arbeit reinreden. Du machst deine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen und brauchst dich deshalb nirgendwo „einordnen“, solange das nicht der objektive Arbeitsprozeß selbst so von dir verlangt. Fast immer ist der „Director’s Cut“ besser als das Produkt, das einem vermeintlich „arbeitsdemokratischen“ Prozeß durchlaufen hat.

Wenn es um Emotionelle Pest geht, laß dir niemals ein X für ein U vormachen, sondern folge stets deinem eigenen Urteilsvermögen auf der Grundlage eigenständiger Recherche. Immer daran denken, daß die Nazis „die Juden“ als etwas betrachteten, das haargenau Reichs Konzept „Emotionelle Pest“ entsprach, und „der Jude“ dem, was Reich als „emotionell pestilenter Charakter“ definierte.

„Arbeitsdemokratie“ und „Emotionelle Pest“ stehen jedem Mißbrauch offen!

Der funktionelle Gegensatz Arbeitsdemokratie <–> Emotionelle Pest ist das zentrale Konzept der sozialen Orgonomie. Kaum je wird aber die inhärente Widersprüchlichkeit sowohl von „Arbeitsdemokratie“ als auch „Emotioneller Pest“ gesehen.

Was ist Arbeitsdemokratie? Der Arbeitende, und niemand sonst, bestimmt, was er in seiner Arbeit tut. Laß ich einen Elektriker kommen, rede ich ihm tunlichst nicht in die Arbeit rein! Für die Zeit seiner Arbeit und auf seinem eingeschränkten Arbeitsfeld ist er der uneingeschränkte Diktator („Befehler“). Es wäre vermessen und kontraproduktiv da vermeintlich „arbeitsdemokratisch“ dazwischenzufunken. Das gleiche gilt auch für ganze Betriebe: es ist dumm und kontraproduktiv in fremde Resorts hineinzuregieren („hineinzubefehlen“) und beispielsweise „Verbesserungsvorschläge“ zu machen. Das sieht man allein schon daran, wie erstaunlich effektiv und produktiv „Einmannbetriebe“, etwa Reich in seiner Orgonforschung, sein können, während bei Zusammenschlüssen von mehreren Personen typischerweise die Gefahr besteht, daß Projekte zerredet werden, im Endeffekt gegeneinander gearbeitet wird, Mißverständnisse alles zerfressen und Reibungsverluste das ganze schließlich zum Stillstand bringen.

Wie im Organismus mit seinen weitgehend unabhängig voneinander agierenden Organen, funktioniert das kollektive Arbeiten am besten, wenn jeder SEINE Arbeit macht und sich dabei mit den anderen „Organen“ abstimmt, statt daß einer dem anderen in seine autonome Arbeit hineinquatscht und, wenn dann alles im Chaos endet, dem Gegenüber vorwirft, er könne nicht in Gruppen arbeiten und sei selbstherrlich. Nein, diese „Selbstherrlichkeit“ ist die Grundlage der Arbeitsdemokratie. Stichwort „Selbstbestimmung“. Allzuleicht wird unter dem Vorwand von „Demokratie“ und „Zusammenarbeit“ die vermeintliche „Arbeitsdemokratie“ zur Diktatur von oben, während umgekehrt die originäre Arbeitsdemokratie sozusagen die (zeitlich und sachlich engbegrenzte) Diktatur des einzelnen Arbeiters „von unten“ ist.

Ähnlich inhärent „widersprüchlich“ wie mit der Arbeitsdemokratie ist es mit der Emotionellen Pest bestellt. Sie beruht vor allem auf der Vorspiegelung falscher Tatsachen; darauf, daß das vorgegebene Handlungsmotiv nicht den wahren Absichten entspricht, das Ergebnis einer Handlung das Gegenteil der ursprünglichen (vermeintlichen!) Absicht ist, die Rolle von Täter und Opfer ausgetauscht wird, Verwirrung gestiftet und ein rationaler gesellschaftlicher Diskurs unmöglich wird, etc. Ein naheliegendes Beispiel ist der Angriffskrieg Putins auf die Ukraine, der zu einem Zerfall der internationalen Beziehungen geführt hat, zu Tod und Verwüstung für imperiale und Profitinteressen Rußlands, etc. Um das ganze zu kaschieren, wird der Westen von einer russischen Desinformationskampagne überzogen. Ein klassisches Beispiel für die Emotionelle Pest! – Moment! Das kann man auch umgekehrt sehen: wenn man sich einfach nur die Chronik der Ereignisse anschaut, ist weniger der Russe Putin, sondern vielmehr die Amerikanerin Victoria Nuland der Bösewicht!

Und genau DAS ist der Punkt! – Was ist der Punkt? Daß man sicher sein kann, es mit der Emotionellen Pest zu tun zu haben, wenn man in einen Zustand der Verwirrung und Immobilisierung gerät; nicht mehr weiß, was man glauben soll und wie man reagieren soll und jede rationale Debatte unmöglich zu werden scheint. Die Emotionelle Pest ist keine Sache von Gut und Böse, das können wir getrost Religion und Ethik oder gar der Politik überlassen, sondern eine der Bioenergetik! – Was DAS bedeuten soll? Emotionelle Pest bedeutet, daß das einheitliche organismische und arbeitsdemokratische Funktionieren unterminiert und verhindert wird. Es ist die Rache am Leben, das man nicht leben kann und das deshalb auch alle anderen nicht leben sollen. Darum geht es und nicht um irgendwelchen religiösen, ethischen und politischen Schwachsinn. Es geht um den fundamentalen Gegensatz von Arbeitsdemokratie und Emotioneller Pest. Auf nationaler Ebene wird die Arbeitsdemokratie durch die Gesellschaftspolitik zerstört (egal ob sie von links oder auf reaktive Weise von rechts kommt) und auf internationaler Ebene durch die Geopolitik (egal ob sie von Amerika oder auf reaktive Weise von Rußland ausgeht).

Kommt dir also jemand mit „Arbeitsdemokratie“ oder „Emotioneller Pest“ und verkündet, du sollst dich organisatorisch und ideologisch, also jeweils „demokratisch“, einpassen, sei auf der Hut! Gut möglich, daß er ganz und gar nicht für Arbeitsdemokratie und die Bekämpfung der Emotionellen Pest steht, sondern für das diametrale Gegenteil: die Emotionelle Pest.

Betrachten wir den Unterschied zwischen der im Grunde stets „ständestaatlichen“ und „standesrechtlichen“ autoritären Gesellschaft vor ca. 1960 und der heutigen bürokratisch-zentralistischen antiautoritären Gesellschaft. In der autoritären Gesellschaft war die Autorität lokal organisiert. Deutschland war flächendenkend von „Honoratioren“ bestimmt bis hinab zum Familienvater und dem Individuum, das „Schmied seines eigenen Glückes“ war. In der vorgeblich „emanzipatorischen“ Gesellschaft nach ca. 1960 wurde das durch die staatliche Bürokratie ersetzt, die die Menschen von den lokalen Autoritäten befreite. Heute ist man nicht mehr seines Glückes eigener Schmied, sondern verläßt sich auf das bedingungslose Grundeinkommen.

Arbeitsdemokratie steht für Selbststeuerung, d.h. du bist deine eigene Autorität. Ab dem Zeitpunkt, an dem man aufhören muß, Schalten und Walten zu können wie man will, zerfasert alles hoffnungslos. Das ist etwa in der DDR geschehen, als die von den Kapitalisen befreite Produktion durch alle möglichen und unmöglichen politischen Vorgaben behindert wurde und setzt sich heute unter Rudolf Habeck fort. Die Diktatur, also die Emotionelle Pest bricht ein. Gewisserweise ist Arbeitsdemokratie von Diktatur nicht zu unterscheiden (der „selbstherrliche Arbeitende“) und wird durch Diktatur zerstört (der „selbstherrliche Bürokrat“). Der, der die Arbeit macht, bestimmt. Punkt! Muß er sich mit anderen abstimmen, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben, ist das schnell das Ende der Produktivität. Arbeitsdemokratie funktioniert nur, wenn jeder „selbstherlich“ seine Arbeit macht und dabei die unterschiedlichen Arbeitsbereiche spontan ineinandergreifen.

Das versteinerte Kastenwesen der autoritären Gesellschaft und die diktatorisch-zentralistischen Elemente der antiautoritären Gesellschaft, deren „emanzipatorischen“ Vorzüge durchaus nicht zu unterschätzen sind, sind jeweils bloße Karikaturen einer genuin arbeitsdemokratischen Gesellschaft. Von daher sind Einwände wie „Dieses Vorgehen ist nicht arbeitsdemokratisch, sondern autoritär!“ oder „Dieses Vorgehen ist nicht arbeitsdemokratisch, sondern antiautoritär!“ meist daneben, denn die Arbeitsdemokratie ist in vieler Hinsicht „diktatorisch“ und in vieler Hinsicht „emanzipatorisch“. Oder mit anderen Worten: die autoritären und die antiautoritären Gesellschaften sind bloße Karikaturen der Arbeitsdemokratie – und ihre Versatzstücke enthalten gerade deshalb viel Arbeitsdemokratisches.

Ich verlange, daß sich andere meiner Autorität unterwerfen, wo ich die Expertise habe, genauso wie ich mich ihrer Autorität unterwerfe, wo sie die Expertise haben. Wirrköpfe mögen das als „faschistisch“, „sozialistisch“ oder gar „antiarbeitsdemokratisch“ abtun, aber diese Wirrköpfe sind tatsächlich – emotionell pestilent.

Das Qualitätsmanagement soll die Arbeitsdemokratie schützen, der Digital Service Act und allgemein, der „Kampf gegen den Haß“ soll die Emotionelle Pest bekämpfen: also die Zerstörung der Arbeitsdemokratie soll die Arbeitsdemokratie schützen, die organisierte Emotionelle Pest soll die Emotionelle Pest bekämpfen…

Lese Max Stirner!

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 82)

28. September 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Max Stirner von konservativer Warte? Nehmen wir Edmund Burkes klassische Betrachtungen über die Französische Revolution, die eine brillante Verteidigung der Institution der Erbmonarchie und anderer „Vorurteile“ darstellen. Burke positioniert hier die Legitimität der Vorurteile gegen die „rationalen“ Kopfgeburten der französischen Aufklärer. Damit inspirierte er den Freiherrn vom Stein und dessen Mitarbeiter und späteres Mitglied der Paulskirche Ernst Moritz Arndt. Dieses Dreigestirn („BSA“) meine ich, wenn ich von „Konservativen“ spreche. Es sind jene, die die absolutistische Tyrannei aufbrechen wollten (und es auch praktisch getan haben), indem sie die Legitimität wiederherstellten: der preußische Staat zog sich (praktisch einmalig in der Weltgeschichte) vollkommen aus der Gesellschaft zurück, die Gemeinden erhielten ihr Recht zurück, sich selbst zu verwalten, etc. Nichts weltbewegendes, aber genau jenes Maß an Freiheit („Wahrheit“), die die Strukturen der Menschen noch gerade so eben aushalten konnten. Der Weg in die richtige Richtung: Dezentralisierung ohne „krebsigen“ Zerfall, Selbstverantwortung und Selbstbestimmung ohne „krebsiges“ Chaos, Demokratie ohne „krebsige“ Verantwortungslosigkeit.

Die Gegner von BSA waren die verdammten Wahrheits- und Freiheitskrämer mit ihren heeren Ideen. BSA ist zwar nicht gerade aufregend, nicht weltbewegend, nicht sexy, aber es ist der erste Schritt hin zu mehr Lebensfreude (weil es buchstäblich der Weg zurück zur Erde ist, weg von den hehren Ideen), zu mehr „Einzigkeit“ (weil nicht mehr die Idee der „Freiheit“ der Leitfaden ist, sondern das praktische Leben), zu mehr Arbeitsdemokratie.

Nehmen wir mal an, die Stirnerity würde sich durchsetzen. Wäre sie wirklich tragfähig? Wäre das nicht vielleicht ein ziemlich lustloser Haufen, der fatal an jene Pseudo-Stirnerianer im Paris der 1940er und 1950er Jahre erinnern würde: die grämeligen, kreidebleichen, schwarz-in-schwarz gekleideten Existentialisten, die „aus sich heraus ihre selbstverantwortete eigene Welt schaffen“ (oder so)? – Ich meine, wann kommt in einem „Verein“ (von der Betriebsfeier, über die Dorffeier bis zum Fest der Pygmäem im Kongo) wirklich genuine gemeinsame verbindende buchstäblich ansteckende Lebensfreude auf? Wenn der gemeinsamen Tradition gedacht und diese „Vorurteile“ (die für den Außenstehenden vollkommen gaga sind) zelebriert werden! Wenn es über Kopfgeburten, gemeinsame „kalte Interessen“ und Unverbindlichkeiten hinausgeht, d.h. wenn die gemeinsame Einzigkeit gefeiert wird. Identität. Legitimität. „Justified and ancient!

Linke/Liberal und Konservative (BSA) sind eben nicht die gleiche Kategorie. Auf BSA kann man nicht „hereinfallen“!

Desgleichen mit der „Wissenschaft“: man kann auf den „Szientismus“ hereinfallen, aber eben nicht auf die Wissenschaft. Das eine ist ein Wahngebilde (und gerade die moderne „Wissenschaft“ entwickelt sich immer mehr zu einem solchen bloßen Wahngebilde, das jeden bezug zur Wirklichkeit verliert) – das andere ist Faktizität.

LSR (die totale Gegnerschaft) und BSA („Legitimität“) gehören zusammen: ohne das „anti-aufklärerische“ BSA kann sich die Aufklärung (LSR) nie durchsetzen. Ja sie darf sich sogar nicht (ohne BSA) durchsetzen! (Siehe oben alles zusammengenommen.)

Faschismus ist Ausdruck der Mittleren Schicht. Roter Faschismus ist Ausdruck der Mittleren Schicht mit Hilfe der sozialen Fassade. Und da sind wir gewisserweise immer noch, trotz des Sieges über den Kommunismus: in der kontaktlosen sozialen Fassade. Eine „illigitime“ (also „unechte“) Kontaktlosigkeit, gegen die schon BSA ankämpften, als sie mit der Französischen Revolution und ihren Folgen konfrontiert waren.

Von Karl bis Olaf und die Tunten

7. September 2023

Um Marx zu begreifen, muß man zunächst Feuerbach und Stirner verstehen. Sowohl Marx (vor 1845) als auch Freud (zeitlebens) waren Feuerbachianer, d.h. Atheisten, die an „die Kultur“ glaubten und Gott durch die Götzen Humanität, Menschlichkeit, „das Menschliche und Ethische“ ersetzten. Sie waren also Atheisten, aber halt „fromme Atheisten“. Im Grunde waren sie klassische Liberale, die keinen Kontakt zum bioenergetischen Kern hatten und stattdessen alles von der gesellschaftlichen Fassade her ableiteten. Stirner hat sie (mit ähnlichen Argumenten wie später Reich gegen Freud) argumentativ zermalmt. Seine Botschaft lautete: Werde das Über-Ich los (d.h. sowohl „Gott“ als auch „die Menschheit“) und sei dein biologisches Selbst.

Marx vermied es, von Stirner intellektuell vernichtet zu werden. Statt „menschliche und humane Werte“ zu verteidigen, was nur dazu geführt hätte, Stirner weiter zu bestätigen, entwickelte er in seinem Monumentalmanuskript Die deutsche Ideologie das, was später zum Historischen Materialismus wurde. Hier leugnete Marx einfach die Menschheit (alles ist Klassenkampf), das Menschliche (man ist nur ein Brennpunkt der sozioökonomischen Kräfte, d.h. des Klassenkrieges), das Humane (alle Werte sind lediglich Funktionen des Klassenkriegs) und das Individuum (das bloß der Bourgeois ist). Das ist der Historische Materialismus, der seinerseits nichts anderes ist als der Rote Faschismus, d.h. der Pseudoliberalismus: die Fassade steht im Dienste der sekundären Schicht, anstatt sie zu unterdrücken, wie es die „Feuerbachianer“ der klassischen Liberalen taten.

Noch heute hassen die Marxisten sowohl Stirner als auch Reich genau aus diesem Grund. Weshalb? Sowohl Stirner als auch Reich beriefen sich auf die biologische Selbstregulierung. Das bedeutet natürlich nicht, daß Feuerbach, Marx und Freud in all ihren Theorien „falsch“ lagen, es bedeutet nur, daß man ihren wahren Platz in der Geistesgeschichte nur über das biosoziale „Drei-Schichten-Konzept“ von Reich, Baker, Mathews und Konia verstehen kann, das Reich erstmals im Vorwort von Die Massenpsychologie des Faschismus skizzierte.

Letztlich sind Marx und seine heutigen Epigonen durch die Emotionelle Pest in ihnen motiviert, die Selbstregulierung zu zerstören. Aber diese Behauptung ist zu unspezifisch und damit selbst pestartig. Stattdessen muß man, wie ich es oben getan habe, sowohl die historischen, philosophischen als auch vor allem die bio-psychologischen Mechanismen skizzieren.

Vor diesem Hintergrund ist ein Blick auf die Tätigkeit unserer neo-Marxistischen Regierung aufschlußreich. Nehmen wir Olafs Selbstbestimmungsgesetz. „Selbstbestimmung“? Klingt doch durchaus nach (einem banalisierten) Stirner! Und tatsächlich fallen viele naive „Stirnerianer“ auf sowas rein. Aber natürlich hat dieses Gesetz nichts, aber wirklich gar nichts, mit der „biologischen Selbstbestimmung“ im Sinne Stirners zu tun. Vielmehr geht es darum, das Menschsein an sich aufzuheben und selbst dein Geschlecht zu einem bloßen gesellschaftlichen Konstrukt zu machen. Es geht darum, die sekundären, perversen Triebe gegen das Lebendige selbst in Stellung zu bringen, indem man sich liberal und menschenfreundlich gibt (Stichwort: Selbstbestimmung). Roter Faschismus, wie oben knapp beschrieben.

Es ist aber noch schlimmer, denn wer sich gegen diese lebensfeindliche Sauerei wehrt, wendet sich automatisch gegen die besagte „Stirnersche biologische Selbstbestimmg“. Ich zitiere aus dem oben verlinkten Artikel auf pi-news Gereon Bollmann, AfD-Bundestagsabgeordneter und früherer Richter am Oberlandesgericht Schleswig:

„Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“, heißt es in Artikel 2 des Grundgesetzes. Das nun von der Ampel-Koalition vorangetriebene „Selbstbestimmungsgesetz“ steht aufgrund seiner gravierenden Eingriffe in massivem Widerspruch zu diesem verfassungsmäßig verbrieften Grundrecht. Es stellt einen weiteren rot-grünen Meilenstein zur Zerstörung unserer Familien dar. Künftig soll es den Familiengerichten obliegen, darüber zu entscheiden, ob der Wunsch eines Kindes nach einem Geschlechtswechsel maßgeblich ist, obwohl die Eltern dagegen sind. Des Weiteren birgt das „Selbstbestimmungsgesetz“ die Möglichkeit, staatliche Stellen als Erziehungsberechtigte einzusetzen und die Kinder in bekannt sozialistischer Manier der Obhut ihrer Eltern zu entziehen. (…) Die Erziehungsrechte der Eltern dürfen nicht von linksgrün verbohrten Ideologen infrage gestellt werden!

Die, die sich gegen den Marxismus stellen, finden sich dergestalt auf der Seite des „Erziehungsrechts“, d.h. des Rechts Kinder zu enkulturieren, ihnen ein Über-Ich zu verpassen, sie abzupanzern. Ich sehe förmlich das bösartige Grinsen des „Kulturbolschewisten“ plastisch vor meinen Augen!

Was lehrt uns das? Es ist vollkommen sinnlos sich „argumentativ“ mit diesen Leuten auseinanderzusetzen, da ihre gesamte Ideologie von Anfang an darauf ausgerichtet war, absolut unangreifbar zu sein. Das einzige, was man tun kann, ist den charakterologischen Hintergrund des Kommunismus immer und immer wieder offenzulegen, wie es Reich und im Anschluß an ihn Baker, Mathews und Konia getan haben.

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 61)

28. April 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Es ist wie beim Betrachten eines Gemäldes: wenn man den Kopf erst zu jener Seite, dann zu dieser Seite neigt und es unter unterschiedlichen Lichtverhältnissen betrachtet, und die Augen Zusammenkneift, damit jede verwirrende und bedeutungslose Einzelheit verschwimmt, kann man einen logischen Sinn im anfangs Sinnlosen zumindest erahnen. Genauso muß man vorgehen, wenn man bei Reich, oder jeder beliebigen Entsprechung, Stirner oder allgemein „LSR“ ausmachen will.

In American Odyssey setzt Reich bereits 1940 Arbeitsdemokratie mit Individualismus gleich. Schreibt er doch (S. 9) an den linken Schweizer Mitstreiter Fritz Brupbacher:

Trotz des massiven Unglücks, das alle unsere Hoffnungen beeinträchtigt hat, ist hier und da ein Kern von Gedanken und Lebensweisen erhalten geblieben, der sich in Zukunft als wertvoll erweisen könnten. Sie haben sicher recht, wenn Sie sagen, daß die Enttäuschung über alle möglichen Parteien und Führungspersönlichkeiten viel zu groß ist, als daß ein vernünftiges Handeln nach traditionellen Grundsätzen denkbar wäre. Dennoch bleibe ich persönlich optimistisch. Was Sie als neuen Individualismus bezeichnen, habe ich, glaube ich, meinerseits einfach unter dem Begriff „Arbeitsdemokratie“ formuliert.

Interessant ist, daß Reich 1940, als er noch ein Linker und ein starker Befürworter der Roosevelt-Administration war, Arbeitsdemokratie mit Individualismus gleichsetzt. Aber was genau war Brupbachers „neuer Individualismus“?

Wie alle Nonkonformisten ist auch Brupbacher schwer einzureihen und zu etikettieren. Bei den Sozialdemokraten galt er als antisozialistischer Anarchist, bei den Kommunisten als kleinbürgerlicher Individualist, die Historiker verwenden für seinesgleichen verschiedene, gegeneinander nicht genau abgegrenzte Begriffe wie Anarchosozialist, Anarchosyndikalist oder libertärer Sozialist. Diese Schwierigkeit der Klassifizierung mag für Lexika und andere Nachschlagewerke ein Nachteil sein, die Kehrseite davon ist jedoch die andauernde Aktualität vieles dessen, was Brupbacher gedacht und getan hat. https://www.birsfaelder.li/wp/politik/fritz-brupbacher-revolutionaer-zwischen-allen-stuehlen-2/

Dies ist wichtig, da Leute wie Philip Bennett Reichs frühe Formulierungen zur Arbeitsdemokratie mit dem kollektivistischen „Rätekommunismus“ gleichsetzen.

Genauso ist es mit dem „Kommunisten“ Reich bestellt. Wenn ich mir den „Stalinistischen“ Haufen der KPÖler Ende der 1920er Jahre so anschaue: „funktionell betrachtet“ waren die SPÖler (wie etwa der Freud-Intimus Paul Federn oder der Rassehygeniker Julius Tandler) die Stalinisten, die verächtlich auf das anarchische Lumpenproletariat hinabblickten, die ihre „eigene“ Sache machen (siehe Der Rote Faden).

Nehmen wir auf der anderen Seite des politischen Spektrums einen Libertären wie Gerard Radnitzky, der einerseits Erhard, Thatcher, Reagan und Richardson über den Klee lobte – andererseits aber ein derartiger wüteriger „Staatsfeind“ war, daß die linken „Progressiven“ sich dagegen wie Gartenzwerge mit roten Zipfelmützen ausnahmen. Na gut, daß ist immer noch nicht „LSR“ (innerlich radikal frei), aber …. immerhin der Schutz des Individuums (äußerlich radikal frei).

Wenn Leute wie Radnitzky, die allenfalls in „rechten“ Medien veröffentlichen können, z.B. hervorheben, daß bloße Mitbestimmung (das Leitwort der Linken) etwas ganz anderes ist als Selbstbestimmung (das Leitwort der Rechten), und daß Selbstbestimmung nur im Rahmen eines freien Marktes möglich ist, ja, dann ist das immerhin „Stirnerianismus“. (Man beachte die Anführungszeichen.)

Man muß halt auch sehen, daß jener „Konservatismus“, der sich seit den 1940er Jahren organisierte, deutlich libertäre und „Stirnerianische“ Züge trug. Oder daß etwa Friedrich von Hayek geradezu ein „Leninistisches“ Umerziehungsmodell vertrat: „konservativ“ Rücksicht auf die Traditionen nehmen (deren ganze Sinnhaftigkeit dem Einzelnen sowieso unerschließbar ist) und ihren rationalen Kern herauspräparieren, um in ferner Zukunft den Staat und allen „Über-Ich-Zwang“ beseitigen zu können. (Wobei ich mir bewußt bin, daß Hayek ständig auf Marx und Freud [immer als Paar!] einschlug und dabei den „Freudo-Marxisten“ Reich meinte.)

Genauso war auch jener „Wiener Kommunismus“ in vieler Hinsicht ein geradezu „libertärer“ Aufstand gegen ein kleinbürgerlich-proletarisches Rotes Wien, das geradezu „volksdemokratisch“ eng war. (Und das Reich so ähnlich im sozialdemokratischen Skandinavien wieder vorfand – und sehr schnell mit „Faschismus“ gleichsetzte, spätestens nach der Zeitungskampagne der weitgehend sozialdemokratischen Presse gegen ihn.)

Der Platz der Orgonomie im gesellschaftlichen Diskurs

30. Oktober 2022

In der autoritären Gesellschaft waren jene die verfolgten Außenseiter, die, wie Reich, für die Freiheit eintraten. Bei Reich war das vor allem die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen und Jugendlichen, die „freie Kindererziehung“ und allgemein die Selbstbestimmung. Heute, in der antiautoritären Gesellschaft eckt die Orgonomie ganz im Gegenteil als „erzreaktionär“ an, weil sie auf allen Ebenen für Verantwortung steht.

Die Orgonomen könnten sich der „Emanzipationsbewegung“ („mehr Demokratie wagen“) anschließen, die (ca.) 1960 begann – und damit den weiteren Zerfall der Gesellschaft unterstützen. Das ist die Karte, die diejenigen gezogen haben, die sich weitgehend um das Wilhelm Reich Museum organisieren und die ich in „Reichiansche Bücher“ hier, hier und hier ausgiebig beschrieben habe.

Demokratie ohne Verantwortung ist Diktatur: Die Mehrheit oder sehr aktive Minderheiten („Basisdemokratie“) beuten den produktiven Kern der Gesellschaft aus. Konkret: in der Bundesrepublik sind vielleicht 20% Leistungsträger, die die restlichen 80% Parasiten unterhalten und dafür zum Dank von der Bürokratie gepiesakt und von den Medien beschimpft werden! Freiheit ohne Verantwortung ist Diktatur: z.B. wird die freie Community des Internets von meist „rechten“ emotionalen Plagegeistern, Flacherdlern, Antisemiten und ähnlichem Ungeziefer beherrscht, jede Diskussionsrunde endet in einem abstumpfenden Blablabla, weil jeder faktenfrei seine „Meinung“ zum besten gibt.

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 15. Die Trennung von Liebe und Sex / Genitalität

28. Oktober 2022

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 15. Die Trennung von Liebe und Sex / Genitalität

„Freudo-Marxismus“ (Teil 2)

13. Januar 2015

Wenn Marx Leute wie Stirner oder Proudhon zu seinen „kleinbürgerlichen“ Hauptfeinden erklärte, erklärte er damit „funktionell gesehen“ auch Reich zu seinem Hauptfeind. Mit Stirner habe ich mich bereits befaßt.

Stirner hatte bei der Kritik der idealistischen Philosophie, insbesondere Hegel, angesetzt: Es gehe nicht abstrakt um „den Menschen“, sondern jeweils um mich. Ich sei kein Abstraktum, sondern die unmittelbare, nicht weiter reduzierbare Realität, die sich nicht von inkorporierten Hirngespinsten (Freuds „Über-Ich“) definieren und unterdrücken lassen sollte. Würden solche sozusagen „realistischen“ Individuen in Freiwilligen Vereinen zusammenfinden, würde die Welt von der Realität und nicht mehr vom Irrsinn bestimmt (Reichs „Arbeitsdemokratie“).

Marx hatte auf diese, um mit Reich zu reden, „umwälzende Kritik sämtlicher moraltheoretischer Systeme“ keine Antwort. Ähnlich wie Freud, der die Konsequenz seiner eigenen Theorie damit abwehrte, daß er das Über-Ich kurzschlußartig in der Biologie verankerte, benutzte auch Marx einen üblen Taschenspielertrick: Er behauptet, daß Stirner ein Idealist sei, da er nicht den „wirklich tätigen Menschen“ im Blick habe, der in bestimmte Produktionsverhältnisse eingebunden sei. Das Sein bestimme das Bewußtsein! Reich mußte sich mit diesem kurzschlußartigen Soziologismus in der Massenpsychologie des Faschismus abquälen.

Die Antwort sowohl auf Freud als auch auf Marx ist Reichs Konzept des „Charakters“, mit dem er zeigt, wie konkret das Über-Ich in der Biologie verankert ist und daß diese Verankerung auf ganz bestimmten soziologischen Mechanismen beruht. (Elsworth F. Baker und Charles Konia haben das dann später weiter ausgerollt.)

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Proudhon trat gegen den ökonomistischen Marxismus auf. Proudhon vertrat eine Art von „Sozialpsychologie“, Selbstbestimmung, Antipolitik und die Arbeitsdemokratie. Proudhon:

Indem die Tätigkeitssphäre jedes Bürgers durch die natürliche Teilung der Arbeit und durch die Wahl des Berufes bestimmt ist, indem die sozialen Funktionen in einer solchen Verbindung zueinander stehen, daß sie eine harmonische Wirkung hervorbringen, entsteht die Ordnung aus der freien Tätigkeit aller; es gibt keine Regierung.

Dagegen ist „Zentralisation“ einer der wichtigsten Begriffe im Kommunistischen Manifest, wo von der Zentralisation der „vielen Lokalkämpfe zu einem nationalen, zu einem Klassenkampf“ die Rede ist, gefolgt von der Zentralisation der Instrumente der Produktion.

Bereits 1846 warnte Proudhon „den Bandwurm des Sozialismus“, d.h. Marx, sich nicht zum „Führer einer neuen Intoleranz“, zum „Apostel einer neuen Religion“ zu machen, der mit „Exkommunikationen“ und „Bannflüchen“ operiere.

Reich hat Marx vollständig fehlbeurteilt, z.B. in Rede an den Kleinen Mann erwähnt Reich Marx 5 mal, dabei 3 mal in Verbindung mit Jesus (der von Reich 7 mal erwähnt wird). Reich nennt Marx „einen wahrhaft großen Mann“ (S. 19), jemand der, im Gegensatz zum Kleinen Mann, „den Preis für echte Freiheit zahlt“ (S. 22). In Christusmord versteigt sich Reich gar zu dem Satz:

In die heutige Zeit übertragen ist Stalin im Verhältnis zu Marx das, was Paulus in bezug auf Christus war.

In Menschen im Staat weist er darauf hin, daß die Emotionelle Pest von den Parteipolitikern in den Marxismus getragen wurde, indem sie die ökonomischen Begriffe wie „Kapitalist“ oder „Mehrwert“ mit Haßgefühlen besetzten, um so „die Massen“ emotional aufzustacheln.

Dazu eine Erinnerung des Zeitzeugen Carl Schurz an Marx:

Ich erinnere mich noch wohl des schneidend höhnischen, ich möchte sagen, des ausspuckenden Tones, mit welcher er das Wort „Bourgeois“ aussprach; und als „Bourgeois“, das heißt, als ein unverkennbares Beispiel einer tiefen geistlichen und sittlichen Versumpfung, denunzierte er jeden, der seinen Meinungen zu wiedersprechen wagte.

Proudhon hatte bereits die Gegenwahrheit zum Freiheitsstreben des Menschen erkannt, – daß

jeder in der Menschheit zu verwirklichende Fortschritt (…) zum Hauptgegner in der Philosophie diejenigen [hat], deren Aufklärung er zum Zweck [hat]; in der Freiheit diejenigen, deren Emanzipation er zum Gegenstand hat; in der sozialen Ökonomie diejenigen, die er zu bereichern sich vornimmt.

Proudhon hat sogar dieselbe Lösung der Problems wie Reich gefunden: die Praxis verantwortlicher Freiheit, „d.h. die Schaffung von möglichst vielen und gegenseitigen Beziehungen (Mutualismus)“ (P.J. Proudhon: Bekenntnisse eines Revolutionärs, rororo 1969).

Ja, aber war nicht Proudhon ein schlimmer Antisemit? Diese Art von Fragen stellen Marxisten stets, wenn es darum geht, andere Propheten der sozialistischen Bewegung abzuwerten. Aber schauen wir uns doch einmal Marx selbst an:

Dazu ein Zitat aus Marxens Schrift Zur Judenfrage, die er im Herbst 1843 schrieb:

Die Judenemanzipation in ihrer letzten Bedeutung ist die Emanzipation der Menschheit vom Judentum. (…) Welches ist der weltliche Grund des Judentums? Das praktische Bedürfnis, der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus der Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld. Nun wohl! Die Emanzipation vom Schacher und vom Geld, also vom praktischen, realen Judentum [= Kapitalismus] wäre die Selbstemanzipation unserer Zeit.

Daß Marx dies genau so meinte, wie es hier steht, wird aus einem 13 Jahre später veröffentlichten Artikel deutlich, den er für The New York Tribune schrieb, damals die größte Zeitung der Welt. Marx:

Wir wissen, daß hinter jedem Tyrannen ein Jude steht, wie hinter jedem Papst ein Jesuit. Wie das Heer der Jesuiten jeden freien Gedanken tötet, würde der Wunsch der Unterdrückten Erfolgsaussichten haben; die Nützlichkeit von Kriegen, angestiftet von Kapitalisten, würde enden, wenn sie nicht für die Juden sein würden, welche die Reichtümer der Menschheit stehlen. Kein Wunder, daß vor 1856 Jahren Jesus die Wucherer aus dem Tempel Jerusalems gejagt hat. Sie waren die zeitgenössischen Wucherer, die hinter Tyrannen und Tyranneien stehen. Die Mehrheit von ihnen ist jüdisch. Die Tatsache, daß die Juden so stark geworden sind, das Leben der Welt in Gefahr zu bringen, veranlaßt uns, ihre Organisation und ihr Ziel zu enthüllen, damit ihr Gestank die Arbeiter der Welt zu Kampf aufrütteln möge, um solch ein Übel auszulöschen.

Man lese dazu Reichs Ausführungen über Julius Streicher und die Verbindung zwischen Antisemitismus (heute Marxistischer „Antizionismus“) und Antikapitalismus in Menschen im Staat:

Der Jude wird im allgemeinen, besonders unter dem Druck so konsequenter Propaganda wie der des Banditen Streicher, als „Schächtjude“ erlebt, also als ein Mensch mit einem langen Messer, der christliche und deutsche Kinder zum Pessachfest abschlachtet. Da er kleine Kinder am Glied beschneidet, untermauert sich die Angst vor ihm durch die uralte Kastrationsangst, die in allen sitzt. Solche Dinge tut nur ein Wesen, das selbst alle Lust, speziell Sexuallust für sich rauben will. Der Jude nimmt also dem Arier die Mädchen weg, nachdem er die Männer kastriert hat. Der Jude nimmt immer etwas weg. Da er zudem das Unglück hat, durch frühere Judenverfolgungen dem Handel zu frönen, raubt er Geld. Nur ein Schritt noch, und er ist der Inbegriff des „Kapitalisten“ geworden. So kann sich unter geschicktester Ausnützung der Sexualangst vor dem Schächtjuden der gesamte Gefühlshaß der Massenmenschen gegen den Geldwucherer, mit anderen Worten, den „Kapitalisten“, auf den Juden verlagern. Der Jude zieht somit sowohl den sozialistischen Kapitalistenhaß wie die erworbene Sexualangst auf sich.

Hier hat Reich unbewußt eine orgonomische Analyse auch des Marxismus geliefert! Er ist ein Wahnsystem, in dem das Kapital aus einem nicht weiter ableitbaren Trieb heraus („Habgier“, „Judentum“) die lebendige Arbeit zerstückelt („Entfremdung“, „Arbeitsteilung“) und wie ein unersättlicher Vampir aus der Arbeitskraft heraussaugt. Um dieser Blutschande ein Ende zu setzen, müsse der Markt zerstört, also das gesellschaftliche Leben stranguliert und das „jüdische“ Geld („Energie“, „Blut“) abgeschafft werden.

Der faschistische Mythos, der sich in der Marxistischen „Kritik der politischen Ökonomie“ verbirgt, tritt besonders klar zutage, wenn „Reichianer“ hinter dem äußeren „dialektischen Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital“ einen inneren „dialektischen Widerspruch zwischen lebendiger und erstarrter Triebenergie“ wahrzunehmen vermeinen. Es ist prinzipiell der gleiche Wahn, der in „den Juden“ den geldaussaugenden Vampir „erkennt“. Marx‘ „Denken“ ist eine Pest!