Posts Tagged ‘Ideen’

Max Stirner, Soter (Teil 11)

8. Juni 2025

Verbrecher von Geburt! Es existiert nichts über dem „leibhaftigen Menschen“, nicht „Menschlichkeit“, nicht „Freiheit“ oder irgendeine andere dieser „heiligen“ Ideen (Der Einzige, S. 400). Aus dem Leibhaftigen gehen alle Gedankengebilde hervor, z.B. die Religion. Sie ist ein Produkt des künstlerischen Schaffens. Der Künstler schafft ein Ideal des Menschen, das dann angebetet wird. Der Religiöse gerät in den Bann dieses Ideals – und richtet sich gegen, beschneidet die schöpferische Quelle, die das Ideal hervorgebracht hat. Der Künstler wiederum erhält zwar die Religion aufrecht, haucht ihr ständig neues Leben ein, aber er kann sie auch jederzeit sozusagen „wieder in sich zurückholen“, etwa indem er das Ideal in der Komödie der Lächerlichkeit preisgibt (Parerga, S. 99-110).

Ich, der Einzelne, der Endliche, der Einzige (Der Einzige, S. 271), der Wirkliche und Leibhaftige löse die substanzlosen allgemeinen Begriffe, den „Geist“ auf (Der Einzige, S. 189). Das „leibhaftige Ich“ (Der Einzige, S. 190), das „lebendige Ich“ pustet die toten Gespenster, d.h. ganze „Völker“ weg (Der Einzige, S. 184). Und da es nur gegen ein Heiliges „Verbrechen“ gibt (Der Einzige, S. 224), bin ich der geborene Verbrecher, d.h. das „zügellose Ich“, und in meinem „geheimen Inneren“ bleibe ich es stets (Der Einzige, S. 219). Ein „eigenes“, d.h. nicht von Wahnvorstellungen okkupiertes Ich, kann nicht davon ablassen, ein Verbrecher zu sein, denn das Verbrechen ist sein Leben (Der Einzige, S. 222). Er gehört zu den Menschen, „in denen die Totalität ihres Denkens und Handelns in steter Bewegung und Verjüngung wogt“, im Gegensatz zu jenen, „die ihren Überzeugungen treu sind: die Überzeugungen selbst bleiben unerschüttert, pulsieren nicht als stets erneuertes Arterienblut durch das Herz, erstarren gleichsam als feste Körper“ (Parerga, S. 92). Allein schon um einschlafen zu können, muß er alles aus dem Sinn schlagen können, d.h. ein egoistischer Verbrecher wider die Ideen sein (Der Einzige, S. 375). Ein „Verbrechertum“, bei dem es darum geht, sich zu „ergeben“: sich selbst zu ergeben und einer Welt zu ergeben, die zu unserem Eigentum geworden ist (Der Einzige, S. 341f).

Man wird nicht dadurch zum Egoisten, indem man ängstlich an sich hält, sondern durch Hingabe. „Wer nur besorgt ist, daß er lebe, vergißt über diese Ängstlichkeit leicht den Genuß des Lebens. Ist’s ihm nur ums Leben zu tun und denkt er, wenn Ich nur das liebe Leben habe, so verwendet er nicht seine volle Kraft darauf, das Leben zu nutzen, d.h. zu genießen. Wie aber nutzt man das Leben? Indem man’s verbraucht, gleich dem Lichte, das man nutzt, indem man’s verbrennt. Man nutzt das Leben und mithin sich, den Lebendigen, indem man es und sich verzehrt. Lebensgenuß ist Verbrauch des Lebens“ (Der Einzige, S. 358f). „Ich habe gegen Andere keine Pflicht, wie Ich auch nur so lange gegen Mich eine Pflicht habe (z.B. die der Selbsterhaltung, also nicht Selbstmord), als Ich Mich von Mir unterscheide (meine unsterbliche Seele von meinem Erdendasein usw.)“ (Der Einzige, S. 357).

Die Welt zu „vernichten“ ist unlösbar damit verbunden sich selbst zu vernichten, d.h. aufzulösen (Der Einzige, S. 330). Was soll das bedeuten? Da die Welt nicht mehr fremdes Eigentum, nämlich das Eigentum der Religion oder des Staates ist, sondern unser Eigentum sein soll, verbrauchen wir sie entsprechend. Wir versuchen die Gewalt, die sie gegen uns wendet, „dadurch zu vollenden und überflüssig zu machen, daß Wir ihr entgegenkommen, und Uns ihr, sobald sie Uns gehört, gleich Uns ‚ergeben‘“ (Der Einzige, S. 341f). Die ehrfurchtsvolle Distanz ist weg – denn der Verbrecher hat dafür keinen Sinn.

Der Einzige ist dabei nur in bezug auf die fixen Ideen a- wenn nicht sogar unmoralisch – aus Moral. Eine Moral, die im Sinne Nietzsches aristokratisch ist: „Ich fordere kein Recht, darum brauche Ich auch keins anzuerkennen“ (Der Einzige, S. 230). Stirner sagt nicht (wie die Satanisten es tun und die allgemeine Gesellschaft, die in pestilenter Projektion die Stirnerianer zu Satanisten stempeln will, es tut): „Ich fordere mein Recht und erkenne kein anderes an.“

Man mag einwenden, daß sich Stirner gegen jede Naturrechts-Argumente verwahrt hat (Der Einzige, S. 216f), aber natürlich ist auch der Eigner seiner selbst nur ein Menschentier mit ganz normalen Ehr- und Moralempfindungen („gesundes Volksempfinden“). Sie sind sogar eher stärker ausgeprägt als bei anderen: „Redet mit dem sogenannten Verbrecher als mit einem Egoisten, und er wird sich schämen, nicht, daß er gegen eure Gesetze und Güter sich verging, sondern daß er eure Gesetze des Umgehens, eure Güter des Verlangens wert hielt; wird sich schämen, daß er Euch mitsamt dem Eurigen nicht – verachtete, daß er zu wenig Egoist war“ (Der Einzige, S. 222).

„Was ist der gewöhnliche Verbrecher anders, als einer, der das verhängnisvolle Versehen begangen hat, nach dem zu streben, was des Volkes ist, statt nach dem Seinen zu suchen. Er hat das verächtliche, fremde Gut gesucht, hat getan, was die Gläubigen tun: die nach dem trachten, was Gottes ist“ (Der Einzige, S. 221f). Wenn der Kriminelle wirklich Egoist wäre, würde er sich schämen, sich über den Grad seiner Gesetzestreue zu definieren, d.h. das Gesetz zum Maßstab seines Treibens zu machen; sich gegen die bestehenden Gesetze nur aufzulehnen, statt gegen das Gesetz an sich zu sein (Der Einzige, S. 120f).

Max Stirner, Soter (Teil 6)

26. April 2025

Für den in zwei Hälften gespaltene Menschen, dessen eine Hälfte die unerreichte und zu erfüllende ist, der die andere, die unwahre Hälfte, zum Opfer gebracht werden muß (Der Einzige, S. 368), – sind bloße Ideen wie etwa „Freiheit“ oder „Menschlichkeit“ das Wichtigste. Diese innerlich Entzweiten sind in „Naturtrieb“ und „Gewissen“ oder, wie Stirner es nennt, „innerer Pöbel und innere Polizei“ zerrissen (Der Einzige, S. 97). Ein Kasperletheater in unserer Brust. Man schaue sich die Kasper bei einer beliebigen „antifaschistischen“ Demo an! NUR NICHT AUF DER FALSCHEN SEITE STEHEN!

Stirner wollte diesem Welttheater ein Ende machen, in dem wir nur schizoide Schauspieler sind, „dualistische Wesen“, zwei Personen in einer: eine ewige, die den großen Ideen folgt, und einen weltlichen „Egoisten“ (Der Einzige, S. 87). Zusammen macht das den Schmierenkomödianten aus, der einerseits fremde „objektive“ Texte spricht, und dabei andererseits zu einer bloßen Schimäre, zu einem „reinen“ Subjekt wird, das kurioserweise „auf der Suche nach sich selbst“ ist. „Wir selbst, aber von Uns getrennt und über Uns erhaben“ (Der Einzige, S. 159). Gegen diese Zweiheit setzt er den „Einzigen“ (Der Einzige, S. 167). Dieser Leibhaftige ist wie ein Tier, das einfach nur seinen jeweiligen Instinkten, d.h. sich folgt (Der Einzige, S. 400).

Kommt es darauf an, sich zu verständigen und mitzuteilen, so kann Ich allerdings nur von den menschlichen Mitteln Gebrauch machen, die Mir, weil Ich zugleich Mensch bin, zu Gebote stehen. Und wirklich habe Ich nur als Mensch Gedanken, als Ich bin Ich zugleich gedankenlos. Wer einen Gedanken nicht los werden kann, der ist soweit nur Mensch, ist ein Knecht der Sprache, dieser Menschensatzung, dieses Schatzes von menschlichen Gedanken. Die Sprache oder „das Wort“ tyrannisiert Uns am ärgsten, weil sie ein ganzes Heer von fixen Ideen gegen uns aufführt. Beobachte Dich einmal jetzt eben bei deinem Nachdenken, und Du wirst finden, wie Du nur dadurch weiter kommst, daß Du jeden Augenblick gedanken- und sprachlos wirst. Du bist nicht etwa bloß im Schlafe, sondern selbst im tiefsten Nachdenken gedanken- und sprachlos, ja dann gerade am meisten. Und nur durch diese Gedankenlosigkeit, diese verkannte „Gedankenfreiheit“ oder Freiheit vom Gedanken bist Du dein eigen. Erst von ihr aus gelangst Du dazu, die Sprache als dein Eigentum zu verbrauchen. (Der Einzige, S. 388f).

Zum Denken und Sprechen brauche Ich die Wahrheiten und Worte, wie zum Essen die Speisen; ohne sie kann Ich nicht denken noch sprechen. Die Wahrheiten sind der Menschen Gedanken, in Worten niedergelegt und deshalb ebenso vorhanden, wie andere Dinge, obgleich nur für den Geist oder das Denken vorhanden. Sie sind Menschensatzungen und menschliche Geschöpfe, und wenn man sie auch für göttliche Offenbarungen ausgibt, so bleibt ihnen doch die Eigenschaft der Fremdheit für Mich, ja als meine eigenen Geschöpfe sind sie nach dem Schöpfungsakte Mir bereits entfremdet. (Der Einzige, S. 391)

Stirners Buch beginnt und endet mit dem Satz: „Ich hab‘ Mein Sach‘ auf Nichts gestellt“ (Der Einzige, S. 3). Er bedeutet, daß alle meine Gedanken, Vorstellungen, Bewußtseinsinhalte nichts weiter als meine Geschöpfe sind, die ich in mich, ihren Schöpfer zurückholen kann. „Macht – das bin Ich selbst, Ich bin der Mächtige und Eigner der Macht“ (Der Einzige, S. 230). Doch aus Sicht des Denkens bin ich nichts, weil ich eben kein Gedanke, sondern die „schaffende Gedankenlosigkeit“ bin (Der Einzige, S. 379f). Oder, da alle Gedanken nichtig sind, bin Ich das Nichts (Der Einzige, S. 398).

Stirners Rede vom „Nichts“, auf das er seine Sache stellt, kann man noch am ehesten von der „negativen Theologie“ her verstehen: „Man sagt von Gott: ‚Namen nennen Dich nicht‘. Das gilt von Mir: kein Begriff drückt Mich aus, nichts, was man als mein Wesen angibt, erschöpft Mich; es sind nur Namen“ (Der Einzige, S. 412). Eine „positive“, d.h. festlegende Aussage ist unmöglich. Das hat nichts mit steriler „Leere“ und alles mit schöpferischer „Fülle“ zu tun.

Max Stirner, Soter (Teil 5)

22. April 2025

Betrachten wir, was Stirners größter, wenn nicht überhaupt sein eigentlicher Widersacher einzuwenden hat: Auch wenn Nietzsche ihn nirgends erwähnt, stellt doch sein Gesamtwerk eine Kritik der optimistischen Anthropologie Stirners dar. Für den „heroischen Pessimisten“ Nietzsche war jedes „eigentlich“ Werden des (für Nietzsche) angeblich entfremdeten Menschen eine Illusion. Man könne sich nicht, so Nietzsche, außerhalb des kranken Getriebes stellen und objektive Kritik üben, wie es alle „Offenbarungen“ tun. Man könne sich nicht, wie Stirner es tut, außerhalb der krankmachenden Moral stellen, da nach Nietzsche alles Moral ist; alles ist Bewertung, Perspektive, d.h. das Aufzwingen von Standpunkten, von „Ideen“. „Die Welt ist Wille zur Macht und nichts außerdem.“ Die Welt selbst hat sozusagen eine sadomasochistische Struktur, so daß das rationale Funktionieren „egoistischer Vereine“ ausgerechnet beim grausamen Raubtier Mensch abwegig sei.

Stirners „Eigner“ hingegen argumentiert nicht aus der Perspektive des Strebens, d.h. des Willens zu Macht, heraus, sondern aus der der bloßen Bewahrung seiner Eigenheit gegen die Enteignung durch die Gesellschaft, d.h. aus der Schwäche heraus, die für Nietzsche gleichbedeutend mit der Lüge ist. Wenn Wahrheit überhaupt einen Sinn mache, dann sei es die Sicht von einer höheren Perspektive, von der größeren Macht her, – die groß genug ist, um sich nicht zu bewahren, sondern „heroisch“ verschwenden zu können. Für Nietzsche gibt es kein authentisches, wahres Leben außerhalb der „Wertsetzungen“, d.h. „Machtsetzungen“. Hinter jeder Maske gäbe es nur wieder eine weitere Maske, ohne zu einer „Eigenheit“, bzw. „Eigentlichkeit“ vordringen zu können. Von daher sei Eigenheit bzw. „Eigentlichkeit“ die Lüge der Schwachen, deren beschränkte Perspektive kaum über die Grasnarbe reiche. Nietzsches implizite Kritik an Stirner bestand in der Entlarvung dieses Ressentiments des Grashüpfers. Nietzsches Moral war, nicht die Schwäche als „Wahrheit“ zu verkaufen, sondern die Wahrheit aus eigener Machtfülle zu „setzen“.

Nietzsches Haltung zu Stirner entspricht ziemlich genau der Haltung Freuds zu Reich: der abgeklärte Blick des desillusionierten Aristokraten hinab auf den ungestümen kindlichen Romantiker, der sich naiv den vermeintlich wahren „eigentlichen“ Gefühlen, der vermeintlich „guten Natur“ hingibt, „sein Steckenpferd reitet“. Aber warum wurde dieser Konflikt nie offen ausgetragen? Warum schwiegen Nietzsche und Freud ihren jeweiligen Antipoden tot? Die Antwort findet sich in den letzten Schaffensperioden der beiden Männer. Nietzsche wandte sich am Ende von seiner Philosophie des „Willens zur Macht“ ab und dem lebendigen Urgrund seines Denkens zu. In seiner wenn man so will „Autobiographie“ Ecce homo war Nietzsches letztes Thema Nietzsche selbst und der Durchbruch zum Authentischen, der ihm ja auch schließlich auf verzerrte Weise durch das Absinken in den Wahn gelungen ist.

Nietzsche konnte sich nicht mit Stirner explizit auseinandersetzen, ohne sich (im doppelten Sinne des Wortes) zu verraten. Ähnlich gelagert war es mit Freud, der zum Schluß doch an der gegenüber Reich verteidigten „Kultur“, mit der das Untier Mensch zu zivilisieren sei, zu zweifeln anfing.

Als Freud vor den Nazihorden 1938 nach England flüchten mußte, machte er Aufzeichnungen, aus denen hervorgeht, daß er an seinen eigenen Spekulationen zweifelte. Vielleicht ließen sich Neurosen vermeiden, schrieb er, wenn man das kindliche Sexualleben frei gewähren ließe, wie es bei vielen Primitiven der Fall war. Er war verunsichert, ob die Ätiologie der Neurosen nicht doch komplizierter sein würde, als er sie ausgeführt habe. Er ließ es dahingestellt, ob nicht eine zu frühzeitige Eindämmung des Sexualtriebes eine negative Wirkung auf die spätere Kulturbereitschaft bewirken könnte. Er sprach zynisch von einem „hochgeschätzten“ Kulturbesitz, von dem vieles auf Kosten des Sexualtriebes erworben wurde. In seinem letzten Brief an Arnold Zweig drückte er seinen Mißmut über Zweigs Bewunderung des Buches Das Unbehagen in der Kultur mit den Worten aus: „Was Sie für trostreiche Aufklärung in meinem Unbehagen entdeckt haben, kann ich nicht leicht erraten. Dies Buch ist mir fremd geworden“. Das Buch, das nach scharfen Auseinandersetzungen mit Reich zustande gekommen war, sollte jetzt nicht mehr gelten. Sollte also Reich doch recht behalten? (Walter Hoppe: Wilhelm Reich, München 1984, S. 65f)

Am Ende stellte sich heraus, daß die „kindlichen ‚kulturfeindlichen‘ ‚Nihilisten’“ Stirner und Reich die Realisten waren, während Nietzsche und Freud bei ihrer lebenslangen Flucht vor sich selbst ihr Leben für das inhaltsleere Spiel der sinnlosen und willkürlichen „Werte“ vertan hatten, für ein kindisches Maskenspiel. Genau das ist Thema der Fälschung Meine Schwester und ich.

Der Gegensatz Freud-Reich war nicht der faire Gegensatz „des Einzigen (SF) gegen den Einzigen (WR)“ (Der Einzige, S. 229), sondern der Gesellschaft, vertreten durch den von fixen Ideen besessenen Freud, gegen den Einzigen Reich – also extrem unfair. Genauso unfair und „moralisch“ verwerflich, wie der Gegensatz zwischen Gesellschaft (vertreten durch die psychoanalytisch geschulten Eltern) und Kind, dessen angeborenes eigensinniges „Verbrechertum“ ausgetrieben werden soll, damit es sich für das vermeintlich Höhere opfere.

Max Stirner, Soter (Teil 1)

2. April 2025

Reichs Konzept „Kinder der Zukunft“ war denkbar einfach: die Kinder von Anfang an so erziehen, daß sie freiheitsfähig werden, bzw. bleiben, bis sich die Menschheit nach einigen Generationen ganz von der Unfreiheit, der Unfähigkeit frei zu sein, – befreit hat.

Bereits ein Jahrhundert zuvor hatte Max Stirner dargelegt, daß, während ein Tier sich „realisiert“, „indem es sich auslebt, d.h. auflöst, vergeht“, das Kind nicht es selbst sein darf, sondern „Mensch“ werden und entsprechende Begriffe „realisieren“ soll. Es darf sich nicht „ausleben“, da dies identisch mit der Auflösung eben dieser Ideen wäre (Der Einzige und sein Eigentum, reclam, S. 372). Stirner spricht von der inkorporierten Welt der fixen Ideen, die wir zunächst nicht „auflösen“ dürfen und später nicht wieder „auflösen“ können; es wird ein „Jenseits in Uns“ (Der Einzige, S. 170) errichtet – wir panzern uns ab bzw. bilden ein fremdes „Über-Ich“ heraus; bewirten einen Besatzer.

Ja, selbstverständlich bedarf das Kind aller möglichen intellektuellen Anregungen, also den Kontakt mit „Ideen“, man sollte es ihm jedoch selbst überlassen, was es daraus macht. Zum Denken und Sprechen braucht es die in Worten niedergelegten „Wahrheiten“ der Menschen, die, obwohl sie nur im Geist existieren, genauso vorhanden sind wie die Dinge der Außenwelt (Der Einzige, S. 391). „Das Gedachte ist so gut als das Nicht-Gedachte, der Stein auf der Straße ist und meine Vorstellung von ihm ist auch. Beide sind nur in verschiedenen Räumen, jener im luftigen, dieser in meinem Kopfe, in Mir: denn Ich bin Raum wie die Straße“ (Der Einzige, S. 383). Aber dann hat zu gelten, daß, so wie einst der Mensch die äußere Welt unterwarf und sich dienstbar machte, sich auch die innere Welt, die Welt der Gedanken und Ideen ganz der Macht des Menschen, des einzelnen Menschen, zu unterwerfen hat (Der Einzige, S. 402). Es sind bloße Werkzeuge!

Ja, das Kind braucht die Geborgenheit und Wärme der Familie, – um dann in der Lage zu sein, in der Welt seinen Mann zu stehen, unabhängig zu sein. Genauso müssen wir in einer überkommenen Ideenwelt aufwachsen, allein schon um die Sprache lernen zu können, aber das ist nur die Voraussetzung für das schließliche freie, d.h. selbstherrliche Denken und Handeln. „Wie für die Christen die Wirklichkeit (…), so ist für mich die Wahrheit ‚eitel und nichtig‘. Sie existiert gerade so gut, als die Dinge dieser Welt fortexistieren, obgleich der Christ ihre Nichtigkeit bewiesen hat; aber sie ist eitel, weil sie ihren Wert nicht in sich hat, sondern in Mir. Für sich ist sie wertlos“ (Der Einzige, S. 398f).

„Weder die göttliche noch die menschliche Vernunft, sondern allein deine und jedesmalige Vernunft ist wirklich, wie und weil Du und Ich es sind“ (Der Einzige, S. 225). „Wahr ist, was mein ist, unwahr das, dem Ich eigen bin; wahr z.B. der Verein, unwahr der Staat und die Gesellschaft“ (Der Einzige, S. 400). Für Reich ist Wahrheit Kontakt mit der Wirklichkeit, für Stirner ist Wahrheit bewältigte, zum Eigentum gemachte, „be-griffene“ Wirklichkeit (Der Einzige, S. 396-399). Beiden Anschauungen gemeinsam ist, daß die Wahrheit nicht an und für sich existiert, sondern immer nur in bezug auf (das jeweilige) mich.

Das Denken hört auf ein kontaktloses Eigenleben zu führen, das uns tyrannisiert, d.h. dem Denken geht nicht mehr der Gedanke voraus, sondern der Eigner des Denkens (Der Einzige, S. 394f). Die freien bioenergetischen Strömungen gehen den Strukturen voraus, lösen sie wieder auf und bilden neue. Auf diese Weise stehen die heiligen „fixen Ideen“ (Der Einzige, S. 225) ständig zur Disposition, genauso wie uns die äußeren Dinge zur Disposition stehen, es sind, wie gesagt, nur unsere Werkzeuge – statt umgekehrt. Das bedeutet, daß dieser Mensch realitätsgerecht denken und entsprechend handeln kann, während denen, die nur ständig „Ideen realisieren“ wenig an den Realitäten liegt (Der Einzige, S. 408f). Sie sind blind gegen die Unmittelbarkeit der Dinge und unfähig sie zu meistern.

Gegen den infantilen Glauben, daß man von Begriffen ausgehend quasi autistisch die Welt „begreifen“ und beherrschen könne, setzt Stirner die unwiederholbare, der jeweiligen Situation angepaßte Vernunft des erwachsenen Individuums (Der Einzige, S. 225). Laßt die Kinder in der Geborgenheit der natürlichen „Gesellschaft“ Familie aufwachsen und dann als unabhängige Individuen sich vereinen („Verein“), um die Ideen als bloße Werkzeuge benutzen können, so wie man Hammer, Schraubenzieher und Granatwerfer benutzt! Niemand und nichts wird jemals mehr emanzipierte Menschen benutzen können. Das ist kein Spiel, sondern die radikale, endgültige Kampfansage gegen die Reaktion.

Orgonomie und die beiden Superhirne

16. November 2024

Man kann die Politik, wie die des starkköpfigen Habeck und des sprachgewandten Genies Baerbock, geopolitisch (Einflußagenten Amerikas bzw. des WEF, um parallel Deutschland und Rußland zu schwächen, Stichworte: Deindustrialisierung Deutschlands und Zersetzung Rußlands) oder quasi Marxistisch bewerten (eine Klasse von unproduktiven Parasiten im Dienste des Monopolkapitalisten BlackRock) und damit die traditionelle Betrachtungsweise „materialistisch“ transzendieren, die sich auf die Sphäre von Gesellschaftsbild und Ideologie, also die der „Ideen“ beschränkt, uns geht es jedoch gemäß dem orgonomischen Funktionalismus um eine dritte, tiefere Betrachtungsweise: die bioenergetische. Diese faltet sich in folgenden vier Schritten auf:

1. charakteranalytische Sichtweise: Der ödipale Konflikt führt zum Wettstreit mit dem Vater (das rechte, konservative Syndrom) vs. zur Rebellion gegen den Vater (das linke, „progressive“ Syndrom). Papa wird zum unterdrückerischen Schwein, das Mutter Erde ausbeutet, wobei seine reaktionäre Sexualmoral eine entscheidende Rolle spielt. Bis in die 2000er Jahre hinein, waren die USA in dieser Hinsicht der große Buhmann. Mittlerweile versucht man Trump in die Rolle des patriarchalischen Superschweins zu rücken, was aber aus offensichtlichen Gründen einfach nur lächerlich ist. Heute verkörpern Putin und das zur Orthodoxie, also Katholizismus auf Steroiden, zurückkehrende Rußland diese Rolle, was den psychotischen Haß von ödipalen Rebellen wie Habeck und Baerbock erklärt.

2. vegetotherapeutische Sichtweise: Der Konservative ist vor allem muskulär gepanzert, während sich die Abwehrfunktion des „Progressiven“ weitgehend auf den Kopf bzw. zur Augenpanzerung verlagert. Entsprechend neigt die rechte Seite zu pragmatischen, buchstäblich „hemdsärmeligen“ Lösungsansätzen, aktuell etwa im Umgang mit Rußland, während die linke Seite ganz Moral und Ideologie ist – halt „verkopft“ (siehe die anfänglichen Ausführungen über „Materialismus“ und „Idealismus“ oben).

3. biopsychische Struktur: Beim rechten Syndrom bleibt durch die Identifikation mit dem Vater ein, wenn auch durch die Panzerung stark (mystisch) verzerrter, Kontakt zum bioenergetischen Kern erhalten, der beim linken (mechanistischen) Syndrom vollkommen verlorengeht. Das entspricht einer mehr mystischen vs. einer mehr mechanistischen Weltanschauung. Hier kam es ungefähr mit der Jahrtausendwende zu einer bemerkenswerten Umkehr zwischen Ost und West, denn heute steht der orthodoxe Osten für die mystische Weltanschauung, während der einst „christliche Westen“ sich zunehmend ganz dem mechanistischen Materialismus verschreibt. Auch das erklärt die politische Umkehr: in den 1980er Jahren standen die Progressiven auf der Seite Rußlands, heute stehen sie auf der Seite der USA – und beide Male ging es um ein und dasselbe: Mittelstreckenraketen. Das hat alles wenig mit Politik per se zu tun, sondern ist Ausfluß der bioenergetischen Struktur der Menschen.

4. biophysiologische Struktur: Die bisherigen drei Punkte kulminieren in der grundlegenden orgon-energetischen Differenz zwischen zwei Arten von gepanzerten Menschen: durch die Panzerung bedingt leben Rechte fast ausschließlich im Funktionsbereich der orgonotischen Pulsation („orgonotisches System“ mit dem Solar plexus als Zentrum von Expansion und Kontraktion, Vegetatives Nervensystem), während Linke ganz im Funktionsbereich der orgonotischen Kreiselwelle leben („energetisches Orgonom“ mit dem Zentralen Nervensystem als Zentrum). Entsprechend dreht sich das Leben des Rechten vor allem um (BUCHSTÄBLICH) „Grenzziehung“, d.h. die Aufrechterhaltung einer „pulsierenden Membran“, während der Linke entsprechend der Vorwärtsbewegung der Kreiselwelle (BUCHSTÄBLICH) „Grenzen überwinden will“. Der eine ist in diesem Sinne „konservativ“, der andere „progressiv“ – BUCHSTÄBLICH! Politik ist der pathologisch verzerrte Ausdruck letztendlich kosmischer Orgonenergie-Funktionen.

Die hier ausgeführte „dritte, tiefere Betrachtungsweise politischer Vorgänge“ bedeutet natürlich nicht, daß die beiden oberflächlicheren Betrachtungsweisen obsolet sind. Rein ökonomische (inklusive KORRUPTION!) und „geistesgeschichtliche“ Motivationen sollten selbstverständlich stets mit betrachtet werden!

David Holbrook, M.D.: Die Orgonomie über das Denken und seine Beziehung zu den Gefühlen: Das Denken ist nicht nur eine Funktion des Gehirns (Teil 3)

8. November 2024

DAVID HOLBROOK, M.D.:

Die Orgonomie über das Denken und seine Beziehung zu den Gefühlen: Das Denken ist nicht nur eine Funktion des Gehirns

David Holbrook, M.D.: Die Orgonomie über das Denken und seine Beziehung zu den Gefühlen: Das Denken ist nicht nur eine Funktion des Gehirns (Teil 1)

6. November 2024

DAVID HOLBROOK, M.D.:

Die Orgonomie über das Denken und seine Beziehung zu den Gefühlen: Das Denken ist nicht nur eine Funktion des Gehirns

David Holbrook, M.D.: IDEEN / WAS MIT DER WELT NICHT STIMMT / DREI-SCHICHTEN-STRUKTUR / DÄMONISIERUNG / SEHNSUCHT / VERLEUGNUNG

8. April 2023

DAVID HOLBROOK, M.D.:

Ideen

Was mit der Welt nicht stimmt

Argumentieren und die Drei-Schichten-Struktur

Dämonisierung

Lebe mit Sehnsucht

Verleugnung

Sei ein Liebender

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 4)

26. Juni 2022

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Bernd Laska bestreitet das, aber trotzdem: die Orgontheorie ist untrennbar mit LSR verknüpft. Es ist nur die Frage, wie man das Orgon auffaßt: ob man es mißbraucht, um Reichs Kampf gegen das Über-Ich zuzukleistern – oder ob man mit Hilfe des Orgons die „mechano-mystische Über-Ich-Kultur“ zerschlägt. Laska hat selbst hervorgehoben, daß LaMettrie in seinem Der Mensch als Maschine weniger eine mechanistische als vielmehr eine vitalistische Theorie vertritt. Und was Stirner betrifft: gerade ihm wurde ja immer vorgeworfen, er wolle das egomane triebhafte, sozusagen „vitalistische“ Tier freisetzen. Stirner vertreibt die Flausen aus dem Kopf, zerstört alle Ideen und Ideale – genauso wie der Naturwissenschaftler durch seine Experimente erbarmungslos ganze Weltgebäude aus Ideen und Idealen zum Einsturz bringt. Stirner war der einzige aufklärerische Aufklärer – und Laska sagte irgendwo, daß Reich der einzige wirklich „natur-wissenschaftliche“ Naturwissenschaftler war. Reich war Lebens-Forscher, während die anderen, Knechte des gegen das Lebendige gerichteten Über-Ichs, keine Biologie, sondern „Nekrologie“ betrieben – ganz im Sinne des Freudschen „Todestriebes“. Worum es geht, kristallisiert sich heute in der transhumanistischen Agenda des Great Reset heraus: du wirst nichts besitzen, nicht mal mehr der Eigner deines eigenen Ich sein, das mit „der Maschine“ eins wird…

Orgastische Potenz gibt es schon bei der Amöbe. Wie äußert sich das? Durch die Fähigkeit den inneren orgonotischen Überdruck durch eine Zellteilung abzubauen. Das ist funktionell identisch mit ihrer Vermehrung – also mit ihrer Durchsetzung als Individuum. Sie bevölkert die Welt mit ihren Klonen. Diese innige Verbindung zwischen Orgasmus und Weitergabe der eigenen unverwechselbaren Individualität zeigt wieder, daß (aus, nun gut, recht abstrakter Sicht) Reich und Stirner bestens harmonieren.

Was ist Liebe? Nach „orgonomischer Lehre“ gibt es ausschließlich die genitale Liebe, d.h. die sich hauptsächlich in den Genitalien äußernde Expansion („ich fühl mich zu Dir hingezogen“) des Biosystems. Bei verschiedengeschlechtlichen Partnern kommt es dabei zur körperlichen Durchdringung. Wahre Liebe beruht auf einem ständigen energetischen Austausch, bei dem der eine soviel nimmt, wie der andere gibt, wobei im Endeffekt mehr dabei herauskommt, als wären die Partner isoliert geblieben. Diese energetische Steigerung (Erstrahlung) geht periodisch so weit, daß es zu einer Verschmelzung kommt (Anziehung). Neurotisch wird es da, wo „selbstlos“ gegeben wird oder man sich sozusagen „selbst-los“ ausbeuten läßt – und genau in solchen „unegostischen“ Fällen kommt es eben nicht zur Überlagerung und vollkommenen Verschmelzung. Das, was als „selbstlose Liebe“ bezeichnet wird, ist gar keine Liebe, sondern das genaue Gegenteil: Angst, Haß und Kontaktlosigkeit. Auch hier gibt es keinen Gegensatz zwischen Reich und Stirner, sondern vollkommene Harmonie.

Siehe auch den grundlegenden Unterschied zwischen LSR und ihren sadomasochistischen Gegenspielern: LaMettrie und deSade, Stirner und Nietzsche, Reich und Freud!

Gehen wir zurück zu den ersten Menschen: Die Kernfrage des LSR-Projektes stellt sich nicht beim Steinzeitmenschen – aber nicht, weil der kein „Ich“ hat, sondern weil er kein Über-Ich hat. Trotzdem gibt es natürlich einen Gegensatz zwischen einem steinzeitlichen Schamanen und der wahren Aufklärung. Es ist der gleiche Unterschied der zwischen einem durchgeknallten Animisten und dem Funktionalisten Reich besteht. Aber das ist kein grundsätzlicher („charakter-struktureller“) Unterschied, beide sind orgastisch potent, sondern einfach einer des Wissens.

David Holbrook, M.D.: DIE LÖSUNG EINES KONFLIKTS ZWISCHEN ZWEI ELTERN UND IHREM JUNGEN ERWACHSENEN SOHN MARK UND DESSEN FREUDIN HELEN / NICHT VERTEUFELN, SONDERN VERMENSCHLICHEN

22. Mai 2022

DAVID HOLBROOK, M.D.:

Die Lösung eines Konflikts zwischen zwei Eltern und ihrem jungen Erwachsenen Mark und dessen Freundin Helen

Nicht verteufeln, sondern vermenschlichen