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Monotheismus und Wissenschaft

19. September 2023

Der Monotheismus ist aus der Wissenschaft hervorgegangen und die Wissenschaft aus dem Monotheismus.

Ich schreibe das angeregt durch 1.) meine Lektüre von Peter Töpfers Pan-Agnostik (eigner verlag), in der sich Töpfer geschickt um LaMettrie und Stirner herumargumentierend gegen den Atheismus ausspricht; und 2.) durch folgendes sehr interessantes Video über den Ursprung des jüdisch-christlichen Gottes:

Es gibt drei Theorien über den Ursprung des „monotheistischen Jahwe“: Beispielsweise hat Jacob Meyerowitz in seinem Buch über Orgonometrie Before the Beginning of Time, eindeutig mit einigem Stammesstolz, auf Abraham verwiesen:

Der Gedanke an einen einzigen, solitären GOTT stellt einen außergewöhnlichen Durchbruch des funktionellen Denkens dar. Wie das Alte Testament bekräftigt, ist die Einheit GOTTES das wesentliche Merkmal GOTTES. Eine Kraft bestimmt das ganze Universum. Hier, vor etwa 3800 Jahren, führte das funktionelle Denken (das Organempfindungen und spontane Wahrnehmungen einschließt) Abram von Ur (später Abraham genannt) zu denselben extremen Schlußfolgerungen, die wir aus einer [orgonometrisch] rückwärtsgerichteten Sicht der Entwicklung gezogen haben (…). Bis in die letzten Jahre des 19. Jahrhunderts hinein haben die meisten Wissenschaftler Abrams Idee einer letztendlichen Funktion zu ihren grundlegenden Referenzen gezählt. (S. 32)

Daran schließt sich dann über Moses und die Propheten der schier endlose Kampf der Juden gegen den „Götzendienst“ unter den Juden an. Die zweite Theorie kreist um Esra, der nach dem babylonischen Exil unter persischer Oberhoheit angeblich nach wiederentdeckten Schriftenrollen die damaligen „Juden“ erst zu Juden gemacht hat. Wie genau, auf eine nachvollziehbare Weise der Monotheismus von Abraham oder Esra „entwickelt“ wurde, bleibt im Dunklen.

Das besagte Video bietet, nach meinem Dafürhalten erstmals, eine solche Erklärung: die griechische Naturphilosophie. Gewisserweise ist der Monotheismus aus dem Atheismus hervorgegangen: „weg von den Göttern! wenden wir uns den Naturelementen zu!“ Ich erinnere daran, daß die römisch-hellenistischen Mittelmeervölker und auch wir Germanen die ersten christlichen Missionare als „Atheisten“ empfanden; Gottesleugner, die beispielsweise unsere heiligen Eichen fällten und auch sonst vor nichts Heiligem Respekt hatten. Stirner schreibt darüber in Der Einzige und sein Eigentum.

Im alten Griechenland waren die Philosophen die Gottesleugner und wurden als solche verfolgt, man denke nur an Sokrates und Aristoteles. Sie ersetzten den Götterhimmel durch ein anfängliches Prinzip; waren ungefähr das, was Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts die atheistischen „Monisten“ waren. Ich referiere jetzt das Video (ab Minute 1:03:22, Chapter 16):

Also drittens: Am Anfang des Monotheismus stehen die hellenistischen Ptolemäer, die in Alexandrien die Septuaginta schreiben ließen, die griechische Version der hebräischen Bibel. Damals herrschte der Platonismus und Aristotelismus, die beide später auf so wunderbare Weise mit dem Christentum harmonierten. Zuvor fanden sich bei den „Vorsokratikern“ skeptizistische (d.h. atheistische) und monotheistische Tendenzen. Alles begann mit dem monistischen Materialisten Thales. Ihm zufolge war das Wasser das „erste Prinzip“ bzw. der „Urstoff“, aus dem alles hervorgegangen ist. (Man lese dazu nochmals das obige Zitat von Meyerowitz!) Sein Nachfolger war Anaximander, der als erster dem ersten Prinzip des Kosmos Unendlichkeit zuschrieb. Für Anaximander war die Luft, der Atem, das erste Prinzip. Schließlich kommt Heraklit, der als erster vom Logos spricht. Sein erstes Prinzip ist das Feuer. (In vieler Hinsicht war er der Vorläufer Reichs, weshalb sich eine unabhängige Orgonomen-Gruppe aus Griechenland nach ihm benannt hat.) Parmenides und Anaxagoras sind die Urväter der Logik. Vom letzteren stammt das Wort: „Gott ist Einheit“. Einer seiner Studenten war der Skeptiker Archelaos, der wiederum der Lehrer von Sokrates war. Es folgen Plato, Aristoteles, Theophrastus und dessen Schüler Demetrios von Phaleron, der schließlich, wie angeschnitten, in Alexandrien beauftragt wurde, die Bibel der Juden zu „übersetzen“; eine „Übersetzung“, die zu der Bibel wurde, wie sie heute Juden und Christen gebrauchen. (Bei den Orthodoxen ist immer noch die Septuaginta maßgeblich, nicht etwa, wie bei Katholiken und Protestanten, die vermeintlich ursprüngliche hebräische „Urschrift“.)

Nur aus dem etablierten Christentum (dem Platonismus des Pöbels, Nietzsche) konnte sich dann seit der Renaissance die Naturwissenschaft entwickeln. Ohne Christentum hätte man den Donner mit dem Donnergott „erklären“, den Frühling mit der Frühlingsgöttin, den Krieg mit dem Kriegsgott etc. erklärt. Erst das Christentum fegte den „Götterhimmel“ leer und machte es dergestalt möglich im Sinne eines allgemeinen Naturgesetzes zu denken und so den Atheismus zu etablieren. Aus diesem Grund ist es auch kein „Wahnsinn“, wenn ich an dieser Stelle des öfteren erwähnt habe, daß eines Tages die Wissenschaft Orgonomie die Religion Christentum ablösen wird. Wir sind Atheisten – aber „Atheisten“ im Sinne der ersten christlichen Missionare und der Monisten, die nicht zuletzt Reich beeinflußt haben. Ich verweise in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf meinen vorgestrigen und gestrigen Blogeintrag!

Die Monisten und Energetiker (sic!), man denke nur an Ernst Haeckel („biogenetisches Grundgesetz“), standen vor allem für die Evolutionstheorie Darwins ein, d.h. die Selbstorganisation der Materie, die definitiv den Atheismus beweist. Die Evolutionstheorie wird von Töpfer schlichtweg als „Schwachsinn“ vom Tisch gewischt.

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 71)

7. Juli 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Die Kritik an Stirner (angefangen bei Moses Hess, Karl Marx etc.) lief immer auf zwei Dinge hinaus: in erster Linie, daß Stirner nur die Apologie des ohnehin „egoistischen“ Bestehenden liefere, und in zweiter Linie, daß seine Theorie für Vertierung stehe, d.h. die Negierung all dessen, was uns vom „egoistischen“ Tier scheidet. Stirner kategorischer Imperativ sei, Moses Hess zufolge, gewesen: „Werdet Tiere!“ (Laska: Ein dauerhafter Dissident, S. 26).

Wie immer waren die allerersten hilflosen Einwände auch die treffendsten, die den Kern der Sache freigelegt haben, ohne daß es die Kritiker selbst gemerkt hätten. Der Kern der Stirnerschen Sache ist die Entlarvung der Enkulturation oder mit anderen Worten, das Menschentier wird dressiert und gefügig gemacht, so daß es an seiner eigenen Unterdrückung voller Begeisterung partizipiert. Selbst des Menschentiers großartigste „humanistische“, „sozialistische“, sogar „anarchistische“ Utopien, die „das Bestehende“ überwinden sollen, sind durch den durch die Dressur vollkommen benebelten Geist geprägt und verschlimmbessern nur alles. Die Enkulturation muß angegangen werden, wenn sich daraus irgendwelche anderen Veränderungen ergeben, gut, aber ohne das den Menschenzoo großartig umzuorganisieren bringt gar nichts, sondern wird mit aller Wahrscheinlichkeit das Los der Zoomenschentiere nur verschlimmern. – Ich verweise auf die Überschrift dieser Blogserie!

Marx „überwand“ Stirner schlicht dadurch, daß er das „Ego“ des „Egoisten“ verschwinden ließ: für Marx ist der Mensch nichts anderes als ein “Ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse“, was nichts anderes bedeutet, als daß er ausschließlich aus Über-Ich, Panzer, sekundärer Schicht besteht. Wird das angegangen, geraten „Marxisten“ in Todesangst!

Den allerersten Einwänden gegen Stirner sind keine weiteren gefolgt bzw. es sind nur Wiederholungen derselben. Man denke nur einmal an Kolakowskis Aussage von 1968: „Die [von Stirner angestrebte] Destruktion der Entfremdung, also die Rückkehr zur Authentizität, wäre nichts anderes als die Zerstörung der Kultur, die Rückkehr zum Tiersein … die Rückkehr zum vormenschlichen Status“ (ebd., S. 90). Damit sind wir bei dem, was Reich als die Zentralideologie der gepanzerten Gesellschaft ausgemacht hat: der Mensch will kein Tier sein, kein „sexuelles Tier“, sondern ein „ethisches Wesen“, das „nach Höherem“ strebt.

Daß dieses „Streben“ selbst zutiefst sexueller Natur ist, stellte Reich bereits in den frühen 1930er Jahren da, abschließend dann in Die kosmische Überlagerung Anfang der 1950er Jahre. Dieser Drang bestimmt sowohl die Spiritualisten, die sich eine „Entladung“ in „höhere Sphären“ hinein ersehnen, als auch die Materialisten bzw. „Historischen Materialisten“, die von einer „befreiten Zukunft“ träumen, die ihrem Leben zumindest sozusagen im „Vorhinein“ einen Sinn verleiht.

Freud hat zwar im Anschluß an Nietzsche das Tier im Menschen anerkannt – aber als etwas, das es zu überwinden gilt durch Verurteilung, Distanzierung, Sublimierung, denn „die Kultur geht vor“, d.h. die Enkulturation. Man stelle sich nur mal vor, Marx und Freud würden miteinander verbunden! Gemach, der intellektuelle Jauchepfuhl, in dem wir gegenwärtig langsam aber sicher ersaufen, ist wirklich nichts anderes als „Freudo-Marxismus“.

Und dann kommt Stirner und entlarvt die gesamte Menschheitsgeschichte nicht zuletzt aber die Aufklärung als eine Geschichte der Besessenheit und wirft den Menschen auf das Hier und Jetzt zurück. Organisiert euer Leben in „Vereinen“, die den jeweiligen egoistischen Interessen des jeweiligen Vereinsmitglieds dienen; Reichs von Marxisten gerne als „platt“ denunzierte „natürliche Arbeitsdemokratie“, die ohnehin schon besteht.

Das Zauberwort ist „Atheismus“, wobei es aber gar nicht um „Gott“ geht, sondern weitaus radikaler um das Heilige AN SICH. Was nützt es, wenn ich mich von „Gott“ befreie, dafür aber „die Menschheit“ anbete oder von irgendetwas anderem besessen bin, d.h. Sklave, statt Eigner meiner selbst. Ich bin Tier und lebe meine Gelüste im Verein mit Gleichgesinnten. Alles andere ist der Wahnsinn von Besessenen.

Aber wie der bedeutende Denker Dieter Bohlen einmal sagte: „Das Problem ist: Mach einem Bekloppten klar, daß er bekloppt ist.“ Setze einen Süchtigen auf Entzug und er rastet aus. Konfrontiere die Frommen aller Provenienz mit Stirner…

Orgonomie und Metaphysik (Teil 19)

20. Dezember 2021

Die Heil-Methode der Geistheilung ist etwas, das auf einem einfachen psychologischen Mechanismus beruht. „Eine genuine ‚Wunderheilung‘ bedeutet einfach, daß es sich dabei um eine Stimulierung biologischer Energie des autonomen Nervensystems gehandelt hatte“ (Myron Sharaf: „Die erste Orgonomische Konferenz auf Orgonon vom 30. August bis 3. September 1948“ Internationale Zeitschrift für Orgonomie I(1), April 1950, S. 36). Bereits in den 1920er Jahren finden sich ähnliche Aussagen Reichs, der sich damals intensiv mit Suggestion als Heilmethode auseinandersetzte!

Gemeinhin wird von „Geistheilern“ zu Beginn die unbedingte Überzeugung vermittelt, daß die Methode auf jeden Fall wirkt. Es heißt nicht etwa: „Versuchen wir es mal, vielleicht klappt es ja, aber dazu müssen Sie mitarbeiten“, sondern es wird der Eindruck vermittelt, daß es unfehlbar immer wirkt und so wird der Patient perfekt konditioniert. Sagt der „Patient“, daß er nicht an die Methode glauben würde und sich fürchte, sich unbewußt gegen die Heilung zu sperren und diese dergestalt vielleicht zu hintertreiben, antwortet der „Therapeut“: „Das macht gar nichts, die Methode wirkt unabhängig von Ihrer Einstellung.“ Dies, die Unterlaufung jedes Widerstandes, ist die perfekte Methode, einen Placebo-Effekt zu provozieren, d.h. die besagte Stimulierung des Körperorgons. Hinzu kommt das ganze Umfeld: mystisches Geraune und Geschichten über einen geheimnisvollen Wundermann im Hintergrund.

Als nächster Schritt wird dann der durch den Placebo-Effekt praktisch überzeugte „Patient“ langsam in die Gedankenwelt des Geistheilers hineingezogen, so daß es ein sich selbsterhaltender Prozeß wird, d.h. man ist schließlich auch dann davon überzeugt, wenn Effekte schließlich ausbleiben, was praktisch immer der Fall ist. Am Ende steht dann die finanzielle Ausbeutung, indem man in ein teures Kurssystem hineingezogen wird. Unterstützt wird dies dann auch noch durch eine hohe Ethik: „Ich nehme kein Geld für eine Behandlung, die auf reiner Liebe beruht.“ Wieder wird jeder Widerstand unterlaufen. Der Weg aus dieser Guru-Sekte ist unmöglich, denn erstens gibt es die positiven unleugbaren Anfangserfahrungen und zweitens wird sich niemand eingestehen, daß er soviel Lebenszeit und vor allem (trotz aller gegenteiligen Beteuerungen) Geld für solch einen offensichtlichen Quatsch verschwendet hat. So wird gerade die Absurdität des Systems zu einer seiner Hauptstützen.

Letztendlich darf man auch nicht vergessen, daß die Esoterik all das in perfekter Weise verspricht, wonach sich der Kleine Mann sehnt: übermenschliche „kosmische“ Bedeutung der eigenen Person und die anstrengungslose Lösung aller Probleme, aller Schmerzen und aller Unsicherheit.

Dabei möchte ich einen gewissen orgon-energetischen Effekt der „Spiritualität“ auf den Gläubigen nicht ganz von der Hand weisen: „Von Eduard Zeller erzählte Steiner die Anekdote, daß dieser noch als Neunzigjähriger in Berlin ‚mit ungeheurer Lebhaftigkeit‘ habe dozieren können, weil er, da nicht Materialist, nicht verkalkte, während ein siebzigjähriger Kollege, der nur Gedanken gehabt, ‚die im Materialismus drinnen stecken‘ Arterienverkalkung bekam“ (Friedrich Heyer: Anthroposophie – ein Stehen in höheren Welten?, Friedrich Bahn Verlag, Konstanz, 1993, S. 109).

Wie sich die Marxistische Linke selbst widerlegt

5. Januar 2019

Imgrunde läßt sich die Marxistische Theorie bzw. die „politische Ökonomie“ auf die Aussage reduzieren, daß politische Ansichten die Ökonomie widerspiegeln. 1933 führte Reich aus, daß es neben der ökonomischen leider auch die sexuelle Unterdrückung gibt. Die letztere verwandele die Menschen so, daß sie gegen ihre ökonomischen Interessen handeln. Im Laufe der darauffolgenden Jahrzehnte, kulminierend in dem Buch Christusmord (1953), wurde der letztere Aspekt, der „charakterologische“, immer wichtiger, während der ökonomische (den Reich bis zum Schluß immer mit einer Marxistischen Brille sah!) immer mehr in den Hintergrund trat. 1967 hat dann Elsworth F. Baker aufbauend auf Reichs Veröffentlichungen und mündlichen Erläuterungen (wie die aussahen, kann man etwa anhand von Reichs Korrespondenz mit A.S. Neill sehen, Zeugnisse einer Freundschaft) politische Einstellungen vollständig rein bioenergetisch (und auch tiefenpsychologisch) erklärt. Daß man sie nicht vollständig von ihrer „materialistischen“ Grundlage trennen kann, ist eine Selbstverständlichkeit, die natürlich auch Baker berücksichtigt: die Lebensbedingungen formen den Charakter. Daß aber ausgerechnet Marx das Werkzeug geliefert haben soll, um diese Lebensbedingungen adäquat zu beschreiben…

Ich wollte aber auf etwas ganz anderes hinaus: Marxisten erklären politische Einstellungen (den „Klassenkampf“) streng materialistisch, d.h. ökonomisch. Entsprechend sollten es die „kältesten“ Menschen sein, die man sich überhaupt vorstellen kann. Eine Kuh verhält sich, wie sie sich verhält, weil sie schlichtweg eine Kuh ist, mit der Anatomie und dem angeborenen Verhaltensrepertoire einer Kuh. Genauso sollten sich Arbeiter verhalten und Kapitalisten wie Kapitalisten. Da ist im Diskurs keinerlei Platz für Emotionen bzw. einzig und alleine bei denen, die diese materialistischen Zusammenhänge verschleiern wollen. Es ist nun aber so, daß man sich in der Politik keine schrillere Hysterie, keine abgeschmacktere Moralisiererei, keinen größeren Gefühlsschwall vorstellen kann als ausgerechnet bei diesen „Materialisten“. Versuche mal mit so einem zu diskutieren! Außer Hysterie, Moralismus und die ganz großen Emotionen kommt da nichts. Man denke nur an die ruhigen, sachlichen und durch und durch materialistischen Erläuterungen eines Thilo Sarrazin oder eines Sprechers der AfD im Reichstag – und vergleiche das mit den genauso geifernden wie fakten-freien Reaktionen der Linken. Marxisten sind der schlagende Beweis für Bakers soziopolitische Charakterologie.

Siehe auch Bakers Schüler Charles Konia morgen.

Die Linke und die Psyche

19. April 2018

Von Rechtswegen sind Linke Materialisten, „Dialektische Materialisten“, die nichts mit Psychologie am Hute haben. Reich mußte sich in den 1920er und 1930er Jahren zur Genüge mit diesem „Vulgärmarxismus“ herumschlagen. Dieser extreme Materialismus ist die Ideologie der Roten Faschisten, der Trotzkisten, Stalinisten, Maoisten, DKPler und andere derartige Sektierer am äußersten linken Rand. Man muß mit eigenen Augen gesehen haben, wie sich solche Kommunisten auf Operationstischen buchstäblich ausschlachten lassen, weil sie partout keine „psychosomatischen“ Krankheiten anerkennen wollen!

Die breite Masse der Linken ist vollkommen anders: „Psychosomatik“ ist ihr Lebenselixier, sie lieben Freud, sind ständig am psychologisieren, gehen ganz in der „Kultur“ auf und ihr vermeintlicher „Marxismus“ ist kaum mehr als verweltlichtes „Christentum“, d.h. alles dreht sich um Moral, den Kampf gegen Ungerechtigkeit und die Sünde an den Armen und Geknechteten. Alles dreht sich ums Bewußtsein. Es durchzieht wirklich die gesamte Existenz dieser Klientel: Bewußtmachen des Unbewußten im Sinne der Psychoanalyse, die Pornographisierung des Alltags, die spezifisch „buddhistische“ Spiritualität („Achtsamkeit“), der Wahn alles regulieren und bestimmen zu können, etc.

Warum die, für einen Linken auf den ersten Blick so unnatürliche, Faszination mit dem so „unmaterialistischen“ Bewußtsein? Bewußtsein steht für das einheitliche, koordinierte Funktionieren des Organismus als Ganzheit. Aber gleichzeitig (Vorsicht: Dialektik!) unterbindet das Bewußtsein das einheitliche Funktionieren. Und genau das ist der Hauptmechanismus der linken Charakterstruktur: das, was Reich als „intellektuelle Abwehr“ bezeichnet hat. Der Intellekt dient der Abwehr bioenergetischer Strebungen, was mit einer Verlagerung der organismischen Orgonenergie vom Becken ins Gehirn einhergeht. Während der Konservative im Solar plexus zentriert ist (vegetatives Nervensystem), geht der Linke ganz im Zentralen Nervensystem („energetisches Orgonom“) auf: er ist sein Gehirn. Ein Gehirn, das alles analysiert und in seine Einzelteile „zersetzt“ – entsprechend dem Materialismus. Je weiter die Abwehr sich steigert, d.h. je neurotischer der Linke wird, desto offen materialistisch wird er, bis das anfangs beschrieben Syndrom in reiner Form vorliegt, der beinharte, knochentrockene Kommunist.

Peter liest Peter Gays Freud-Biographie

13. Februar 2018

Freud warf Jung vor, die Libido zu einer „universalen Energie“ zu verwässern. Adler habe die Libido durch eine „universale aggressive Kraft“ („Wille zur Macht“) ersetzt. Freud beharrte auf seinem explizit dualistischen Ansatz, da die „psychologische Aktivität im wesentlichen von Konflikten geprägt sei“ (Peter Gay: Freud, Frankfurt: Fischer Taschenbuch Verlag, 2006, S. 447). „Seine Schriften sind voll von Gegenüberstellungen wie aktiv und passiv, männlich und weiblich, Liebe und Hunger und (…) Leben und Tod“ (S. 447).

Gay erwähnt Stefan Zweig: „Zweig mit seiner Begabung für die Übertreibung und die auffälligen Antithesen hat eine Strähne, eine sehr bunte Strähne, aus einem wirren Gewebe von Druck und Gegendruck herausgegriffen“ (S. 574). Das ist genau jene Fruchtbarmachung von Antithesen, die Reich in der Charakteranalyse vorexerzierte, zu der Freud aber weitgehend unfähig war.

Am nächsten kommt Freud dem „Universalen“ vielleicht mit seinem Konzept des Es, das er bei Groddeck entlehnt hatte. Groddeck über Das Ich und das Es: „Dabei hat (Freuds) Es nur bedingten Wert für die Neurosen. Er macht den Schritt in das Organische nur heimlich, mit Hilfe eines von Stekel und Spielrein genommenen Todes- oder Destruktionstriebes. Das Aufbauende meines Es läßt er beiseite, vermutlich um es das nächstemal einzuschmuggeln“ (z.n. Gay, S. 461). Freuds „Es“ bringt, so Freud am Ende von Das Ich und das Es „keinen einheitlichen Willen zustande“, weil in ihm Eros und Todestrieb miteinander ringen (S. 462).

Das „Aufbauende“, dessen Fehlen Groddeck monierte, kam beispielsweise in den Schlußworten zu Das Unbehagen in der Kultur zum tragen. Freud: „Und nun ist zu erwarten, daß die andere der beiden ‚himmlischen Mächte‘, der ewige Eros, eine Anstrengung machen wird, um sich im Kampf mit seinem ebenso unsterblichen Gegner zu behaupten“ (z.n. Gay, S. 621).

Freud bezeichnete die Analytiker, sich selbst eingeschlossen, „als „im Grunde unverbesserliche Mechanisten und Materialisten“ (S. 498), doch immer wieder scheint das imgrunde mystische Grundwesen der Psychoanalyse durch. Von wegen „himmlische Mächte“!

Freud sprach stets von „die Wissenschaft“, doch was meinte er damit eigentlich konkret? Er, der sich spätestens seit 1900 kaum noch mit der Wissenschaft beschäftigte und vollkommen in einer „Psychologie“ aufging, die sich in Deutungen erschöpfte („Tiefenpsychologie“). Man denke nur an seinen Lamarckismus, der bei ihm einen dezidiert mystischen Charakter annahm („Geist über Materie“). Dazu Gays folgende Anmerkung:

Während des Krieges spielte er, wie er Abraham schrieb, mit der Möglichkeit, Lamarck für die Sache der Psychoanalyse zu rekrutieren, indem er zeigt, daß Lamarcks Idee des „Bedürfnisses“ nichts anderes ist als „die Macht der Vorstellung über den eigenen Körper. Wovon wir Reste bei der Hysterie sehen, kurz die ‚Allmacht der Gedanken‘“. (S. 414)

Andererseits: in seinem Dialog mit Romain Rolland, wo dieser von „ozeanischen Gefühlen“ sprach, die Grundlage des religiösen Empfindens seien, konnte Freud nur konstatieren, daß er dieses Gefühl nicht kenne (S. 612).

Die Psychoanalyse sei, so Gay über Freud, „die Kunst und Wissenschaft des geduldigen Zuhörens“ (S. 293). Immerhin hier konnte Reich Freud folgen: die Natur nicht im Kantschen Sinne „foltern“, sondern sie sprechen lassen.

Und was schließlich den orgonomischen Funktionalismus betrifft: In Gays Worten ist es „ein Gemeinplatz der psychoanalytischen Lehre, daß die dramatischten Unterschiede, wie weit auseinanderstehende Äste aus demselben Stamme entspringen können“ (S. 632). Beispielsweise schrieb Freud über die Gefühlskonflikte des „Rattenmanns“, sie seien „nicht unabhängig voneinander, sondern paarig miteinander verlötet. Der Haß gegen die Geliebte mußte sich zur Anhänglichkeit an den Vater summieren und umgekehrt“ (S. 302).