Posts Tagged ‘Freudismus’

Max Stirner, Soter (Teil 4)

18. April 2025

„Unsere Atheisten sind fromme Leute“ (Der Einzige, S. 203). „[S]elbst diejenigen Sittlichen, welche den persönlichen Gott leugnen, behalten ja am Guten, am Wahren, an der Tugend ihren Gott und ihre Göttin“ (Parerga, S. 131f). Die Aufklärung ist an ihrer jämmerlichen Inkonsequenz gescheitert. Auf die knappste Formel gebracht: man hat Gott beseitigt, aber die Menschen desto mehr mit jenen „Prädikaten“ belastet, die vorher Gott zugeschrieben wurden. Deshalb konstatiert Stirner sogar eher eine Verschlechterung als eine Verbesserung: habe man zuvor die Massen zur Religion abgerichtet, sollen sie sich nun infolge der vermeintlichen Aufklärung sogar mit „allem Menschlichen“ befassen. Auf diese Weise werde die „Dressur“ der Menschen immer allgemeiner und umfassender (Der Einzige, S. 365). Freudismus! Marxismus!

Stirners zwei große kontemporäre Gegenspieler Feuerbach und Marx waren auch die Gegenspieler Reichs. Freuds „Atheismus“ war nämlich derjenige Feuerbachs: sei ein Mensch, „die Kultur geht vor“, d.h. die Religion ist zwar eine Illusion, aber um so mehr hat die Sittlichkeit die Grundlage des gesellschaftlichen Lebens zu sein (Der Einzige, S. 52).

Dieses normative Zurechtstutzen des Einzelnen ist der Kern des „Atheismus“ von Feuerbach, der jeweils Marx und Freud entscheidend beeinflußt hat. Ein „Atheismus“, bei dem, um nochmals mit Freud zu reden, die Kultur stets vorgeht. Um sie zu retten haben Marx und Freud die kulturfernsten Bereiche unserer materiellen Existenz und sogar unsere „polymorph-perversen Triebe“ ins Feld geführt, damit ja nicht an den sittlichen Grundlagen gerührt wird: wir sollen auf das materialistische „Es“ schauen, es bemeistern lernen – und das idealistische „Über-Ich“ unbeachtet lassen. Entsprechend wirft Marx Stirner vor, daß dieser obskurantistischerweise „wirklich an die Herrschaft des abstrakten Gedanken, der Ideologie in der heutigen Welt (glaubt), er glaubt, in seinem Kampfe gegen die ‚Prädikate‘, die Begriffe, nicht mehr eine Illusion, sondern die wirklichen Herrschermächte der Welt anzugreifen“. Stirner vernachlässige, schreibt Marx, die wirklichen, materialistischen Lebensgrundlagen (nämlich die Notwendigkeit zu produzieren) und verkleistere dergestalt die sich daraus ergebenden Herrschaftsverhältnisse (Marx: Die deutsche Ideologie, In: FRÜHE SCHRIFTEN, Zweiter Band, Darmstadt 1971, S. 276).

Das ist die gleiche Litanei, die alle „materialistischen“ Linken bis zum heutigen Tage gegen Reich angestimmt haben. Ganz ähnlich sieht es bei den Freudisten aus, die Reich eine Verkennung der komplizierten Triebstruktur des Menschen vorhalten. (Freud sogar ausdrücklich gegenüber ausgerechnet – Lou Salome!) Aber man darf sich nicht durch die ausgewogen „realistische“, schmutzig „materialistische“ Hülle täuschen lassen: es geht Marx, Freud und ihren Anhängern darum, daß die „Prädikate Gottes“ (Feuerbach) unberührt bleiben. Es geht diesen vermeintlichen „Aufklärern“ darum, daß eben „die wirklichen Herrschermächte der Welt“ unangetastet bleiben. Es geht ihnen um die Sittlichkeit.

Damit führen sie auf geniale (nämlich bis heute undurchschaute) Weise einen „Klassenkampf von oben“ fort, wie ihn vor ihnen die Priester, Pfaffen und Philosophen gefochten haben. Jedenfalls spricht Stirner von einem „Klassenkonflikt“ zwischen den „Gebildeten“ und den „Ungebildeten“ (vgl. Parerga, S. 77-79). Die einen stellen irgendwelche geistigen Prinzipien auf, für die sie unterwürfigen Respekt einfordern. (Man denke an die Marxisten und Freudisten!) Die anderen, stehen diesen verqueren Gedanken zunächst gleichgültig gegenüber, können sich aber nicht gegen sie erwehren. „Hierarchie ist Gedankenherrschaft, Herrschaft des Geistes!“ Wir werden von jenen unterdrückt, die sich auf heilige Gedanken stützen. Dieser Konflikt setzt sich bis ins Innenleben fort, „denn kein Gebildeter ist so gebildet, daß er nicht auch an den Dingen Freude fände, mithin ungebildet wäre, und kein Ungebildeter ist ganz ohne Gedanken“ (Der Einzige, S. 79f).

Es ist die Hierarchie von „menschlichem“ (idealem) Leben und „bürgerlichem“ (egoistischen) Leben. Ganz oben steht die heilige Nation und der Staat, darunter das profane bürgerliche Leben (Der Einzige, S. 107f). Das wiederholt sich dann Stufenweise von den gebildeten Bürgern und dem ungebildeten „Pöbel“ bis hinab zum Familienleben. Über die Dressur der Kinder in der Familie setzt es sich im Inneren der Menschen fort: das Gewissen, d.h. sich des „Heiligen“ gewahr sein und entsprechend die „Naturtriebe“ auszuspionieren („innere Polizei“ gegen „innerer Pöbel“) (Der Einzige, S. 97).

Als die „Dressur“ noch nicht so weit fortgeschritten war, waren die sittlichen Instanzen noch Personen (die Eltern, der „Landesvater“, etc.) und entsprechende Wahngebilde (etwa „Gott“), denen man persönlich Loyalität schuldete, doch im Unterschied zum Konservativen läßt sich der fortschrittliche Liberale nichts mehr befehlen – er gehorcht nur noch unpersönlichen Gesetzen (Der Einzige, S. 118f). Dieser „Fortschritt“ beruht auf seiner strukturellen Rebellion gegen persönliche Autorität – um sich desto vorbehaltloser einem „unpersönlichen Herrscher“ zu unterwerfen (Der Einzige, S. 119).

Genauso steht es mit der Frage nach persönlichem Besitz: der Sozialist will nicht bloß die rechtlichen, sondern auch die materiellen Unterschiede aufheben, was nichts anderes bedeutet, als daß nicht nur niemand „selbstherrlich“ befehlen soll, sondern auch keiner etwas haben soll, an dem er seine Eigenheit festmachen könnte, vielmehr sollen alle am unpersönlichen Allgemeineigentum teilhaben. Auf diese Weise wird aus der Gesellschaft selbst ein „höchstes Wesen“, dem wir alles schuldig sind (Der Einzige, S. 135). Letztendlich geht es darum, wirklich alle persönlichen Eigenschaften, alle Traditionen von sich zu streifen und nichts als ein Mensch zu sein (Der Einzige, S. 141). So verschwindet schließlich der egoistische und unverwechselbare „Eigene“ vollständig und geht im Menschen auf (Der Einzige, S. 150f). Letztendlich erweist sich die liberale Flucht vor Autorität, Besitz und Tradition (also die Flucht vor dem Vater) als Flucht vor sich selbst – und als vervollkommnete Unterwerfung. „[W]er sich selbst ganz besitzt, wer in das Heiligtum seines eigenen Wesens eingedrungen ist, wer bei sich ist, der ist beim Vater“ (Parerga, S. 42).

Der aus dieser Rebellion entstammende „Atheismus“ tut kaum mehr als den „Gott des Einzelnen“ durch den „Gott Aller“ zu ersetzen (Der Einzige, S. 158). Wird nämlich der Eigenwille eingeschränkt, sucht er Zuflucht im Eigentum, wird dieses weggenommen, sichert es sich in der Eigenheit die Fortdauer. Deshalb muß schließlich auch jede individuelle Meinung aufgehoben werden, denn mit meiner unvernünftigen Meinung, meinem unvernünftigen „Glauben“, bleibt auch mein Gott bestehen. Er muß ersetzt werden durch einen „allgemeinen menschlichen Glauben“, einen „Vernunftglauben“ (Der Einzige, S. 141). Religion wird zum Kultus der Gesellschaft. „Somit hat man allein dann Aussicht, die Religion bis auf den Grund zu tilgen, wenn man die Gesellschaft und alles, was aus diesem Prinzipe fließt, antiquiert“ (Der Einzige, S. 347). Das macht den „Atheismus“ der Kommunisten und Psychoanalytiker („die Kultur [= die Gesellschaft] geht vor“] zu einer Absurdität. In jedem Teil hier Laskas Stirner-Buch!

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 90)

24. November 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Die gesamte pseudoliberale (rotfaschistische) Verschwörung gegen Reich, mit ihrer Trinität aus Szientismus, Marxismus und Freudismus, läßt sich im Signum „LSR“ zusammenfassen. Man denke nur an LaMettries Kampf gegen den gefühlstoten „Automatenmenschen“ Albrecht von Haller, der als Vivisektor bekannt wurde – gleichzeitig war er ein tiefgläubiger Mensch. Umgekehrt machte er LaMettrie zum „Opfer eines gewaltigen Rezeptionsmißverständnisses“: er, LaMettrie, wäre DER Vertreter des mechanistischen Menschenbildes (Ursula Jauch: Jenseits der Maschine, S. 283).

Wie Reich landete LaMettrie im Niemandsland: er sei unwissenschaftlich und gleichzeitig antihumanistisch, während man selbst mit der mechanistischen Wissenschaft sowohl die Umwelt als auch den Menschen verfehlt und beide vernichtet. Der Szientismus (auch gerade der, der einer überweltlichen Seele noch Platz läßt) ist nichts anderes als Emotionelle Pest.

Stirners „Haller“ war Marx, der mit seiner Forderung nach Selbstregulierung buchstäblich durch „Enteignung“ fertigwurde: das Selbst wurde zur bloßen Schnittstelle gesellschaftlicher Kräfte, deren freies Walten durch den widerständigen „Eigner“ nur behindert wird. Der Stalinismus („roter Faschismus“) war eine notwendige Folge dieser Bewältigung der Stirnerschen Anthropologie. Entsprechend haben alle, wirklich alle, Marxisten instinktiv allergisch auf Reich reagiert und, in enger Kooperation mit den Szientisten und Psychoanalytikern, alles getan, um ihn zu sequestrieren.

Laskas Hauptanliegen war es stets, den grundlegenden Gegensatz von Freud und Reich herauszuarbeiten, den Freud selbst schon früh erkannt hat, während Reich weitgehend blind für ihn war, obwohl die Ablehnung von Seiten seiner psychoanalytischen „Kollegen“ im Laufe der Zeit immer intensiver wurde. Freud hat zwar das Über-Ich entdeckt bzw. den Begriff geprägt, aber stets die logische Konsequenz abgelehnt. Statt „Wo Über-Ich ist, soll Ich sein!“ war sein Diktum „Wo Es ist, soll Ich sein!“, mit anderen Worten, das Ich sollte an die Stelle der Gesellschaft treten und von sich aus, aus eigener Einsicht in die Notwendigkeit und eigenem Antrieb heraus die Triebe unterdrücken. Auf diese Weise macht das Ich das Über-Ich überflüssig… Das ist imgrunde genau die gleiche Dialektik, die die Marxisten zu Todfeinden Reichs machte.

Auf den einfachsten Nenner gebracht, ist der Szientist, der Marxist und der Psychoanalytiker jeweils von seinen Gefühlen abgetrennt und geht mit viehischem Haß gegen jeden vor, der diese Mauer einzureißen droht. Es droht eine verheerende innere Überflutung! Reichs Schicksal war, daß er der ultimative Mauereinreißer war.

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 75)

31. Juli 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Stirners Bedeutung ist die, daß er ausnahmslos die gesamte moderne (Hegelsche und post-Hegelsche) Philosophie entlarvt und überwunden bzw., besser gesagt, ad absurdum geführt hat. Wie Hans-Martin Sass 1975 feststellte: „Alle Spielarten überhaupt möglicher kritischer Theorie, alle Spielarten von Anarchismus und Existentialismus sind [zu Stirners Zeiten durch die „Jungehegelianer“] in Berlin durchgespielt worden, und alles, was später kam, sind (überspitzt gesagt) Neuauflagen: Adorno, Marcuse, Habermas und Heidegger; sie sind nicht nur historisch später, sie sind auch weniger originell, zugegeben in manchem gründlicher, im Grundsätzlichen schon lange durchgespielt in jenen Jahren in den zwei, drei Stammlokalen, die man in Berlin hatte.“

Stirner hat die diversen Philosophien seiner vermeintlichen Mitstreiter und damit die gesamte Philosophie bis heute als Apotheose der Enkulturation entlarvt, d.h. der dreischichtigen Charakterstruktur des gepanzerten Menschen (nach Reich):

Die willkürlichen und unveränderlichen mechano-mystischen „Prinzipien“ der Kultur werden verinnerlicht, obwohl sich das Leben ständig ändert. Es ist, als sollte ein mittelalterlicher Ritter in seinem „Panzer“ bei einem rhythmischen Tanzgymnastikturnier mithalten.

Mir wurde schon des öfteren vorgeworfen, ich wäre Opportunist. Kaum, daß ich mich als libertär geoutet habe, fordere ich ein brutales staatliches Durchgreifen. Eben noch predigte ich einen wirklich konsequenten Atheismus und rede jetzt von Gott. Marx habe ich stets in Grund und Boden verdammt, nur um ihn angesichts des Großkapitals unvermittelt in höchsten Tönen zu preisen. Bin ich Demokrat, Monarchist, Republikaner? Keine Ahnung, hängt auch vom Tag und der Tageszeit ab… Die Liste würde ein Buch füllen!

Eure „Prinzipien“ könnt ihr euch sonstwo hinschmieren! Ich lasse mich durch nichts und niemanden festlegen, auch nicht durch mich selbst und das, was ich noch vor einer Sekunde unumstößlich vertreten habe. Nicht mal der soeben niedergeschriebene Satz gilt unbedingt! Hauptsache die Sache funktioniert. Alles andere ist Ideologie, d.h. schlichtweg GEISTESKRANKHEIT. Lenin war so groß, weil er als überzeugter Marxist praktisch sämtliche Lehren des Marxismus über Bord geworfen hat, als ihm dies opportun erschien. Ähnliches kann man über Reich in Bezug auf den Freudismus sagen.

Aber wird durch derlei „Funktionalismus“ nicht jedes menschliche Gesellschaftsleben hintertrieben, das auf Vertrauen und Verläßlichkeit beruht? Nun, ich vertraue nicht darauf, daß du irgendwelchen „Prinzipien“ treu bleibst, sondern daß du die in dich gesetzten Erwartungen erfüllst und verdammt noch mal deine ARBEIT erledigst. Man verschone mich mit den Arschlöchern, die ihre Aufgaben nicht erfüllen, weil sie „überzeugte Anarchisten“, oder was auch immer für „Überzeugungen“, „prinzipiell“ folgen! GEISTESKRANKE!

Das kann man auch anders formulieren: es ist unwichtig, was Leute sagen und „bekennen“, entscheidend ist, WAS SIE TUN!

Hier ein kleines Beispiel für den Irrsinn, in dem wir leben müssen, weil die Menschen ihren „Prinzipien“ treu bleiben: „Berliner Elektrofeuerwehren sind [durch die Batterien] so schwer, dass die Gefahr besteht, dass sie voll beladen samt Straße in die Kanalisation durchbrechen. Mit an Bord der Elektrolöschflotte: Ein Dieselaggregat, das unterwegs die Akkus nachlädt, damit die Feuerwehr nicht auf halber Strecke stehenbleibt.“

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 32)

28. November 2022

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Das Verhältnis zwischen Reich und Freud läßt sich m.E. noch am ehesten anhand von Reichs final word über Freud dingfest machen: „Re-emergence of Freud’s ‘Death Instinct’ as ‘DOR’ Energy“ (1956 in Bakers Zeitschrift Medical Orgonomy). Reich muß zugeben, daß Freud richtig fühlte, als „er schwach die (DOR-) Kraft spürte“.

Betrachtet man Freuds Entwicklung geht alles vom Somatischen, vom Sexuellen hin zur Verkopfung. Ich hätte beinahe „Verstopfung“ geschrieben – was zusammen den Sachverhalt sehr gut beschreibt. Wenn man das mit Freuds frühen Einsichten verbindet (die schließlich Leute wie Otto Groß und Wilhelm Reich zu Freud gebracht haben und die glaubten, den wahren Freud zu vertreten) hat man ein Bild vor sich, das auch Reichs Bild von Freud war: den Weg vom jugendlichen Enthusiasmus in die lebenskluge Resignation, den jeder in dieser Gesellschaft durchmacht.

In American Odyssey spricht Reich davon, daß „die Kleinlichkeit großer Männer, wie (…) Freud, vermutlich mit der Befestigung des Ichs gegen die ‚letzten Konsequenzen‘ [beginnt]. Und genau an diesem Punkt begann auch ihr Ausweichen vor der Wahrheit“ (S. 363f). Freud wäre an den zu tiefen Einsichten und dem damit einhergehendem „hohen Maß an Zellerregung“ kaputtgegangen.

Freuds Abwehr gegen Reich war nichts anderes als die Abwehr aller emotionalen Zombies gegen die Jugend, d.h. gegen den „Lebenstrieb“. Aber da ist noch etwas anderes, ein rationales Element, in diesem Kampf gegen das Lebendige, denn: „Dantes Phantasien und Freuds Realitäten des Unbewußten sind der poetische bzw. wissenschaftliche Ausdruck der Einsicht in die Emotionelle Pest“ (ebd., S. 315). Dies bedeutet, daß, wenn die Gesellschaft zum Kern durchdringen will, „sie eine Phase chaotischer Ereignisse, einschließlich Massenmord und Todschlag, durchlaufen muß, bevor sie zu einer sozialen Ordnung gelangt, die auf dem biologischen Kern des Menschentiers beruht“ (ebd.). Davor hatte Freud zurecht eine Todesangst: er wußte, worum es wirklich ging. Darum mußte Reich, das Symbol aller heimlichen Sehnsüchte Freuds, unter allen Umständen umgebracht werden. Wer die Menschheit ernsthaft befreien will, zum Kern vordringen will, weckt den wahrhaftigen Teufel. Das ist die tiefere Logik hinter den Attacken des katholischen Gesellianers Hans-Joachim Führer, des Katechon Carl Schmitt, etc. gegen Stirner. Daß hinter dieser Rationalität sich dann noch die größte denkbare Irrationalität verbirgt, so wie sich hinter der liberalen, bürgerlichen Fassade die sekundären Schicht verbirgt und unter der der Kern…

Hier ein Beispiel wie Reich gegen den Strich denkt: „Freud hatte ‚recht‘, als er sich gegen die Kommunisten [also den damaligen Reich, PN] wandte; aber er hat nichts von der Massenpsychologie des Faschismus geahnt. Die Faschisten haben ‚recht‘, daß die Menschen wertlos sind; aber sie haben keine ‚Rede an den kleinen Mann‘ geschrieben. Ich irre mich lieber und lerne aus der Erfahrung“ (ebd., S. 358f). Also hatten Freud und die Faschisten 1933/34 recht und Reich unrecht (was die sekundäre Schicht betraf) – aber er, Reich, hatte natürlich in einem tieferen Sinne recht (was den Kern als tiefere Schicht betraf) und außerdem hat er gelernt, sie nicht. Es gab aber auch Leute, die von Anfang an immer unrecht hatten und nie gelernt haben: jene unerträglichen „Aufklärer“, wie Fromm und Fenichel, die in ihrem „Optimismus“ weder Freud verstanden, noch Reich folgen wollten. Praktisch alle anfänglichen „Freunde“ Reichs gehörten dazu: sie hatten die gleiche scheiß Angst vor dem „kern-igen“ Leben wie Freud, aber es ermangelte ihnen an jeder tieferen Einsicht, wie Freud sie hatte.

Ich denke tatsächlich, daß Freud Reich unendlich näher stand als alle seine (Reichs) linksfreudianischen „Freunde“ und ihre „Reichianischen“ Nachfolger (Boadella & Co.). Die hasse ich wie die Pest, während ich gegenüber Freud trotz allem immer noch Verständnis entgegenbringen kann. Man nehme nur mal, willkürlich herausgegriffen den 2001-Kommentar zu Christusmord von 1997, wo Reichs „verschrobene oder gar abstoßend wirkende Ausführungen“ gegen den Liberalismus mit „kommunistischer oder nazistischer Programmatik“ gleichgesetzt werden.

Entweder man unterstützt das „vegetative Leben“ (Reich) oder nicht (Freud), aber diese liberale „Toleranz“ (Fenichel, Boadella) gegenüber dem „vegetative Leben“ (das man nie und nimmer aktiv unterstützen wird) und den Feinden des „vegetativen Lebens“ (die man nie kompromißlos bekämpfen wird) – ist absolut unerträglich und der ultimative Verrat. Freud war es todernst mit der Verteidigung „der Kultur“, genauso wie es Reich todernst mit der Vernichtung „dieser Kultur“ war, während den David Boadellas nichts ernst ist. Um das Argument greifbarer zu machen: Freud hatte recht, wenn er davor zurückschreckte durch Charakteranalyse zu tief vorzudringen und „das böse Tier im Menschen“ aufzuwecken; Reich hatte recht, wenn er durch eine konsequente Charakteranalyse bis zum Kern durchdrang; absolut unrecht haben aber jene, die laienhaft die Charakterpanzerung durcheinanderbringen und ihre Opfer in die Psychose treiben. Die gegenwärtige zutiefst psychotische antiautoritäre Gesellschaft ist Produkt einer mißglückten sexuellen („Reichianischen“) Revolution! Kindererziehung: autoritäre Erziehung und Selbstregulation sind unvermischbar. Eine „tolerante“ pseudo-selbstregulatorische Erziehung erzeugt genau jene Monster, unter denen wir heute leiden. Wenn sich etwa eine Dumpfbacke wie Erich Fromm als Vertreter des Summerhill-Gedankens aufspielt, raste ich aus. Diese Unfähigkeit, einen Gedanken zuende zu denken, diese Vermeidung jeder Konsequenz!

Mit Freuds Verhalten konnte Reich trotz allem leben und selbst die Wahrheit im Todestrieb erkennen, nicht jedoch mit dem Verhalten Otto Fenichels, in dem kein Funken Wahrheit war. Das gleiche gilt für die Wiedergänger Fallend, Nitzschke, Reichmayr, Dahmer, Peglau und diese ganze „antifaschistische“ Vernünftelei.

Mit dem Papst kann ich leben (wenn ich Franziskus ausblende), nicht jedoch mit Reformtheologen. Ich könnte das gesamte psychologische Werk Freuds mit Gewinn durchlesen, aber Fenichels 119 Rundbriefe waren eine Qual, die mich leer und elend zurückgelassen haben. Grau ist eine ekelerregende Farbe.

Daß pseudofreudistische und pseudomarxistische „liberale Reformer“ den Freudismus und Kommunismus zerstört haben, damit kann ich leben, ich bin ihnen sogar dankbar, trotzdem ich sie verachte und obwohl sie für das psychotherapeutische und postsowjetische Massenelend, das sie hervorgerufen haben, verantwortlich sind. Nicht leben kann ich mit pseudo-Reichianischen „liberalen Reformern“, die die Orgonomie (oder LSR) unterminieren und zerstören. „Es gibt Grund zur Verzweiflung angesichts dieser Verflachung all dessen, was unser Leben auf rationale Weise verändern soll“ (ebd., S. 376).

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: 1. Die Apokalypse / Wilhelm Reich

14. Februar 2022

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 1. Die Apokalypse / Wilhelm Reich

Paul Mathews: Besprechung THE FREUDIAN LEFT von Paul A. Robinson

31. Oktober 2021

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Besprechung THE FREUDIAN LEFT von Paul A. Robinson

Reichs Gründe der Abkehr von der Tagespolitik (Teil 8)

18. Juli 2021

von Robert Hase

Reich beschreibt nun anhand eines Beispiels die Differenz zwischen formaler Demokratie und Arbeitsdemokratie.

Er berichtet von folgendem Vorfall, der die Bedeutung der Praxis in der Arbeitsdemokratie betont. Er zeigte deutlich die Behinderung des demokratischen Funktionierens durch das Festhalten am Formalismus und die Überlegenheit des arbeitsdemokratischen Prinzips. Nach einer Schulung in Sexualökonomie plante eine Gruppe von Pädagogen die Einrichtung eines Kindergartens. Sie setzten sich zusammen und wählten, rein formalistisch, einen Leiter, einen Schriftführer und einen Kassenwart sowie einige „Ehrenmitglieder“, von denen einer gewählt wurde, weil er versprochen hatte, Geld beizusteuern, was natürlich keine Arbeitsleistung darstellte. Sie mieteten ein Haus, richteten es ein und glaubten nun, sie könnten Kinder aufnehmen. Doch bald zeigten sich schlechte Gefühle, Unstimmigkeiten traten auf und das sichere Zeichen des Scheiterns, „irrationale Ausbrüche“, kam zum Vorschein. Das Unterfangen war spontan entstanden, ohne dass Reich es vorgeschlagen hatte. Aber als die Dinge anfingen, schief zu laufen, wollte er die Leute nicht tiefer in die unglückliche Situation geraten lassen und lud sie zu einem Gespräch ein. Die Situation stellte sich dann wie folgt dar: Der Lehrer, der zum „Geschäftsführer“ gewählt worden war, protestierte gegen die Überlastung mit Arbeit. Die „stellvertretende Direktorin“ wollte keine Arbeit machen, weil sie eine Stelle an einer öffentlichen Schule hatte. Die Sekretärin hatte andere Verpflichtungen und der ehrenamtliche Vorsitzende konnte auch nichts tun. Reich wies darauf hin, dass eine Geldspende keine Arbeitsleistung darstellt. Eine offene Diskussion brachte die irrationalen Hintergründe an den Tag. Der Geldgeber und die Lehrerin, die keine Zeit hatte, waren mit der geheimen Absicht in das Unternehmen eingestiegen, einen Platz für ihr eigenes Kind zu finden. Eine andere Lehrerin gestand, dass sie sich der Aufgabe nicht gewachsen fühle und eine dritte gab offen zu, dass sie Angst vor dem Wort „Sexualökonomie“ hatte.

Kurzum, so Reich, sei das Ganze ein klassisches Beispiel für eine rein formalistische Organisation mit allerlei versteckten Motiven, die mit der konkreten Arbeitsfunktion eines Kindergartens überhaupt nichts zu tun hatten. Da alle Beteiligten eine charakterliche Umstrukturierung hinter sich hatten, war die Klärung der Situation nicht schwer. Trotz der bereits getätigten Investitionen entschied man sich, den Plan aufzugeben und auf eine bessere Gelegenheit zu warten. Es wurde deutlich, dass der Plan aus dem Gefühl „wir müssen etwas tun“ erwachsen war und nicht organisch aus den Arbeitsbedürfnissen. Ein Jahr später hatten bis auf eine Ausnahme alle Teilnehmer ihr eigenes konkretes Arbeitsfeld im Rahmen der Sexualökonomie gefunden. Alle blieben gute Freunde; nicht nur ein Kindergarten, sondern mehrere Zweige der Arbeit entwickelten sich organisch. Es gab keine Intrigen und keinen Irrationalismus. So siegte das Prinzip der organischen Entwicklung der Arbeitsinteressen über den zum Scheitern verurteilten Formalismus.

Reich lässt sodann seine wissenschaftliche Entwicklung Revue passieren.

Während sich die Sexualökonomie im Zusammenhang mit der Theorie Freuds und der kritischen Widerlegung seines mechanistischen Kulturbegriffs entwickelte, wuchs die Orgonbiophysik eigengesetzlich. Dabei sei die Kritik an der psychoanalytischen Kulturtheorie nicht möglich gewesen, wenn Reichs Arbeit nicht von Anfang an (1919) vom Prinzip des Funktionalismus geleitet worden wäre, dem Prinzip, das 16 Jahre später zur Entdeckung der kosmischen Orgonenergie führte. Seine funktionelle Methode hat ihre Wurzeln in früheren Studien zur Wahrnehmung (7), also einem Phänomen des Bewusstseins. Ihre Beziehungen zur Psychoanalyse wären sekundär. Das zentrale Problem, das der Plasmapulsation, stände im strikten Gegensatz zur psychoanalytischen Triebtheorie. Während es richtig sei, die Sexualökonomie als einen Abkömmling der Freudschen Theorie zu betrachten, sei es falsch und irreführend, die Originalität der Orgonbiophysik zu leugnen. Die Orgonbiophysik könne nicht als ein Anhängsel der Sexualökonomie und damit der Psychoanalyse betrachtet werden.

Fußnoten

(7) Reich dürfte sich hier – neben Anderen – auf den Naturphilosophen Hans Driesch beziehen, der zur Wahrnehmung Studien betrieb. [Siehe dazu Peters morgige Ergänzung.]

Freudismus, Marxismus, Orgonomie und Verschwörungstheorien

6. April 2020

Gestern habe ich die Frage der Intentionalität offengelassen. Das möchte ich heute nachholen:

Verschwörungstheorien und Orgonomie? Schwierig! Einfach, weil Reich selbst eindeutig „Verschwörungstheoretiker“ war, von wegen „The Red Thread of a Conspiracy“ (Der rote Faden einer Verschwörung), andererseits dieses Denken in Begriffen bewußter Intentionalität der Orgonomie so wesensfern ist. (Wobei natürlich von vornherein zu sagen ist, daß niemand und keine Theorie derartige Verschwörungen jemals wirklich ausschließen kann!)

Die Psychoanalyse war in ihrem Wesen vor allem eine Psychologie, in der es um Bilder, Vorstellungen und Intentionen ging, d.h. um Bewußtsein, das Vorbewußte und vor allem das Unbewußte, das sich aber immer noch mit Hilfe der Sprache ausdrückt. Reich gesamter Ansatz hingegen war es nicht nur jenseits des Bewußtseins, sondern prinzipiell auch jenseits der Sprache zu gehen. Es ging also sozusagen nicht um die „K-a-t-z-e“, sondern um die Katze als „Ding an sich“. Das Unbewußte war entsprechend unmittelbar in der verspannten Muskulatur gegeben, jenseits aller Sprache. Und die Sprache selbst war unmittelbarer Ausdruck von Körperlichkeit, beispielsweise in dem Wort „Hartnäckigkeit“. Psychologie und Soziologie wurden auf Biologie reduziert und die weiter auf Physik bzw. „Biophysik“.

In dieser Weltsicht bleibt kein Platz für eine zentrale Rolle von Intentionalität, dem „freien Willen“, der insbesondere in der Gestalt des „gefallenen Engels“ Satan zum Ausdruck kommt, der dem Vaterunser zufolge mit seinen bewußten Machinationen hinter allem steckt, was in der Welt falschläuft. Auf diese Vorstellung lassen sich wirklich alle Verschwörungstheorien zurückführen, von der „jüdischen Verschwörung“ („die Synagoge Satans“) angefangen. Das Denken der weitaus meisten Menschen auf diesem Planeten wird von diesem Grundmuster („alles läßt sich auf die böse Intention zurückführen“) geprägt, insbesondere in der moslemischen Welt.

Für die Orgonomie gibt es nicht „den Bösen“, sondern nur „das Übel“ der Panzerung, das jeden guten Impuls in sein Gegenteil verkehrt. Mit anderen Worten geht es um Struktur ganz entsprechend dem Marxismus. In Der Mensch im Staat legt Reich größten Wert darauf, daß für Marx die Kapitalisten keine „Teufel“ waren, sondern Menschen, die in einem System gefangen sind, das ihnen selbst keine Wahl, keine Willensfreiheit läßt. Von daher sind alle Verschwörungstheorien über „die bösen Kapitalisten“ null und nichtig bzw. rotfaschistische Propaganda.

Wenn Reich von „Verschwörung“ spricht, dann meint er etwas vollständig anderes: die Emotionelle Pest, d.h. keine intentionale, „gedankliche“ Verschwörung, sondern eine emotionale Verschwörung. Dabei geht es um objektive Strukturen, d.h. die Panzerung, die aus gesunden (primären) Impulsen kranke (sekundäre) Impulse macht, welche für gepanzerte Menschen leider ansprechender (sozusagen naher) sind als die primären (die bedingt durch den Panzer fern, fremd und deshalb nicht ansprechend wirken). Es entwickelt sich entsprechend ein struktureller Zwang „Böses“ (eben „Sekundäres“) zu tun, ähnlich wie bei Marx die Kapitalisten auch bei besten bewußten Intentionen durch das kapitalistische System gezwungen sind, die Arbeitskraft ihrer Mitmenschen auszubeuten.

Die hier erläuterte Unterscheidung mag spitzfindig klingen, entspricht aber dem, wie Reich den Unterschied zwischen ursprünglichem „Arbeiterkommunismus“ und dem späteren roten Faschismus der Sowjetunion beschrieb. Gleicher Art ist der Unterschied zwischen den üblichen Verschwörungstheorien und dem, was Reich mit „The Red Thread of a Conspiracy“ ausdrücken wollte. Ihm ging es dabei nicht um „Verschwörungen“ per se, sondern um „emotionale Verschwörungen“, die auf dem beschriebenen (charakter-) strukturellen Zwang beruhen.

Buchbesprechung: THE FREUDIAN LEFT von Paul A. Robinson (Teil 2)

22. Dezember 2019

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Besprechung THE FREUDIAN LEFT von Paul A. Robinson

Sexpol 2018: Vernichtet den Freudianismus und „Reichianismus“!

14. November 2018

Bei Freud und den anderen Vertretern der Psychoanalyse wird man vergeblich nach einer Beschreibung des genital-orgastischen Erlebens suchen. Es wird reduziert auf infantil-perverse Libidoanteile wie Saugen, Pissen und Defäkieren. „Orgasmus“ kommt nur vor als „Rückkehr in den Uterus“ bzw. als illusorische selige Erfahrung der einstigen symbiotischen Beziehung des Säuglings zur Mutter. Letztendlich ist für den Psychoanalytiker der Orgasmus eine „Illusion“ wie die Religion. Der reife, durchanalysierte Mensch kann über Kindereien wie die Reichs nur milde lächeln!

Die sexualfeindliche Reaktion ist zäh, weshalb im „Reichianismus“ Freud ständig neu aufersteht. Hier wäre beispielsweise Modju Alexander Lowen zu nennen, der ganz im Sinne Freuds die Funktion des Orgasmus durch das „Grounding“ ersetzte, die Verbindung zur „Mutter Erde“; das Ersetzen des Lustprinzips, durch das Realitätsprinzips. In „neo-Reichianischen“ Kreisen ist die Ablehnung der Konzepte „Genitalität“ und „genitaler Charakter“ universell. Imgrunde ist das alles eine Wiederkehr des Freudianismus und man kann es durchweg in die Tonne treten, Dieses Ungeziefer wird ausgemerzt werden, die Geschichte wird über diesen reaktionären Dreck hinwegschreiten!

TOD DER REAKTION!