Posts Tagged ‘Sünde’

Max Stirner, Soter (Teil 27)

9. September 2025

Durch Freundschaften, Handelsaustausch und andere Formen des lustvollen „Verkehrs“ löst sich die ursprüngliche Gesellschaft auf und es entsteht der Verein. Betrachtet man, so Stirner, das alltägliche Leben, hat man hunderte von solchen teils schnell vorübergehenden, teils dauernden egoistischen Vereinen vor sich: Kinder die sich zum Spielen zusammenfinden, Freundschaften, Liebespaare, etc. (Parerga, S. 204). Im Verein findet man zusammen, um einander zu genießen, wobei keiner der Partner „zu kurz kommt“ (Parerga, S. 204). Aus diesen Vereinen kann wiederum aufgrund der Charakter-Deformationen ihrer Mitglieder eine (sekundäre) Gesellschaft hervorgehen: die berüchtigte „Vereinsmeierei“, Gilden, Parteien, der Staat und andere „heilige“ Gebilde. Sie sind abgestorbene Vereine, in denen das unaufhörliche Sich-Vereinigen zum Stillstand gekommen ist (Der Einzige, S. 342). Reich hat beschrieben, wie aus Lustangst die Menschen aus den „Vereinen“ in eine Ersatzfamilie flüchten, in der das Heimatland die Mutter verkörpert und der „Führer“ den strengen, gerechten und gütigen Vater. (Darauf beruht heute der Antikapitalismus der roten und schwarzen Faschisten.)

Mit der Unterdrückung des Vereins, also des freien „bioenergetischen und arbeitsdemokratischen“ Austausches zwischen den Menschen, wird auch die primäre Gesellschaft zerstört. Das sieht man z.B. daran, daß die Eltern der öffentlichen Schule immer größere Teile der Erziehungsaufgabe zuschanzen. Mit dem generellen Zerfall der Gesellschaft bricht auch die ursprüngliche, die organisch gewachsene Gesellschaft, also die Familie, sogar die Mutter-Kind-Bindung, und damit der unverzichtbare „Mutterboden“ des Einzigen und des Vereins, zunehmend weg. Es ist wie Bodenerosion: die Wüste wächst. Stirner konnte noch wie selbstverständlich aus dem „Nichts“, d.h. der „schaffenden Gedankenlosigkeit“ (Der Einzige, S. 380), der Körperlichkeit, der „Natur“ schöpfen, während die gegenwärtig heranwachsende Generation buchstäblich ins „Nichts“ fällt, in ein inneres Vakuum. Daher die Sucht nach Unterhaltung und Ablenkung – die innere Leere soll gefüllt werden. Stirner konnte noch davon ausgehen, daß es nur Vorteile hat, wenn sich die Kinder von ihren Eltern loskoppeln und in freien Austausch mit ihren Altersgenossen treten (Der Einzige, S. 342). Heute ist es so, daß der Einfluß der Altersgenossen derartig negativ ist, daß verantwortungsvolle Eltern sich weigern müßten, ihre Kinder auf öffentliche Schulen zu schicken. Daß die Grundlage des Vereins zunehmend verschwindet, insbesondere dadurch, daß Frauen „sich selbst verwirklichen wollen“, ist der ultimative Verrat an der Aufklärung.

Neben den angeborenen Instinkten fehlt ihnen auch das erworbene Wissen, das sich quasi in einen „Trieb“ verwandelt hat. Stirner spricht bei diesem „Trieb“ von „bewußtlosem Wissen“ und „Instinkt des Geistes“ und nennt etwa das Taktgefühl (Parerga, S. 93). Zum Beispiel ist unser Organismus seit wir uns von Insektenfressern zu Halbaffen entwickelt haben, auf „Süßigkeiten“ programmiert: süße Früchte, die praktisch nie im Überfluß vorhanden sind. Heute werden wir damit bombardiert. Da ist Selbstzucht gefragt und es gilt Stirners Diktum:

Ich nehme mit Dank auf, was die Jahrhunderte der Bildung Mir erworben haben; nichts davon will Ich wegwerfen und aufgeben: Ich habe nicht umsonst gelebt. Die Erfahrung, daß Ich Gewalt über meine Natur habe und nicht der Sklave meiner Begierden zu sein brauche, soll Mir nicht verlorengehen; die Erfahrung, daß Ich durch Bildungsmittel die Welt bezwingen kann, ist zu teuer erkauft, als daß Ich sie vergessen könnte. Aber Ich will noch mehr. (Der Einzige, S. 374)

Auch spricht Stirner nicht dem sozialen Chaos das Wort. Selbstverständlich ist es den Menschen unbenommen sich zu wehren und „asoziales“ Verhalten zu bestrafen. „Das ist keine Sündenstrafe, keine Strafe für ein Verbrechen.“ Es geht dabei nicht um die Verletzung irgendwelcher „heiligen Gesetze“, sondern um den freien Entschluß des Einzelnen die Folgen etwaiger Taten tragen zu wollen oder nicht (Der Einzige, S. 263f). Es geht darum, daß sich die Geschädigten an jenen gütlich tun, die ihnen Gewalt angetan haben, nicht darum, daß irgendein „heiliges Recht“ befriedigt wird (Der Einzige, S. 266). Oder mit anderen Worten: die Gruppen von Menschen geben sich Regeln, die das Verbrechen zu einer Dummheit machen – oder die Regeln setzen sich so im Einzelnen fest, daß das Verbrechen zu einer Sünde wird.

Jene Hingebung an das Heilige bewirkt denn auch, daß man, ohne lebendigen, eigenen Anteil, die Übeltäter nur in die Hände der Polizei und Gerichte liefert: ein teilnahmsloses Überantworten an die Obrigkeit, „die ja das Heilige aufs Beste verwalten wird“. Das Volk ist ganz toll darauf, gegen Alles die Polizei zu hetzen, was ihm unsittlich, oft nur unanständig zu sein scheint, und diese Volkswut für das Sittliche beschützt mehr das Polizeiinstitut, als die Regierung es nur irgend schützen könnte. (Der Einzige, S. 267)

Die seit Kindertagen zurechtgestutzten „unterdrückten Massen“ betreiben ein universelles Mobbing gegen den Einzelnen, „den seine Kühnheit, sein Wille, seine Rücksichtslosigkeit und Furchtlosigkeit leitet (…) Das Volk – ihr gutherzigen Leute, denkt Wunder, was Ihr an ihm habt – das Volk steckt durch und durch voll Polizeigesinnung. – Nur wer sein Ich verleugnet, wer ‘Selbstverleugnung’ übt, ist dem Volke angenehm“ (Der Einzige, S. 219f).

Die letzte Generation

28. Dezember 2024

Der durchschnittliche Patient berichtet seinem Psychiatern und Psychotherapeuten vom bodenlosen Schmerz, Kummer und Angst und davon, daß sein Leben zu einer Falle geworden ist. 99 Prozent aller Menschen, würden, wenn sie denn den Schritt zu einer Psychotherapie wagten, schlicht und einfach die Hölle beschreiben, in der sie leben. Was bedeutet „Hölle“? Nach dem ursprünglichen Christentum ist die Hölle kein Ort, sondern ein Zustand: der „geistige“ (energetische) Zustand von Gott permanent getrennt zu sein, weil Seine Liebe einen umbringt. In orgonomischen Begriffen ist diese Vernichtungsangst angesichts der Liebe die „Orgasmusangst“. Nach christlichem Verständnis ist die Liebe Gottes dann unerträglich, wenn man sich in einem Zustand der Sünde befindet. „Sünde“ ist nichts anderes als Panzerung, d.h. die Unterdrückung der orgonotischen Strömung (= „Gott“). Sünde ist das große „NEIN!“ – das „Nein“ zu Gott und seiner Schöpfung. Sie ist der negativistische „Teufel“. Profan: das „Nein!“ angesichts der Herausforderungen des Lebens.

Der Fehler der Christen besteht darin, dies als moralisches Problem zu betrachten, während es in Wirklichkeit „Ökonomie“ ist („Sexualökonomie“). Wie berechnende kleine Krämer haben wir uns für eine Vielzahl von „harmlosen“ und „erträglichen“ kleinen Schmerzen und Frustrationen entschieden, anstatt den einen großen gefährlichen Schmerz zu riskieren und zu ertragen, der darin besteht, der Realität ins Auge zu sehen – und die Falle zu verlassen. Genau das ist das Geheimnis des neurotischen Leidens: die kleinen schuldbeladenen Befriedigungen in der warmen Stube, anstatt hinaus in die weiten eisigen Ebenen, windgepeitschten zu gehen und das Großwild zu erlegen. Das ist letztendlich der Unterschied zwischen den Versagern, die im Morast kleben bleiben, und jenen, die Erfolg im Leben haben.

Gegenwärtig rutschen wir immer weiter in den Höllenschlund ab, indem wir systematisch eine solche Generation von sozialistisch gesinnten Versagern heranziehen, die jeden als „Nazi“ betrachten, der Kontur in ein Leben bringt, das keine Energiepotentiale, keine Spannung mehr, nicht mal mehr den Unterschied der Geschlechter ertragen kann. Eine Generation ohne hervorstechende Persönlichkeiten, sondern nur ein unterschiedsloser Einheitsbrei. Eine Generation, die das Risiko scheut und sich darin erschöpft, das zu negieren und einzuebnen, was vorangegangene Generationen erschaffen haben. Nietzsche:

Wehe! Es kommt die Zeit, wo der Mensch nicht mehr den Pfeil seiner Sehnsucht über den Menschen hinaus wirft, und die Sehne seines Bogens verlernt hat, zu schwirren! (…)

Wehe! Es kommt die Zeit, wo der Mensch keinen Stern mehr gebären wird. Wehe! Es kommt die Zeit des verächtlichsten Menschen, der sich selber nicht mehr verachten kann.

Seht! Ich zeige euch den letzten Menschen.

„Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern?“ – so fragt der letzte Mensch und blinzelt. (…)

„Wir haben das Glück erfunden“ – sagen die letzten Menschen und blinzeln.

Sie haben die Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben: denn man braucht Wärme. Man liebt noch den Nachbar und reibt sich an ihm: denn man braucht Wärme.

Krankwerden und Mißtrauen-haben gilt ihnen sündhaft: man geht achtsam einher. Ein Tor, der noch über Steine oder Menschen stolpert!

Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben.

Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man sorgt, daß die Unterhaltung nicht angreife.

Man wird nicht mehr arm und reich: beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich.

Kein Hirt und eine Herde! Jeder will das Gleiche, jeder ist gleich: wer anders fühlt, geht freiwillig ins Irrenhaus.

„Ehemals war alle Welt irre“ – sagen die Feinsten und blinzeln.

Man ist klug und weiß alles, was geschehn ist: so hat man kein Ende zu spotten. Man zankt sich noch, aber man versöhnt sich bald – sonst verdirbt es den Magen.

Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht: aber man ehrt die Gesundheit.

„Wir haben das Glück erfunden“ – sagen die letzten Menschen und blinzeln. –

Video an den Kleinen Mann

9. Juni 2024

Das Video Punkt für Punkt:

1. Nicht wie ein kleiner Mann der abgehobenen zentralen „Autorität“ folgen (Kontaktlosigkeit, Faschismus), sondern die Gesellschaft als ein Netz von lokalen Autoritäten organisieren (Kontakt, Arbeitsdemokratie).

2. Eine echte Gesellschaft mit innerem Zusammenhalt bilden (Solidarität) und nicht eine mechanische Ansammlung von verängstigten, paranoiden Kleinen Männern, die jederzeit bereit sind, ihrem „diversen“ Nachbarn aus schierer Panik die Kehle durchzuschneiden. Gemeinschaft (Selbstregulierung, Identität) statt Atomisierung (Fremdbestimmung, Entfremdung).

3. Wirkliche Reue, d.h. den riesigen Balken im eigenen Auge zu sehen und den winzigen Splitter im Auge des Nachbarn zu ignorieren, ist die Überwindung des Kleiner Mann-Seins.

4. Der Kleine Mann ist ein eingebildeter Fatzke, weil er seine eigenen Sünden nicht sehen will, d.h. er distanziert sich nicht von seiner sekundären Schicht.

5. Der Kleine Mann bleibt in seinen Unzulänglichkeiten gefangen und ist nicht lernwillig, d.h. er will klein bleiben, anstatt zu lernen und immer besser zu werden, um seine eigenen Unzulänglichkeiten zu überwinden.

6. Wenn man sich auf die Unzulänglichkeiten anderer konzentriert, um sich ihnen überlegen zu fühlen, zementiert man seinen Status als Kleiner Mann, weil man seine eigenen Unzulänglichkeiten ignoriert und sogar kultiviert.

7. Wir können niemanden ändern, außer uns selbst. Der Kleine Mann hingegen versucht, andere zu ändern, während er selbst derselbe bleibt.

8. Der Kleine Mann kann nicht wirklich beten, d.h. mit der kosmischen Quelle des Lebens und der Liebe in Resonanz treten und mit ihr in Einklang kommen – denn er ist wirklich gepanzert, d.h. gefangen in seinem eigenen, selbst geschaffenen Gefängnis, seiner eigenen HÖLLE, getrennt von Gott in alle Ewigkeit.

9. Der Kleine Mann kann sich nicht für seine Mitmenschen öffnen. Er ist frei von jeglicher Großzügigkeit, d.h. er ist ein selbstgeschaffener Dämon in seiner eigenen Hölle; ein Vampir, der die Energie anderer Menschen aussaugt. Anstatt eine Quelle des Lebens zu sein, ist er der leibhaftige Sensenmann.

10. Der Kleine Mann ist ein Kleiner Mann, weil es ihm an jeglicher Bescheidenheit fehlt und er in der Illusion von Größe und Überlegenheit gefangen ist. Er weiß schlichtweg nicht einmal, daß er ein Kleiner Mann ist.

11. Der Kleine Mann will „Freiheit“ ohne Verantwortung und steuert damit auf seine eigene Versklavung zu.

Paulus und Hegel gegen LSR

16. Oktober 2023

1.

In seinem ersten Brief an die Korinther (1 Kor 6,15-20) hat Apostel Paulus das exakte Gegenteil dessen formuliert, wofür die Namen Reich, LaMettrie und Stirner stehen:

„15. Wißt ihr nicht, daß eure Leiber Glieder Christi sind?“

Dein Leib ist gar nicht dein Leib, sondern er gehört der Gemeinschaft (die in Gestalt des Über-Ichs in dir wohnt), ist ein Organ ihrer Moral!

„15. Soll ich denn die Glieder Christi nehmen und zu Gliedern einer Hure machen? Auf keinen Fall!“

Nach biblischer Lehre macht der Geschlechtsverkehr aus zwei Personen auf mystische Weise eine Person. („16. Oder wißt ihr nicht, daß, wer der Hure anhängt, ein Leib [mit ihr] ist? ‚Denn es werden‘, heißt es, ‚die zwei ein Fleisch sein.‘ 17. Wer aber dem Herrn anhängt, ist ein Geist [mit ihm].“) Auf diese Weise trage ich die Unmoral (Hurerei) in meine Gemeinschaft, wenn ich mich mit „Huren“ einlasse. Ich entfremde mich der Gemeinschaft.

„18. Flieht die Unzucht! Jede Sünde, die ein Mensch begehen mag, ist außerhalb des Leibes; wer aber Unzucht treibt, sündigt gegen den eigenen Leib.“

Das markiert die Sonderstellung der sexuellen Sünde, die deshalb schlimmer ist als selbst Mord! Das erklärt den gesamten Katholizismus und seine Lebensfeindlichkeit.

„19. Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes in euch ist, den ihr von Gott habt, und daß ihr nicht euch selbst gehört?“

Selbst dein Leib ist nicht dein Eigentum! Was für ein sadomasochistischer Alptraum, der durch den anschließenden Vers noch verschärft wird:

„20. Denn ihr seid um einen Preis erkauft worden. Verherrlicht nun Gott mit eurem Leib!“

Der Preis war der Foltertod Christi. Wir sollen uns schuldig fühlen und gegen unsere „teuflischen“ Triebe ankämpfen, um uns dieses Opfers als würdig zu erweisen.

2.

Hegel wollte zeigen, daß die objektive Welt nur die Entäußerung des Geistes (des Geistes „an sich“) ist und es gilt diese Entäußerung/Entfremdung zu überwinden, indem der Staat, sozusagen als wahrer „Corpus Christi“, alle individuelle subjektive Willkür beseitigt und die „objektive“ Vernunft herrscht. Das entspricht dem Traum von Klaus Schwab bzw. des WEF: Die KI wird alles regulieren, du wirst nichts besitzen und glücklich sein. Marx hat genau diese Weltanschauung vertreten (mit der Akzentverschiebung, daß sich der Mensch durch seine materielle Arbeit selbst erschaffen hat), während Stirner der diametrale Gegenentwurf ist.

West gegen Ost, Liberale gegen Konservative: Die Theologie des Ukraine-Krieges

9. September 2023

Das Grundcharakteristikum gepanzerten Denkens ist das Zerstückeln der funktionellen Einheit in unversöhnliche Gegensätze, die dann notdürftig in willkürlichen zusammengezimmerten Konstrukten wieder zusammengeführt werden. Nehmen wir die Bibel; das Buch, das die Geschichte der Menschheit beschreibt.

Am Anfang stehen zwei Bäume. Der eine Baum schenkt das ewige Leben, d.h. man ist eins mit allem. Der zweite ist der „Baum der Erkenntnis“, d.h. diese Eintracht wird analytisch auseinandergenommen, das angeblich Gute vom angeblich Schlechten geschieden – die Einheit zerfällt und mit der Zwietracht zieht der Tod in die Welt ein.

Der kleine Finger meiner rechten Hand lebt verhältnismäßig „ewig“. Schlag ich ihn aber mit einem Hackebeil ab, löse ich ihn aus der Einheit des Körpers, wird er schnell verrotten. Entsprechend hatten sich Adam und Eva von Gott gelöst, als sie sich seinem Gebot widersetzten und vom Erkenntnisbaum aßen. Die Frucht ihrer Sünde war der Tod.

Gott kehrte in Gestalt Christi zu seinen Geschöpfen zurück, um die Nachkommen von Adam und Eva zu erlösen. Was und wie das geschah, läßt sich auf zweierlei Art und Weise beschreiben und erklären, d.h. gemäß dem Schisma des Christentums in West- und Ostkirche; einer Zwietracht, in der sich die Urtragödie der Menschheit wiederholt.

In der Westkirche mußte die Menschheit das Paradies verlassen, weil es sich Gottes „Einheitsgebot“ (d.h. nicht von der entzweienden Frucht zu essen) widersetzte. Diese Ursünde, die Urrebellion, war erblich und konnte nur aufgehoben werden, indem das unschuldig geborene himmlische „Christkind“ auf die Erde kommt und am Kreuz stellvertretend die Sühne für all die schuldbeladen geborenen Erdenkinder übernimmt und durch seinen Martertod ungeschehen macht. Du bist erlöst, wenn du dich zu Christus bekennst und auf diese Weise mit ihm eins wirst und dergestalt an der Sündenvergebung teilhast.

In der Ostkirche hingegen erbten die Kinder von Adam und Eva nicht etwa deren Sünde, litten also nicht an der „Erbsünde“, sondern sie erbten so etwas wie einen „Gendefekt“: daß man sterben muß, den Tod. Der Herrscher des Garten Edens erschien schließlich erneut auf Erden, um an den „Baum des Lebens“ geschlagen zu werden. Wer in der Eucharistie von der Frucht dieses Baumes ißt (dem Fleisch und Blut Christi), wird vom besagt Defekt geheilt und dergestalt vom Tod befreit.

Im Osten ist also von Schuld und Sühne gar keine Rede, was dabei aber verlorengeht. ist das „Christkind“. Es ist schlichtweg undenkbar, daß in der orthodoxen Ikonographie Christus als schwaches, ahnungsloses, hilfsbedürftiges Menschenbaby dargestellt wird, so wie es der Westen tut, um Christi alles entscheidende Unschuld möglichst sinnfällig zu unterstreichen. Allein schon damit entfällt in der orthodoxen Welt die Möglichkeit ein Buch wie Reichs Christusmord zu formulieren!

Andererseits zeichnet die römisch-katholische und protestantische Interpretation der Bibel ein derartig kleinkariertes, legalistisches und rachsüchtiges Gottesbild, daß in ihr Atheismus und Nihilismus von vornherein angelegt sind.

Nur so wurde überhaupt die Aufklärung möglich, aber unter welchem Preis! Der Preis war die Fixierung des westlichen Geistes auf die Frage der Schuld und auf das Schuldgefühl. Wirklich alles dreht sich um das Schuldgefühl, d.h. die in der Muskulatur blockierte Aggression (die besagte Rebellion gegen Gottvater)!

Für den konservativen westlichen Christen wurde das immerhin durch den immer wieder beschworenen Opfertod Christi gemildert. Das Schuldgefühl wurde weitgehend erledigt und der Konservative konnte sich deshalb mit anderem beschäftigen und einigermaßen rational handeln.

Beim vermeintlich „aufgeklärten“ nur oberflächlich vom Christentum emanzipierten Liberalen hingegen löste sich wegen seiner strukturellen Unfähigkeit zum „Glauben“ (Vertrauen aufgrund von Kernkontakt) dieser Knoten keinesfalls und bestimmte ungebrochen sein Leben. Das erklärt die dauernden Versuche des Liberalen mit immer neuen gutmenschlichen Aktionen, Sozialprogrammen, Masseneinwanderung, Unterwerfungsgesten und immer neuen Schuldbekenntnissen, irgendwie mit der nagenden Schuld umzugehen. Imgrunde beschäftigt ihn nichts anderes! Es ist ein Irrsinn jenseits jeder Psychose!

Das erklärt auch den instinktiven Haß des Liberalen auf das „durch und durch gewissenlose“ orthodoxe Rußland, der anfänglich sogar den Marxismus beseelte und seit 1989 erneut beseelt. Entsprechend ist auch die fanatische Kriegsbegeisterung AUSGERECHNET des Liberalen angesichts des Ukrainekriegs erklärlich. Umgekehrt steht der Osten dem Emanzipatorischem, dem Individuum und der individuellen Verantwortung beim Westmenschen unverständig gegenüber.

In gewisser Weise sehen wir, West und Ost, im jeweils anderen förmlich den leibhaftigen Teufel. Das ist so, weil der gepanzerte Mensch weder das Proto-Evangelium (die Geschichte vom Garten Eden) noch das Evangelium (die Geschichte vom Christusmord) verstehen kann. Er sieht nur immer Bruchstücke, die er jeweils zu einseitigen bizarren Kollagen zusammenfügt. Die wahre Geschichte des Christentums wurde erst 1953 erzählt.

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 68)

6. Juni 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Eine moralische Sichtweise hat in der Orgonbiophysik nichts zu suchen. Es ist nicht die Frage, ob etwas „gut“ oder „böse“ ist, sondern ob es gesund oder ungesund ist, d.h. das Lebendige fördert oder unterdrückt. Von daher macht beispielweise der Satz, daß „der Mensch von Natur aus gut ist“ keinen Sinn. Mit Stirner könnte man nämlich eher sagen, daß der Mensch von Natur aus ein Verbrecher ist! Der Satz „Der Mensch ist von Natur aus gut“ bedeutet doch letztendlich, der Mensch ist gesellschaftskompatibel, d.h. moralisch. Deshalb sei Freiheit möglich, Zusammenarbeit, Glück, Prosperität ohne Zwang etc. Aber darum geht es halt nicht! Es geht nicht um „Freiheit“, sondern mit Stirner um EIGENHEIT. Jeder Mensch vertritt von Natur aus seine eigenen Interessen und ist deshalb „verbrecherisch“ bzw. „böse“ gegenüber der Gesellschaft.

Stirners Gedanke war es, daß trotzdem eine Gesellschaft möglich ist, weil diese „Eigenheiten“ miteinander kompatibel sind. Ein Gedanke, der sich entstellt und andeutungsweise auch bei Nietzsche ausmachen läßt mit dem: die Welt ist Wille zur Macht und nichts außerdem. Nur daß bei diesem die unendlich vielen Machtzentren (die unendlich vielen „Willen zur Macht“) in alle Ewigkeit ein sadomasochistisches Hin und Her ausfechten. Diese Vorstellung entspricht einer Welt, in der die Individuen durch das Über-Ich in eine unendlich sich variierende Vielfalt zersplittert – ist. Die bunte Vielfalt der Neurosen, die früher die Psychoanalytiker so faszinierte und die heute als „Diversität“ gefeiert wird. Aber ohne Über-Ich gäbe es DIESE Vielfalt gar nicht!

Also: wenn jemand sagt: „Der Mensch ist von Natur aus gut“, dann heißt das, daß er tolerant ist und die Vielfalt der Neurosen toleriert. Tatsächlich ist aber das exakte Gegenteil gemeint: der Stirnersche Mensch rebelliert „böse“ gegen diese Vielfalt. LaMettries auf „tugendhafte“ Weise wollüstige Mensch, Stirners „Einziger“ (!) und Reichs genitaler Charakter – ist eine Einfalt; die Einfalt des „Menschentiers“ (Reich), das nicht mehr ist als ein „bohnenförmiger Membransack voller pulsierender Orgonenergie“. Aus der Sicht der bunten Welt ist das das absolut Böse. Heute wird gegen dieses der „Diversität“ entgegenstehende Böse härter angekämpft als jemals zuvor. Sozusagen: „Für diese LSR-Schwurbler ist der Mensch von Natur aus Nazi! Der Mensch ist aber von Natur aus gut, nämlich – divers.“

Reich hat das mal gegenüber seiner Sekretärin und zeitweisen Geliebten Lois Wyvell sehr schön zum Ausdruck gebracht: die meisten Menschen gehen wie ein Bär, ein Fuchs, ein Hase etc., während nur ganz wenige Menschen wie – Menschen gehen. Tendenziell können nur die letzteren „tugendhafte Lust“ (LaMettrie) empfinden, nur sie sind Eigner ihrer selbst, nur sie sind orgastisch potent.

Die Frage, nach der ursprünglichen „Gutheit“ des Menschen wurde nicht zuletzt durch die Erbsündenlehre hoffnungslos verkleistert. Diese wird nur von der von Augustinus beherrschten Westkirche vertreten, während die Ostkirche, der Islam, das Judentum sie ablehnen. Auch dort „ist der Mensch von Natur aus gut“ bzw. in der Orthodoxie erben wir nicht eine „Schuld“ von Adam, sondern den Tod, der uns anfällig für die Sünde macht.

Im Anti-Seneca schreibt LaMettrie: „Den Nerven fehlt eine Triebfeder, um angenehme Modifikationen festzuhalten: stattdessen besitzen sie eine, die die unangenehmen bewahrt“ (S. 151). Das macht uns anfällig für Panzerung. (Man siehe nur mal Reichs entsprechende Ergebnisse in seinen bio-elektrischen Experimenten von 1935!) Der Mensch erbt zwar nicht „von Natur“ irgendeine Schuld (Über-Ich), aber eine unglückliche Anfälligkeit… Deshalb kann man nicht schlichtweg sagen „Der Mensch ist gut.“

Es gibt Menschen mit weniger gut ausgebildeten „Spiegelneuronen“, Problemen mit dem Frontalhirn, etc. Genauso wie es von Natur aus friedlichere und angriffslustigere Schäferhunde aus ein und demselben Wurf gibt. Nichts wird jemals perfekt („gut“) sein. Ähnlich argumentiert auch LaMettrie mit den Kenntnissen eines Mediziners aus dem 18. Jahrhundert. Und seine Antwort war ähnlich „ökonomisch“ (sexualökonomisch, „energieökonomisch“) wie die Reichs: Zähmung durch „tugendhafte Lust“.

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 19. Die Dogmatik der Christusmörder: Das befreite Fließen der kosmischen Lebensenergie

10. Februar 2023

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 19. Das befreite Fließen der kosmischen Lebensenergie

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 19. Die Dogmatik der Christusmörder: Religion, Kirche, Religionsstreit im Nationalsozialismus

9. Februar 2023

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 19. Religion, Kirche, Religionsstreit im Nationalsozialismus

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 16. Paulus der Christusmörder / Das christliche Schreckensszenario

25. Dezember 2022

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DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 16. Paulus der Christusmörder / Das christliche Schreckensszenario

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 16. Paulus der Christusmörder / Die Paulusbriefe (II)

2. Dezember 2022

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 16. Paulus der Christusmörder / Die Paulusbriefe (II)