Es gilt Reichs kommunistisch geprägte Schriften von 1928 bis etwa 1935 der Linken zu entreißen und für die Orgonomie fruchtbar zu machen. Zunächst einmal ist zu konstatieren, daß Reichs Sexualökonomie jener Jahre ohne jeden Abstrich noch immer volle Gültigkeit hat und immer Gültigkeit haben wird:
Die Zwangsregulierung des Geschlechtslebens arbeitet mit Hilfe sexueller Hemmungen, die sie im Individuum von Kindheit auf verankert. Diese Hemmungen erzeugen einen unlösbaren Widerspruch, indem sie einerseits durch die Sexualverdrängung eine sexuelle Stauung bedingen und so die sexuellen Bedürfnisse steigern und sie in „sekundäre“ grausame, pervertierte Triebe umwandeln, die gezügelt werden müssen, andererseits die Struktur der Person im Sinne einer verminderten bis vollends gestörten Befriedigungsfähigkeit verändern. Aus diesem Widerspruch, der eine unausgleichbare Differenz zwischen Bedürfnisspannungen und Befriedigbarkeit erzeugt, ergeben sich als energetische Ausgleichsreaktionen die sexuellen Krankheiten, Neurosen, Perversionen und unsozialen sexuellen Verhaltungsweisen. (Der Einbruch der sexuellen Zwangsmoral, KiWi, S. 161)
Reich ist einen Schritt weitergegangen und hat aus den inneren Widersprüchen der emotionalen („psychischen“) Struktur der Menschen die „hohe Politik“ abgeleitet. Wenn er etwa in Was ist Klassenbewußtsein? im Zusammenhang mit der damaligen Frauenbewegung schreibt:
Frauenrechtlertum, in seiner heutigen Form reaktionär, gegen das klassenmäßige Fühlen gerichtet, ist leicht [im Sinne der Revolution] umkehrbar, weil es auf Veränderung drängt. Auch bei den Frauen muß festgestellt werden, daß direkter Hunger und Sorge um die Ernährung der Kinder nur verhältnismäßig selten revolutionäres Denken vermittelt; weit häufiger Angst vor der Politik überhaupt, Bremsung der politischen Tätigkeit des Mannes und der Kinder, die die Familie miternähren, Stumpfheit oder Prostituierung. Diese Sorgen und Ängste können zu wesentlichen Triebkräften des Klassenbewußtseins werden, wenn sie in richtigen Zusammenhang mit den anderen Kräften und Gegenkräften gebracht würden. (Was ist Klassenbewußtsein?, 1934, S. 23f, Hervorhebungen hinzugefügt)
„Kraft und Gegenkraft“ entsprechen „Trieb und Abwehr“ im Individuum. Hier geht es um das Erkennen und Handhaben der „Kräfte und Gegenkräfte“ im gesellschaftlichen Bereich. Ein konkretes Beispiel sind die „Instruktionsabende“ der Sexpol in Berlin, die dem Kontakt zwischen den Massen und den Funktionären dienten, wo Reich, wie in der Charakteranalyse, immer von den aktuellen konkreten Problemen ausging, nicht von psychoanalytischen und Marxistischen Theorien über die Vergangenheit:
Man setzte kein Thema an und keine Diskussion, sondern stellte einfach an die Funktionäre und einfachen Genossen die Frage, wo sie gegenwärtig die größten Schwierigkeiten hätten. Schon dadurch konnte man nicht fehlgehen in der Beurteilung dessen, was momentan am wichtigsten war. Man beriet gemeinsam die Schwierigkeit, fand hier eine Lösung, die der praktischen Überprüfung überlassen wurde, schob dort eine Entscheidung auf, bis man mehr Material zur Entscheidung vorliegen hatte; das lebendige Leben flutete aus den kameradschaftlichen Besprechungen; man brauchte nicht Theorien aus den Fingern zu saugen, sie ergaben sich von selbst. Die wachsende Beteiligung und die Lebhaftigkeit der Diskussion zeigten, daß die Instruktionsabende ein glücklicher Griff gewesen waren. Man erwarb die Überzeugung, daß das Leben sich nicht betrügen, sondern klar, einfach fassen läßt. Man mußte nur die einfachen Organisationsmitglieder (es waren auch viele Nichtmitglieder anwesend) einfach von der Leber weg reden lassen. Als einzige ernste Schwierigkeit ergab sich immer nur die Verbauung durch falsche, von der bürgerlichen Ideologie vermittelte Anschauungen, die aber im Lichte lebensnaher, unverbogener, undogmatischer Besprechung in Nichts zerflossen. (ebd., S. 46)
Das erinnert frappant an seine Kritik an der damals gängigen psychoanalytischen Therapie.
Zu Reichs Verbindung von psychoanalytischer und Leninistischer Herangehensweise hat Myron Sharaf in Fury on Earth geschrieben:
So wie die Charakteranalyse das Individuum von der inneren Unterdrückung befreien und den Fluß der natürlichen Energien freisetzen konnte, würden – so Reichs Hoffnung – radikale Sozialisten und Kommunisten die Massen von externer Unterdrückung retten und eine natürliche soziale Harmonie freisetzen, eine „klassenlose“ Gesellschaft. Ein wenig anders ausgedrückt, gab es eine Parallele zwischen Reichs Wunsch nach kraftvollen Aktionen von Seiten der politischen Linken und seiner klinischen Suche nach Maßnahmen, die eine schnelle individuelle Veränderung bewirkten. Entsprechend konnte ein genitaler Durchbruch den Patienten befreien, trotz ungelöster psychischer Konflikte und ohne längere Analyse. Die soziale Revolution, die von konsequent auftretenden Führern geleitet wird, könnte zu sozialen Durchbrüchen führen trotz aller Ängste und Widersprüche bei den Bürgern. Reichs Versuch seine klinischen und sozialen Hoffnungen zu integrieren bildete den Kern seiner Bemühungen zwischen 1927 und 1934. (Fury on Earth, S. 126)
Die „klinischen Maßnahmen für schnelle Veränderungen“ entsprechen seinem späteren direkten Angehen der muskulären Panzerung.
In den 1950er Jahren machte Reichs Rechtsanwalt gegenüber Sharaf die Anmerkung, „daß Reich nie wirklich den demokratischen Prozeß verstanden hat; er hatte eine elitäre Vorstellung davon, wie die Dinge sein sollten, wo ‚rationale‘ Menschen wie er selbst bestimmen, was legitim und illegitim sei“ (ebd., S, 436). Die „verkörperte Rationalität“. Wie schon in der Schlußsequenz von Was ist Klassenbewußtsein? :
Das Klassenbewußtsein der revolutionären Führung (der revolutionären Partei) ist nichts anderes als die Summe des Wissens und der Fähigkeiten, für die Masse auszusprechen, was sie selbst nicht auszudrücken vermag; und die revolutionäre Befreiung vom Joche des Kapitals ist die zusammenfassende Tat, die aus dem vollentwickelten Klassenbewußtsein der Masse von selbst erwächst, wenn die revolutionäre Führung auf allen Lebensgebieten die Masse begriffen hat. (S. 65)
Was „Demokratie“ anbetrifft, geht es hier um die Gewinnung der Massen der Bevölkerung. Reich:
Jedem marxistisch Geschulten ist sofort klar, daß bürgerliche Politik immer demagogisch sein muß, denn sie kann den Massen nur Versprechungen machen, aber nichts erfüllen. Im Gegensatze dazu ist die revolutionäre Politik, da sie den Massen alles, was sie verspricht, auch erfüllen kann, im Prinzip undemagogisch. Wo sie demagogisch ist oder wirkt, kann man mit Sicherheit auf Preisgabe der revolutionären Grundsätze schließen. (ebd., S. 37)
Man muß hier unmittelbar an die AfD oder Trump denken, die beide das Kartell des haltlosen Geschwafels („Wir schaffen das!“) durchbrochen haben und die Welt der politischen Hinterzimmer, der politischen Machenschaften, der Lobbyisten der Großindustrie, der „Bertelsmann-Stiftung“, etc. durchbrochen haben. Man lese nur die ständige Hetze der Bild-Zeitung und der öffentlichen Medien gegen die AfD und Trump. Reich:
Ein alter Grundsatz der Revolution ist die Abschaffung der Geheimdiplomatie. Er ist selbstverständlich, denn da die soziale Revolution der Vollzug des Volkswillens gegen die Besitzer der Produktionsmittel unter Führung des Industrieproletariats ist, bleibt nichts mehr zu verheimlichen. Dann gibt es nichts mehr, das die Masse nicht hören dürfte; im Gegenteil sie muß alles wissen und kontrollieren können. (S. 43)
Und weiter:
Die revolutionäre Politik hat vor den Massen nichts zu verbergen, sie will alles enthüllen. Die bürgerliche Politik darf nichts enthüllen, muß alles verbergen. An der Kulissenpolitik, wo immer sie auftreten mag, erkennt man die politische Reaktion. (S. 44)
Das Elend der Politik liegt darin, daß stets ein schuldiger gesucht wird. Beispielsweise sind entweder die Deutschen die Täter oder die Opfer. Etwa hier:
Dazu ist zu sagen, daß alle irgendwo Recht haben, alle Positionen verständlich und nachvollziehbar sind (mit Einschränkungen, etwa die Gesetze der Logik), doch der alles entscheidende Faktor nie genannt wird: daß jeweils Opfer gesucht werden, um sich der eigenen Verantwortung zu entziehen. Immer ist irgendjemand anderes schuld, nur nicht die eigene Irrationalität, die sich eben hier zeigt: indem Polen Deutsche drangsalieren (oder umgekehrt), zeigen sie ihren eigenen Sadismus und ihre eigene Kontaktlosigkeit, die einer lebensfeindlichen Charakterstruktur entspringen. Dies, die lebensfeindliche Charakterstruktur, ist der Feind. Bei aller irrationalen Politik geht es um den Versuch mit ihr umzugehen bzw. sich ihr (der besagte eigenen Verantwortung) zu entziehen und nicht etwa um die vermeintlichen Sachfragen. Egal, ob wir andere Völker oder Religionsgemeinschaften dämonisieren oder idealisieren, etwa Juden oder Mohammedaner, es ist jeweils nur Ausdruck unserer verkorksten Bioenergetik. Man braucht nur mit offenen Augen in die Welt zu schauen! Hier ein schönes Beispiel für solch einen hellsichtigen Menschen (bitte anschauen!):
Ein beliebiges Beispiel: Auf der Gegenseite des Globus gerät ein Kernkraftwerk aufgrund außergewöhnlicher Umstände und außergewöhnlicher Verantwortungslosigkeit außer Kontrolle – und als Reaktion darauf begeht Deutschland ethnisches, soziales und ökonomisches Harakiri. In Baden-Württemberg triumphieren der „Multikulturalismus“ (d.h. die systematische Islamisierung), die endgültige Zerstörung des Bildungssystems und die systematische Unterminierung eines Wirtschaftstandortes, ohne den der Rest der Bundesrepublik ins Mittelmaß absinken würde.
Ähnliches Irrationales wiederholte sich bei der „Flüchtlingskrise“ im letzten Jahr, als auf bundesdeutschen Bahnhöfen eine merkwürdige „Erweckungsatmosphäre“ herrschte und die ganze Welt zu Recht dachte, die zum Irrationalismus neigenden Deutschen würden mal wieder unter wotanischen Blutwallungen leiden. Eine vollkommen irre Massenhysterie beim Empfang von verachtenswerten jungen Männern, die Frauen und Kinder zurückgelassen hatten und zu feige waren, in den Krieg zu ziehen, um für ihre Gemeinschaften zu kämpfen!
Diese weltweit einmalige Reaktion erinnert fatal an den Nationalsozialismus, als ebenfalls Scheinprobleme, die von wirren Intellektuellen vorformuliert worden waren, die Massen in ihren Bann zogen. Es handelte sich damals und handelt sich heute um eine „gescheiterte Biologische Revolution“. Während die liberalen und sozialistischen Parteien an die Vernunft und den Realitätssinn appellierten, zelebrierten die Nationalsozialisten geradezu „politische Gottesdienste“ und sprachen fast ausschließlich das Gefühl an – das Gefühl, daß es einer grundsätzlichen „Umkehr“ bedürfe. Dem wachen Beobachter sollte sofort klar sein, daß das alles nur Show war und man tatsächlich mit der eigenen Panzerung rang.
Heute verkörpern die Grünen den offensichtlichen Wahnwitz. Ich erinnere daran, daß es in Deutschland nur eine Partei mit einem bewaffneten Arm gibt: die Grünen mit ihren „autonomen“ Sturmabteilungen, die im Rahmen der „Bewegung“ (sic!) für Nötigung, Sabotage und Sachbeschädigungen zuständig sind. (Einer aus diesem Mordgesindel wurde sogar Außenminister!) Wahlveranstaltungen mißliebiger Parteien werden gestört, Wahlplakate niedergerissen (ich habe noch nie ein zerstörtes Grünes Wahlplakat gesehen!) und durch gezielten Terror jede politisch unkorrekte Öffentlichkeit ausgeschaltet.
1968 schrieb Ulrike Meinhof in konkret:
Wir wissen – von Freud, Reich, Mitscherlich u.a. –, daß wir Deutschen mehr Schwierigkeiten als andere mit unseren unterdrückten Aggressionen haben, weil wir die, die wir hassen müßten, die unsere Aggressionen unterdrücken und unterdrückt haben – Vorgesetzte, Eltern, die da oben –, nicht hassen dürfen.
Stattdessen hätten wir unseren Haß auf die Juden, Kommunisten und Kriminellen gelenkt (Ulrike Marie Meinhof: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Aufsätze und Polemiken, Berlin 1986, S. 163f).
Ziemlich interessant, wie man sich damals auf Reich berief, um seinen neurotischen Ödipuskomplex gegen „Vorgesetzte, Eltern, die da oben“ zu mobilisieren. Wenn das kein Faschismus ist, dann weiß ich nicht! Ich meine, diese elenden, unsäglichen Kindsköpfe wollten dieses Land in einen Bürgerkrieg stürzen, „den Vietnam-Krieg in die Metropolen tragen“. Der neurotische („ödipale“) Kampf geht heute weiter und richtet sich gegen alles, was in diesem neurotischen Wahnsystem für den Vater steht. Was bei den Hitleristen die „jüdischen Plutokraten“ waren, wird heute von der Atomindustrie, Mercedes und „Stuttgart 21“ verkörpert. Politik hat nichts mehr mit Sachfragen zu tun, sondern degeneriert vollends zur Bewältigung emotionaler Probleme. Es geht nicht mehr um Realität, sondern Chimären.
Die wirkliche Biologische Revolution, d.h. die Bewältigung der neurotischen Struktur selbst, steht aus. Nur sie wird die Lösung bringen, die die Faschisten versprechen.
Die Menschenmassen, die so sehr leiden, biopathisch und sozial, werden gezwungen sein, rational zu denken und wieder Kontakt mit ihrem biologischen Grundwesen zu gewinnen. (Der Krebs, Fischer TB, S. 410)
Eine Zusatzbemerkung: Ich werde von Lesern immer wieder aufgefordert, mich doch endlich hierzu oder dazu zu bekennen. Sie sehen einfach nicht, daß ich das nicht tun kann, solange dies ein orgonomischer Blog sein soll. Es geht um Bioenergetik und nicht um irgendwelche ach so grandiosen politischen Analysen!
Und schließlich noch etwas: In seinem Buch Wilhelm Reichs Beitrag zur Psychoanalyse (Freiburg 2001) behauptet Fritz Erik Hoevels etwas, zu dem einem jede Menge Gegenargumente einfallen, das aber trotzdem „funktionell“ richtig ist: Leute wie Marx, Freud und Reich konnten trotz ihrer gesellschaftsstürzenden Denke überleben, weil zu ihrer Zeit, die Staaten noch wirklich unabhängig waren und etwa England sich niemals hätte von Preußen reinreden lassen, was subversiv tätige Emigranten wie Marx und Engels betraf. Auch war innerhalb der Staaten das Rechtssystem noch intakt, d.h. die Richter haben sich an den Wortlaut der Gesetzestexte gehalten, so daß es nicht wie heute reihenweise bizarre Überraschungen vor Gericht gab (Hoevels, S. 27). Wie gesagt, dem Leser werden jede Menge Gegenbeispiele einfallen, von der damaligen skandalösen „Klassenjustiz“ bis hin zum Völkerrecht, das es damals in diesem Ausmaß noch nicht gab, aber betrachtet man das ganze „funktionell“, nämlich nicht vom „Prinzip“, sondern vom Resultat her, hat Hoevels mit seiner Beobachtung vollkommen recht.
Die besorgniserregende Veränderung von der bürgerlichen Rechtssicherheit zur postdemokratischen Rechtsunsicherheit ist dem Übergang von der autoritären zur anti-autoritären Gesellschaft zu schulden. Dies geht einher mit dem Zusammenbruch der Gewaltenteilung und der Erosion der Staatlichkeit. Die Politik von Angela Merkel, die ganz auf Europa setzt, es zuläßt, daß ein Erdogan in Deutschland mitregiert und bei der „Energiewende“, der Schuldenkrise und der Flüchtlingskrise mit dem Recht nach dem Motto „legal – illegal – scheiß egal“ umgeht, ist das vielleicht beste Beispiel. Die lokale Autonomie bricht zusammen und es herrscht eine alles zersetzende „pubertäre Rebellion“, bei der den Autoritären die lange Nase gezeigt wird. Als Folge gibt es keinerlei Schutz mehr und fundamentale, politisch inkorrekte Gesellschaftskritik wird zu einem Vabanquespiel. Ich kann jederzeit im Knast landen oder gar an ein fremdes Land ausgeliefert werden!