Jerome D[avid] Salinger (geb. 1.1.1919) [undatierte Notiz]

Anläßlich der Massenirrationalität der 1930er Jahre in Deutschland und Italien stellte Reich fest, daß der „Faschismus das Resultat jahrtausenderalter Verunstaltung der Menschen (ist). Er hätte in jedem Lande, in jeder Nation zur Entwicklung kommen können“ (Massenpsychologie des Faschismus, Fischer TB, S. 284). In diesem Sinne war der Nationalsozialismus nur die konsequenteste Ausprägung des Patriarchats, dessen Doktrin im Alten Testament archetypisch niedergelegt ist.
Rassistisches (wenn auch sicherlich nicht im modernen biologistischen Sinne) kann man auch im Alten Testament finden. Unter den Neubegründern (bzw. den eigentlichen Begründern) des Judentums, Esra und Nehemia, herrschte nach dem babylonischen Exil ganz offener Rassismus. So „schalt und verwünschte“ Nehemia jene Juden, die Mischehen geschlossen hatten und „ließ auch einige von ihnen schlagen und ihnen die Haare ausraufen“ (Neh 13,25). Esra meinte, Mischehen würden das Land mit Unreinheit von einem Ende zum anderen erfüllen (Esra 9.10). Fremde Frauen und ihre Kinder sollten verstoßen werden.
Nicht vergessen sei aber auch, daß bis zu David Israel ohne zentralen König war und auch später nie einen wirklichen „orientalischen Tyrannen“ geduldet hat. Für die despotischen Zustände im antiken Orient ist es ohne Beispiel wie etwa Judas König Joschija (638-609), nachdem er sich von der assyrischen Tyrannei befreit hatte, den aufgefundenen Text des Deuteroniums vor dem Volk verlas. Michael Grant zufolge scheint Joschijas Regierungsstil demokratischer als der der anderen Herrscher seiner Zeit gewesen zu sein.
Seine öffentliche Verlesung des heiligen Textes weist darauf hin, daß er offensichtlich davon überzeugt war, daß die Bevölkerung ein Recht habe, über Dokumente von nationaler Bedeutung informiert zu werden, und der Prophet Jeremia [22,15f], der gewiß nicht leicht zufriedenzustellen war, erklärte, der König habe recht gehandelt, indem er sich den Niedrigen und Armen zugewandt habe. (Grant: Das Heilige Land, Bergisch Gladbach 1988, S. 224f)
Wie Ernst E. Vardiman schreibt, gab es in Israel im Gegensatz zu Hellas keine unterdrückte Urbevölkerung und keine Massensklaverei (Vardiman: Die Frau in der Antike, Düsseldorf 1982). Außerdem war die Unterdrückung der Frau weit geringer.
Es läßt sich eine gerade Linie ausmachen, die vom alten Israel, über das Christentum (man denke etwa an die Kreuzzüge) bis zum heutigen Westen ausmachen und seinem Bemühen, die Welt zu „demokratisieren“. Hier zieht sich wie eine Leitlinie das Gefühl hindurch, man sei von Gott ausgewählt „das Licht der Welt zu sein“. Genau hier beginnt das Problem, das Sendungsbewußtsein.
Über das Sendungsbewußtsein Amerikas und des Christentums brauchen wir nichts weiter sagen. Problematisch wird es bei den Juden. Man schaue sich nur die Geschichte de Orgonomie selbst an: Marxismus, Bolschewismus, Psychoanalyse, die Sexpol, Reich in Skandinavien und New York: das waren durch und durch jüdische Veranstaltungen. Wogegen haben sie sich gewendet? Gegen die Produktionsverhältnisse (ökonomische Revolution) und gegen die, wenn man so will, „Reproduktionsverhältnisse“ (sexuelle Revolution). Frankfurter Schule, die westliche Kulturrevolution seit den 1960er Jahren, heute vor allem rassische und sexuelle „Diversity“, was nichts anderes bedeutet als weißer Genozid.
Es gibt zwar keine Rassen aber „BPoCs“ (Black and People of Color)! Es gibt zwar Dutzende Geschlechter, aber merkwürdigerweise kann man sich nur an zwei von ihnen medikamentös und chirurgisch anpassen lassen!
Hier, in diesem widersprüchlichen und bösartigen Mumpitz, scheint die ganze Dialektik auf, die von Anfang an unsere christliche Kultur geprägt hat. Man denke nur daran, wie Jesus gegen die Pharisäer gewettert hat, die weitgehend identisch mit den späteren Talmud-Juden sind. Er hat sie nicht etwa angegriffen, weil sie von Natur aus böse waren, d.h. ihr Grundimpuls in irgendeiner Weise falsch war, schließlich war ja auch er in mancher Beziehung einer von ihnen, sondern er griff sie an, weil sie eben diesen Grundimpuls verraten und verkauft hatten; hochmütig, weltfremd und niederträchtig auftraten. Nichts wurde logisch zuendegedacht – d.h. es wurde nicht funktionell gedacht. Der humanistische Grundimpuls des Judentums wurde zu einer subversiv-suprematistischen Scheußlichkeit.
Genau das war auch Reichs Problem mit den Juden: daß der Grundimpuls der Befreiung der „Arbeitsenergie“ in einen elenden Marx-Talmudismus entartete, der dazu führte, daß Leute wie Erich Fromm und andere Stubengelehrte dem Straßenkämpfer Reich den „Marxismus“ absprachen; der Bolschewismus entartete zu etwas, was der krypto-religiöse Franz Kafka hätte entwerfen können; der Grundimpuls der Psychoanalyse, nämlich die Befreiung der Sexualenergie, wurde zu einem „Befreien Sie mich von Reich!“; die Entartung von Reichs eigener Lehre durch seine Schüler beschreibt er in seiner Rede an den Kleinen Mann. Beschränkte und bösartige Pharisäer!
Meines Wissens gab es nur vier Orgonomen zu Reichs Lebzeiten: die siamesischen Zwillinge, der Psychiater Elsworth F. Baker, ursprünglich Chef der Frauenabteilung eines psychiatrischen Krankenhauses in New Jersey, und dessen Mitarbeiter und enger Freund, der GYNÄKOLOGE Dr. Chester M. Raphael, sowie das Todespaar Wilhelm Reich und Michael Meyer Silvert! Der Rest war nur Füllmasse. In den 1950er Jahren wurden in Reichs Zeitschrift (Orgone Energy Bulletin und CORE) sowie in Bakers Zeitschrift (Medical Orgonomy) James A. Willie, Victor Sobey und die anderen M.D.s jeweils als „medical orgone therapist“ tituliert, der einzige Nichtmediziner, Ola Raknes, als „orgone therapist“ und beispielsweise Walter Hoppe als „medical director of the OIRL, Israel“. Ausschließlich Baker, Raphael und Silvert wurden offiziell jeweils als „medical orgonomist“ geführt.
Von daher ist es auch vollkommen lächerlich, daß Bakers Erklärung in Zweifel gezogen wird, Reich habe ihm gesagt, er solle sich von den Therapeuten trennen und die Orgonomie mit neuen Orgonomen neu aufbauen. Silvert starb kurz nach Reich und war aus anderen Gründen auch sonst vollkommen indiskutabel (u.a. mußte ihm Reich verbieten, weiterhin weibliche Patienten zu behandeln!), Raphael hatte überhaupt keine psychiatrische und psychoanalytische Ausbildung, so daß es zu Baker keine Alternative gab, zumal der sowieso seit 1949 von Reich beauftragt wurde, die Ausbildung zukünftiger psychiatrischer Orgontherapeuten zu übernehmen, da sich Reich ganz auf die Forschung konzentrieren wollte. Baker hat diese Aufgabe bruchlos bis zu seinem Tod 1985 fortgeführt.
Baker, zu Reichs Lebzeiten der unbestrittene Anführer der vor allem in New York und Umgebung konzentrierten Orgontherapeuten, wurden neben seiner angeblichen „Anmaßung“ die Orgonomie nach Reichs Tod weiterzuführen vor allem folgendes vorgeworfen:
Der Vorwurf der „Anmaßung“ ist, wenn man so sagen kann, „ahistorisch“ und die drei Kritikpunkte sind zwar nachvollziehbar, aber zielen ins Leere. Diese vier Aspekte werden von Bakers Konservatismus zusammengehalten – und zwar „Konservatismus“ in wirklich jedem Sinne des Wortes: Tradition, Erhaltung, Vorsicht, Realismus und Strenge:
Die Orgonomie ist in Wirklichkeit eine sehr puritanische Disziplin. Sie läßt natürlich nicht jeden, der nicht mit ihr einverstanden sind, als Hexe hängen. Sie stützt sich auf Naturgesetze und läßt, wie die Natur, diejenigen, die den Naturgesetzen nicht folgen, durch das bestrafen, was sie im Leben versäumen. Es gibt nur eine Ausnahme, und das ist die Verpflichtung, diejenigen aktiv zu bekämpfen, die die Rechte anderer beeinträchtigen. Die Grundprinzipien sind individuelle Rechte und individuelle Verantwortung. (Elsworth F. Baker: Fourth Annual President’s Address, July 6, 1972, Journal of Orgonomy, Elsworth F. Baker Commemorative Issue, February 1986, S. 65-69)
von Dr. med. Dr. phil. Barbara G. Koopman
Obwohl Reichs Fälle extrem und grotesk sind, hilft uns seine Formulierung des Triebhaften, die strukturellen Veränderungen zu verstehen, die sich in unseren jungen Menschen von heute abspielen. Wie oben erwähnt, glaube ich, dass der Trend zur Psychopathie weitgehend auf die urbane Studentenschaft und das Ghetto beschränkt ist. Es ist hauptsächlich die erste Gruppe, die ihre ätiologischen Wurzeln in der fehlgeleiteten sexuellen Revolution hat. Die letztere (Ghetto-)Gruppe ist entwicklungsgeschichtlich an die sozioökonomischen Bedingungen gebunden (wie auch Reichs Triebhaften), plus einige ethnische Faktoren, die einzigartig für ihre zeitgenössische Kultur sind. Die folgende Beschreibung ist größtenteils der Studie von Minuchinc (4) und meinen eigenen Beobachtungen in einer psychiatrischen Klinik im Stadtteil Brownsvilled in Brooklyn, New York, entnommen, an der ich einige Jahre lang tätig war.
Wie wird ein Ghettokind zu einem triebhaften Kind? Ein wesentlicher Faktor ist ein extrem instabiles häusliches Umfeld. Das Kind lebt in einem „Kaleidoskop von sich bewegenden und wechselnden Reizen“. Es darf nicht zweimal im selben Bett schlafen. Die Mahlzeiten sind selten zu einer bestimmten Stunde und können an einem Tag ein Festmahl und am nächsten ein Hungermahl sein. Es gibt mehrere, unberechenbare Bezugspersonen, die ihm ebenfalls ein Fest- oder Hungermahl an Anregungen geben – an einem Tag wird es mit Aufmerksamkeit überschüttet, am folgendem ist es völlig vernachlässigt und unbeaufsichtigt. Ein ständiger Strom von Geliebten der Mutter lässt kaum ein geeignetes Modell zur Identifikation übrig. Die Objektbeständigkeit fehlt folglich fast völlig. In einem solchen wechselnden Bezugsrahmen entwickelt das Kind nie eine Fähigkeit zu sinnvollen Objektbeziehungen. Wir sehen diesen Mangel ständig bei den Triebhaften.
Ein weiteres hervorstechendes Merkmal der Kindererziehung ist die Inkonsistenz der Eltern. Die Elternfiguren fungieren als eine Art „Verkehrspolizei“ und ihre Anweisungen an das Kind richten sich nach ihrer momentanen Stimmung. Sind sie gut gelaunt, lautet das Signal „Los!“, bei schlechter Laune „Stopp!“ – Reaktionen, die in keinen Bezug zum Thema oder zu richtig und falsch stehen. Es bedeutet auch, dass die dirigierende Macht für das Kind immer extern ist; er hat nie eine Chance, seine Triebkontrolle zu verinnerlichen oder zu beherrschen. Die Triebentladung gestaltet sich motorisch und umfassend und geht Hand in Hand mit einer schlechten Aufmerksamkeitsspanne einher. In der Schule können diese Kinder nicht aufmerksam bleiben oder zwei Minuten lang still auf ihrem Stuhl sitzen. Die Ich-Struktur ist zu primitiv, um Introspektion, Selbstkritik oder die Fähigkeit zur Empathie mit anderen Menschen zu ermöglichen. Sie sind sehr narzisstisch und leben hauptsächlich in ihren sekundären Trieben.
Auch das Selbstwertgefühl ist minimal, da ihre Individualität nie gewürdigt wurde. Ein Kind wird mit dem Namen eines anderen Kindes gerufen oder alle Kinder werden von der Mutter mit einem abwertenden Begriff in einen Topf geworfen. Eine Privatsphäre im Schlafzimmer und im Bad ist nicht vorhanden. Kulturelle Muster begünstigen eine strafende Frauenherrschaft, wo die Mutterfigur die Hauptverantwortung für das Überleben der Familie trägt. Der Mann, der von einer strengen Matriarchin, die seiner Frau gleicht, aufgezogen wurde, rächt sich üblicherweise durch böswilliges Verlassen. Die männlichen Kinder erfahren in der Regel eine strenge und kastrierende Erziehung, die wenig dazu beiträgt, sie für die Vaterschaft, die Verantwortung als Erwachsener oder das Selbstwertgefühl als Mann zu qualifizieren. Die Mädchen neigen dazu, der Härte der Mutter nachzueifern und können Hausdrachen für ihre eigenen Partner werden.
c https://de.wikipedia.org/wiki/Salvador_Minuchin
d Eines der ärmsten Stadtbezirke von New York
4. Minuchin, S., et al.: Families of the Slums. New York and London: Basic Books, 1967
[Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Charles Konia.
Journal of Orgonomy, Jahrgang 7 (1973), Nr. 1, S. 40-58.
Übersetzt von Robert Hase]
Dieses Buch ist eine Übersetzung des unveröffentlichten Originalmanuskripts. Obwohl die Autorin diese Übersetzung ausdrücklich lobt (S. 9), ist sie holprig und voller Fehler. Sätze wie: „Es gab kein Bedürfnis nach einer Revolution und auch kein Verlangen danach“ (S. 218). Es gab keinen Bedarf! Fast alle unterschätzen, wie schwer das Übersetzen vom Englischen ins Deutsche ist. Außerdem sollte der Übersetzer sich im Sujet auskennen. Wie kann man etwa von „Kamerad Thomas“ sprechen, statt „Genosse Thomas“! Und dann Reichs Tochter Lore selbst: wie, äh, aaarghhhh muß man sein, um Reichs Theorie damit zu „erklären“, daß nur der Orgasmus Neurosen auflösen könne (S. 30)?! Das macht ebensoviel Sinn, als behauptete man, nur Geschlechtsverkehr könne erektive Impotenz heilen oder nur das Gehen einen Querschnittgelähmten. Oder etwa zu schreiben: „Ich bin mir sicher, daß er seine Patienten dazu brachte, ihre Hemmungen soweit fallen zu lassen, daß sie vor ihm einen Orgasmus hatten“ (S. 155). Sic! Aus dem ganzen spricht einfach nur Böswilligkeit und Verachtung! Und dann sich fragen, warum Reich so „aggressiv“ gewesen sei!
Trotzdem verlohnt es „Mein Leben als Tochter von Annie Reich und Wilhelm Reich“ zu lesen, einfach weil es die Reich-Biographie plastischer macht. Da wäre die graue Kindheit der beiden Reich-Töchter und die Knappheit der Mittel, die es zum Problem machte eine vernünftige Hauskraft/Kindermädchen anzustellen. Die Familie war imgrunde arm, weil Reich nur genausoviel zur Familienkasse beitrug wie Annie, die als Mutter und psychoanalytische Anfängerin nur wenig verdiente. Wo erfährt man sonst, daß Annie sieben Abtreibungen hatte oder daß Lore dem armen Reich aufgedrängt wurde, um die Ehe zu einer Zeit zu retten, als Reich „politisch“ aktiv wurde. Entsprechend betrachtete er Lore stets als Annies Kind. Die ungemütlichen Wohnverhältnisse, da, wie damals bei Psychoanalytikern üblich, zuhause gearbeitet wurde; Reichs aufbrausendes und manchmal verstörendes Temperament; dazu das Kontrastprogramm: der dickliche und kleine Genosse Thomas als „Hausfrau“ (S. 140); bis hin zur Beschreibung von Reichs Beerdigung, bei der die Familie an den Rand gedrängt wurde. Lore hatte große Probleme im trüben November zum abgelegenen Orgonon zu gelangen, nur um auf der Beerdigung zu erfahren, daß gleich drei ihrer Kollegen an der psychiatrischen Klinik, in der sie zu der Zeit tätig war, führende Orgonomen waren und einen Flug nach Orgonon organisiert hatten. Sie hatten sich ihr nie zu erkennen gegeben und ignorierten sie auch auf der Beerdigung demonstrativ (S. 247f).
Die ganze Dynamik von Reichs erster Ehe wird in einer Szene deutlich, die gleichzeitig das definitive Ende der Beziehung zwischen Annie und Wilhelm beschreibt. Reich floh nach dem Reichstagsbrand sofort mit seiner Frau Richtung Österreich und zwar als Bergtouristen getarnt, um Grenzkontrollen zu entgehen. „Meine Mutter berichtete, daß mein Vater voller Angst war. Auf einmal verspürte sie eine enorme Verachtung ihm und seiner Angst gegenüber. In diesem Moment konnte sie sich endlich von der Knechtschaft, in der er sie gefangenhielt, befreien. Deswegen konnte sie umkehren und ihn auf dem Berggipfel alleine lassen. Sie kehrte nach Berlin zurück und organisierte den Umzug der Möbel aus der Wohnung“ (S. 38). Offensichtlich war bei einer Hysterikerin die Übertragung zerbrochen, als sich der angebetete Held selbst „hysterisch“ benahm.
Oder wie inflationär und laienhaft der Begriff „verrückt“ von Psychoanalytikern benutzt wurde, um das Renommee „abtrünniger“ Psychoanalytiker nachhaltig zu zerstören. Nicht nur Reich war Opfer dieser Taktik, sondern auch Rado, Rank, Jung, Adler, Tausk, Ferenczi, Melanie Klein und deren Tochter Melitta Schmiedeberg (S. 67). „Mein Vater war ein naiver und vertrauensvoller Mann“, der die psychotherapeutische Behandlung seiner Tochter Eva zwei Frauen überließ, nämlich Berta Bornstein und Anna Freud, welche Bornstein supervidierte, „die voller Haß ihm gegenüber waren“ (S. 77). Beide lebten „ihre Neurose wie bösartige Geister unter dem Deckmantel der psychoanalytischen Rechtschaffenheit aus“ (S. 80).
Lores Buch bietet einige Ergänzungen zu Der Rote Faden etwa, daß viele fanatische Trotzkisten später Neokonservative wurden. Lore selbst war von den späten 1940er bis zu den frühen 1960er Jahren in einer Trotzkistischen „Partei“ (Sekte!) aktiv. Oder etwa, wenn sie beschreibt, unter welcher Daueranspannung ihr Schwiegervater Genosse Thomas litt: „Eines Tages sah er in unserem Wohnhaus einen Psychoanalytiker in Begleitung eines Agenten der sowjetischen Geheimpolizei, den Thomas kannte. Aus Angst entdeckt zu werden, eilte er zurück in den Aufzug; er war schockiert von diesem Vorfall“ (S. 140). Dieser Vorfall habe, so Lore, auch gezeigt, welchen Zuspruch Stalins KP noch in den USA genoß. So hätten auch Psychoanalytiker Umgang mit der KP gepflegt, trotz all der Greueltaten.
Sie beschreibt die kommunistische Unterwanderung Amerikas sehr gut: Während sie in Europa nur Menschen getroffen hatte, die von der KP desillusioniert waren, traf sie in Amerika viele Erwachsene, die Kommunisten waren. New York sei voller genauso idealistischer wie ignoranter Leute gewesen, die die UdSSR verherrlichten. „Jahrelang, sogar nach dem Krieg, bis Mitte der 1950er Jahre, folgten diese Leute der kommunistischen Parteilinie ohne zu wissen, daß diese von Moskau aus diktiert wurde, marschierten in Maiparaden und hielten sich für ‚die Guten‘.“ Sie hielten sich stets an die jeweilige Linie der Partei, selbst wenn die, wie zu Anfang des Krieges, die Unterstützung Hitlers vorsah. „Heute sind Menschen der Meinung, daß man damals ‚unter jedem Bett einen Kommunisten sah‘ und verleugnen, wie groß die Anhängerschaft, zumindest in New York, war. Natürlich waren diese Menschen keine Spitzel, da sie diese Überzeugungen offen zur Schau stellten. Stattdessen übten sie enormen Druck auf die öffentliche Meinung, die Kunst und die Medien aus“ (S. 145f).
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