Archive for Januar 2023

Die Öffentlichkeit, die Orgonomie und Bernd Laska

11. Januar 2023

Robert hat hier neulich auf Reich-Comics hingewiesen. Ich möchte hier deren Inhaltsangabe zitieren bzw. paraphrasieren, denn sie gibt perfekt den heutigen „aufgeklärten“ Blick auf Reich wider:

Bei den Comics handelt sich um einen biographischen Bericht über den Psychoanalytiker und Sexualforscher Reich, einem Protegé von Freud. Er sorgte in ganz Europa für Skandale, wo er vor allem für seine kontroversen und radikalen Ideen bekannt wurde. Reich behauptete, eine greifbare Sexualenergie entdeckt zu haben, die er „Orgon“ nannte. Das politische Klima des Zweiten Weltkriegs war für einen linken, sexuell progressiven jüdischen Aktivisten mit heterodoxen wissenschaftlichen Theorien nicht gerade fördernd. Reich war gezwungen, 1939 nach Amerika zu gehen. Dort gründete er Orgonon, eine Kommune/Labor in Rangeley, Maine.

Die Entdeckung des Orgons wird (sozusagen) erklärt. Reich behauptet, die Orgonenergie sei ein Allheilmittel und ist entschlossen, dies der Welt zu beweisen. Er ist weit weg von den Wirren des Zweiten Weltkriegs und der kritischen europäischen Presse. Leider ist die Kontroverse nicht so weit weg, wie man glauben könnte. Bald beginnt Reich Anzeichen von Paranoia zu zeigen, aber wie das Sprichwort sagt: „Nur weil ich paranoid bin, heißt das nicht, daß sie nicht hinter mir her sind.“ Er wird von der Regierung der Vereinigten Staaten verfolgt. Sein Verfolgungskomplex begann sich aber schon zu zeigen, als er 1923 Vorträge vor der Wiener Psychoanalytischen Gesellschaft hielt.

Es wird die Geschichte eines Mannes erzählt, der mit unerschütterlicher Überzeugung für seine Überzeugungen lebt, und zeigt die potentielle Gefahr, die in dieser Überzeugung steckt. Rekurriert wird auf die tragischen Ereignissen in der Kindheit des jungen Reich und von einem Tag in seinem Erwachsenenleben erzählt, der den jungen Analytiker politisiert und ihn schließlich zur Kommunistischen Partei führen sollte. Heft 6 befaßt sich mit den Ursprüngen von Reichs Obsessionen. Reichs Kindheit steht im Zusammenhang mit seinen Beziehungen und seiner medizinischen Forschung.

Reichs Labor und seine Ausrüstung werden von den Behörden unter die Lupe genommen, die das, was sie als Perversion betrachten, abstellen wollen. Reichs Paranoia beginnt sowohl seine persönlichen als auch seine beruflichen Beziehungen ernsthaft zu schädigen, was zum Rücktritt von zwei seiner engsten Mitarbeiter führt. Reich macht weiter, indem er zunächst eine Maschine entwickelt, die Orgon-Strahlung aus der Atmosphäre zieht, und dann findet er einen Weg, sie als Waffe einzusetzen.

Reich weigert sich, die von der Regierung gegen seine Arbeit verhängte Verfügung zu befolgen. Mit Hilfe seines kleinen Sohnes experimentiert er in der Wüste von Arizona mit einem seltsamen neuen Gerät, der „Cloudbuster“-Maschine. Er gründet Little Orgonon und versucht, das Wetter zu kontrollieren, und weist einen alten Freund, der Hilfe braucht, kalt ab. Ein Gerichtstermin wird anberaumt und Reich wird klar, daß es keine Möglichkeit gibt, seinem Schicksal zu entkommen. Er versucht, seine Forschung, einen Forscherkollegen und seine eigene geistige Gesundheit zu verteidigen. Nach einigen Beratungen und einem psychiatrischen Gutachten wird ein Urteil gefällt, und er muß seine letzten Tage im Zuchthaus verbringen.

Soweit die Erzählung, die heute mit nur leichten Variationen universell über Reich verbreitet wird. Orgonomen stellen sich ihr entgegen, indem sie darauf hinweisen, Reich sei derartig verfolgt worden, weil die Orgasmustheorie und die Entdeckung des Orgons stimmig sind und entsprechende Abwehrreaktionen hervorrufen. Es wird auf die Klinik verwiesen, das Forschungslabor und Feldexpeditionen mit dem Cloudbuster etc. Offensichtlich prallt das an der Öffentlichkeit ab, wenn es nicht sogar die Meinung über Reich und den an ihn anschließenden „Kult“ verfestigt.

Bernd Laskas Herangehensweise war eine grundsätzliche andere. Das gesamte Narrativ verdecke nur den LSR-Kern der Reichschen Botschaft. All das Gerede von „europaweitem Skandal“ und seiner Zeit als Kommunist, die Diskussion um Wissenschaftlichkeit und Spekulationen zur Psychopathologie diene nur dazu den Grundkonflikt zu verkleistern Es ist alles nur vorgeschoben im Dienste der Verdrängung. Von Anfang an vertrat Reich instinktiv eine Idee, die ihn zum Außenseiter machte, den man in immer neuen Etappen fertigmachen mußte, ohne je das zur Sprache zu bringen, um was es eigentlich ging, denn eine Thematisierung des eigentlichen Knackpunkts hätte die Verdrängung gefährdet. Sein Außenseitertum wurde wohlfeil psychologisiert (Kindheitstrauma), bagatellisiert (Kommunist), in ein vollständig falsches Bild gerückt („jüdischer Aktivist“), auf subtile Weise bestritten (eine „europaweit“ bekannte Figur) und in einen anderen Bereich verschoben (Naturwissenschaft). Verdrängung!

Da dieser Mechanismus universell ist und unsere Gesellschaft rundweg konstituiert, kann man das Verdrängte nicht einfach benennen. Es ist so wie in der Psychoanalyse: einem Neurotiker zu sagen, daß er seine Mutter begehrt und seinen Nebenbuhler, den Vater aus dem Weg schaffen wollte, ist vollkommen sinnlos, rundweg lächerlich, und verpufft wirkungslos bzw. verstärkt die Neurose. Man muß sich schon auf Laskas LSR-Projekt einlassen, um erfassen zu können, worum es geht – was denn nun der LSR-Kern der Reichschen Botschaft ist!

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 19. Die Dogmatik der Christusmörder: Die gefälschten Paulusbriefe und die „katholischen Briefe“ (Teil 1)

10. Januar 2023

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 19. Die Dogmatik der Christusmörder: Die gefälschten Paulusbriefe und die „katholischen Briefe“ (Teil 1)

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 41)

9. Januar 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Ich kann nur zitieren, welche Bedeutung das ganze hat, kann ich nicht sagen:

Je mehr nun aber Einem die Furcht Ruhe läßt, desto mehr beunruhigen ihn die Wünsche, die Begierden und Ansprüche. Goethe’s so beliebtes Lied, „Ich hab‘ mein‘ Sach auf nichts gestellt“, besagt eigentlich, daß erst nachdem der Mensch aus allen möglichen Ansprüchen herausgetrieben und auf das nackte, kahle Dasein zurückgewiesen ist, er derjenigen Geistesruhe teilhaft wird (…) (Arthur Schopenhauer: Aphorismen zur Lebensweisheit, reclam 1953, S. 145)

Stirner und Goethe?! Aber wahrscheinlich habe ich hier mal wieder was „entdeckt“, was eh jeder außer mir wußte.

Auch sonst ist Schopenhauer für LSR interessant, denn z.B. äußert er sich begeistert zu Diderot und Seneca, Nietzsches Reaktion auf Stirner kann man wohl nur vor dem Schopenhauerschen Hintergrund verstehen; Freud (und selbst Reich) wurden von Schopenhauer beeinflußt, etc. Und ich habe auch den leisen Verdacht, daß sogar Stirner von Schopenhauer beeinflußt wurde. Ohnehin gibt es formal (natürlich nicht inhaltlich) viele Parallelen zwischen den beiden.

Goethes Lied von 1806 in seiner Gesamtheit:

Ich hab‘ meine Sach‘ auf nichts…

 
Ich hab' meine Sach' auf nichts gestellt, juchhe!
Drum ist so wohl mir in der Welt, juchhe!
Und wer will meine Kamerade sein,
Der stosse mit an, der stimme mit ein
Bei dieser Neige Wein.
 
Ich stellt' meine Sach' auf Geld und Gut, juchhe!
Darüber verlor ich Freud' und Mut, o weh!
Die Münze rollte hier und dort,
Und hascht' ich sie an einem Ort,
Am andern war sie fort.
 
Auf Weiber stellt' ich nun meine Sach', juchhe!
Daher mir kam viel Ungemach, o weh!
Die Falsche sucht' sich ein ander Teil,
Die Treue macht' mir Langeweil,
Die Beste war nicht feil.
 
Ich stellt' meine Sach' auf Reis' und Fahrt, juchhe!
Und ließ meine Vaterlandesart, o weh!
Und mir behagt' es nirgends recht,
Die Kost war fremd, das Bett war schlecht,
Niemand verstand mich recht.
 
Ich stellt' meine Sach' auf Ruhm und Ehr', juchhe!
Und sieh', gleich hat ein andrer mehr, o weh!
Wie ich mich hatt' hervorgetan,
Da sah'n die Leute scheel mich an,
Hatte keinem Recht getan.
 
Ich setzt' meine Sach' auf Kampf und Krieg, juchhe!
Und uns gelang so mancher Sieg, juchhe!
Wir zogen in Feindes Land hinein,
Dem Freunde sollt's nicht viel besser sein,
Und ich verlor ein Bein.
 
Nun hab' ich meine Sach' auf nichts gestellt, juchhe!
Und mein gehört die ganze Welt, juchhe!
Zu Ende geht nun Sang und Schmaus;
Nur trinkt mir alle Neigen aus,
Die letzte muß heraus!

Man kann dieses, Goethes Lied Schopenhauerisch interpretieren, nämlich das eh alles sinnlos ist und der Wille, der all diese Pein hervorruft, im Geistigen Zuflucht suchen sollte. Ähnlich wie Freuds Vorstellung von der „Sublimierung“. Oder eben Stirnerisch: wenn du nicht deine Interessen vertrittst, andere werden es definitiv nicht tun, also laß dich nicht von dieser Welt einwickeln.

Dazu passen Goethes und Schillers Aussagen über das „Ich“ bei Descartes, Spinoza, Berkeley, Leibniz, Kant und Fichte in den Xenien (Nr. 374-384). Man vergleiche etwa die Xenie „Denk‘ ich, so bin ich. Wohl! Doch wer wird immer auch denken? Oft schon war ich und hab‘ wirklich an gar nichts gedacht“ – mit Stirners entsprechender Aussage in Der Einzige und sein Eigentum, Reclam S. 389, die ich im vorangegangenen Teil dieser Reflektionen erwähnt habe.

Auch erinnert mich folgendes Stirner-Zitat: „(…) es ist ein mächtiger Unterschied, ob Ich Mich zum Ausgangs- oder zum Zielpunkt mache. Als letzteren habe Ich Mich nicht, bin mir mithin noch fremd, bin mein Wesen, mein ‚wahres Wesen‘, und dieses Mir fremde ‚wahre Wesen‘ wird als Spuk von tausenderlei Namen sein Gespött mit mir treiben“ (Max Stirner: Der Einzige und sein Eigentum, reclam, S. 368) – an Goethe, der mal an den Rath Schlosser schrieb: „Wahrhaft hochachten kann man nur, wer sich nicht selbst sucht“ (z.n. Nietzsches Jenseits von Gut und Böse, Aphorismus Nr. 266).

Natürlich ist Stirner kein „Nachläufer“ Goethes (etwas, was mangels Quellen, sowieso nie mit Sicherheit erschlossen werden kann), aber für einen Goethe-Kenner wie Nietzsche muß dieser „Gleichklang“ von Stirner und Goethe wirklich frappierend gewesen sein. Kann es nicht sein, daß sich bei Nietzsche doch Aussagen über Stirner finden lassen: nur daß Stirner von Nietzsche zur Tarnung die Maske Goethes verpaßt bekommen hat?

Demokratie, Kapitalismus, Faschismus

8. Januar 2023

Die Menschen sind freiheitsunfähig, was sich z.B. daran zeigt, daß sie in Demokratien („Volksherrschaften“) stets die wählen, die ihre TODFEINDE sind. In Deutschland geht das bis zur Ausmerzung des Staatsvolkes – mit dem ausdrücklichen Mandat eben dieses Staatsvolkes.

Wirkliche Demokratie bedeutet, die Massen freiheitsfähig zu machen – denn wären sie von vornherein freiheitsfähig gewesen, hätte es schon immer eine Volksherrschaft gegeben. Wie das bewerkstelligen? 1. durch eine freiheitliche Erziehung, 2. durch eine Sexualmoral, die die Genitalität nicht nur „toleriert“, sondern aktiv unterstützt (es geht bei beidem schlichtweg um LEBENSFREUDE!) und 3. durch eine freie Wirtschaft, in der die Menschen wirklich wie unabhängige Erwachsene agieren können.

Jede freie Wirtschaft und Gesellschaft, „der Kapitalismus“, muß zwangsläufig scheitern, weil letztendlich alle käuflich sind. Am Ende läuft immer alles auf ein Machtmonopol hinaus, das alle Freiheiten einschränken wird, um die eigene Macht zu erhalten und weiter auszubauen. Das ist so, weil Geld der „Universalschlüssel“ (Hans Hass) zu wirklich allen Gütern und Dienstleistungen ist. Jeder Mensch steht dem Geld gegenüber wie der ausgehungerte Wolf, der in eine eingepferchte Schafsherde versetzt wird: je mehr Schafe, desto heftiger der keine Grenzen kennende Blutrausch! Geld ist einfach ein alles andere bedeutungslos machender Schlüsselreiz. Aus diesem Grund können nur wirklich freiheitsfähige, d.h. befriedigungsfähige (genußfähige, „lebensfreudige“, orgastisch potente) Menschen eine Demokratie bilden, die dauerhaft funktioniert.

Muß demnach Demokratie in zwangsläufig alle Ewigkeit ein Wort bleiben, das den zwangsläufigen Weg in den Faschismus, den wir gegenwärtig wieder erleben, nur verschleiert und akzeptabel macht, bis alles zu spät ist? Nein! Man lese Wilhelm Reichs Massenpsychologie des Faschismus. Wirkliche Demokratie ist ein Weg und dieser Weg ist das Ziel. Es geht um die Restrukturierung der Charakterstrukturen auf Massenbasis. Das war das Ziel des „Leninisten“ Reich 1933, als er die erste Auflage der Massenpsychologie des Faschismus veröffentlichte, und es war das Ziel Reichs als er 1946 in der neuen Version der Massenpsychologie des Faschismus dieses Programm schärfer und konkreter herausarbeitete („Arbeitsdemokratie“).

ES LEBE DER ANTIFASCHISTISCHE WIDERSTAND im Parlament (AfD), auf der Straße (Montagsdemos) und vor allem im alltäglichen Leben!

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 18. Der Kult der Orgonomie

7. Januar 2023

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 18. Der Kult der Orgonomie

Peter liest die kommentierte Neuauflage der Originalausgabe von Reichs MASSENPSYCHOLOGIE DES FASCHISMUS (Teil 5)

6. Januar 2023

In der Ausgabe der Massenpsychologie des Faschismus von 1933 heißt es:

Wenn revolutionäre Propaganda die kardinale Aufgabe hat, das Proletariat zu „entnebeln“, so kann das nicht einfach dadurch geschehen, daß man an sein notabene unentwickeltes bzw. unreines Klassenbewußtsein appelliert, auch nicht allein dadurch, daß man ihm die objektive ökonomische und politische Lage ständig vor Augen führt, gewiß nicht allein dadurch, daß man den an ihm geübten Betrug ständig entlarvt. Die allererste Aufgabe der revolutionären Propaganda ist die verständnisvollste Rücksichtnahme auf die Widersprüche im Arbeiter, auf die Tatsache, daß nicht etwa ein klares Klassenbewußtsein überdeckt oder vernebelt ist, sondern daß die das Klassenbewußtsein bildenden Elemente der psychischen Struktur teils unentwickelt, teil durchsetzt mit gegenteiligen kleinbürgerlichen Strukturbestandteilen sind. Das Herausdestillieren des Klassenbewußtseins der breiten Massen ist wohl die Grundaufgabe der Propaganda. (Reich 1933, S. 74)

In der Ausgabe von 1945, bzw. in deren deutschen Manuskript, wurde das vorsichtig korrigiert:

Wenn die revolutionäre Propaganda die kardinale Aufgabe hatte, „das Proletariat zu entnebeln“, so konnte das nicht einfach dadurch geschehen, daß man an sein „Klassenbewußtsein“ appellierte, auch nicht allein dadurch, daß man ihm die objektive ökonomische und politische Lage ständig vor Augen führte, gewiß nicht allein dadurch, daß man den an ihm geübten Betrug ständig entlarvte. Die allererste Aufgabe der revolutionären Propaganda wäre die verständnisvollste Rücksichtnahme auf die Widersprüche im Arbeiter gewesen, auf die Tatsache, daß nicht etwa ein klarer revolutionärer Wille überdeckt oder vernebelt war, sondern daß das Revolutionäre in der psychischen Struktur teils unentwickelt, teils mit gegenteiligen reaktionären Strukturelementen durchsetzt war. Das Herausdestillieren der revolutionären Gesinnung der breiten Massen ist wohl die Grundaufgabe bei der Freilegung ihrer gesellschaftlichen Verantwortlichkeit. (Fischer TB, S. 79f)

Das „Kleinbürgertum“ wird durch „das Reaktionäre“ ersetzt, das „Klassenbewußtsein“ durch „revolutionäre Gesinnung“ und dabei an die „gesellschaftliche Verantwortung“ appelliert. Es geht, wie es in der Übersetzung von T.P. Wolfe so schön heißt, um „liberating their social responsibility“. Man sieht hier unmittelbar, wie hinter der Marxistischen Ausdrucksweise von 1933 sich ein sozusagen „charakteranalytischer“ Ansatz verbarg (sozusagen die Freisetzung genitaler Strebungen, die aufgrund der Sexualmoral mit prägenitalen Anteilen versetzt sind, was zu paralysierenden Widersprüchen führt), der gleichzeitig auf die Welt der Arbeitsdemokratie vorverweist, mit der Freisetzung des bioenergetischen Kerns und der funktionellen Harmonie von Freiheit („Revolution“) und gesellschaftlicher Verantwortung.

Reich hat nichts gegen „Wertungen“:

Die bürgerliche akademische Forschung fordert die Trennung von Sein und Sollen, Erkennen und Handeln. Sie dünkt sich daher „unpolitisch“, der Politik disparat. Die Wissenschaft der Logik behauptet sogar, daß sich aus dem Sein niemals das Sollen ableiten lasse. Wir erkennen darin eine Beschränkung, die den Zweck hat, sich ungestört akademischer Forschung hingeben zu können, ohne auch die Konsequenzen, die jeder ernsthaften wissenschaftlichen Einsicht innewohnen, ziehen zu müssen, Konsequenzen, die regelmäßig fortschrittlich, sehr oft umstürzlerisch sind. Für uns geht die Bildung theoretischer Ansichten nicht nur aus den Notwendigkeiten des lebendigen Lebens, aus dem Zwange, praktische Probleme unseres Daseins zu lösen, hervor, führt die theoretische Ansicht nicht nur zu neuem, besserem, angepustetem Handeln und Bewältigen der praktischen Aufgaben; mehr, eine Theorie gewinnt für uns nur dann Wert, wenn sie sich in der Praxis und durch sie bestätigt. Alles andere überlassen wir den Jongleuren des Geistes, den Hütern der bürgerlichen „Werte“ordnung. (Reich 1933, S. 159)

„Wertungen“ werden zwar auch von der „nationalsozialistischen Mystik“ vorgenommen, doch Reich leitet sie „aus den Bedingungen des gesellschaftlichen Prozesses [ab], der als ‚Niedergang‘ einer Kultur in Erscheinung tritt, um die vorwärtsdrängenden und die bremsenden Kräfte zu erkennen, die Erscheinung des Niedergangs als historisches Ereignis zu begreifen und nicht zuletzt die Keime der neuen Kulturformen zu sichten, denen wir dann zur Geburt verhelfen“ (S. 90f). Das entspricht weitgehend der Charakteranalyse, wo es darum geht die prägenitalen Anteile von den genitalen zu scheiden und den letzteren zum Durchbruch zu verhelfen. Daß das nichts mit Marxismus zu tun hat, sieht man etwa an der heutigen Gender- und Transgender-Diskussion, wo Linke praktisch immer geradezu automatisch für die prägenitalen Strebungen plädieren, weil die auf abstrakte Weise „progressiv“, d.h. gegen das Überkommene sind.

Heute, in der antiautoritären Gesellschaft, kann der, wenn man so will, „Reich’sche Massenpsychologe“ nur auf Seiten der AfD stehen. Und das nicht, weil sich die Orgonomie seit 1933 großartig geändert hätte, sondern weil heute die Schweinerei größtenteils links steht.

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 40)

5. Januar 2023

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Der Marxismus ist aus Marx‘ „Widerlegung“ von Stirners Anthropologie hervorgegangen. Siehe Marx‘ Die deutsche Ideologie. Bei Stirner dreht sich alles um die „inneren Hierarchien“, d.h. die Verinnerlichung der gesellschaftlichen Ideologie, also das, was Freud „Über-Ich“ und Reich „Panzerung“ genannt hat. Diese Dichotomie von (Eigen-) Natur und Gesellschaft wurde von Marx ersetzt durch die von materiellem Unterbau und ideellem Überbau, d.h. deine Eigenheit ist (ideelle) Illusion bzw. widersetzt sich dem unaufhaltsamen (materiellen) Fortschritt.

Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre vermischt der Pseudo-Marxist Reich diese beiden Sichtweisen, indem er frägt auf welche Weise die gesellschaftliche Ideologie auf das Individuum einwirkt. Die Marxsche Gesellschaftslehre mußte, so Reich, diese Frage als außerhalb ihres Bereichs liegend offenlassen, die Psychoanalyse hingegen kann sie beantworten: in der Familie bekommt das Kind ein Über-Ich verpaßt. Reich beschrieb die Schere zwischen „progressivem“ Unterbau (Ökonomie) und „regressivem“ Überbau (Ideologie). Beispielsweise ist ein Arbeiter in moderne Zusammenhänge eingebunden, doch sein Bewußtsein ist immer noch von der bäuerlichen Herkunft seiner Familie geprägt.

Gewisserweise kann man vom Gegensatz zwischen Genealogie und Entwicklung sprechen. Die Generationen meiner Vorfahren werden immer weniger, sozusagen „spitzen sich zu“ (16 Ururgroßeltern, 8 Urgroßeltern, 4 Großeltern, 2 Eltern), während ich selbst Ursprung einer sich immer weiter auffächernden Entwicklung sein kann. Das Gewissen bzw. Über-Ich, das ganze kulturelle Gepäck, ist sozusagen „überdeterminiert“, während mir selbst praktisch unendlich viele Optionen offenstehen.

Meines Dafürhaltens drückt das Stirner wie folgt aus:

Kommt es darauf an, sich zu verständigen und mitzuteilen, so kann Ich (…) nur von den menschlichen Mitteln Gebrauch machen, die Mir, weil Ich zugleich Mensch bin, zu Gebote stehen. Und wirklich habe Ich nur als Mensch Gedanken, als Ich bin Ich zugleich gedankenlos. Wer einen Gedanken nicht los werden kann, der ist soweit nur Mensch, ist ein Knecht der Sprache, dieser Menschensatzung, dieses Schatzes von menschlichen Gedanken. Die Sprache oder „das Wort“ tyrannisiert Uns am ärgsten, weil sie ein ganzes Heer von fixen Ideen gegen uns aufführt. Beobachte Dich einmal jetzt eben bei deinem Nachdenken, und Du wirst finden, wie Du nur dadurch weiter kommst, daß Du jeden Augenblick gedanken- und sprachlos wirst. Du bist nicht etwa bloß im Schlafe, sondern selbst im tiefsten Nachdenken gedanken- und sprachlos, ja dann gerade am meisten. Und nur durch diese Gedankenlosigkeit, diese verkannte „Gedankenfreiheit“ oder Freiheit vom Gedanken bist Du dein eigen. Erst von ihr aus gelangst Du dazu, die Sprache als dein Eigentum zu verbrauchen. (Der Einzige und sein Eigentum, reclam, S. 388)

Wenn man sich meine obige Skizze anschaut: im Fokalpunkt bricht sozusagen die („gedanken- und sprachlose“) Biologie ein und die Karten werden neu gemischt. Das ist der ganze Sinn der Reichschen „sexualökonomischen Lebensforschung“.

Man kann die obige Abbildung aber auch anders interpretieren, mehr „Marxistisch“: Affektiv („plebejisch“) sagt das Menschentier „ich“, doch dieses „Ich“ wird von einem Chor gesungen: den unendlich vielen Zellen, Organen, Antrieben, physiologischen Vorgängen, etc. „Ich habe mein Sache auf Nichts gestellt“, verweist im Sinne des jüdischen Altertums auf das absolute „Chaos“ unzähliger Strebungen („Tohuwabohu“). Tatsächlich fließen im retikulären Aktvierungssystem Myriaden Impulse zusammen, um so unser Bewußtsein zu bilden, ungefähr so wie in der Abbildung dargestellt.

Interessanterweise kann man die Geschichte der Arbeitsdemokratie ähnlich betrachten: Warum spreche ich Sie im Plural an („sie“)? Soweit ich mich an germanistische Aussagen erinnere, wurde das erst am Ausgang des 18. Jahrhunderts wirklich Usus. Vorher wurde weitgehend „geduzt“. Nur die Untertanen sprachen den Herrscher im Plural mit „Sie“ an, weil der ja nie „ich“, sondern immer nur „Wir“ sagte (Pluralis majestates). Das „Sie“ ist dann im bürgerlichen Zeitalter langsam zu einer allgemeinen Höflichkeitsform geworden. (Im Englischen ist das entgegen dem ersten Anschein nicht anders, denn „you“ steht ursprünglich für das Plural „ihr“!)

In der einfachen Ökonomie des Mittelalters waren die Menschen noch „Individuen“, während mit der wachsenden Arbeitsteilung der Einzelne immer mehr in ein Netz von Beziehungen eingebunden war. Schaute er „zurück“, was andere alles zuarbeiten mußten, damit er ein Produkt produzieren konnte, war es, als blicke er auf eine „Genealogie“ zurück. Entsprechend wurde auch aus einfachen Menschen ein „wir“, das mit „Sie“ angeredet werden muß. Wir tendieren dazu „Penner“ und Pensionäre zu duzen, während Leute, die voll im Arbeitsleben stehen, die ganze Gesellschaft vertreten: wir, ihr, „Sie“.

Brief [über die allerersten Anfänge des LSR-Projekts] (1977)

4. Januar 2023

Brief [über die allerersten Anfänge des LSR-Projekts] (1977)

David Holbrook, M.D.: Zittern vor Liebe

3. Januar 2023

DAVID HOLBROOK, M.D.:

Zittern vor Liebe

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 17. Der Kult des Christentums

2. Januar 2023

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 16. Der Kult des Christentums