Notiz zu einer Email über Trygve Hoff, 2001

Wie vor fast 100 Jahren Wilhelm Reichs Kritik an der damaligen psychoanalytischen Kultur- und Todestriebtheorie zeigte, wird die menschliche Tätigkeit in allen ihren Formen von sexueller Energie gespeist. Zentral ist hier die Entdeckung der Rolle des Orgasmus und seines ungestörten Verlaufs für den Triebhaushalt. Dessen Störungen werden von der Sexualökonomie untersucht, der Lehre von den individuellen und gesellschaftlichen Gesetzen des menschlichen Lebensenergie-Metabolismus. Die pathologische Sexualstruktur des Menschen steht einer gesunden, selbstregulierten individuellen und gesellschaftlichen Sexualökonomie, d.h. der Genitalität und der Arbeitsdemokratie entgegen, was einen grundlegenden Umbau nicht nur der individuellen, sondern vor allem auch der gesellschaftlichen Ordnung notwendig macht. Reichs Massenpsychologie zeigt, daß sich das herrschende sexual- und generell lebensfeindliche Gesellschaftssystem reproduziert, indem durch die Erziehung in der Familie bestimmte psychische Strukturen geschaffen werden, so daß die dergestalt zur Selbstregulation unfähig gemachten Menschen im Laufe ihres Lebens das Sozialleben auf eine Weise gestalten, die nicht den objektiven Erfordernissen der Entfaltung des Lebens gemäß sind, sondern zu ihrer rigiden, bzw. heute chaotischen neurotischen Charakterstruktur passen. Dieser „subjektive Faktor“ erweist sich als widerstandsfähiger als die objektiven Notwendigkeiten des Lebens. In diesem Zusammenhang sprach Reich anfangs von „Politischer Psychologie“, womit er ausdrücken wollte, daß sich die individuelle und gesellschaftliche Sexualökonomie nicht nur im engeren Sinne in den Forderungen der Sexualpolitik niederschlägt, sondern die bioenergetischen Notwendigkeiten den Kern der gesamten fortschrittlichen Politik ausmachen. Später gab er angesichts der unüberwindlichen, wie gesagt „widerstandsfähigen“ Irrationalität der Massen diesen politischen Ansatz auf, um sich auf die eine Stellschraube zu konzentrieren, die eine ungestörte Sexualökonomie möglich macht: die Erziehung in der Familie. An die Stelle der Politischen Psychologie tritt nun die Bekämpfung der Emotionellen Pest, d.h. die Bekämpfung des vernunftwidrigen Ressentiments gegen das Lebendige, das das Projekt „Kinder der Zukunft“ unmöglich zu machen droht. Die heutige soziale Orgonomie wird von Reichs Nachfolger Charles Konia in dessen Blog vertreten.
Paul Stanley („Starchild“) von Kiss und Doyle Wolfgang von Frankenstein, einst Misfits heute Doyle, vertreten zwei Theorien zwischen denen sich die Zukunft der Orgonomie aufspannt. Kaum ein Interview, in dem Starchild nicht von den Fans schwärmt, die das alles erst möglich gemacht haben und denen er ein wunderbares Leben verdankt. Kiss sei ein Produkt der Fans. Auf der anderen Seite verflucht Doyle Wolfgang von Frankenstein praktisch in jedem Interview seine Fans und behauptet, er habe die Fans gemacht, nicht umgekehrt die Fans ihn. Ist ja auch logisch: ohne Doyle Wolfgang von Frankenstein keine Doyle-Fans! Und wofür soll er sich auch schon groß bedanken, denn, während Starchild ein Vermögen von 150 000 000 Dollar sein eigen nennt und ein entsprechendes Leben führt, muß Doyle Wolfgang von Frankenstein mit Mitte 50 noch immer in einem Campingwagen von einem Gig zum anderen die Provinz abklappern, um am Ende kaum mehr zu haben als jeder Fabrikarbeiter. An jeder Tankstelle wird er von irgendwelchen „Fans“ angequatscht, die zutiefst empört sind, wenn er sagt, sie sollen sich gefälligst verpissen. Imgrunde verbindet Starchild und Doyle Wolfgang von Frankenstein nur eins: beide sind nach eigener Aussage sehr schüchterne Menschen und leiden unter pathologischer Sozialphobie. Ihre Bühnenpersönlichkeit hat ihnen buchstäblich das Leben gerettet:
Und was haben Starchild und Doyle Wolfgang von Frankenstein nun mit der Orgonomie zu tun? Die Frage ist, wie es die Orgonomie schafft, nicht sang- und klanglos unterzugehen. Sollen die Vertreter der Orgonomie sich den Menschen andienen, nach immer neuen Angeboten Ausschau halten, mit denen man das Interesse der Öffentlichkeit weckt? Oder sollen sie, wie es etwa Jerome Eden getan hat, stur ihr Ding durchziehen und schlichtweg warten, bis die Menschen kommen?
Beide Herangehensweisen sind m.E. sozial inkompetent, denn sowohl das Anbiedern, als auch der quasi autistische Rückzug entstammen ein und derselben Angst vor Expansion, d.h. sind Ausdruck von „Sozialangst“. Die Orgonomie wird erst wieder gedeihen, wenn sich dieser Krampf löst. Die sozialphobische Verkrampfung beruht auf der tiefsitzenden Angst sich zu exponieren, wenn man über Genitalität, die Lebensenergie und die Selbststeuerung spricht. Nichts ist tiefer in uns eingebrannt als die Sexualangst, die Angst uns „Gott“ wirklich zu nähern und die Angst davor, das Gesellschaftssystem grundlegend in Frage zu stellen. Das macht die Orgonomen wenn man so will „sozialphobischer“ als alle anderen Menschen.
Es ist wie die Sache mit den Frauen: wenn man frei und „unverfroren“ auftritt, fliegen einem die Herzen im Übermaß zu.
Man kann das, was in der Praxis der Orgontherapeuten geschieht auf die Gesellschaft übertragen. Zwar hat diese kein Über-Ich, kein Unbewußtes und keine „Komplexe“, doch jenseits von diesen psychologischen Vorstellungen: alle Systeme folgen den, wenn auch auf ihre jeweils spezifische Art und Weise, identischen energetischen Gesetzmäßigkeiten, etwa was die Abwehr („Reaktion“) von bioenergetischen bzw. „bio-sozialen“ Impulsen („Revolution“) betrifft. Aufkleber wie folgender sagen alles, doch nur die Orgonomie versteht wirklich, was sie eigentlich im Grunde aussagen:
Dem werden natürlich Aufkleber wie der folgende entgegengehalten:
Was soll man DAGEGEN einwenden können! Klingt gut, aber „Selbstorganisation statt Lohnarbeit“ kann nur jemand fordern, der wohlbehütet aufgewachsen, danach ohne jedwede Lebenserfahrung an die Uni gegangen ist und die Welt nur durch die rosarote Brille betrachtet. Jemand, der in der Jauchegrube dieser Gesellschaft aufgewachsen ist, die Unterschicht und ihre Kinder auf viszeraler Ebene kennt, weiß, daß ein Gutteil nicht arm ist, weil „der Kapitalismus“ so unerbittlich ist, sondern sie sind arm, weil sie schlichtweg einen „Dachschaden“ haben. Sie leben nicht in der Hölle, die Hölle ist vielmehr in ihnen. (Wann und wie in der Generationenfolge diese Hölle in sie gelangt ist, d.h. wie sich die äußere Hölle im Inneren verankert hat, ist eine ganz andere Frage!) „Befreit“ man sie von der Lohnarbeit, wie es „Hartz IV“ in gewisser Hinsicht getan hat, dann verlieren sie auch noch den letzten Halt. Der Zwang fünf Tage die Woche ganztägig zu malochen, ist ein absoluter Segen für sie – und nicht zuletzt für die Gesellschaft. Was passiert, wenn man diese Massen „befreit“, hat nicht zuletzt die Sowjetunion gezeigt. Schließlich mußten die Leiter der „volkseigenen Betriebe“ zu weitaus härteren Maßnahmen greifen, gar mit Konzentrationslagern und physischer Vernichtung drohen, um sinnlosen Vandalismus, ständige Arbeitsverweigerung und den „Diebstahl an Volkseigentum“ einzudämmen und die Gesellschaft in Gang zu halten. Wegen der gepanzerten Menschen muß jedweder Sozialismus, egal wie human sein Antlitz ist, letztendlich in der Hölle auf Erden münden.
Wenn man den sozialistischen und anarchistischen Wichsern sagt, daß der Kapitalismus mit seiner Mischung aus Zwang und Freiheit wahrscheinlich das ideale Gesellschaftssystem bzw. das Gesellschaftssystem ist, das einen Grad an Gesundheit verkörpert, den der gepanzerte Mensch gerade so noch eben ertragen kann, ticken sie auf die eine oder andere Weise aus. Sozialisten und Anarchisten sind schlichtweg Irre, die in die Psychiatrie gehören. Das sozialistische Patientenkollektiv: