Archive for April 2024

Peter liest die Laska/Schmitz-Korrespondenz (Teil 20)

30. April 2024

Laska und Schmitz diskutieren etwas hilflos über den Begriff „rational“ (S. 434f). Dazu möchte ich Folgendes, hoffentlich Erhellendes sagen, wobei auch erwähnt sei, daß Laska vor Jahren mir gegenüber die unten zitierte Stelle bei Reich als läppisch abgetan hat.

Bei Reich bedeutet „rational“ so viel wie „wirklichkeitsgerecht“. Wobei die Wirklichkeit natürlich selbst irrational sein kann. Diese „Wirklichkeit“ ist dann eben sozusagen „irrational“. Das wird unmittelbar evident, wenn ich buchstäblich „ins Freie trete“, d.h. mich dem Deutschen Wald aussetze, den wirklich praktisch Arbeitenden („Arbeitsdemokratie“), den unverbildeten Kindern und Jugendlichen – also genau das tue, was Reich tat. Pflanzen und Tiere, der Wald als Ganzes, sind immer rational. Genauso ist das „Menschentier“ immer rational. Irrational ist einzig und allein die Panzerung.

Woher dann der Einbruch der Panzerung, d.h. des Irrationalen. Wenn „die natürliche Welt“ an sich rational ist, wie kann es dann das unnatürliche Irrationale überhaupt geben? Um Reich zu zitieren: „WIE, IM NAMEN DES BARMHERZIGEN GOTTES, SIND WIR IN DIESE ENTSETZLICHE SITUATION (!, PN), IN DIESEN ALPTRAUM EINER FALLE GERATEN?“ (Christusmord, Freiburg 1978, S. 45).

Als Spezies sind wir Menschen so verdammt schwach und unterentwickelt (wie unfertige Affenembryonen, die aus dem Mutterleib gerissen wurden), daß wir nur durch den Einsatz künstlicher Organe und künstlicher Muskeln („Werkzeuge“) überleben konnten. Diese Werkzeuge haben die Tendenz, unser stets rationales Funktionieren als Lebewesen zu zerstören. Die letzte Konsequenz ist der Film Terminator. Die menschliche Panzerung ist nichts anderes als ein Werkzeug, das aus dem Ruder gelaufen ist. In diesem Sinne ist Panzerung nicht „natürlich“. Sie ist etwas ohne orgonotische Pulsation, wie ein Hammer, ein Auto oder irgendein anderes Werkzeug des menschlichen Überlebens.

Reich schreibt dazu in Massenpsychologie des Faschismus:

Was hat das Menschentier dazu gebracht maschinell zu entarten?

Wenn ich „Tier“ sage, so meine ich nichts Böses, Grausames oder „Niedriges“, sondern eine biologische Tatsache. Der Mensch entwickelte nun die merkwürdige Anschauung, daß er gar kein Tier, sondern eben ein „Mensch“ sei, der das „Böse“, „Tierische“ längst abgestreift habe. Der Mensch grenzt sich mit allen Mitteln vom bösartigen Tier ab und beruft sich, um sein „Bessersein“ zu belegen, auf Kultur und Zivilisation, die ihn vom Tier unterscheiden. Er bezeugt durch sein gesamtes Verhalten, seine „Werttheorien“, Moralphilosophien, seine „Affenprozesse“ etc., daß er nicht an die Tatsache erinnert werden will, daß er im Grunde ein Tier ist, das mit „dem Tier“ unvergleichlich mehr gemeinsam hat als mit dem, was es von sich behauptet und träumt. Die Lehre vom deutschen Übermenschen hat hier ihren Ursprung. Der Mensch bezeugt durch seine Bösartigkeit, durch seine Unfähigkeit, in friedlicher Gemeinschaft mit seinesgleichen zu leben, und durch Kriege wie den gegenwärtigen [Zweiten Weltkrieg], daß er sich von den übrigen Tieren nur durch einen maßlosen Sadismus und die maschinelle Dreieinigkeit von autoritärer Lebensauffassung, Maschinenwissenschaft und Maschine unterscheidet. Überblickt man die Resultate der menschlichen Zivilisation über lange Zeitstrecken, so findet man, daß die Behauptungen der Menschen nicht nur falsch, sondern wie eigens dazu ersonnen sind, sie vergessen zu machen, daß sie Tiere sind. Woher stammen die Illusionen der Menschen über sich selbst und wie kamen sie dazu, solche Illusionen zu bilden?

Das Leben des Menschen ist aufgespalten in ein Leben nach biologischen Gesetzen (sexuelle Befriedigung, Nahrungsaufnahme, Naturverbundenheit) und ein zweites Leben, das durch die Maschinenzivilisation bestimmt ist (maschinelle Ideen über seine eigene Organisation, seine herrschende Stellung im Tierreich, sein rassen- oder klassenmäßiges Verhalten zu anderen Menschengruppen, Wertideen über Besitz und Nichtbesitz, Wissenschaft, Religion etc.). Tiersein und Nichttiersein, biologische Verwurzelung auf der einen und technische Entwicklung auf der anderen Seite, spalten ihn in seinem Dasein und Denken auf. Alle Vorstellungen nun, die der Mensch von sich entwickelt hat, lehnen sich durchwegs an das Vorbild der Maschinen an, die er geschaffen hat. Der Maschinenbau und die Maschinenhandhabung haben den Menschen mit dem Glauben erfüllt, daß er sich selbst in die Maschinen hinein und durch sie hindurch fort – und „höher“ – entwickle. Er verlieh den Maschinen aber auch ein Aussehen und eine Mechanik, die tierartig sind. Die Lokomotive besitzt Augen zum Sehen und Beine zum Laufen, ein Maul zum Fressen der Kohlenahrung und Abfuhröffnungen für die Schlacken, Hebelarme und Anordnungen zur Produktion von Lauten. Das Produkt der mechanistischen Technik wurde so die Erweiterung seiner selbst. Die Maschinen bilden in der Tat eine mächtige Erweiterung seiner biologischen Organisation. Sie befähigen ihn, die Natur in einem weit höheren Grade zu bewältigen, als seine Hände allein es ihm ermöglichten. Sie geben ihm die Herrschaft über Raum und Zeit; so wurde die Maschine ein Stück des Menschen selbst, ein geliebtes und verehrtes Stück. Er träumt davon, daß diese Maschinen ihm, sein Leben leichter machen und ihn selbst genußfähiger machen werden. Der Lebensgenuß mit Hilfe der Maschinen ist sein Traum von jeher. Und die Wirklichkeit? Die Maschine wurde, ist und wird sein gefährlichster Zerstörer bleiben, wenn er sich nicht von ihr differenziert. (Fischer Taschenbuch, S. 296)

Peter liest die Laska/Schmitz-Korrespondenz (Teil 19)

29. April 2024

Was Reich über das Leben in der Falle geschrieben hat, trifft eins zu eins auf Schmitz‘ Neue Phänomenologie zu:

Um ihre Nachkommen an das Leben in der Falle zu gewöhnen, haben die Falleninsassen ausgefeilte Techniken entwickelt, das Leben straff auf einem niedrigen Niveau in Gang zu halten. Für große Gedankenflüge oder außergewöhnliche Taten ist kein Raum in der Falle. Jede Bewegung ist nach allen Seiten hin gehemmt. (Christusmord, Freiburg 1978, S. 37)

Schmitz an Laska:

Mit meinem Vorschlag, die Starrheit des Charakterpanzers als starre Fassung zu verstehen, will ich also darauf hinaus, daß die Festigkeit der Persönlichkeitsform, die mit beiden Ausdrücken gemeint ist, spontanem eigenem Bedürfnis entspringt, nicht einer durch Erziehung oder andere Fremdeinflüsse angetanen Verkünstelung; zweitens will ich damit sagen, daß es sich bei der Fassung als Charakterpanzer um eine ungünstige Extremform in einem breiten Spektrum möglicher Fassungsarten handelt, wo in der Mitte die straffe, aber schwingungsfähige und am anderen Ende die gar zu lockere und haltlose steht (…). (…) Da gebe ich gern zu, daß es sich in großem Umfang um Einflüsse aus der Erziehung usw. handelt, wobei ich aber zu bedenken gebe, daß auch die nicht einer primär reinen, „unbeleckten“ kindlichen Persönlichkeit angetan wird, da die volkstümlich „Persönlichkeit“ genannte zuständliche persönliche Situation des Kindes sich überhaupt nur aus gemeinsamen Situationen hervor (…) bildet. (S. 401f)

Du bist in der Falle geboren, du bist die Falle und du sollst dich in der Falle „geschmeidig“ einrichten. Entsprechend zeige sich, so Schmitz, „daß der gewöhnliche, hinlänglich gesunde Mensch unserer Zeit in der Tat über eine schwingungsfähige, von keinem starren Charakterpanzer fixierte Fassung zu verfügen pflegt. Was ich (…) als Ziel einer wünschenswerten langen und schwierigen Erziehung bezeichnet habe, ist die Einübung einer zwischen zu schmaler und zu breiter Amplitude gut austarierten Schwingungsfähigkeit der Fassung durch Zusammenführung von personaler Emanzipation und personaler Regression. Heute ist die Fassung meist zu locker, um auch nur elastisch zu sein. (Straff ist nicht starr.)“ (S. 399). Schmitz konstatiert gegenüber Laska, „daß ich mit Ihrer Rede von Wahngemeinschaften so wenig anfangen kann wie früher mit dem rationalen Überich. Jener Begriff ist mir gar zu polemisch und summarisch. Was nennen Sie ‚Wahn‘? Sicherlich gibt es echte Wahngemeinschaften, in die Kinder hineingezogen werden, ohne daß im Allgemeinen die Erzieher ihnen absichtlich den als solchen durchschauten Wahn verkaufen werden. Aber was hat das mit Neoliberalismus zu tun? Die Legierung von Religion mit Metaphysik gilt auch mir als abbauwürdig“ (S. 416f). Und so weiter und so fort! – Generell geht es Schmitz um die „Verdichtung und Intensivierung des Lebens in der Gegenwart“ (S. 423), d.h. explizit, wenn man das im Zusammenhang der Korrespondenz liest, um das sich Einrichten in der Falle!

Ohnehin ist das ganze System der Neuen Phänomenologie, wenn man mir diesen Einschub erlaubt,… – ihr Gegenteil ist wahr: Die erste, die „biblische“ Zensur, sich zwischen Gut und Böse im Sinne objektiver Gegebenheiten entscheiden zu müssen, die gesamte Ethik, ist kein Fortschritt, wie Schmitz behauptet, sondern Regression ins Infantile. Das gleiche gilt für die zweite Zensur um 1800, als zu Zeiten der Frühromantik erkannt wurde, daß die „Objektivität“ der besagten objektiven Gegebenheiten fragwürdig ist, nachdem die „strikte Subjektivität“ entdeckt wurde. Auch das ist kein Fortschritt, sondern ein Rückfall ins infantile magische („romantische“) Denken.

Kein wirklich Erwachsener, wie ihn La Mettrie, Max Stirner und Wilhelm Reich beschreiben, orientiert sich wie ein Kind an „Gut und Böse“ und kein wirklicher Erwachsener glaubt an „Subjektivität“, die genauso wie die Ethik nur bei Panzerung (bzw. beim Vorhandensein eines „Über-Ichs“) Sinn macht. Also, äh, jetzt ist langsam gut Leute: man lese und verstehe Reichs Äther, Gott und Teufel und der ganze Schmitzsche Unsinn löst sich in nichts auf!

Laska legt Schmitz‘ strukturelle Infantilität in einem Satz bloß: „Immer wieder machten Sie, wie auch im letzten Brief, deutlich, daß Sie sich ein gelungenes Leben nur unter einer äußeren bzw. verinnerlichten Autorität vorstellen können, nicht aber unter einer ‚eigenen‘ inneren, eben einem ‚rationalen Über-Ich‘“ (S. 432). Schmitz umgeht das in seiner Antwort, – tatsächlich ist seine gesamte Philosophie eben diese Umgehung, indem er Außen und Innen und damit das gesamte Problem der „Introjektion“ in der „Situation“ auflöst. Er tut dies explizit! Diese „Situation“ ist dabei nichts anderes als unsere Lage in der Falle, wie Reich sie in Christusmord beschrieben hat!

Die Emotionelle Pest gegen den Orgonmotor

28. April 2024

Es gibt Dinge die jahre-, wenn nicht jahrzehntelang in dir arbeiten. Bei mir ist eine solche Sache der ehemalige Ostblock. Ich habe mich, lange lange vor 1989, schon in der Realschule und später auf dem Wirtschaftsgymnasium gefragt, was eigentlich mit den „realsozialistischen Ländern“ los ist. Sie sind frei vom Druck des Kapitals und können in dieser Hinsicht tun und lassen, was sie wollen. Warum wurden dort beispielsweise Personenwagen genauso hergestellt wie hier? Vielleicht ist diese Frage nicht sonderlich überzeugend, aber die folgende Frage sticht m.E.: Warum fuhren dort die Autos mit Benzin oder Diesel? Von Beginn an, also „seit Nikola Tesla“, wissen wir, wie man sie mit „freier Energie“, „mit Wasser“ und anderen Alternativen fahren lassen kann. All diese Erfindungen wurden vom Monopolkapital und seinem Staatsapparat unterdrückt, nicht zuletzt Reichs Orgonmotor:

Warum hat die Sowjetunion dieses Spiel mitgespielt und beispielsweise die Bewohner der „DDR“ gezwungen mit besseren Mähdreschern „zweitaktik“ durch die Gegend zu fahren?

Es gibt m.E. nur drei Erklärungsmöglichkeiten:

1. In beiden Gesellschaften, d.h. vor unter hinter dem Eisernen Vorhang, verhinderte der Faktor „Emotionelle Pest“ die Entwicklung alternativer Technologien. In meinen Augen ist diese Theorie ein eklatanter Mißbrauch orgonomischen Gedankenguts. Fehlt eine vernünftig Erklärung muß eine vage, offenbar frei in der Luft schwebende „Emotionelle Pest“ als vermeintliche Erklärung herhalten. Tesla und andere wurden Opfer ganz handfester ökonomischer Interessen. Sie wurden nicht Opfer einer grassierenden pogromartigen Grundstimmung im Volk, sondern schlichtweg von Wirtschaftskriminalität und Staatsterror. Das ist zwar ebenfalls Ausdruck der Emotionellen Pest, aber das ganze hat eine Struktur und Logik, die von der obigen Aussage nicht im Entferntesten erfaßt wird. Nicht von ungefähr hat Reich mehrere dicke Bände mit Material über die Verschwörung der Pharmaindustrie gegen ihn gefüllt!

2. Das mit der „freien Energie“ ist alles Unsinn und nichts weiter als eine urbane Legend. Ich möchte das mit dem Hinweis auf etwas ganz anderes in Zweifel ziehen:

Sie unterdrücken alles, was dem „chemischen Modju“ im Wege steht, um Reichs Begriff zu benutzen. In DIESEM Zusammenhang verweise ich zurück auf Punkt 1! Ja, die Emotionelle Pest verhindert die Entwicklung alternativer Technologien.

3. Der Kalte Krieg war eine Illusion, d.h. „Rockefeller“ und „Moskau“ waren sozusagen die „Einheitsfront der Emotionellen Pest“. Genau dieser Auffassung war Reich am Ende seines Lebens.

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Brustkrebs” und folgende

27. April 2024

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Brustkrebs“ und folgende

Peter liest die Laska/Schmitz-Korrespondenz (Teil 18)

26. April 2024

Hermann Schmitz folgende vermeintlich gegen Reich gerichtete Aussage ist absolut bemerkenswert:

(…) Thema der Prophylaxe die Befreiung vom Erziehungszwang (und damit von einem „Charakterpanzer“, wie Sie oft, gleichfalls nach Reich, sich ausdrücken) (…). Ich bestreite zwar nicht, daß so etwas gelegentlich auch heute noch eine gute pädagogische Aufgabe sein kann, aber ich glaube, daß diese Zielsetzung als pädagogisches Generalthema seit 200 Jahren antiquiert ist, nämlich seit dem Einsetzen der Verfehlung des abendländischen Geistes mit Fichte und der Frühromantik einschließlich Stirners. (…) Das Hauptproblem der Menschheit ist heute nicht mehr der Erziehungszwang oder der Charakterpanzer, sondern der Nihilismus (…) im Sinn der Entdeckung der strikten Subjektivität, daß die Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“ nicht mehr in objektiven oder neutralen Tatsachen zu finden ist. (In allen objektiven Tatsachen, die über Herrn Hermann Schmitz ausgesagt werden können, ist kein Grund dafür zu finden, daß ich er bin.) Daraus ergibt sich für jeden, daß er die Maßstäbe dafür, wofür er verantwortlich ist, nur noch seiner Selbstbesinnung entnehmen kann. Dem sind Menschen noch nicht gewachsen. Sie haben noch nicht gelernt, sich in die für sie subjektiven Sachverhalten, Programme und Probleme so einzuleben, daß sie diesen eine Steuerung des Beliebens über den Wechsel von Launen hinweg entnehmen können. Die Menschen nehmen sich alles heraus und wissen nicht, wohin. Das ist das nihilistische Leiden an der eigenen Freiheit. (…) Was die Menschen heute brauchen, ist eine neue Standfestigkeit, nicht oder nur nebenbei eine Befreiung von Zwang. Wie sehr sie eine solche Festigkeit als nötig empfinden, zeigen die vielfältigen Ersatzbefriedigungen im (namentlich religiösen) Fundamentalismus, z. B. im Islam oder in Bushs neoamerikanischer Religion. (S. 374)

Das ist eine sehr gute Beschreibung des Unterschiedes zwischen der autoritären, durch den Muskelpanzer bestimmten Gesellschaft vor 1960 und der antiautoritären nach 1960, die durch den Augenpanzer bestimmt wird. Was man sich darunter vorstellen soll, wird sehr schön durch folgende junge Dame verkörpert:

So etwas bringt nur ein Mensch fertig, der so gut wie frei von Muskelpanzerung ist. Ihre Videos zeigen auch, daß sie ein freies Becken hat. Sie ist aber natürlich kein „genitaler Charakter“, sondern das genaue Gegenteil: ein Mensch, der ganz in der Oberfläche lebt („Cosplay“) und innerlich vollkommen leer ist: buchstäblich ein Roboter, den man nach Belieben mit irgendwelchen Programmen füttern kann.

Es ist eine haltlose Generation. Wir leben aber auch in einer Übergangsphase, in der der Mensch lernt (oder sagen wir besser: lernen könnte), die Haltlosigkeit (Ungepanzertheit) zu erden, d.h. das subjektive „Es gibt keine Wahrheit!“ durch das Objektive, die Entdeckung der kosmischen Orgonenergie zu ersetzen.

Schmitz geht aber einen Schritt weiter und leugnet schlichtweg ganz die Sinnhaftigkeit des Konzepts „Charakterpanzer“.

Die Anthropologie, die darin zum Ausdruck kommt, stimmt mit dem ersten Absatz von Rousseaus „Emile“ überein und ist m.E. grundfalsch. Das Bild verlangt, daß erst einmal ein Körper da ist, dem der Panzer angelegt werden kann, in der Sprache Rousseaus a.a.O. der Mensch, „wie er aus den Händen des Schöpfers kommt“. (…) Das sind sehr naive Verdinglichungen. (…) Deswegen will ich nur andeuten, daß die Person als Bewußthaber mit Fähigkeit zur Selbstzuschreibung (etwas für sich selbst zu halten) in ambivalenter Zwitterhaftigkeit zwischen diesem personalen Selbstbewußtsein und dem präpersonalen des leiblich-affektiven Betroffenseins mit leiblicher Dynamik und leiblicher Kommunikation existiert und unabwerfbar ihre zuständliche persönliche Situation (volkstümlich genannt: ihre Persönlichkeit) als Hülle und Kontrahenten zugleich mit sich führt, ein Gepäck wie eine zähfließende Masse, in der unzählige zähflüssige Massen gleiten und die ihrerseits in solchen zähflüssigen Massen (implantierenden und includierenden gemeinsamen Situationen) gleitet. Die Hülle ist also schon da, wenn die Person sich zu ihrer Lebensgeschichte als Person aufmacht, und zwar mehrfach da, als persönliche Situation und als diese in sich einbettende gemeinsame Situation; sie ist gleichursprünglich mit der Person. Deswegen ist die Annahme verfehlt, der Mensch sei als Person erst einmal gleichsam nackt vorhanden und dann irgendwie bekleidbar, sei es mit einem (Charakter-)Panzer oder mit einem weicheren Kleid. Unter den einbettenden und eingebetteten Situationen, in denen die Person befangen ist, gibt es immer Reibungen, und dazu gehören Verhärtungen, Verklumpungen, Verkrustungen, die durch gleichsam kluge Diplomatie (z. B. Erziehung, Psychotherapie) aufgelöst werden sollten. Die Hoffnung, unter einer Kruste den lebendigen Organismus freizulegen (wie beim Schwein, wenn der trocken gewordene Schlamm in der Sonne abplatzt), ist bei der Person aber vergebens. (S. 382)

Um darauf einzugehen, muß ich etwas weiter ausholen: Bei Schmitz fällt auf, daß die Wirtschaft gar nicht vorkommt. Sein System imponiert als das Gegenteil des Historischen Materialismus. Johann Gottlieb Fichte ist in seinem System unendlich wichtiger als die Dampfmaschine, die sich etwa zeitgleich zu verbreiten beginnt! Von Klassengegensätzen will ich erst gar nicht anfangen. – Was hat das nun mit dem „Charakterpanzer“ zu tun? Betrachten wir dazu den Hamburger Hafen: der hat seit jeher ein besonderes Flair, Gepräge, ein fast schon „mediterranes“ Mikroklima etc. Entsprechend wird er auch beispielsweise in der Touristenwerbung der Freien und Hansestadt Hamburg verkauft. Die „Natur“ des Hafens und seine nach außen getragene „Persönlichkeit“ (bei der seine „Natur“ karikaturhaft zugespitzt wird) sind weitgehend identisch. Das, diese „implantierende Situation“, ist die ganz Welt Schmitz‘. Daß es auch so etwas wie den Hafenbetrieb, die Ökonomie gibt, der sich, wenn man so will, als „Charakter“ zwischen „Natur“ und „Persönlichkeit“ schiebt, und daß der alles bestimmt, kommt bei Schmitz konzeptionell nicht vor. Das läßt sich selbstredend eins zu eins auf den Menschen übertragen: selbstredend, weil wir ja daher diese Begrifflichkeit genommen haben.

Hier gehört der materialistische „Charakterpanzer“ hin (und ganz nebenbei die Verortung des „Marxistischen“ Anteils der Orgonomie!), für den es in Schmitz‘ „idealistischem“ System einfach keinen Platz gibt. Wenn man mal von Schmitz‘ Begriff „Fassung“ (S. 389) absieht (im Sinne von „die Fassung verlieren“). Ziemlicher Unsinn, denn wenn ich meine Fassung verliere, kommt mein Charakter erst recht zum Vorschein. Schmitz‘ „Fassung“ entspricht demnach dem, was Reich als „die Fassade“ bezeichnet hat. Das wird durch Laskas Zusammenfassung von entsprechenden Passagen bei Schmitz offensichtlich (S 390f), aber Schmitz begreift rein gar nichts!

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „B-Reaktion” und folgende

25. April 2024

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „B-Reaktion“ und folgende

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 125)

24. April 2024

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Ist es nicht vielleicht sogar so, daß das Adorno‘sche „kein Wahres im Falschen“ implizit gegen Stirner und Reich gemünzt war? Schließlich läßt sich so die gesamte Kritik an den „Kleinbürgern“ Stirner und Reich zusammenfassen, von Marx‘ Ausführungen in Die Deutsche Ideologie bis hin zu denen der Marxologen der 1970er Jahre!

Auf diesen Einwurf antwortete mir Bernd Laska vor nunmehr zwei Jahrzehnten: „Könnte was dran sein, weil: Der Satz ist der letzte in Abschnitt 18 der Minima Moralia, in dem vorher, wie ich gerade gesehen habe, die Wendung ‚…der Einzelne zu seinem Eigentum‘ vorkommt.“

„Kein Wahres im Falschen“, ist das nicht ein Verweis auf die Falle? Nun, der Ariadne-Faden ist gerissen und so macht man es sich im Labyrinth (in der Falle) gemütlich, genießt das Wirrwarr. Ganz so wie Marx und Nietzsche. Aber im Zentrum des unentrinnbaren Labyrinths lauert nach wie vor das finale Grauen, der Minotaurus: LaMettrie/Stirner/Reich. Exakt so, wie von Laska analysiert. Aber wie stets: der eine, der es durchschaut und den Weg zeigt, wird ignoriert, allenfalls belächelt: „Es gibt kein Wahres im Falschen!“

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Botox” und folgende

23. April 2024

Humana conditio ex orgonomico prospectu: Stichwort „Botox“ und folgende

Peter liest die Laska/Schmitz-Korrespondenz (Teil 17)

22. April 2024

Reichs grundlegender Dissens mit der Naturwissenschaft des 20. Jahrhunderts läßt sich in dem simplen Satz aus Christusmord zusammenfassen: „Der Raum ist nicht leer; und niemand hat je Atome oder die Luftkeime von Amöben gesehen“ (Freiburg 1978, S. 32).

Richard Feynman („Quantenelektrodynamik“), sicherlich der wichtigste Physiker nach dem Zweiten Weltkrieg, hat auf die Frage, welche wissenschaftliche Erkenntnis er einer Menschheit übermitteln würde, die nach einer globalen Katastrophe wieder von vorn mit einer Steinzeit beginnen müßte, und er nur eine kurze Message senden könne, geantwortet: daß alle Materie aus Atomen bestünde, daraus ließe sich die gesamte Physik rekonstruieren. Entsprechend würde ein Biologe vielleicht mit „unsichtbaren Keimen“ kommen, da das unmittelbare praktische (Hygiene) und theoretische Folgen (Erbinformation) hat.

Reich hat beide Vorstellungen als „Metaphysik“ von sich gewiesen und sich der Natur, wenn man so will, streng „phänomenologisch“ genähert. Beispielsweise wollte er zu Beginn seiner Bionversuche explizit nichts über den damaligen Stand der Mikrobiologie wissen, die seine „Bione“ sofort als diesen oder jenen Mikroorganismus abqualifiziert hätte. Ähnlich, als er die Strahlung der SAPA-Bione mit Hilfe des Elektroskops untersuchte, wollte er nichts von der Ladungstrennungstheorie hören, die alle „orgonotischen“ Phänomene mit (den Elektronen von) Atomen wegerklärt hätte.

Das führe ich hier an, weil Hermann Schmitz in den Human- bzw. Geisteswissenschaften ähnlich vorgeht. Die Phänomenologie, erst recht die Schmitzsche Neue Phänomenologie, beginnt voraussetzungslos mit der Beobachtung. Halb ironisch könnte man sagen: „Ich hab‘ mein Sach‘ auf nichts gestellt!“ – Beide, Reich und Schmitz, sind dezidiert nichtnihilistisch, denn Reich stellt sich mit seinem „kosmischen Lebensäther“ explizit gegen Einsteins „kosmische Leere aus bloßen mathematischen Abstraktionen“ (kein Zitat), während Schmitz den Raum affektiv besetzt („Gefühlsraum“).

Laska, ursprünglich ein „Reichianer“, und Schmitz sollten sich allein von daher „gesucht und gefunden“ haben; nicht von ungefähr kommt der intensive Austausch zwischen beiden. Woher dann der auffällige grundsätzliche Dissens? Der alles entscheidende Unterschied zwischen beiden ist die Parteilichkeit: das Kind oder die Kultur, d.h. die in die Kultur hereinbrechende Natur oder die Kultur?!

Dazu schreibt Schmitz, er sei beispielsweise dagegen,

den Kindern die grausamen und unheimlichen Geschichten aus der Märchenliteratur, denen sie sich fasziniert zuwenden, vorzuenthalten, weil die Phantasie dadurch auf Abwege geraten könnte. Wie die Kinderkrankheiten zur Ausbildung eines strapazierfähigen Immunsystems, so gehören vielfältige Eindrücke, die im Dunkel undeutlichen Verlangens nach Anziehendem und Abstoßendem Leuchtpunkte setzen, zur Vorbereitung einer selbständigen, in personaler Emanzipation durch personale Regression hindurch reifenden Persönlichkeit, die in einem steril rationalen Schutzklima verkümmern würde. Ich bin durchaus der Meinung, daß die Aufklärung und Abstoßung des Ungemäßen in der Enkulturation nur nachträglich erfolgen kann (…) (S. 360)

Parteilich ist man, wenn man sich gegen das Über-Ich stellt, d.h. auf die Seite des Lebendigen. Da hilft es dann auch nichts, wenn sich Schmitz gegen den „Konstellationismus“, d.h. gegen die atomistische Zerstückelung der Natur stellt, wobei dann die isolierten Faktoren wieder mechanisch vernetzt werden (S. 359). Dieser quasi „Funktionalismus“ bei Schmitz hilft nicht, weil es für ihn, genau wie für Stirner und im krassen Gegensatz zu Reich, kein „allgemeinverbindliches Kriterium für Rationalität“ gibt. Von daher auch seine Probleme mit dem irrationalen vs. rationalen Über-Ich (S. 353, 357).

Beispielsweise schwebt ihm als „Religion der Zukunft“ der japanische Shintoismus vor:

eine Religion ohne Dogmen und Mythen. Wo dem Japaner etwas Heiliges begegnet, etwa eine frische Quelle, ein imponierender Baum oder ein sonderbarer Stein, errichtet er einen kultischen Schrein, umwickelt den Baum, beschriftet den Stein. Ganz spontan sammelt sich das Volk, etwa auf dem Weg zur Arbeit, und spricht ein kurzes Gebet zum kami, was nicht präzis ein als persönlich vorgestelltes Wesen ist, sondern eine schwach personifizierte göttliche Macht. (S. 357)

Das auch sadistische Massenmörder und Kinderschänder ein Gebet zum „kami“ sprachen und lebenslang vollkommen in „einpflanzenden Situationen“ eingebettet waren… Dazu Schmitz zu Laska:

Sie sprechen die Problematik der Enkulturation an. Was Sie in diesem Zusammenhang als das – rationale oder irrationale – Über-Ich bezeichnen, das auf diese Weise an das Kind weitergegeben werde, ist in meiner Terminologie die gemeinsame implantierende Situation (aus Situationen), in die das Kind hineinwächst. (…) Die Bedeutsamkeit der implantierenden Situation ist aber binnendiffus, d.h., sie besteht nicht aus lauter einzelnen Bedeutungen (Sachverhalten, Programmen, Problemen), die man der Reihe nach auf den Prüfstand stellen könnte, ob sie rational oder irrational sind. Daher muß jede Zensur scheitern, die die implantierende Situation vor Zulassung zum Kind darauf prüft, was als irrational verworfen und als rational durchgelassen werden soll. (S. 356f)

Dazu fällt mir langsam nichts mehr ein… Außer vielleicht der Verweis auf das eine Buch, das die gesamte Human- und Geisteswissenschaft, vor allem aber die Neue Phänomenologie ad absurdum führt:

Reflektionen über Max Stirner von konservativer Warte (Teil 124)

21. April 2024

[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]

Im Ukraine-Krieg war untergründig stets Immanuel Kants Stimme vernehmbar: „Handle nur nach dieser Maxime, wobei du gleichzeitig wollen kannst, daß sie zu einem universellen Gesetz wird.“ Wenn Rußland es tut, wird es schließlich jede Nation tun, usw. Der Punkt ist, daß a) die Realität so nicht funktioniert, d.h. niemand wird tatsächlich so handeln; und b) ein „universelles Gesetz“ ist unsinnig, weil es eine Vielzahl von Umständen gibt. Kant träumte schließlich von einer einzigen Weltregierung, um den universellen Frieden zu sichern. Kant war ein verdammter globalistischer Kommunist.

Diese vermeintliche „Aufklärung“ ist doch nur Religion mit anderen Mitteln, d.h. es läuft immer auf das Gegenteil von ungepanzerter Selbstbestimmung hinaus. In die gleiche Kategorie fällt Adornos Diktum, „es kann kein gutes Leben im Schlechten geben, nichts Wahres im Falschen“. Nicht nur, daß es hervorragend zu seinem Elitedenken und seinem großbürgerlichen Hochmut paßte. Man kann sich gut ausmalen, wie Adorno auf die drei letzten „kitschigen“ Seiten von Reichs Rede an den kleinen Mann reagiert hätte, wo Reich das gute, einfache, anständige, „kleinbürgerliche“ Leben preist: die exakte Gegenposition zum besagten Diktum, das ebenfalls auf den kommunistischen Terror hinausläuft.

Wie grundsätzlich anders Reichs Herangehensweise war, zeigte sich bei seinen Sexpol-Veranstaltungen: daß, wenn sie sich geschützt und in der Gruppe geborgen fühlen und durch die Sanktionierung durch die Gruppe vom individuellen Über-Ich befreit sind, einfache Menschen genau die gleichen Gedanken und Empfindungen äußern, wie sonst nur die ganz raren genitalen Charaktere. (Manche behaupten, Reich wäre damit der Begründer der Gruppentherapie gewesen.) Man kann den Menschen und der Natur vertrauen jenseits aller von Meisterdenkern, die keinerlei Kontakt zu den Massen und zur Natur haben, ausgeheckten bzw. erträumten Idealwelten – die sich letztendlich immer als Höllen erweisen.

Adorno konnte seinen berühmten Satz nur Formulieren, weil er einer jener Marxisten war, die Reich so sehr verabscheut hatte: zu denen, die sich nie bei Demonstrationen und Massenveranstaltungen sehen ließen, sondern lieber wie Marcuse bei Heidegger promovierten und in Intellektuellenzirkeln ihre Gehirnsekrete absonderten. Jene, die keinerlei Kontakt zu den Zadnikers, Templetons und Ross‘ hatten.

Wer „bildet“ diese Gesellschaft: diese Gesellschaft wird von den Lehrern „gebildet“ (inklusive den Eltern, den Nachbarn, Kollegen und den Medien: „Über-Ich“). Alle folgen der „Kultur“ und alle geben den gleichen Schwachsinn von sich. Aber wenn sie zur Ruhe kommen, sich entspannen und im intimen Kreis ihr Herz öffnen, wird fast jeder Dinge von sich geben, als hätte er Reich „etc.“ gelesen.

Reich hatte die Hoffnung, daß der Zweite Weltkrieg auch die allerletzte Illusion von den Menschen nehmen würde und deshalb in der Nachkriegszeit die „Arbeitsdemokratie“ ausbrechen würde. Gewisserweise hatte er recht, denn die Generation unserer Väter und Mütter, die für nichts und wieder nichts durch die Hölle gegangen waren, war wirklich ein für allemal „fertig“. Ich weiß doch, was in meiner Familie, mit meinen Eltern abgelaufen ist – und so war es in jeder einzelnen deutschen Familie! So sehe ich die Apathie, kalte Verachtung und die grundsätzliche Verweigerung von Engagement die dem Enthusiasmus und der Aufbruchstimmung der „68er“ entgegenschlug: es war die absolut gesunde Verweigerung irgendwelchen neuen „Kulturprojekten“ zu folgen. (Wohin das führt, zeigt heute der Grüne Abschaum!) „Bioenergetisch“ betrachtet ist damals das genaue Gegenteil dessen vorgegangen, als was es oberflächlich erschien.

Nur ein grundsätzlich anderes „68“ hätte zum Erfolg führen können, nämlich das, was Reich vorschwebte: Schluß, endgültig Schluß mit aller Politik, allen großen Ideen und Ideologien, die Menschen nehmen ihr Leben selbst in die Hand, angefangen von den kleinsten Einheiten.