Archive for September 2025

Deutschland und die Emotionelle Pest (Teil 10)

30. September 2025

Die wissenschaftlichen, technischen und kulturellen Beiträge unserer kleinen Nation (die kaum mehr als 1 Prozent der Weltbevölkerung ausmacht) zum Fortschritt der Menschheit sind erstaunlich. Unter anderem haben die Deutschen erfunden: den Buchdruck, die Glühbirne, das Auto, den Diesel-Motor, den Fernseher (das allererste gesendete TV-Programm war Hitlers Eröffnungsrede bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin), das Farbfernsehen, den Hubschrauber, den Kaffeefilter, den Teebeutel, die Antibabypille, den Computer, Aspirin, das Telefon (Reis machte vor Edison ein Ferngespräch), die Waschmaschine, das Elektronenmikroskop, das Düsenflugzeug, das Luftschiff (Zeppelin), Bier, Homöopathie, Papier, das Periodensystem der Elemente, den Dynamo, Bakteriologie (Koch 1896), die Straßenbahn, das Motorrad, den Plattenspieler, funkgesteuerte Uhren, den MP3-Player, den Airbag, die Kreditkarte, den Mikrochip, die Kernspaltung, das Röntgengerät und den Scanner! In der Liste der zehn wichtigsten technischen Erfindungen In der Geschichte der Menschheit stammen fünf von Deutschen.

Das waren technische Erfindungen, aber der Einfluß der Deutschen auf die internationale Kultur ist ebenso groß! In der Liste der zehn wichtigsten klassischen Komponisten gibt es sechs Deutsche/Österreicher: Beethoven, Mozart, Bach, Haydn, Liszt, Schubert, Brahms, Schönberg, Wagner. In der Liste der zehn wichtigsten Philosophen der Neuzeit gibt es acht Deutsche/Österreicher: Kant, Hegel, Schopenhauer, Marx, Engels, Nietzsche, Husserl, Wittgenstein. Was wäre die Welt der Physik ohne die Früchte der Forschung von Einstein, Hahn, Meitner, Fahrenheit, Röntgen, Gauß, Ohm, Planck, von Braun, Kopernikus, Heisenberg, Born, Euler, Mach, Meißner, von Ardenne, Warburg, Schrödinger, von Weizsäcker? Und was die Anthropologen, Psychologen und Psychiater betrifft: Franz Boas, Begründer der Kulturanthropologie, Wundt, der erste experimentelle Psychologe überhaupt, Kretschmer, Kraepelin, Jaspers, Kurt Schneider, Wagner-Jauregg, bei dem Reich seine Facharztausbildung absolvierte und der bis heute der einzige Psychiater war, der jemals den Nobelpreis erhielt, Reich, Freud, Adler, Melanie Klein, Karen Horney, Kernberg, Eysenck, etc. Unter den Schriftstellern nenne ich nur Goethe. (Man beachte hier bitte den Beitrag der jüdischen Deutschen!)

Deutsche Sportler gewannen bei den Olympiaden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die meisten Medaillen. Vor allem bei den Olympischen Spielen in Berlin von 1936 dominierten sie alle anderen Länder. Und bis zu seiner Niederlage gegen Lewis war der Deutsche Max Schmeling der weltweit beste Boxer. Auch in der „kulturellsten“ Sportart – dem Schach – waren in den Jahrzehnten vor und nach 1900 die zwei besten Schachspieler der Welt Deutsche/Österreicher (Steinitz und Lasker).

Außerdem denke ich, daß wirklich jeder in der Welt die Namen der 4 Deutschen/Österreicher Luther, Marx, Freud und Einstein kennt. Niemand hat die moderne Welt mehr als diese 4 beeinflußt! Hitler nicht zu vergessen. Wilhelm Reich, der in seinem ganzen Denken sehr „deutsch“ war. (Schließlich erhielt er seinen Vornamen zu Ehren von Kaiser Wilhelm!

Bis vor kurzem galt Deutschland in diversen Umfragen, etwa des BBC, als das beliebteste Land auf der Erde.

Allerdings, obwohl „Nationalstolz“ (Liebe zum eigenen Land, Patriotismus, d.h. Stolz auf die Errungenschaften des eigenen Volkes) ganz natürlich sein sollten, ist dies in Deutschland ein sehr heikles Thema und auch für mich eine mit Konflikten besetzte Angelegenheit. Das ist so, weil unser Stolz (auf die enormen Leistungen der deutschen Geschichte) stets mit starken Schuldgefühlen wegen Deutschlands Rolle im Zweiten Weltkrieg und vor allem in der Schoah vermischt sind. Während Amerikaner „stolz sind, Amerikaner zu sein“, Franzosen und Engländer sehr nationalistisch sind und stolz auf ihre Streitkräfte (einschließlich der Atombombe) und gerne Uniformen tragen, ist bei Deutschen der Nationalstolz irgendwie gehemmt. Beispielsweise wurde vor kurzem jemand von einigen linken Studenten fast zu Tode geprügelt, nur weil er es gewagt hatte, die deutsche Flagge in seinem Garten zu hissen.

In französischen und englischen Städten sind die meisten großen Straßen und öffentlichen Plätze nach den Kriegshelden oder berühmten Schlachten ihrer Nationalgeschichte benannt (wie Avenue Foch, Nelson Square, Trafalgar Square, Waterloo Bridge), und es finden sich überall entsprechende Statuen – während in Deutschland sogar die öffentlich bekundete Bewunderung etwa von preußischen Generälen schlichtweg undenkbar wäre. Es wäre in Deutschland völlig unmöglich, daß eine Straße nach einem unserer großen Siege im Ersten oder Zweiten Weltkrieg oder aus der Zeit der Preußen benannt werden würde. Allein, daß ich sage, es seien unsere Siege gewesen, bringt fast jeden „kritischen Geist“ auf die Palme!

Uniformen, die deutsche Flagge oder das Absingen der deutschen Nationalhymne werden in Deutschland automatisch mit einer rechtsextremen Einstellung verbunden. Diese seltsame Situation resultiert aus gerade mal 12 Jahren Nationalsozialismus (die Hälfte davon ohne Kriegsführung) innerhalb einer deutschen Geschichte von 1200 Jahren, die im allgemeinen weitaus friedlicher verliefen als bei fast allen unseren europäischen Nachbarn.

Wenn du dich also traust zu sagen, daß du „stolz darauf bist, ein Deutscher zu sein“ – wegen Deutschlands enormen Beiträgen zur weltweiten Wissenschaft und Kultur –, kannst du auf die Gegenfrage gefaßt sein: „Wie können Sie es wagen, solche schrecklichen Dinge zu sagen? Haben Sie Auschwitz vergessen?!“ Aber ich habe nie erlebt, daß sich US-Amerikaner Vorwürfe machen wegen der beiden Atombomben-Abwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, die zigtausende Zivilisten töteten bzw. radioaktiv verstrahlten. Oder daß sich Engländer beschämt oder gar schuldig fühlen wegen der Verbrechen und der Völkermorde des britischen militanten Imperialismus seit Jahrhunderten. Oder das Gefühl, in ihrem Nationalstolz gehemmt zu sein wegen der Opfer der britischen Konzentrationslager in Südafrika, wo sie die Buren internierten. (In einer berühmten Rede sagte Hitler sinngemäß: „Wir haben einfach aus dem Wörterbuch gelernt, was ein Konzentrationslager ist, und das dann von den Briten kopiert!“).

Nicht nur die britischen Konzentrationslager in Südafrika, sondern noch viel mehr die sowjetischen Gulags waren die historischen Vorläufer der späteren deutschen Konzentrationslager. Ich denke, daß die Kompetenz der Kommunisten in Sachen Massenmord von anderen Bewegungen unerreicht ist, einschließlich der der Nationalsozialisten. Heutige Historiker sagen, daß die Opfer des kommunistischen Terrors sich bis auf 100 000 000 Menschen summieren. Man erinnere sich nur all der ethnischen Völkermorde in der UdSSR, der brutalen Schauprozesse der 1930er Jahre, des brutalen Überfalls auf Polen im Herbst 1939, der Folterung von Dissidenten, der Gulags in Sibirien und so weiter und so fort. Ein Teil des polnischen Offizierskorps hat nur überlebt, weil er nicht in sowjetische, sondern in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten war. Die Russen haben ausnahmslos alle polnischen Offiziere, derer sie habhaft werden konnten, ermordet.

Es gibt eine einflußreiche Schule in der Geschichtswissenschaft, die die deutschen Kriegsverbrechen und den Holocaust als kaum vermeidbare Gegenreaktion auf den sowjetischen Terror in der UdSSR interpretieren. Es sei auf den Historiker Ernst Nolte und sein berühmtes Diktum, wonach „die Gulags das Prius zu Auschwitz“ waren, verwiesen:

Katholische Familien, die ansonsten kaum etwas mit den Nazis am Hut hatten, wurden zu vehementen Unterstützern der deutschen Invasion in die UdSSR, nachdem sie gehört hatten, wie im spanischen Bürgerkrieg der 1930er Jahre katholische Priester von Kommunisten massakriert und Nonnen vergewaltigt wurden. Viel von dem brutalen Vorgehen der Wehrmacht und der SS in Rußland während des Zweiten Weltkrieges war eine Reaktion auf die unglaubliche Brutalität, die sie beobachtet und von Seiten der Kommunisten erlebt hatten. Wenn zum Beispiel russische Partisanen einen Wehrmachtssoldaten gefangennahmen, folterten sie ihn zu Tode – am häufigsten wurden die Deutschen kastriert und danach mit ihren eigenen abgeschnittenen Genitalien erstickt. Solche bestialischen „asiatischen“ Methoden waren zuvor in Europa unbekannt gewesen!

Nichtsdestotrotz galt die sowjetische Kriegführung gegen Deutschland immer als etwas „Heroisches“, und ich habe nie gesehen, daß je ein Russe ein schlechtes Gewissen wegen der Myriaden von Verbrechen hat, die sich in der russischen Geschichte zugetragen haben – immer wurden nur die Deutschen als die Bösewichte hingestellt. Entsprechend hatte es bei den Nürnberger Prozessen etwas Lächerliches, als die Sowjets forderten, daß alle deutschen Verbrechen streng geahndet werden, während die sowjetischen Ankläger selbst Ozeane von Blut an den eigenen Händen kleben hatten. Auch wurde in Nürnberg z.B. das geheime Zusatzprotokoll zum Hitler/Stalin-Pakt 1939 verschwiegen, aufgrund dessen die sowjetischen Streitkräfte keine zwei Wochen nach dem deutschen Einmarsch in die westliche Hälfte Polens – welcher bis heute als der Beweis schlechthin für die Alleinschuld der Deutschen an der Auslösung des Zweiten Weltkriegs gilt – die östliche Hälfte Polens mit ebenso großer Brutalität annektiert hatten; man erinnere sich an die Opfer von Katyn. England und Frankreich erklärten mit auffälliger Doppelmoral dem Deutschen Reich 1939 wegen des deutschen Einmarschs in Westpolen den Krieg, verbündeten sich aber paradoxerweise mit der UdSSR, die praktisch zeitgleich exakt dasselbe in Ostpolen getan hatte.

Die Nachgeborenen tragen nicht die Schuld, aber sie tragen die Verantwortung, schließlich genießt man ja auch, wie anfangs angedeutet, mit aller Selbstverständlichkeit all das, was an Gutem aus der Vergangenheit stammt. Funktionell betrachtet, gewährten uns unsere Vorväter einen Kredit, den wir abbezahlen, indem wir den Nachgeborenen eine bessere Welt hinterlassen. Zu diesen unseren Aufgaben als Nachlaßverwalter gehört die Aufarbeitung der Vergangenheit, d.h. das Wegräumen des Schutts der Lügen, des Vergessenmachens, der Verdrehungen und der Fehldeutungen, damit ein Neuanfang möglich ist. Das ist die funktionelle Aufgabe des Geschichtsforschers: er dient den Kindern der Zukunft!

Die innere und die äußere Welt

29. September 2025

Was niemand zu sehen scheint, ist ein entscheidender Unterschied zwischen der autoritären Gesellschaft und der gegenwärtigen woken antiautoritären Gesellschaft: In der konservativen autoritären Gesellschaft handelte jeder als Individuum, aber die inneren Werte, Gefühle und Kognitionen waren fast identisch. Das miteinander Diskutieren war einfach, weil alle im Wesentlichen auf der gleichen Wellenlänge waren. Heute, in der antiautoritären Gesellschaft, wollen die Menschen einen Job in der Regierung oder fügen sich nahtlos in bürokratische Großunternehmen mit ihrem Qualitätsmanagement und ihren Manuals ein, denen jeder Angestellte wie ein willenloser Roboter folgen muß. Im öffentlichen Raum verschwindet das Individuum. Im Gegensatz dazu hat jeder antiautoritäre Mensch ein „individuelles“ Innenleben, das so weit geht, daß jeder sein eigenes Geschlecht, eigene Pronomen und sogar seine eigene „Spezies“ („Furys“ usw.) hat. Jeder hat seine „eigene Sichtweise“ und es ist fast unmöglich, eine gemeinsame Basis zu finden. Die Menschen halten unverrückbar an ihren „Meinungen“ fest.

Es ist eine Welt, die auf dem Kopf steht und von innen nach außen gekehrt ist! Das Innenleben ist zersplittert, als gehöre es in den orgonometrischen Bereich der „relativen Bewegung“, und die äußere Welt wird auf psychotische Weise behandelt, als gehöre sie in den orgonometrischen Bereich der „koexistenten Wirkung“. Man vergleiche nur Bilder von einem Straßenzug aus der Wilhelminischen Ära mit den gleichen Straßenzügen heute: früher war die äußere Welt ein Dschungel voller exotischer Gewächse, während die Menschen innerlich grundlegend gleich waren, heute ist die äußere Welt eine kubistische Langeweile, während das Innenleben der Menschen ein wilder Urwald ist.

Wie Reich bereits 1927 in seinem Buch Die Funktion des Orgasmus feststellte, ist jeder wirkliche Orgasmus bei Männern und Frauen gleichgeartet und gleich stark ausgeprägt. Es ist alles andere als abwegig, dies auf das gesamte innere Erleben gesunder Menschen auszudehnen. Schon damals konterten die Psychoanalytiker, daß Reich „Individualität“ akzeptieren solle, daß jeder „Orgasmus“ individuell sei und daß Perverse etc. ihre eigene Art von „Orgasmem“ hätten etc. Heute hat jeder Antiautoritäre seine „eigene“ Sexualität. Wie Reich in Die sexuelle Revolution schrieb: „Die sogenannte individuelle Differenzierung der Menschen ist heute im wesentlichen ein Ausdruck überwuchernder, neurotischer Verhaltensweisen“ (Fischer TB, S. 29).

Aber fangen wir von vorne an: Es gibt eine Frage, die mich seit Jahren, ja Jahrzehnten beschäftigt. Betrachten wir „Dinge“ wie Bäume. Jeder Baum ist anders und einzigartig, aber dennoch ist jeder von ihnen ein „Baum“. Man nehme nun hingegen innere „Dinge“ wie Langeweile, Liebe, Schmerz usw. Auch hier ist jeder davon überzeugt, daß seine Langeweile, seine Liebe, sein Schmerz usw. ebenso einzigartig wären wie ein bestimmter Baum und daß die Begriffe „Langeweile“, „Liebe“, „Schmerz“ usw. ebenso substanzlos sind wie der abstrakte Begriff „Baum“. Das Problem ist, daß ein Baum ein separates mechanisches Ding ist, das ich fällen, verbrennen, umarmen und was auch immer kann. Bei Gefühlen und anderen „Bewußtseinsinhalten“, d.h. dem gesamten emotionalen und kognitiven Innenleben, ist es jedoch grundlegend anders. Sie sind überhaupt keine separaten „Dinge“ mit Teilen und Ausdehnung, sondern, nun ja, in Ermangelung eines besseren Begriffs, eher „Platonische Ideen“. Ich kann sie nicht „zerschneiden“, „verbrennen“, „umarmen“ oder irgendetwas Mechanisches mit ihnen machen, weil sie funktionelle Ganzheiten darstellen. Und deshalb stelle ich in Frage, ob sie „individuell“ sind; d.h. Peters Langeweile, Liebe, Schmerz usw. ist genau dasselbe wie Ludwigs Langeweile, Liebe, Schmerz usw. Sie sind absolut identisch. Wir alle empfinden genau die gleichen „Dinge“!

Jeder normal denkende Mensch wird empört einwenden: „Ich würde sagen, daß meine Liebe und mein Schmerz und deine Liebe und dein Schmerz unterschiedlicher sind als zwei Bäume derselben Art.“ Das antwortet jeder vernünftige Mensch, eigentlich 99,99 Prozent aller Menschen weltweit. Aber dennoch: Man kann beweisen, daß kein Baum mit einem anderen Baum völlig identisch ist. Bei unserem Innenleben ist die Situation völlig anders. Wir nehmen an, daß jeder einzelne Schmerz einzigartig ist. Aber das bezweifle ich. Nehmen wir zum Beispiel zwei Bäume. Alle „zwei Bäume“ auf der Welt sind anders als alle anderen „zwei Bäume“. Aber die abstrakte „Zwei“ (die Zahl 2) ist identisch. Oder man nehme ein Sandkorn: Es unterscheidet sich von jedem anderen Sandkorn auf der Welt. Sie alle sind einzigartige Individuen. Aber sie sind aus Molekülen, Atomen und Elementarteilchen (Protonen, Neutronen und Elektronen) zusammengesetzt. Und diese Grundelemente sind, wie jeder Physiker bestätigen wird, absolut ununterscheidbar identisch. Ich erinnere an die absurde, merkwürdig „psychische“ Welt der Quantenphysik!

Wie wäre ein Gespräch, eine Sprache oder sogar Liebe oder jedes andere wechselseitige Einfühlen möglich, wenn wir „Individuen“ und absolut einzigartig wären? Wie können wir über Schmerz oder etwas anderes sprechen? Wie ist eine Therapie möglich, wenn wir füreinander „terra incognita“ sind? Vielleicht ist sie nur deshalb möglich, weil es nur einen Schmerz gibt? Es war Reich, der sagte, daß Lust Expansion ist, Angst Kontraktion usw. Er reduzierte die „individuellen“, „einzigartigen“ Gefühle auf einfache universelle Funktionen, was ihm bis heute von feinfühligen Psychologen zutiefst übelgenommen wird.

Ist das nicht der Grund, warum die Menschen aus Orgasmusangst vor der Orgonomie weglaufen: weil sie ihre angebliche „Individualität“ gefährdet und sie auf „pulsierendes Protoplasma“ und das „Orgonom“ reduziert? Was ist Orgasmusangst, wenn nicht die Angst, sich selbst zu verlieren? Die Angst vor dem Schlaf, letztlich die Angst vor dem Tod.

Das ganze ist mit dem Kern, oder sagen wir lieber der Grundtendenz, von Reichs Arbeit verbunden:

Die Sache der Psychoanalyse war groß und stark. Sie schlug dem üblichen menschlichen Denken ins Gesicht. Du glaubst, daß du mit freiem Willen dein Handeln bestimmst? Falsch! Dein bewußtes Handeln ist nur ein Tropfen auf der Oberfläche eines Meeres unbewußter Vorgänge, von denen du nichts wissen kannst, die zu wissen du fürchtest. Du bist stolz auf die „Individualität deiner Persönlichkeit“ und die „Weite deines Geistes“? Falsch! Du bist im Grunde nur ein Spielball deiner Triebe, die mit dir tun, was sie wollen. Das kränkt deine Eitelkeit schwer, gewiß! Doch ebenso kränktest du dich, als du erfahren mußtest, daß du von den Affen abstammst und daß die Erde, auf der du kriechst, nicht das Zentrum der Sternenwelt ist, wie du einmal gerne glaubtest. Du glaubst noch immer, daß die Erde unter den Milliarden Sternen als einziger Stern belebte Materie trägt. Du bist kurzerhand bestimmt von Vorgängen, die du nicht beherrschst, nicht kennst, fürchtest und falsch auslegst. Es gibt eine seelische Wirklichkeit, die weit über dein Bewußtsein reicht. Dein Unbewußtes ist wie das Kantsche „Ding an sich“: Es ist nie selbst zu fassen, es gibt sich nur in Äußerungen zu erkennen. (Die Funktion des Orgasmus, Fischer TB, S. 38)

Ähnliches hat Reich in Bezug auf Marx geschrieben! Ich werde darauf sogleich zurückkommen! Letztlich geht es hier um die mittelalterlich, scholastische Diskussion zwischen Nominalismus und Realismus (Platonismus: Platons Ideen sind real = „Realismus“). Ich glaube, daß Reich in dieser Hinsicht stark von Marx und Freud beeinflußt wurde, die beide mit einer nominalistischen Kritik an Wissenschaft und Gesellschaft begannen, jeweils jedoch mit einer ausgeprägten (Platonistisch) realistischen Perspektive endeten. Reich hatte eine ähnliche Entwicklung, die in seinem Buch Die kosmische Überlagerung kulminierte, das eine deutlich (Platonistisch) realistische Ausrichtung hat.

Marx hob, nicht zuletzt durch Max Stirner inspiriert, mit einer nominalistischen Kritik des Hegelschen Idealismus an und wandte sich den Individuen und ihrem konkreten Leben zu, ging aber letztlich doch davon aus, daß abstrakte soziale Konzepte reale, autonome Wirkungen haben und nicht allein auf individuelle Handlungen reduziert werden können. Er glaubte, daß soziale Strukturen, wie z.B. Klassenbeziehungen, real sind und eine Autonomie besitzen, die über den bewußten Willen der Individuen hinausgeht. Nicht zuletzt seine Werttheorie („Mehrwert“) macht nur vor dem Hintergrund von „Universalien“ Sinn. Eine ähnliche Herangehensweise findet sich, wie bereits angeschnitten, bei Freud, der als erster das Individuum und dessen je eigene innere Erfahrungswelt wirklich ernst nahm, um dann doch mittels der „Universalien“ das „Es“, das „Unbewußte“ und nicht zuletzt die psychische Energie „Libido“, aus der die individuellen Existenzen hervorgehen, eine (Platonistisch) realistische Perspektive einzunehmen.

Deutschland und die Emotionelle Pest (Teil 9)

28. September 2025

Daß die Juden in den 1930er Jahren keine Freunde (und erst recht keine Macht) hatten, wird im Zusammenhang mit der internationalen Konferenz von Évian-les-Bains, Frankreich, 1938 evident, die als sehr wichtig, wenn nicht entscheidend für das spätere Schicksal der deutschen Juden betrachtet werden kann. Wie es bei Wikipedia zu Recht heißt, war das Ergebnis der ganzen Konferenz eine „moralische Katastrophe“ für die westlichen Demokratien, da sich viele Länder schlichtweg weigerten (mehr) Juden aufzunehmen.

Hitler tat zunächst alles, um die Juden aus Deutschland zu vertreiben, indem er ihnen das Leben unerträglich machte. Nur leider konnten die Juden nirgendwo hin. Mit Beginn des Krieges betrachtete Hitler die Juden als seine Geiseln, und die Ausreise wurde untersagt. Infolgedessen mußten die Juden die Erfolge der Alliierten mit ihrem Leben bezahlen. Keine andere Menschengruppe war jemals dermaßen verraten und verkauft – und das mitten im 20. Jahrhundert!

Aus Verbitterung darüber, daß die verfolgten deutschen Juden von der internationalen Staatengemeinschaft schmählich im Stich gelassen wurden, hatte der jüdische Schriftsteller Stefan Lux bereits 1936 eine Sitzung des Völkerbundes in Genf gestürmt, um sich vor dem versammelten Auditorium eine Kugel durch den Kopf zu schießen. Übrigens wird dieser Vorfall anschaulich dargestellt in der Eingangsszene des preisgekrönten Spielfilms Der Stellvertreter, der schwerpunktmäßig von dem bemerkenswerten SS-Mann Kurt Gerstein (und der mangelnden Unterstützung des Vatikans für sein Engagement gegen den Holocaust) handelt.

Historiker haben genug Beweise für die Tatsache gesammelt, daß die Alliierten von Anfang an über den Holocaust Bescheid wußten und sich durchaus bewußt waren, was geschah und wo es geschah. Als die Massenvernichtung in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges erst richtig begann, hatten die amerikanische und die britische Luftwaffe die absolute Lufthoheit über Deutschland und viele von der Wehrmacht besetzte Länder, so daß ihnen die Juden-Deportationen nicht verborgen bleiben konnten. Sie hatten Tausende von Fotos aus ihrer Luftaufklärung sowie zahllose Nachrichten von Agenten vor Ort. Hinzu kommt, daß Tausende deutscher Kommunisten regelmäßig nach Moskau berichteten und unzählige deutsche und polnische katholische Gemeindepfarrer den Vatikan informierten. Aber obwohl den Alliierten die Vorgänge bis ins Detail bekannt waren, warfen sie nie auch nur eine einzige Bombe auf irgendein Konzentrationslager oder auf die Schienen, die zu ihnen führten!

Göring hat sich als Chef der Deutschen Luftwaffe immer darüber beklagt, daß die Angloamerikaner aufgrund der hochentwickelten Technologien in ihren Flugzeugen „ein Ei in einem deutschen Bahnhof treffen“ könnten – aber zur gleichen Zeit waren sie offensichtlich nicht in der Lage (oder nicht willens?), ein Konzentrationslager, das viel größer als beispielsweise ein Fußballstadion ist, zu bombardieren! Ist es nicht erstaunlich, daß über Jahre hinweg die Alliierten kaum einen Finger krümmten, um dem Holocaust Einhalt zu gebieten?

Zynischerweise galt unter SS-Männern die Arbeit als Wärter in einem Konzentrationslager als „der ungefährlichste Job auf Erden“, denn während sogar die Zivilisten (einschließlich Frauen und Kindern) in den Wohnvierteln der deutschen Städte tagtäglich dem „Moral Bombing“ der Alliierten ausgesetzt waren, wurde kein KZ je bombardiert. Etwas zugespitzt kann man sagen, daß die Eisenbahnlinien in die Vernichtungslager die einzigen Verkehrswege waren, die bis zum Ende des Krieges nie bombardiert wurden, obwohl doch Millionen von todgeweihten Juden auf ihnen Tag und Nacht transportiert wurden!

Der ganze Komplex wird durch einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung nochmal scharf beleuchtet.

Man könnte spekulieren, ob es einen klandestinen Konsens (bzw. eine emotionale Verschwörung im Sinne Reichs) gab, wonach die Alliierten nichts unternehmen würden, um die Schoah zu stören, – um dann nach dem Krieg elegant die moralische Schuld ganz alleine den Deutschen zuschieben zu können. In diesem Zusammenhang denke ich auch an einflußreiche Amerikaner wie den Unternehmer Henry Ford, der ein glühender Antisemit war und Hitler finanziell förderte, wo er nur konnte. Man kann davon ausgehen, daß Amerikaner wie er und seine Anhänger eine untergründige Sympathie mit der „Endlösung“ des Problems der notorischen, in Fords Worten, „Revolutionsmacher“ und „Weltbolschewisten“ hegten. (Das ist mit der heutigen untergründigen Einstellung gegenüber Israel vergleichbar: wäre das Problem erledigt, wäre endlich Ruhe…)

Daß diese Vermutung alles andere als abwegig ist, hat Edwin Black in seinem Buch Nazi Nexus: America’s Corporate Connection’s to Hitler’s Holocaust gezeigt. Ford war 1920 auf eine „Mitschrift“ der angeblichen „Protokolle der Weisen von Zion“ gestoßen und veröffentlichte sie zunächst in einer 91-teiligen Serie in einer Tageszeitung, die er extra zu diesem Zweck gekauft hatte, um sie dann als Buch, The International Jew, in einer Auflage von 500 000 Stück herauszubringen und als Postwurfsendung überall im Land zu verteilen. Ein Jahr später, Anfang 1921, erschien das Buch in Deutschland und war sofort ein großer Erfolg. Ford wurde Hitlers Held, der entscheidend dessen „Weltanschauung“ prägte.

Auch ansonsten wurde Hitler von amerikanischem Denken geprägt. Die Carnegie Institution hatte seit 1911 im Namen der „wissenschaftlichen Eugenik“ Abermillionen das Recht zum Leben abgesprochen. Sie sollten der „nordischen Rasse“ Platz machen. Alle sozialen Übel seien genetisch bedingt, und entsprechend sollten „minderwertigen“ Blutlinien“, etwa 90 Prozent der Menschheit, ein Ende gesetzt werden. Zu den Plänen gehörten Sterilisationsprogramme, Konzentrationslager und Gaskammern (sic!).

Diverse eugenische Maßnahmen wurden in den Gesetzesbüchern von 27 Bundesstaaten der USA verankert. Insgesamt wurden etwa 60 000 Personen zwangssterilisiert, andere wurden interniert, ihre Ehen für ungültig erklärt, oder sie wurden sogar mittels medizinischer Vernachlässigung ermordet. Die Carnegie Institution in Zusammenarbeit mit der Rockefeller Foundation exportierte dieses Gedankengut, einschließlich der Idee, daß die Juden eliminiert werden müßten, mit Millionenaufwand an die Universitäten der Weimarer Republik.

Selbst Hitler studierte während seiner Festungshaft die amerikanische Eugenik und pries in Mein Kampf die Vereinigten Staaten in dieser Hinsicht als Vorbild für Deutschland. Hitler schrieb Madison Grant, der Führungsfigur der amerikanischen Eugenik, einen Brief, in dem er dessen Schriften als „meine Bibel“ bezeichnete. Der Leiter der American Eugenics Society, Leon Whitney, lobte umgekehrt später die Politik des Dritten Reichs, das das in die Tat umsetze, von dem die amerikanischen Eugeniker nur träumen könnten. Und natürlich wurden die „Blitzkriege“ und der Holocaust selbst nur durch amerikanische Technologie, insbesondere von General Motors und IBM möglich.

Bei den Nürnberger Prozessen wurden viele deutsche Ärzte und Krankenschwestern für Dinge zum Tode oder zu hohen Haftstrafen verurteilt, die die „Wissenschaft“ der westlichen Demokratien vorher propagiert hatten. Die „Euthanasie“ von „minderwertigen“ oder chronisch kranken Menschen wurde bereits 1883 von dem renommierten britischen Wissenschaftler Francis Galton in der Zeitschrift National Eugenics gefordert. In der Folgezeit hatte es reichlich nicht-deutsche (europäische und vor allem amerikanische) Wissenschaftler und Politiker gegeben, die verlangten, daß Millionen von schwachen und kranken Bürgern ihrer Nationen ausgerottet werden; wegen der „Rassenhygiene“, aus wirtschaftlichen Gründen oder als „Gnadenakt“. Im Grunde begann die Geschichte der USA mit der weitgehenden Ausrottung, „Umsiedlung“ und Lagerhaltung – „Reservate“ – der Indigenen, die als heidnisch und rassisch minderwertig betrachtet wurden; Indianer haben auch erst spät die Staatsbürgerrechte der USA erhalten.

Euthanasie von geistig Kranken wurde in vielen Ländern, einschließlich den USA, konzipiert und praktiziert (und natürlich auf Massenbasis in der Sowjetunion), bevor die deutschen Nationalsozialisten es taten – aber diese Beweise wurden von den Alliierten unterdrückt und bei den Nürnberger Prozessen nicht als Beweismittel zugelassen, so daß es so erscheinen mußte und sollte, als ob nur die deutschen Faschisten solch eine barbarische Idee entwickeln konnten. Siehe in diesem Zusammenhang auch:

Das Konzept einer „Endlösung“, die als das typische Beispiel für das „barbarische Deutschland“ betrachtet wird, wurde von dem renommierten amerikanischen Harvard-Professor Charles Davenport und dem Chirurgen William Mayo („Mayo Clinic“) eingeführt, Jahrzehnte bevor die deutschen Nazis diese Idee aufgriffen. Unter US-Wissenschaftlern war es vor 100 Jahren weithin anerkannt, daß weiße „Kaukasier“ europäischer Herkunft als die „Herrenrasse“ zu gelten hatten, während Juden und die geistig oder genetisch Kranken getötet und alle Schwarzen (die als Zwischenglied zwischen Tier und Mensch galten) nach Afrika zurückdeportiert werden sollten. Diese „wissenschaftlich“ verbrämte Emotionelle Pest, deren antisexuelle Kernsubstanz jedem Unvoreingenommenen sofort ins Auge springt, war also nicht auf die „bösen Deutschen“ beschränkt, sondern sie war de facto auch bei den anderen Nationen der Welt weitverbreitet.

Es war der Hexenwahn des ausgehenden 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In diesem Zusammenhang sollte man nicht vergessen, daß der Hexenwahn zu Beginn der Neuzeit ebenfalls von den damaligen „Wissenschaftlern“ getragen wurde! Und – nicht nur Reichs soziologische Arbeiten in den 1930er Jahren, sondern gerade auch seine Laborarbeit zur „Lebensforschung“ war eine bewußte Antwort auf die Nazi-Barbarei: Reich wollte der lebensfeindlichen Nekrologie seiner Zeit eine wahrhaftige Biologie entgegensetzen. Heute tobt sich diese Nazipest im Transhumanismus aus.

Wilhelm Reich, DIE SEXUELLE REVOLUTION, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt, DM 25,80 [ca. 1966]

27. September 2025

Wilhelm Reich, DIE SEXUELLE REVOLUTION, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt, DM 25,80 [ca. 1966]

Deutschland und die Emotionelle Pest (Teil 8)

26. September 2025

Die Geschichte des Antisemitismus in Europa war wesentlich komplexer, als sie Daniel Goldhagen dargestellt hat. Seine Theorie ist zu einseitig und grobschlächtig und hat zu Recht sowohl formale als auch inhaltliche Kritik namhafter Historiker auf sich gezogen. Goldhagen vernachlässigt beispielsweise, daß virulenter Antisemitismus nur ein Ausdruck der Emotionellen Pest unter vielen ist und auch in den Nachbarländern Deutschlands weit verbreitet war und das kurioserweise fast immer mit einem antideutschen Unterton. Man denke nur an die Dreyfus-Affäre! Reich hat, wie in Teil 3 bereits erwähnt, betont, daß der Faschismus kein spezifisch deutsches oder italienisches Phänomen war, sondern als pestilenter Zug in der Charakterstruktur nahezu aller Menschen in gepanzerten Gesellschaften vorhanden ist. So schreibt er in Massenpsychologie des Faschismus, daß „es heute keinen einzigen lebenden Menschen gibt, der nicht in seiner Struktur die Elemente des faschistischen Denkens und Fühlens trüge“.

Weiten Teilen der deutschen Bevölkerung muß es ziemlich sauer aufgestoßen sein und zu wilden Verschwörungstheorien Anlaß gegeben haben, daß die Juden (die nie mehr als 1 Prozent der deutschen Bevölkerung ausmachten) so über alle Maßen erfolgreich und einflußreich waren, etwa im Handel, bei den Banken, an der Börse, bei Versicherungen, an den Universitäten (sowohl als Studenten als auch im Lehrkörper), bei den Rechtsanwälten und Ärzten und nicht zuletzt im Kulturbetrieb. Andererseits wird gerne behauptet, daß die Kriminalstatistik jener Jahre zeige, daß ein deutlich überproportionaler Prozentsatz krimineller Handlungen (Raub, Mord, Vergewaltigung, Dokumentenfälschung, Kindesmißbrauch, Erpressung, Entführung, Unterschlagung, Betrug) von Juden begangen wurde. Solche Behauptungen werden von Antisemiten bis heute verbreitet. Daß sie totaler Schwachsinn sind, die Juden hier sogar eher unterrepräsentiert waren, wurde im Detail nachgewiesen. Daß Deutsche in jüdischen Armenvierteln, insbesondere im Berliner Scheunenviertel, ganz andere Eindrücke gewinnen mußten, ist natürlich von keiner Statistik erfaßbar.

Jedenfalls zeigt die Fälschung der Statistik das ganze Wesen des Antisemitismus: Die Juden waren den nicht-jüdischen Deutschen in jeder Beziehung überlegen. Aber ihr Erfolg wurde mit irgendwelchen „jüdischen Verschwörungen“ erklärt und entsprechend auch noch so getan, als seien „die Juden“ besonders große Schufte und würden ihre Positionen entsprechend ausnutzen. Wie sollten sie sonst die doch angeblich so überlegenen Arier überflügeln?! Daß „die Juden“ durch ihren Arbeitsethos und ihre überkommene Kultur, die so viel Wert auf Gelehrsamkeit legte, so erfolgreich waren und daß sie entsprechend gar nicht zur Kriminalität prädestiniert waren – dem antisemitischen Kleinen Mann will das nicht in den Schädel.

Natürlich sollte man auch nichts romantisieren und beschönigen, denn ohne Zweifel standen „die Juden“ an der Vorfront des Kapitalismus. Reich selbst war von seiner geschäftstüchtigen Verwandtschaft angewidert. Gleichzeitig waren in Rußland und Deutschland überproportional viele der kommunistischen Führer Juden. Einfachen Gemütern muß es um 1920 herum tief beunruhigt haben, daß auf der einen Seite so unverhältnismäßig viele der „Kapitalisten“ Juden waren und auf der anderen Seite so viele namhafte Kommunisten ebenfalls Juden waren.

Subjektiv glaubten viele Deutsche tatsächlich, daß sie sich „gegen die Juden wehren mußten“. Als dann 1933 in Deutschland eine durch und durch widersprüchliche Massenbewegung an die Macht kam, die ideologisch einzig und allein durch ihren Antisemitismus zusammengehalten wurde (der es erlaubte, gleichzeitig gegen den Kapitalismus und gegen den Kommunismus, d.h. eben „Nationalsozialist“ zu sein!), reagierten Juden in Europa und Amerika verständlicherweise extrem alarmiert und riefen öffentlich zum Boykott auf. In London, New York, Paris und Warschau vereinigten sich jüdische Geschäftsleute zu einem umfassenden „wirtschaftlichen Kreuzzug“. So fühlte sich die Hitler-Regierung moralisch vollkommen im Recht, d.h. fühlte sich als Opfer, als sie verkündete, es werde im Gegenzug in Deutschland einen eintägigen Boykott jüdische Geschäfte geben, wenn die Kampagne nicht aufhöre. Noch heute behaupten Neonazis, Hitlers Rede vom 28. März 1933, in der er einen Boykott gegen jüdische Geschäfte forderte, sei eine direkte Reaktion auf die „Kriegserklärung an Deutschland“ von Seiten des „internationalen Judentums“ gewesen. Objektiv war das von vornherein der pure Schwachsinn, aber subjektiv… Beispielsweise zeigen alle Dokumente und berichten Zeitzeugen, daß der tumbe Himmler, ein paranoid-schizophrener Charakter wie Hitler selbst, bis zum bitteren Ende fest von der „jüdischen Weltverschwörung“ überzeugt war.

Man kann sich über die Dummheit der damaligen und heutigen „Nazis“ aufregen, sollte aber zumindest einmal versuchen sich in das subjektive Empfinden dieser Leute hineinzuversetzen. Man muß also etwas tun, was keiner der Protagonisten jemals auch nur im Ansatz versucht hat: Gerechtigkeit walten lassen. Die Juden haben keinerlei Schuld auf sich geladen, „aber“ aufgrund ihrer unglücklichen Geschichte standen sie dort, wo Menschen verletzt wurden: an der vordersten Front von Kapitalismus und Kommunismus. Es war, im Vergleich mit ihrem geringen Anteil an der Gesamtbevölkerung, unverhältnismäßig wahrscheinlich, daß der „kalte Kapitalist“, der einen kleinen Handwerker in den Ruin trieb, etwa weil ein Kredit nicht verlängert wurde, ein Jude war. Jedenfalls machte es sofort die Runde, wenn er ein Jude war. Und wenn ein „roter Kommissar“, der zufällig jüdischer Abstammung war, ein Massaker zu verantworten hatte, waren im Bewußtsein der Beobachter sofort „die Juden“ schuld.

Geradezu alptraumhaft absurd wird das Bild dadurch, daß, kaum waren die Nazis an der Macht, eine Phase der inoffiziellen Zusammenarbeit zwischen der deutschen Regierung und der zionistischen Bewegung in Deutschland und weltweit begann. So bizarr diese seltsame „Interessengemeinschaft“ heute auch anmuten mag, so verfolgten in den darauffolgenden Jahren die SS und die Zionisten doch tatsächlich das gemeinsame Ziel, den Strom an deutsch-jüdischen Einwanderern nach Palästina zu erhöhen. Der wachsende Antisemitismus in Deutschland spielte in diesem Sinne sogar in die Hände der Führer der zionistischen Bewegung. (Das änderte sich drastisch nach dem Beschluß der „Endlösung“ und nachdem die Nazis sich der „palästinensischen Sache“ angenommen hatten. Gewisserweise ist die PLO eine Nachfolgeorganisation der NSDAP!)

Vor der Eskalation des Antisemitismus als Folge des obenerwähnten Boykotts hegte die Mehrheit der deutschen Juden wenig Sympathie für zionistische Bestrebungen. Auch Reich, der ohnehin 1922 offiziell die jüdische Gemeinde verlassen hatte, wollte mit dem Zionismus nichts zu tun haben und sah zu dieser Zeit das Heil der Juden einzig und allein in der weltweiten sozialistischen Befreiungsbewegung.

Daß die Geschichte manchmal merkwürdige (und für uns Nachgeborene schwer nachvollziehbare) Blüten schlägt, zeigt sich in diesem Zusammenhang z.B. auch dadurch, daß die spätere Magda Goebbels zuvor eine Liebschaft mit dem zionistischen Aktivisten Viktor Chaim Arlosoroff hatte, den Davidstern an einer Kette um den Hals trug (sic!) und mit ihrem Partner gemeinsam nach Palästina auswandern wollte. Wer hätte das von der nachmaligen Ehefrau des antisemitischen NS-Propagandaministers Dr. Joseph Goebbels gedacht?

Ähnlich bizarr erscheint, daß ausgerechnet der Sicherheitsdienst der SS dem späteren Protokollführer der Wannsee-Konferenz, Adolf Eichmann, (zusammen mit seinem SS-Kameraden Herbert Hagen) 1937 eine kostspielige Reise spendierte, „um die zionistische Arbeit in Palästina durch Besichtigungen persönlich kennenzulernen“ und die Zusammenarbeit mit den Führern des Zionismus zu intensivieren, damit das gemeinsame Ziel der forcierten Umsiedlung deutscher Juden nach Palästina befördert werde.

Was für ein nihilistischer Alptraum die Zeit des Nationalsozialismus war, wird auch daran deutlich, daß die SS am Ende des Krieges gewisserweise diese Verhandlungen wiederaufnahm.

Man wiederholt ständig, „daß Geschichte von Menschen“ gemacht wird, – um dann mit ellenlangen Statistiken und drögen Dokumentationen aufzuwarten. Beispielsweise läßt sich darüber trefflich streiten, ob die Rede vom „jüdischen Bolschewismus“ statistisch wirklich durch Fakten gedeckt wird. So kann man meinetwegen volkspädagogisch Leute aufklären, die zu neonazistischem Gedankengut neigen, aber um die Geschichte zu begreifen, bringen solche Darstellungen wenig. Wichtig ist allein, was damals massenwirksam war, d.h. geglaubt wurde, unabhängig von seinem Wahrheitsgehalt. Man muß in der Geschichte den „subjektiven Faktor“ wirklich ernstnehmen, ansonsten begreift man nämlich gar nichts. Reich hat das getan, als er damals etwas für Linke unerhörtes tat, nämlich indem er bei der Vorbereitung auf seine Massenpsychologie des Faschismus Hitler und Rosenberg wirklich las und sich in ihre Gedankenwelt einfühlte, statt nur nach Zitaten zu suchen, die man polemisch verwursten konnte. Erschreckenderweise wird das letztere noch heute getan in einer volkspädagogischen Schmonzette nach der anderen, die die historische Wissenschaft nachhaltig zerstören.

David Holbrook, M.D.: Die Grenzen und potentiellen Gefahren des Entweder-oder-Denkens und seine Beziehung zu „Funktionalismus“ und „Orgonometrie“

25. September 2025

DAVID HOLBROOK, M.D.:

Die Grenzen und potentiellen Gefahren des Entweder-oder-Denkens und seine Beziehung zu „Funktionalismus“ und „Orgonometrie“

Deutschland und die Emotionelle Pest (Teil 7)

24. September 2025

Der 6. Teil endete mit der faschistoiden „La Grande Nation“. Die Ironie der ganzen Angelegenheit (und das Bittere für Deutschland) ist, daß Frankreich besonders stolz auf seine „militärische Überlegenheit über Deutschland“ ist, da in beiden Weltkriegen Frankreich sich (sozusagen als „Erntehelfer“) unter die „Sieger“ einreihen konnte. Eine Position, die faktisch mehr als fraglich erscheinen muß.

Während des gesamten Ersten Weltkrieges waren die französischen Soldaten so schwach, daß sie es (sogar mit alliierter Unterstützung) nie geschafft haben, auch nur einen Fuß auf deutschen Boden zu setzen. Man darf auch nicht vergessen, daß die Deutschen an der Ostfront triumphal gesiegt hatten! Trotzdem legten die deutschen Soldaten ihre Waffen nieder, als noch Hunderttausende von ihnen tief auf französischem Boden standen, weil sie dem Versprechen von US-Präsident Wilson vertrauten, daß es einen „gerechten Frieden“ geben werde. Nachdem die Deutschen das getan hatten, benahmen sich die Franzosen sofort wie „die verdienten Sieger“, die die Deutschen arrogant erniedrigten, wo immer sie konnten.

Anfang der 1920er waren es im Rheinland vor allem schwarze französische und belgische Soldaten (z.B. aus dem Kongo oder Senegal), die, wenn sie auf dem Bürgersteig einer deutschen Straße auf einen deutschen Passanten trafen, sich einen Spaß daraus machten, diesem ins Gesicht zu spucken und brutal mit einer Peitsche Hiebe zu versetzen, bis er blutend niedersank. Diese verächtliche Behandlung von Seiten der vermeintlichen „Sieger“ brachte Hitler so sehr in Rage, daß er in Mein Kampf klagte: „Wer brachte den Neger an den deutschen Rhein?“ Hitler war auch wegen der deutschen Mädchen von Zorn erfaßt, die von Schwarzen vergewaltigt wurden und dabei „ihr Blut mit dem arischen Blut mischten“. Man denke auch an Hitlers Phantasmagorien über die „französische Krankheit“ (Syphilis). (Übrigens war auch nach dem Zweiten Weltkrieg das französische Besatzungsregime im Vergleich mit dem der Amerikaner und Briten mit Abstand das Härteste!)

Ins deutsch-französische Verhältnis spielen viele Elemente hinein, von denen sexualökonomische nicht die geringste Rolle spielen. Da wäre einmal der Haß der Deutschen auf die Franzosen, die mit ihrer Revolution und Bonapartes Eroberungsfeldzügen die Deutschen von einem noch immer weitgehend mittelalterlich geprägten Ständestaat in die Neuzeit katapultierten – mit all den neuen Freiheiten und Ungewißheiten, insbesondere was die Stellung der Frau in der Gesellschaft betraf.

Ein weiterer Faktor ist der Neid der deutschen auf die sprichwörtliche französische Lebenskultur („Savoir vivre“). Ich erinnere mich an die Aussagen eines Mannes, der zunächst in Deutschland in der Fabrik arbeitete und dann in Frankreich. Während es in Deutschland im Gespräch zwischen Kollegen fast ausschließlich um Fußball, schmierige Herrenwitze und anale Zoten ging, drehten sich die Gespräche in französischen Fabriken vor allem um reale amouröse Abenteuer, was leicht zu verifizieren war. Eine zwanghafte Analität und Verdruckstheit hier, eine erfrischende Genitalität und Offenheit dort. Gleichzeitig beneiden uns die Franzosen wegen unserer Arbeitsmoral und Effizienz. Es ist, als wenn in Frankreich die Sexualität die Arbeit blockierte, in Deutschland die Arbeit die Sexualität.

Für die Westeuropäer muß es im Ersten Weltkrieg gewesen sein, als wären von jenseits des Rheins tatsächlich „die Hunnen“ ins zivilisierte „römische Reich“ eingedrungen. Und tatsächlich war der Krieg gegen Belgien, das sich im Ersten Weltkrieg unerwarteterweise heftig zur Wehr setzte, äußerst brutal und ging mit Massenerschießungen von Zivilisten einher, es gab Plünderungen und „verbrannte Erde“ (aber auch fanatische, nicht uniformierte belgische Partisanen und Heckenschützen, die sogenannten „Franktireurs“, von denen Hitler oft sprach). In mancher Hinsicht zeichneten sich bereits die deutschen Kriegsgreuel des Zweiten Weltkriegs ab. Schon damals „Partisanenbekämpfung“! Zumindest teilweise war es auch bereits ein „Weltanschauungskrieg“, in dem das protestantische Preußen gegen das erzkatholische Belgien und das kaum minder katholische Frankreich focht. Tatsächlich hatten die Deutschen etwas von Glaubenskriegern: „Wenn ihr euch nicht wehrt, dann passiert euch nichts, aber sobald ihr die Faust gegen uns erhebt, werden wir den Bann über euch vollstrecken!“ Es wurde geradezu als ungeheures Sakrileg empfunden, daß die Belgier, die nicht mal eine richtige Nation waren, ihr eigenes Land verteidigten! Ganz ähnlich reagierten die Deutschen im Zweiten Weltkrieg, als die Polen und die Holländer „die ungeheuerliche Frechheit besaßen“ – zurückzuschießen… Der „Herrenmensch“, mit seinem ach so kostbaren Blut, macht seine Aufwartung!

Umgekehrt muß es für die Deutschen so gewesen sein, als würde sich die seelenvolle „Kultur“ (beispielsweise vertreten durch die Musikdramen Wagners) gegen eine entmenschte und liederliche französische „Zivilisation“ erheben (diesen terminologischen Gegensatz hat auch der frühe Thomas Mann immer wieder hervorgehoben), die schon damals viel von dem beinhaltete, was wir heute so an Amerika und Hollywood verabscheuen: das „Moulin Rouge“ und alles, wofür es steht. Objektiv hat auf beiden Seiten natürlich nur eines triumphiert: die Menschenfleisch zerfetzende und zermalmende Maschine. Das war die Essenz von Reichs Kriegserinnerungen: das sinnlose gegenseitige Massaker von Maschinenmenschen-Armeen.

Im Zweiten Weltkrieg besiegte Deutschland Frankreich in nur wenigen Wochen, obwohl die durch und durch kriegsunwilligen Franzosen einen enormen Rüstungsvorsprung vorzuweisen hatten und darüber hinaus erhebliche militärische und logistische Unterstützung von britischen Elite-Einheiten auf französischem Boden erhielten. Der eine oder andere wird sich an Heiner Geißlers berühmte Bundestagsrede erinnern, daß die Pazifisten in Frankreich für Auschwitz mitverantwortlich gewesen seien. Man war damals empört oder machte sich über Geißler lustig, aber der hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Mit dem entsprechenden Willen und einer fähigeren Militärführung hätten die Franzosen Hitler gleich am Anfang des Krieges in seine Schranken weisen können. Selbst die Tschechoslowakei hätte sich wehren können, wenn sie nicht im Namen des „Friedens“ von Frankreich und England verraten worden wäre! Jedenfalls hatte die Wehrmacht eine Todesangst vor der Tschechoslowakei und war drauf und dran, den wahnsinnigen Vabanquespieler Hitler zu entmachten – doch dann kam „München“!

Andererseits: Man hat sich immer wieder über die schlechten militärischen Leistungen der Italiener im Ersten und Zweiten Weltkrieg lustig gemacht, die nicht vergleichbar seien mit den Leistungen der deutschen Soldaten. Mag ja sein, aber die Italiener haben trotzdem ihre Ehre gerettet, während die Deutschen sie verwirkt haben. Die Italiener haben nämlich auffällig häufig Ritterlichkeit und Rücksicht, etwa auf verwundete Gegner gezeigt, während die Deutschen fast durchweg unter dem Motto handelten „Krieg ist Krieg!“ Die Deutschen haben ihre Seele an den Kriegsgott, an den Teufel verkauft, die Italiener nicht. So sehen sich die Italiener auch selbst gerne – und schätzen es gar nicht, wenn man sie an die ungeheuerlichen und feigen Massaker und die Giftgas-Einsatz im vollkommen sinnlosen Krieg in Abessinien erinnert…

Während der Jahre der deutschen Besatzung hatte Frankreich die höchste Rate an Kollaborateuren von allen besetzten Ländern. Nur mit Hilfe von 188 anderen Nationen (ohne jeden signifikanten eigenen Beitrag und nicht vor 1945) fand sich Frankreich schließlich unverhofft unter den Siegern wieder! In den 80 Jahren seitdem haben sie sich wie „die glorreichen und stolzen Sieger über Deutschland“ benommen. Bei der Wiedervereinigung 1989/90 mußte Kohl einer Kreatur wie Mitterand die Füße küssen und ihn um seine Erlaubnis bitten, welche Mitterrand erst gab, nachdem Kohl Frankreich Abermilliarden zusätzlicher Reparationszahlungen für die Stärkung der französischen Volkswirtschaft versprochen hatte. Nicht zuletzt zwangen uns die Franzosen als Preis für die Wiedervereinigung den Euro auf!

Der widerlichste Akt der Franzosen ereignete sich aber unmittelbar nach der Befreiung, als sie ihre Scham, ihre Schuldgefühle und ihren unterdrückten Haß vor allem an einer Bevölkerungsgruppe ausließen: an den Frauen, die mit deutschen Besatzungssoldaten „angebandelt“ hatten oder auch nur für deutsche Dienststellen als Sekretärinnen tätig gewesen waren: Rache für die „horizontale Kollaboration“.

Bei all dem gibt es nicht wirklich eine „gute“ und eine „böse“ Seite: es gibt nur die Emotionelle Pest und ihr Opfer, das Lebendige. Der mechanistische Geist stellt sich immer auf eine Seite, deren Fehlverhalten geflissentlich relativiert wird, und fühlt sich dann vielleicht sogar als großer „Aufklärer“. Ganz vergessen wird dabei, daß es immer nur um die eine Sache geht:

Deutschland und die Emotionelle Pest (Teil 6)

23. September 2025

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gab es in Europa nur wenige Staaten, die demokratisch regiert wurden, insbesondere natürlich die ursprünglichen Alliierten Frankreich und England. Ansonsten war der Kontrast zwischen Hitler und den Regierungschefs anderer Länder nicht derartig groß, wie uns das heute erscheinen mag. Man denke nur an Stalin, Mussolini, Franco, Dollfuß, Pavelić, Antonescu usw. Die Demokratie war in der Defensive, denn selbst in England (die Mosley-Faschisten) und Frankreich (Action française) hatte der Faschismus reale Chancen an die Macht zu kommen, d.h. beinahe wären auch sie den Weg Deutschlands gegangen.

Selbst was Amerika betrifft, hatte die Roosevelt-Administration mit ihrem New Deal eindeutig faschistische Züge. Damals wurden genau jene Institutionen geschaffen bzw. bekamen erst richtig Macht, die Reich zum Verhängnis werden sollten.

Kompliziert wird das ganze dadurch, daß praktisch alle diese Regime vom „Volkswillen“ getragen wurden, insbesondere aber das Hitler-Regime, was nicht zuletzt durch die Saarabstimmung 1935 evident wurde. Und man denke doch auch bitte daran, wie ungeheuerlich es doch ist, daß ausgerechnet Frankreich wenige Jahre nach dem Krieg mit de Gaulle ein Präsidialregime einführte, das eher die Karikatur einer parlamentarischen Demokratie darstellt! Und vor dem Krieg orientierte sich Hitler ausgerechnet an dem denkbar „undeutschen“ Zentralismus Frankreichs!

Wie Teil 3 angeschnitten, richten sich große Nationen nach ihren (vermeintlich objektiven) geostrategischen Interessen. Was dabei stets hineinspielt und unzählige Menschenleben fordert, ist ein Faktor, den die Historiker stets übersehen: die Emotionelle Pest. Beispielsweise hatte Europa nach der vollkommenen Einkesselung durch den Islam keine andere Wahl, als weite Schiffsexkursionen zu unternehmen und neue Handelsruten aufzutun. Aber nichts zwang sie, nun ihrerseits Reiche zu zerstören und ganze Völker zu versklaven. Da diese selbst auf Handel erpicht waren, war das Vorgehen der Europäer letztendlich sogar für sie selbst kontraproduktiv. In der Auseinandersetzung mit den Mohammedanern hatten sie, insbesondere die Spanier, aber nichts anderes gelernt als „Mord, Todschlag und Brandschatzen“.

Ähnliches läßt sich über Deutschland sagen, das als „Mittelmacht“ mit vielen Nachbarn (das Land mit den meisten Nachbarn überhaupt) ungeschützt mitten in Europa liegt. Die Emotionelle Pest brachte Deutschland dazu, nach preußischer Militärtradition (die auf die Kreuzzüge, d.h. den Deutschritterorden zurückgeht) wild um sich zu schlagen und die Nachbarn einzuschüchtern, statt einfach nur die logische Schlußfolgerung aus der prekären Lage zu ziehen und sich mit den umgebenden Völkern und Staaten anzufreunden, also genau das zu tun, was Europa-Enthusiasten wie Helmut Kohl als Lehre aus den beiden Weltkriegen angestrebt haben. (Daß die EUdSSR selbst ein Vehikel der Emotionellen Pest ist, steht auf einem ganz anderen Blatt!) Die umliegenden Länder, außer dem seit Richelieu isolationistischen Frankreich, waren ohnehin von deutscher Kultur durchdrungen und fast jeder konnte Deutsch verstehen, manchmal sogar sprechen. Die beiden Weltkriege, in denen sich Deutschland „befreien“ wollte (weiß Gott wovon!), haben das alles nachhaltig zerstört. Seit der Zeit der Hanse ist die deutsche Mission Kultur und friedlicher Handel, nicht preußisches Tschingderassabum!

Was die Kolonisation in Übersee betrifft: immerhin war sie nicht immer so schlecht für die indigenen Völker, wie es aus politisch und moralisch korrekter Warte heute gerne dargestellt wird – selbst vom Standpunkt der viel beschworenen „Menschenrechte“ her nicht. Indien zum Beispiel entwickelte sich technologisch, ökonomisch und von der Infrastruktur her viel schneller, als es dies ohne die Briten getan hätte. Daß es Anschluß an das britische Rechtssystem fand, war ein großer Fortschritt im Vergleich zu dem landesüblichen reaktionären und inhärent rassistischen Kastensystem mit seinen Witwenverbrennungen und seinem mörderischen Obskurantismus. In Afrika setzten die Europäer dem mohammedanischen Sklavenhandel ein Ende, der Abermillionen Menschenleben gekostet hat. Queen Victoria war eine entschiedene Abolitionistin und verbot die Sklavenhaltung im Britischen Empire. Selbst Mussolinis Abessinien-Krieg ließ sich damit rechtfertigen, daß dort mit der übelste Sklavenhandel ganz Afrikas herrschte. Gut möglich, daß die Europäer die Schwarzafrikaner vor der endgültigen Ausrottung durch die Araber bewahrt haben! Die Negersklaven der Araber wurden kastriert, was nur die wenigsten überlebten, entsprechend astronomisch war der Bedarf nach immer neuen Schwarzafrikanern. (Der Leser sollte sich einmal fragen, warum es in der arabischen Welt trotz jahrhundertelanger Sklaverei nur ganz vereinzelt Schwarze gibt!)

Ja, und selbst Hitlers kolonialistischer Feldzug gegen die Sowjetunion war, was etwa die Ukraine betrifft, in vieler Hinsicht eine Befreiung – sie wurde von der unter dem Stalinistischen Terror leidenden Bevölkerung jedenfalls subjektiv so wahrgenommen. Zahllose Erlebnisberichte deutscher Soldaten beweisen das. Die ukrainischen Frauen und Männer, die die vorstoßenden deutschen Verbände enthusiastisch am Wegesrand mit den traditionellen Gastgebergeschenken Brot und Salz begrüßten und segneten, konnten nicht ahnen, daß Hitler ein Modju und geisteskrank war und es ihm um die Unterwerfung und weitgehende „Ausmerzung“ der „Sklavenvölker“ ging. Die Überlebenden sollten, so Hitlers Plan, schließlich ein Leben wie die schwarzen Sklaven in den Südstaaten der USA fristen: sie sollten ungebildet bleiben und, verdummt durch den christlichen Aberglauben und dessen pazifistische Botschaft, den deutschen Herrenmenschen die Stiefel lecken.

Auch finde ich es interessant, daß Historiker dazu neigen, über bestimmte Figuren der Geschichte deutlich milder zu urteilen, je mehr Jahre verstrichen sind, seitdem sie auf Erden wandelten. Was Hitler betrifft, so stimmen alle darin überein, daß er ein „unbeschreiblich böser Teufel“ war. Die gleichen Menschen bewundern jedoch pestilente Charaktere wie Julius Caesar, Napoleon Bonaparte, General Sherman, Cecil Rhodes, Ho Chi Minh, Che Guevara oder Leo Trotzki – obwohl diese nicht minder menschenverachtend waren und handelten als Hitler. Trotzki hing sogar wilden Zukunftsphantasien über einen rassisch überlegenen sowjetischen Übermenschen an!

Und wen kümmert es heute noch, daß Frankreichs Glorie auf Massenmord beruht? Nach der Französischen Revolution (die jedes Jahr von französischen Schülern voller Pathos gefeiert wird), haben die sozialistischen „Jakobiner“ (die Gestapo bzw. der KGB der damaligen Zeit) über 40 000 Menschen während des sogenannten „großen Terrors“ ermordet; die meisten Opfer wurden gefoltert und dann guillotiniert.

Zur „ruhmreichen Geschichte“ Frankreichs gehören brutale Pogrome gegen religiöse und ethnische Minderheiten; Massaker wie die Bartholomäus-Nacht vom 23. auf den 24. August 1572. Trotzdem ist Frankreich wahrscheinlich die stolzeste und die nationalistischste Nation auf Erden, vielleicht sogar mehr als die Briten. Der französische Staat stand immer für Ruhm und Prunk. Selbst neutrale Historiker sagen, daß die öffentliche Inthronisierung des Sozialisten Mitterrand 1981 die pathetischste, prätentiöseste und teuerste Demonstration von Staatsmacht war, die die westliche Welt je gesehen hat (und dabei selbst Hitlers „Wagnerianische Inszenierung“ übertraf). Heute wissen wir, daß Mitterand, ein Veteran des Vichy-Regimes, dem Pétain einen Orden verliehen hatte, ein korrupter Schaumschläger war, der es liebte, sich mit Kriminellen zu umgeben.

Max Stirner, Soter (Teil 29, Abschluß der Blogserie)

22. September 2025

Stirner zeigt, daß man in dieser Gesellschaft zwar urteilen und kritisieren darf, aber nur vom Standpunkt der „Liebe“ aus, d.h. voll Respekt vor der „Heiligkeit“ der Sache oder der Person. Aber genauso wie Urteile aus Haß, „gehässige Urteile“, Urteile des uns beherrschenden Hasses sind, sind auch Urteile, die uns die Liebe eingibt, gar nicht unsere eigenen Urteile.

Gegen die Welt, besonders gegen die Menschen, soll Ich eine bestimmte Empfindung annehmen, und ihnen von Anfang an mit der Empfindung der Liebe, „mit Liebe entgegenkommen“. Freilich offenbart sich hierin weit mehr Willkür und Selbstbestimmung, als wenn Ich Mich durch die Welt von allen möglichen Empfindungen bestürmen lasse und den krausesten, zufälligsten Eindrücken ausgesetzt bleibe. Ich gehe vielmehr an sie mit einer vorgefaßten Empfindung, gleichsam einem Vorurteil und einer vorgefaßten Meinung; Ich habe mein Verhalten gegen sie Mir im voraus vorgezeichnet, und fühle und denke trotz all ihrer Anfechtungen nur so über sie, wie Ich zu fühlen einmal entschlossen bin. Wider die Herrschaft der Welt sichere Ich Mich durch den Grundsatz der Liebe; denn was auch kommen mag, Ich – liebe. Das Häßliche z.B. macht auf Mich einen widerwärtigen Eindruck; allein, entschlossen zu lieben, bewältigte Ich diesen Eindruck, wie jede Antipathie

Aber die Empfindung, zu welcher Ich Mich von haus aus determiniert und – verurteilt habe, ist eben eine bornierte Empfindung, weil sie eine prädestinierte ist, von welcher Ich selber nicht loskommen oder Mich loszusagen vermag. Weil vorgefaßt, ist sie ein Vorurteil. Ich zeige Mich nicht mehr gegenüber der Welt, sondern meine Liebe zeigt sich. Zwar beherrscht die Welt Mich nicht, desto unabwendbarer aber beherrscht Mich der Geist der Liebe. Ich habe die Welt überwunden, um ein Sklave dieses Geistes zu werden. (Der Einzige, S. 329f)

Es geht um eine „freiwillige“, um eine „eigene“ Liebe, gegen eine „zinspflichtige“ Liebe, die man als „Tribut“ entrichten muß (Der Einzige, S. 341).

Bereits auf der ersten Seite seines Buches (Der Einzige, S. 3) wird deutlich, daß Stirner imgrunde dasselbe sagt, was Reich mit anderen Worten und Akzenten 100 Jahre später in Christusmord sagen wird: wenn Wahrheit und Liebe nicht meine Sache sind, sondern eine „höhere Sache“, sind es eben nicht Wahrheit und Liebe – sondern das Gegenteil.

Jahrtausende der Kultur haben Euch verdunkelt, was Ihr seid, haben Euch glauben gemacht, Ihr seiet keine Egoisten, sondern zu Idealisten („guten Menschen“) berufen. Schüttelt das ab! (…) Erkennet Euch nur wieder, erkennet nur, was Ihr wirklich seid, und laßt eure heuchlerischen Bestrebungen fahren, eure törichte Sucht, etwas Anderes zu sein, als Ihr seid. Heuchlerisch nenne Ich jene, weil Ihr doch alle diese Jahrtausende Egoisten geblieben seid, aber schlafende, sich selbst betrügende, verrückte Egoisten, (…) Ihr Selbstpeiniger. (Der Einzige, S. 181)

Das Streben nach „Freiheiten“ ist „hohle Theorie“, wirkliche Praxis beginnt nicht mit der Frage nach irgendwelchen Träumen und Vorstellungen, sondern bei der Frage nach sich selbst. Sie beginnt damit, daß man sich selbst ganz und gar zum Mittelpunkt und Ausgangspunkt macht (Der Einzige, S. 177). „Genug, es ist ein mächtiger Unterschied, ob Ich Mich zum Ausgangs‘ oder zum Zielpunkte mache. Als letzteren habe Ich Mich nicht, bin Mir mithin noch fremd, bin mein Wesen, mein ‚wahres Wesen‘, und dieses Mir fremde ‚wahre Wesen‘ wird als ein Spuk von tausenderlei Namen sein Gespött mit Mir treiben. Weil Ich noch nicht Ich bin, so ist ein Anderer (wie Gott, der wahre Mensch, der wahrhaft Fromme, der Vernünftige, der Freie usw.) Ich, mein Ich“ (Der Einzige, S. 368). „Ich bin Ich, und Du bist Ich, aber Ich bin nicht dieses gedachte Ich, sondern dieses Ich, worin Wir alle gleich sind, ist nur mein Gedanke. Ich bin Mensch und Du bist Mensch, aber ‚Mensch‘ ist nur ein Gedanke, eine Allgemeinheit; weder Ich noch Du sind sagbar. Wir sind unaussprechlich, weil nur Gedanken sagbar sind und im Sagen bestehen“ (Der Einzige, S. 348).

Charles Konia in der Diskussion (Teil 3)

21. September 2025

Der amerikanische Orgonom Dr. Charles Konia erhebt Einspruch gegen die Drogenpolitik, sei sie libertär oder restriktiv: Ein Musterbeispiel für die Emotionelle Pest: Der Krieg gegen die Drogen

Robert (Berlin) kommentierte 2014:

Ein faszinierender Artikel im SPIEGEL. Ein Forscher bestätigt, dass die Charakterstruktur wichtiger ist als die süchtig machende Wirkung von Drogen.

US-Suchtforscher: Die Mär von der Horrordroge Crystal Meth

Wie gefährlich ist Crystal Meth wirklich? Der US-Forscher Carl Hart lädt Süchtige in sein Labor und untersucht ihren Konsum. Er findet: Die Risiken vieler Drogen werden bizarr übertrieben.

Dagegen wandte ich ein:

Das Problem mit dem Drogen und der restlos überzogenen Anti-Drogen-Propaganda. Beispielsweise würde es kaum etwas schaden, wenn man regelmäßig reines (!) Heroin zu sich nimmt. Es ist nur immer die Frage, was die Drogen ENERGETISCH anrichten. Bei Heroin ist es langfristig die restlose Zerstörung der Sexualfunktion. Über das ach so „harmlose“ Cannabis habe ich mich bereits genug ausgelassen. Die übertriebenen Horrordarstellungen sind zwar nicht wahr, aber wahrhaftig, d.h. sie treffen den FUNKTIONELLEN Kern des Problems.

In Der Zerfall der autoritären Gesellschaftsordnung beschäftigt sich Dr. Konia mit dem Hintergrund des Jugendwahns:

Robert (Berlin):

Worauf Konia in seinen Artikeln nicht eingeht, ist der sichtbare Ausdruck dieser Umwandlung in den Künsten und im Film. In den Siebzigern häuften sich destruktive, sadistische Filme als Ausdruck der sekundären Triebe und heutzutage gibt es überhaupt keine Trennung mehr zwischen primären und sekundären Trieben.

Jonas frägt:

Handelt es sich eigentlich hierbei um einen historisch erstmaligen Vorgang, oder haben sich ähnliche Entwicklungen in der Menschheitsgeschichte schon einmal zugetragten?

Das konservative Lager (Spengler etc.) hat sich ja ausführlich mit Zivilisationsniedergängen beschäftigt. Lassen sich da irgendwelche Parallelen ziehen?

Darauf ich:

Natürlich hat es immer Erscheinungen gegeben, die Konia für heute beschreibt. In der Antike, bei Villon, bei dem was Reich in DER TRIEBHAFTE CHARAKTER beschreibt. Es gab immer Perioden der Dekadenz, des Zerfalls und der Anarchie. Aber gleichzeitig hat sich nichts verändert: in der Masse (!) der Menschen blieb die Panzerstruktur einigermaßen konstant gleich. Das änderte sich drastisch seit etwa 1960 als im Gefolge der sexuellen Revolution der Panzer wegbrach und sich neu organisierte. Psychotherapeuten schauen heute nostalgisch auf die Zeit Freuds zurück, denn statt klassischer Neurosen müssen sie mit Frühstörungen, Impulskontrollverlust und immer bizarreren Dingen ringen. Man frägt sich beispielsweise schließlich, ob es noch junge Frauen gibt, die sich nicht ritzen. Gibt es natürlich, aber die Wirklichkeit nähert sich immer mehr dem Eindruck.

BTW: das erklärt auch meine abgrundtiefe Verachtung für Leute wie Erich Fromm unter deren Nase sich die radikalste Wandlung der Menschheitsgeschichte seit dem „Einbruch der sexuellen Zwangsmoral“ abspielte, die aber die Bedeutung der Sexualität vehement leugneten – und die Reich „Aggressivität“ vorwarfen, als er auf seinem Standpunkt beharrte. Was für ein Haufen! Grrrrrrrrrrrrr!

O.:

Konia und Fromm scheinen hier einen Konsens gefunden zu haben, der „triebhafte“ sei der „antiautoritäre Charakter“. Fromm wünscht sich diesen und Konia – nach historischer Rückschau – kritisiert ihn als falsche Entwicklung – auch auf politischer und soziologischer Ebene.

Und weiter:

Wo das Schlagwort Erich Fromm schon gefallen ist und mir auch seit gestern durch den Kopf spukt: War es nicht Erich Fromm, der den „autoritären Charakter“ als Terminus formulierte – natürlich in nicht benannter Inspiration von Reich. Er übernahm das in der Charakteranalyse vorgestellte Konzept des triebgehemmten (!) Charakters, des gepanzerten Menschen, der unfähig ist, sich gegen die Obrigkeiten und falschen „Autoritäten“ aufzulehnen. Seine stupide Analyse wäre als Lösung nicht der genitale Mensch, dann hätte er ja Reich angeben müssen, sondern der „antiautoritäre Mensch“, derjenige, der nicht mehr mit Angst vor Autoritäten lebt. Natürlich empfiehlt er auf dem Weg dahin nicht die Orgontherapie/Charakteranalyse.

Seine „soziologische“ Lösung ist die Befreiung aus dem Sadismus-Masochismus Verhältnis. Wie das gehen soll, weiß ich nicht, er vermutlich auch nicht richtig.

Nun, ob er den „antiautoritären Charakter“, den der sich von Psychopathen nicht verwickeln läßt, formuliert hat, kann ich nicht belegen – auf die Schnelle.

Aber Bakers und Konias Modell erscheint mir in dieser Hinsicht auch mehr Fromms Ideenplagiat zu folgen, denn Reichs. Nur die Emotionelle Pest läßt Baker et al. über diese Ableitung von Fromm erhaben zu sein. Für mich entwickelt es sich einmal mehr zum „Frommplagiat“, wobei es nicht um die Originalität geht, sondern eine vergleichbare schwache Argumentation, die nicht auf Reichs Charakteranalyse fusst – zumindest nicht stabil steht!
Als „zwanghafter“ Theoretiker hätte Baker genauer, detaillierter und stichhaltiger seine Ausführungen ins Gebäude von Reich stellen müssen. Konia nimmt die Diskussion mit der „antiautoritären Erziehung und Gesellschaft“ auf und postuliert (plausibel) einen Gesellschafts- und Charakterwandel. Er sagt zwar das genaue Gegenteil von Fromm, aber mit letztlich gleicher Frommscher Sicht als quasi „marxistische“ Gesellschaftsentwicklungstheorie vom Wandel durch äußere Umstände …

Nun ist mein Gedanke noch nicht formvollendet und sicher argumentativ umstürzbar.

Es sei auch an Fromms Werk für Pubertierende erinnert: „Die Kunst des Liebens“ ohne ein Wort über Sexualität (Funktion des Orgasmus) zu verlieren, in dem er vorschlägt sich zuerst lieben können zu müssen, um dann den (christlich) Nächsten zu lieben, rein platonisch natürlich. Und quasi erst dann könne eine Liebesbeziehung reif und erfüllt zu einer Lebenspartnerschaft führen – so oder ähnlich verklärt. Ein Traummodell für „Weicheier“ und postfeministische Zicken, die sich zuerst immer als Sexualobjekt verstehen, weil ein Mann auf ihre laszessiven Angebote eingegangen ist.

– Upps, Das habe ich doch mal wieder schön gesagt

https://de.wikipedia.org/wiki/Autorit%C3%A4rer_Charakter zur schnelleren Orientierung.

Darauf Jonas:

Aus meiner (oberflächlichen) Beschäftigung mit Fromm meine ich mich zu erinnern, dass er irgendwo vom „biophilen“ Charakter als positivem Ideal spricht – als Gegensatz zum nekrophilen Charakter.

Mit dem Konzept des „autoritären Charakters“ ist ja besonders Adorno hervorgetreten und hat sich dabei wohl direkt an Reich orientiert, was er aber nur in privaten Briefwechseln zugegeben hat. An Fromm wollte er sich nicht halten, da dieser die psychoanalytischen Kriterien zu sehr mit soziologischen vermische, während Reich die Bereiche getrennt habe.

(Beides aus dem Gedächtnis paraphrasiert, Quellen müsste ich heraussuchen.)

Ich warf ein:

Das mit der Biophilie und Nekrophilie findet sich in ANATOMIE DER MENSCHLICHEN DESTRUKTIVITÄT. Ist m.E. Erachtens, wie fast alles bei Fromm ein Reich-Plagiat: OR gegen DOR.

Jonas:

Der wichtige Unterschied zu Reich ist wohl, dass bei Fromm alles hübsch folgenlos formuliert ist. Ein Ideal, gegen das kein Mensch etwas haben wird – da kein konkreter Weg beschrieben ist, wie es zu erreichen wäre.

Daraufhin Klaus:

Eben. Fromm ist der Peace-Friedensheini schlechthin: Wer argumentiert und etwas vertritt, ist ‚aggressiv‘.

Jonas:

Die Unterscheidung biophil vs. nekrophil kenne ich aus folgender Dissertation, in der Reich und Fromm aber nur ganz am Rande erwähnt sind:

Dort wird referenziert auf:

Fromm, E. (2000). Die Seele des Menschen. Ihre Fähigkeit zum Guten und zum Bösen. (Übers. E. Mickel u. L. Mickel). München: Deutscher Taschenbuch Verlag.

Die Adorno-Geschichte müsste sich in den Briefwechseln von Adorno und Horkheimer finden. Ich hatte die Episode vor Jahren in einer Adorno-Biographie entdeckt, weiß allerdings nicht mehr, in welcher.

Falls es wichtig ist, würde ich der Quelle nächste Woche in der Bibliothek nachspüren.

O.:

Fromms Autoritärer Charakter (A.Ch). beschreibt den Sadisten, der seine Macht vom Masochisten (Maso) – und den Maso-Massen (Triebgehemmten) erhält.

Für Konia sind die A.Ch.-Typen positiv besetzt, existieren aber nach dem „antiautoritären Wandel“ nicht mehr. Die Masos (als Anti-Autoritäre-Typen) sind zur sadistischen EP geworden mit einer netten Maske.

Meine These ist eher konservativ nach Reich: Nothing has changed, neither character nor societey. Maybe the mask has changed. (dt.: Die soziale Maske ist wohl eine andere)

Abschließend ich:

Hier ein Beispiel wie die antiautoritäre Gesellschaft wirklich alles erfaßt:

„Ob Söders vier Kinder ihn nach diesem ‚Hingucker‘ noch erst nehmen können?“ Wer wählt bloß diese Clowns aus der sozialistischen Einheitspartei CDUCSUFDPSPDGRÜNELINKE?!