
Wilhelm Reich, Physiker: 1. Biophilosophie, d. Kant, Swedenborg, Newton und LaMettrie
Die Geschichte wiederholt sich immer wieder, was es möglich macht Grundmuster zu erkennen. Was Beispielsweise Peter Gay in seiner Freud-Biographie über Alfred Adler geschrieben hat, trifft wortwörtlich alles auf Alexander Lowen zu. Adler hatte mit einer „Psychoanalyse ohne Libido“, die ganz auf den Gegensatz von Machtstreben und Gemeinschaftsgefühl aufgebaut war, einigen Erfolg. Bei Lowen war es eine Karikatur der Orgontherapie ohne Orgonenergie und Genitalität. Ich zitiere Gay. Freud habe gesagt, Adlers Darstellungen seien so abstrakt, „daß sie oft unverständlich seien“. Und weiter:
Außerdem neige Adler dazu, bekannte Ideen unter neuen Namen zu präsentieren. „Man hat den Eindruck, daß in dem ‚männlichen Protest‘ irgendwie die Verdrängung steckte.“ Mehr noch, „unsere alte Bisexualität heißt bei ihm psychischer Hermaphroditismus, als ob es etwas anderes wäre“. Aber eine falsch, fabrizierte Originalität sei noch das Geringste: Adlers Theorie vernachlässige das Unbewußte und die Sexualität. Sie sei nur „allgemeine Psychologie“, zugleich „reaktionär und retrograd“. (Freud, Fischer TB, 2006, S. 253)
Hinzu kommt Ferenczis Hinweis, daß Adlers „Minderwertigkeitslehre“ eine breitere Ausführung des Freudschen Konzepts des „körperlichen Entgegenkommens“ sei. Freud sagte damals voraus: „All diese Adlerschen Lehren werden großen Eindruck machen und der Psychoanalyse zunächst sehr schaden“ (ebd., S. 254). Wie gesagt, alles wie mit Lowen und der Orgonomie!
Die Massen in den überlaufenden Wartezimmern der „objektivierenden“ Psychotherapeuten warten auf Töpfer (Tiefenwahrheit, S. 73), der sich auf Stirner beruft: „Stirner (…) war die Ausgeburt des Subjektiven; das machte ihn zum ‚bedeutsameren Denker‘ (Laska), und deswegen ist er unser Leitstern“ (S. 73). Reich, der „ich-feindliche Mechanist“ (S. 302), hingegen sei ein „enthemmter Anti-Subjektivist (…), der als Helfer bei einer Eignerwerdung im stirner‘schen Sinne von vornherein nicht in Frage kam“. Reich hätte doch lieber Landwirt bleiben oder sich auf Naturwissenschaft beschränken sollen! Außerdem war er, wie Laska, „ich-schwach, in beträchtlichem Maße entfremdet und von großem Mißtrauen sich selbst gegenüber gewesen“ (S. 101).
Ahnt Töpfer eigentlich wie modern oder sagen wir lieber „postmodern“ (antiautoritär) er mit seinem radikalen, alles Objektive dekonstruierenden Subjektivismus ist? Für ihn ist die subjektive Wahrheit die eine und einzige Wahrheit (S. 102). Sieht er nicht, daß heute, in der woken Gesellschaft, alle Diskussionen postphilosophisch ablaufen, d.h. rationale („kognitive“) Argumente spielen keinerlei Rolle mehr, sondern nur noch Gefühle, allein schon, wenn man falsche oder verbotene Worte benutzt? Im Zweifelsfall enden die Diskussionen dann emotional-affektiv mit Weinen oder hysterischen körperlichen Bedrohungen.
„Es nimmt angesichts der Heerscharen von Wahrheitskrämern nicht Wunder, daß die Wahrheit bei Stirner gehörig ihr Fett abkriegt.“ Dieser Satz Töpfers zeigt, daß er nicht die blasseste Ahnung von dem hat, was Wahrheit (Kontakt) und was Wahrheitskrämerei (der kontaktlose Umgang mit der Wahrheit) ist. Stirner habe „nur“ die äußere Wahrheit, „auf die Welt außer mir bezogene Wahrheit“, denunziert. Verwirrenderweise fährt er im nächsten Satz fort: „Gegen diese ‚zahllosen Wahrheiten‘ hatte er ja auch gar nichts.“ Aber es sei halt nicht seine innereWahrheit: „die Wahrheit, die er zur Konstituierung seiner Person (seines ‚Eigners‘) und zu seinem Verkehr braucht“ (S. 104). Für mich sind diese Ausführungen nichts weiter als wirres Zeugs! Wahrheit ist Kontakt mit der Wirklichkeit und wer keinen Kontakt zu sich selbst hat, kann auch keinen Kontakt zu seiner Umgebung haben und umgekehrt. Punkt. Ende der Diskussion!
Und was die Wirklichkeit betrifft und damit die Wahrheit: wir haben Hunderte von Millionen Jahren von Evolution, d.h. Anpassung an die Wirklichkeit, hinter uns. Wir können hundertprozentig sicher sein, daß wir die Welt exakt so wahrnehmen, wie sie ist. Eine hypothetische „wirkliche Wirklichkeit“ kann uns gleichgültig sein. Hauptsache der Schlüssel (wir) paßt zum Schloß (die Umwelt). Unser einziges Problem ist die Panzerung, die den Kontakt verzerrt. Punkt. Ende der Diskussion!
Dazu schreibt der offensichtlich vollkommen ungepanzerte Töpfer: „Meine Wahrheit entsteht in mir, ich pflücke sie nur in mir ab, und dann weiß ich sie – ist sie mir ‚gewiß‘. Manchmal muß ich sie, im Unterschied zu Stirner, der sie ja angeblich schon vollumfänglich hat, auch suchen – aber eben nur in mir, niemals im Äußeren (es sei denn, ich bin Ingenieur und will eine Maschine bauen)“ (S. 106). – Oder essen, arbeiten, lieben, mich in der Umwelt bewegen, überhaupt irgendwie außerhalb meines Kopfes leben und – überleben!
Töpfer: „Stirner meint mit der Wahrheit (…) irgendeine höhere Wahrheit, die weitab von mir ist und nach der ich von vornherein nur im Außen suche – Politik, Geschichte, Wissenschaft, Philosophie –, anstatt daß ich ‚bei mir zuhause nachsehe‘ (Otto Waalkes), oder die jetzt in mir ist, weil ich sie hereingenommen, die ich von außen übernommen habe (‚Über-Ich‘)“ (S. 106). Die „äußere Wahrheit“, daß ich lieber nicht prüfen sollte, ob eine Herdplatte angeschaltet ist, indem ich meine Handfläche auf sie lege, ist schlichtweg realitätsgerecht und „Wissenschaft“ und deshalb, wenn ich es einem Kind vermittle meinetwegen „rationales Über-Ich“. Nur Unsinn, etwa das Tragen einer Covid-Maske, das Kindern eingebleut wurde, erzeugt ein „irrationales Über-Ich“. – Bei Töpfer geht das alles im Wirbelwind pseudo-philosophischer Phrasen unter! Immerhin ist die „objektivistische“ Wissenschaft ja sein Hauptgegner!
Töpfer:
Psychologie ist als Wissenschaft das neue Heilige: etwas Höheres – nichts Gutes wie die Mathematik (…). Stirner weiter dazu: „Warum ist eine unumstößliche mathematische Wahrheit, die nach dem gewöhnlichen Wortverstande sogar eine ewige genannt werden könnte, keine – heilige? Weil sie keine geoffenbarte, oder nicht die Offenbarung eines höhern Wesens ist.“ Jede Anthropologie aber kann ebenfalls, selbst wenn sie mit mathematischen Mitteln arbeitet, nur eine solche geoffenbarte Wahrheit sein, weswegen ich sie nicht mag. (S. 107)
Daß grundsätzlich alle bisher erforschten Menschengruppen die gleichen Grundemotionen zeigen, daß es nie und nirgends vegane Menschengruppen gab, überall Linkshänder in der Minderzahl sind, etc.pp. und daß in der wissenschaftlichen Anthropologie alles durch den Fleischwolf der Frage nach der statistischen Relevanz der Ergebnisse gedreht wird, gerade um alles Ideologische, d.h. „Über-Ichige“ auszuschließen… Seufz! – Das bedeutet nicht, daß die Wissenschaft „heilig“ ist, sondern nur, daß die Wirklichkeit dich zum Straucheln bringen wird, wenn du das kollektiv angesammelte Wissen ignorierst und vollkommen verpeilt deiner „inneren“ vermeintlichen „Wahrheit“ folgst und entsprechend selbst jeden Scheiß auf die harte Tour lernen mußt!
Warum Töpfer so ist, teilt er uns selbst mit. Seine „Wahrheitstheorie“ begann im Alter von 15 Jahren, als er auf seinen initialen Hauptgedanken kam: Wenn ich unter irgendetwas leide – wenn zum Beispiel meine Mutter sterben sollte –, dann muß ich nur darüber nachdenken, dann muß ich mir das genau vorstellen und analysieren. Dann könne mir nichts passieren“ (S. 108). Die Seelenwelt des tatsächlich noch „ich-schwachen“ Kindes, das an die Allmacht der Gedanken glaubt, an die die Welt konstituierende „innere Wahrheit“. Wenn ich die Augen zumache, sieht mich niemand!
Das ist der Kern des gesamten Projekts „Tiefenwahrheit“. Laska habe nur paraphilosophische Kriminalgeschichte betrieben, um eine illusorische bzw. verbrecherische Praxis der Neurosenprävention zu initiieren (Stichwort Pädosex), doch ich, Töpfer, verändere die Welt, indem ich die Augen zumache und in mich gehe. Ich werde sozusagen effektiv, indem ich affektiv werde… Mein, Töpfers, Maßstab von Aufklärung und Wahrheit ist die Holocaustleugnung! Willkommen in der wunderbaren Welt von – LST! Aber es geht tiefer:
Rückblickend hätte ich mir LSR sparen können. LSR war nur ein Umweg zu SJT bzw. ST, d.h. zur Tiefenwahrheit als stirneristischem Verfahren zur „Selbstermächtigung“ (Laska) bzw. zur Wieder-Aneignung. Für ein solches Verfahren scheidet R sowieso aus. Dieser hatte auch einen Umweg genommen, aber einen unproduktiven: über Freud zurück zu seiner Naturwissenschaft. Meiner, über Reich und Janov, war produktiv. (S. 658)
Der amerikanische Orgonom Dr. Charles Konia über den Ausschluß Wilhelm Reichs aus der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung 1934: Ein schicksalhaftes Ereignis
Robert (Berlin) 2014:
Ein sehr guter Artikel.
So global habe ich es früher auch betrachtet, aber in den letzten Jahrzehnten verlor ich den Focus.
Danke an Peter für die Publikation und Übersetzung.
Dazu Jonas:
Erstaunlich, wie aktuell der Text scheint, obwohl er fast 20 Jahre alt ist!
O.:
„Das American College of Orgonomy ist heute die einzige wissenschaftliche Organisation, die Reichs Entdeckungen in unverfälschter Form gegenwärtigen und zukünftigen Generationen übermittelt.“ (s.o.)
So hatte ich es auch früher gesehen oder sehen wollen.
– Auf was liegt die Betonung im Satz? wissenschaftlich, unverfälscht oder gegenwärtigen und zukünftigen Generationen übermittelt?
Alle (ACO fremden Publikationen) beziehen sich heute (seit 1967) auf Baker und nicht mehr auf Reich. Er taucht in quasi allen Literaturverzeichnissen auf und wird inhaltlich kopiert.
Aber wird hinterfragt, was er geschrieben hat?
1965, zwei Jahre zuvor kommt Lowens „Liebe und Sexualität“ heraus, eine Behandlung der Orgasmusthematik noch ohne großes Therapieangebot. 1975 legt er nach mit „Bio-Energetik“. Die Behandlungsmethoden ähneln sich wie ein Ei dem anderen. Wer schreibt ab? Oder sind beide von Reich in gleichem Maße inspiriert?
Hatte Lowen seine Bioenergetik schon 1967 fertig entwickelt und praktiziert?
Die viel gepriesene „psychiatrische Orgontherapie“ hält in ihrer Technik – dem Buch nach zu urteilen – nicht stand. Baker verlässt Reichs Regel von oben nach unten zu arbeiten, um den Patienten von innen aufzuladen, Depressiven (nicht beim depressiven Charakter) will er Energie aus dem Becken mobilisieren. Das würde ich als pure Bioenergetik verstehen.
Ich frage mich seit geraumer Zeit, was in den USA falsch gelaufen ist, bei der Ausbildung der Mediziner, von Reichs Therapie wird nichts übermittelt.
Darauf ich gereizt:
Ich wollte das gerade beantworten, muß aber dieses Unterfangen aufgeben, da O. nur nebulösen Unsinn schreibt. Das fängt schon damit an, daß Lowen seine Behandlungsmethode bereits 1958 (zweite Auflage 1971) veröffentlicht hat. Zum Rest… Seufz.
O.:
Danke. 1958 war sein erstes Buch „Körperausdruck und Persönlichkeit“ herausgekommen.
hier das für mich erstmal „schockierende“ Zitat, vielleicht erschließt sich mir ja nicht der tiefere Sinn, weil immer nur etwas kurz angedeutet wird und es dann weiter geht:
„Eine Ausnahme sind Depressive, bei denen das niedrige Energieniveau und starke Hemmung eine frühe Befreiung des Beckens gefahrlos machen. (…)“ (BAKER 1967, S. 86)
„Die sieben Segmente … werden gewöhnlich in dieser Reihenfolge ‚befreit‘, abgesehen davon, dass die Brust oft zuerst beweglich gemacht wird, damit man sie verwenden kann, um im Organismus Energie aufzubauen und für zusätzliche Stoßkraft von innen zu sorgen, um sowohl die Auffindung als auch die Beseitigung weiterer Blockierungen zu unterstützen.“ (BAKER 1967, S. 87)
Peter:
In Bakers Buch steht auch, daß bei Depression das Energieniveau rapide absinken kann. Dem muß entgegengewirkt werden durch Mobilisierung der Atmung. Es geht immer darum, welche FUNKTION was hat, nicht darum rigide irgendwelche „Prinzipien“ einzuhalten.
Konias Glossar wurde wie folgt diskutiert:
Robert (Berlin):
„sekundäre Triebe: Der gestörte Ausdruck der primären Triebe, der darauf beruht, daß der Panzer dabei versagt hat, die destruktiven Impulse in Schach zu halten.“
Nanu, auch wenn der Panzer die sekundären Triebe in Schach hält, die primären Triebe müssten durch den Panzer doch immer irgendwie verbogen sein? Oder irre ich mich mal wieder?
Darauf ich:
Also, damit wir nicht über zweifelhaften Übersetzungen stolpern, erstmal das Original:
secondary drives – Disturbed expressions of primary drives resulting from the failure of armor to contain destructive impulses.
Primäre Triebe werden einfach ausgedrückt. Sieht man bei jedem Tier. Wenn sich das Menschentier abpanzert, haben wir idealerweise den symptomlosen „Jesuitenschüler“ vor uns: immer kontrolliert, ausgeglichen, nett, rational, blablabla – während innerlich der Haß des eingesperrten und malträtierten Tieres wütet. Nur leider ist die Panzerung ein sehr fragiles Gebilde, so daß die Triebe schließlich doch wieder durchbrechen – in Gestalt der sekundären Triebe.
O.:
Das Glossar zeigt über die wichtigsten Begriffe schon fast die wichtigsten theoretischen Grundannahmen. Kleine Fehler wären hier schon fast unverzeihlich, daher steckt da schon viel Arbeit drin.
„orgonomist“ klingt im Deutschen schräg, vielleicht ist „Orgonom“ der bessere Begriff, obwohl es mir auch nicht gefällt, hat es Reich ja schon als Grundform für einen Organismus benutzt.
Über die „Biopsychiatrie“ (in Anlehnung an die „Biopathie“) habe ich mich am meisten gewundert.
Mir würde ein einheitlicher Begriff wie „orgonomische Psychiatrie und orgonomischer Psychiater“ am besten gefallen, wobei der auch etwas neu wäre. Auf keinen Fall sollte man hier beliebig und alle paar Jahre sich was neues ausdenken, das würde komisch und verwirrend wirken.
Peter 2025: Biopsychiater sind Psychiater, die ihre Patienten von der biologischen Panzerung her betrachten und wie die Panzerung die biologische (Orgon-) Energie behindert.
Im gegenwärtigen schuldenbasierten Kapitalismus bauen wir die Zukunft, indem wir sozusagen – bei der Zukunft schuldenmachen. Ich bekomme von der Bank Geld, „investiere in die Zukunft“, indem ich mir etwa eine Würstchenbude und deren Ersteinrichtung kaufe, und zahle dann den Kredit plus Zinsen mit den Einnahmen des Würstchenverkaufs zurück. Das ganze System beruht auf Zuversicht und Optimismus, denn ansonsten würde weder ich noch mein Kreditgeber dieses Risiko auf sich nehmen. Es basiert auf bioenergetischer Expansion und genau das ist das Element, das das System instabil macht. Erstens gründet es auf fragiler Psychologie, besser gesagt auf hochempfindlichen Emotionen. Beispielsweise macht es etwas mit Geschäftsleuten, wenn sie auf dem Frankfurter Hauptbahnhof ankommen und angesichts des „Stadtbildes“ und Schießereien im Einkaufzentrum schon innerlich Abstand nehmen: „Vergiß es!“ Und zweitens ist die Inflation, die schleichende Entwertung des Geldes, ins expansive System eingebaut, womit zumindest tendenziell jedwede vernünftige Zukunftsplanung untergraben wird. Der Geldgeber bekommt eine Geldsumme zurück, die nichts mehr wert ist und meine Kunden können sich schlichtweg keine im Grunde überflüssigen Würstchen am Straßenrand mehr leisten. Das System implodiert in einer scharfen Kontraktion, es kommt zu einer extremen krampfartigen Verstärkung der gesellschaftlichen Panzerung und ein schwarz- bzw. rotfaschistisches Regime bildet sich aus.
Die Ökonomie funktioniert hier ähnlich wie die Sexualökonomie: Paarbindung beruht buchstäblich auf geweiteten Pupillen, d.h. wenn wir uns verlieben, sehen wir das Gegenüber wie mit einem Weichzeichner und in rosarotem Licht. Außenstehende fragen sich dann: „Was findet die bloß an dem?!“ Im Laufe der Zeit und unter dem Druck des ernüchternden gemeinsamen Alltags sehen wir schließlich schärfer und – stellen uns schließlich die gleiche Frage. Beziehungen kollabieren und wenn Kinder und gemeinsames Wohneigentum im Spiel sind: absolute Katastrophe! Keine Gesellschaft kann diese ständigen destabilisierenden Mikroimplosionen überleben, allein schon weil in solchen zerbröselnden Familien alle Kinder als neurotische Wracks aufwachsen. Deshalb gab es in traditionellen Gesellschaften, die durch ihre bloße Existenz gerechtfertigt waren, ein Element jenseits individueller Emotionen: den gesellschaftliche Verbund. Man war als Paar eingebunden, so wie ein Stein in ein Mauerwerk eingebunden ist. Man hat sich entsprechend „zusammengerissen“ und miteinander „arrangiert“. Manchmal war das die Hölle auf Erden, aber im Durchschnitt waren die Menschen sicherlich glücklicher als heute, wo die Gesellschaft einzig und allein nur noch funktioniert, weil die vereinsamten und in ihrem Selbstwertgefühl fundamental verunsicherten Menschen durch Psychopharmaka ruhiggestellt werden, sonst wäre die Zombieapokalypse schon längst eingetreten!
Die BRICS-Staaten gehen gegenwärtig den Weg einer Rückabwicklung der aus dem Ruder geratenen sexuellen Revolution, was einhergeht mit einer zum Goldstandard zurückkehrenden stabileren Ökonomie. Von daher der alle Grenzen sprengende Haß des Finanzkapitals und seiner woken Speichellecker gegen Putin und Rußland!
Ist diese Entwicklung begrüßenswert? Abstrakt kommt die Schulden-Ökonomie und die „freie Liebe“ sowohl der Arbeitsdemokratie (autonom funktionierendes Gewebe gegenseitiger Verpflichtungen) als auch der Sexualökonomie (individuelle Autonomie in Liebesdingen) noch am nächsten, aber konkret haben wir es hier mit einer in jeder Hinsicht gescheiterten und gegenwärtig rasant auf eine finale Katastrophe zusteuernde biologische Revolution zu tun, die nichts als das Nichts hinterlassen wird.
In der gestrigen Besprechung erwähnte ich Volker Gerhardts weitverbreitete und in mehreren Auflagen erschienene Monographie Friedrich Nietzsche (Verlag C.H. Beck, 1992). Sie zeigt, egal wieviel man bei Nietzsche, nicht zuletzt anhand von Gerhardts Ausführungen, LaMettrie-, Stirner- und Reich-Gemäßes findet, Nietzsche im Kern doch Anti-LSR ist. Das heißt aber noch lange nicht, daß ich Nietzsche aus dem „orgonomischen Fundus“ streichen werde, genausowenig wie ja auch Freud, Marx und andere!
Wer einen weitgehend LSR-konformen Nietzsche lesen will, sei auf meinen alten Artikel Der verdrängte Nietzsche verwiesen. Dazu bietet Volker Gerhardt sehr gute Einführung in Nietzsches Werk einen interessanten Punkt hinsichtlich des Willens zur Macht. 1885 notierte sich Nietzsche, daß die physikalisch aufgefaßte „Kraft“ einer „Ergänzung“ bedürfe. Es müsse diesem Begriff, so Nietzsche, „eine innere Welt zugesprochen werden“, im Sinne eines Triebes, Strebens, Willens. Für diesen inneren, sozusagen „psycho-physischen“ (Reich hätte gesagt „bioenergetischen“) Ursprung wählte Nietzsche den Begriff „Wille zur Macht“. „Dieser bezeichnet“, so führt Gerhardt weiter aus, „die ursprüngliche Einheit aller geistigen und physischen Kraft.“ Das soll die absolute Diesseitigkeit der Welt wahren, d.h. das Werden soll nicht nur erklärt, sondern auch verstanden werden. Gerhardt: „Erst heute können wir ermessen, wie modern Nietzsches Fragestellung ist, die über die Abgrenzung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften hinaus ist und die den Ursprung unserer Erkenntnis in uns selber nicht vergißt.“ Gerhardt verweist in diesem Zusammenhang auf den Aristotelischen Begriff der „dynamis“ bzw. „potentia“ (S. 182f). Reich hat ähnlich argumentiert, als er etwa in The Einstein Affair, darauf insistierte, daß mit seiner Arbeit sich die Psychologie, Psychiatrie, Medizin nicht mehr an der Physik orientiere, sondern umgekehrt.
Aber zurück zur notwendigen Entzauberung Nietzsches: „Wille zur Macht“ hat Nietzsche bei Stirner abgeschaut. Stirner: „Macht – das bin Ich selbst, Ich bin der Mächtige und Eigner der Macht“ (Der Einzige und sein Eigentum, S. 230), wobei Nietzsche die entscheidende Wendung unter den Tisch fallen läßt: „Ich bin nur dadurch Ich, daß Ich Mich mache, d.h. daß nicht ein Anderer Mich macht, sondern Ich mein eigen Werk sein muß“ (ebd., S. 256, Hervorhebungen hinzugefügt).
Gerhardt führt aus, daß bei Nietzsche aus der bloßen „Selbsterhaltung“ der „Wille zur Macht“ wird, der so überwältigend sein kann, daß man die Selbsterhaltung darüber vergißt. „Die Lust an der Expansion wird zu einer eigenständigen Größe“ (Gerhardt, S. 129). Der Wille zur Macht trete, so Gerhardt, „im Medium von Befehl und Gehorsam auf (…) und tendiert mit dem Anspruch auf Unterordnung zu hierarchischer Organisation“ (S. 186f).
Das ist nichts anderes als die Apologetik des sadomasochistischen Wahns der gepanzerten Welt! Sexualfeindlich! Rechtfertigung des Über-Ich! Was auch deutlich wird, wenn Nietzsche in Menschliches, Allzumenschliches schreibt: „Die Bestie in uns will belogen werden, Moral ist Notlüge, damit wir von ihr [d.h. der besagten Bestie] nicht zerrissen werden“ (z.n. S. 131). Das ist das exakte Gegenteil der Jahrtausendentdeckung von der Laska und Christian Fernandes sprechen!
Für Nietzsche sorgte, so Gerhardt, „das moralische Bewußtsein“ „im Gang der mit unerhörten Opfern und Einschränkungen verbundenen Disziplinierung und Kultivierung der menschlichen Gattung“ für „die Sicherung der Individualität“. Die historische Leistung der Moral liege darin, den Menschen zu einer „selbstverantwortlichen Person“ gemacht zu haben (S. 133). Gerhardt zitiert dazu aus Menschliches, Allzumenschliches: „Ohne die Irrtümer, welch in der Annahme der Moral liegen, wäre der Mensch Tier geblieben.“ Nietzsche spricht in diesem Zusammenhang vom „heroischen“ Menschen und verweist auf Herakles, der sich „gegen die (äußeren) Reize der Schönheit und für die (inneren) Werte der Tugend entscheidet“ (S. 141). Bei Nietzsche zerstört die Moral (also das Über-Ich) nicht das Individuum, sondern sie erschafft das Individuum. Ein krasserer Gegensatz zu LSR ist schlichtweg nicht denkbar!
Es ist bezeichnend, daß in Gerhardts Buch Stirner nur im Kapitel über Nietzsches Nachwirkung im 20. Jahrhunderts auftaucht: neben Schopenhauer und Feuerbach sei Deutschland durch Stirner auf Nietzsche vorbereitet gewesen… (S. 219). Stirner als Nietzsches Wegbereiter! Bezeichnend ist auch, daß im Register von Gerhardts Buch bei „Stirner“ nicht etwa auf diese Stelle verwiesen wird, sondern auf S. 57, wo Stirner gar nicht auftaucht! Wer mit der Literatur vertraut ist, weiß, daß derartige Fehlleistungen in Bezug auf Stirner ständig auftreten. Unsere Kulturbewahrer stolpern ständig über ihn und geraten dabei aus dem Gleichgewicht…
My sister and I hat dazu nur einen Kommentar:
Gestern legte ich alle Zukunftshoffnung auf die Orgonomie. Naja….
Was würde geschehen, könnte man wie von Zauberhand von einem Augenblick zum anderen bei allen Menschen die Panzerung beseitigen? Somatisch würden die Menschen tot zusammenbrechen, weil durch den plötzlichen Energiepusch beispielsweise überall Blutgefäße platzten. Die, die überleben, würden allesamt an schwersten Biopathien erkranken, weil an verschiedenen Körperstellen es in einer organismischen Panikreaktion zu extremer Abpanzerung käme. Man lese dazu Der Krebs, wo Reich unter anderem ausführt, daß infolge der sexuellen Befreiung seit Anfang des 20. Jahrhunderts, die Biopathierate gestiegen ist.
Auf psychologischem bzw. psychiatrischem Feld, würden praktisch alle Menschen, wenn nicht an einer Psychose, so doch an einem Anfall von extremer Kontaktlosigkeit leiden, weil sie infolge der frei fließenden Energie voller Angst „in den Augen weggehen“, d.h. es käme zu einer extremen Kontraktion des Augensegments. Dieses Überhandnehmen der Kontaktlosigkeit beobachten wir seit 1960 in zunehmendem Maße als direkte Folge der sexuellen Revolution.
Und schließlich würde sozial alles zusammenbrechen, weil die von der Panzerung befreiten Menschen sich plötzlich „selbst verwirklichen wollen“ und niemand mehr zur Arbeit geht: die Gesellschaft würde praktisch instantan kollabieren und die Hölle auf Erden losbrechen. Sehe dazu Reichs Buch Christusmord.
Das sind die drei Effekte der „Freiheitskrämerei“. Sie sind untrennbar verbunden mit der „Wahrheitskrämerei“, d.h. dem Verbreiten der Wahrheit, ohne die Gegenwahrheit zu berücksichtigen. Ja, Demokratie ist schön und gut, aber sie wird zur Tyrannei, wenn die individuellen Grundrechte nicht über dem Mehrheitswillen stehen! Umgekehrt werden die Grundrechte zur Tyrannei, wenn sie etwa den Genozid (die gegenwärtige Umvolkung) ermöglichen. An genau diesen beiden „Freiheitskrämereien“ geht gerade in diesem Augenblick die BRD zugrunde!
Selbst die bloße Theorie der Orgonomie, der orgonomische Funktionalismus bzw. die „Orgonometrie“, ist brandgefährlich. Man schaue sich nur an, was die Kommunisten aus der Hegelschen Dialektik gemacht haben! DDR-hörige „Wissenschaftler“ an bundesdeutschen Universitäten konnten dir mit ausführlichen „wissenschaftlichen“ Studien NACHWEISEN, daß das Wirtschaftssystem der DDR dem der BRD haushoch überlegen war! Ohne Mühe könnte ich jedem und auch mir selbst gegenüber jedwede kriminelle Scheußlichkeit „funktionell“ rechtfertigen!
Und erst die Praxis! Es gibt gegenwärtig weltweit zahllose Leute, die teilweise nonstop mit Cloudbustern die Atmosphäre des Planeten Erde foltern und sich dabei in der Nachfolge Wilhelm Reichs wähnen. Der Schaden, den diese Modjus im Namen Wilhelm Reichs anrichten, ist schlichtweg unermeßlich. Man mag sich gar nicht ausmalen, was passieren könnte, wenn der Orgonmotor in die gleichen, bzw. ganz allgemein in falsche Hände geriete!