Ein neuer Artikel auf http://www.orgonomie.net:
DER ROTE FADEN:
1. Aktion und Reaktion:
a. Der Weg in den Kommunismus
b. Der Weg in den Faschismus (Wien)
c. Rassenhygiene
Der Blick nach Amerika wurmt mich wirklich: wie viele, die „die Orgonomie vertreten“, etwa den Zugang zum Reich-Archiv kontrollieren, in „Wilhelm-Reich-Organisationen“ tätig sind, etc., sich den Protesten gegen Trump angeschlossen haben. Ihr gegen Trump gerichteter Fanatismus ist wirklich bemerkenswert. Ich denke dabei insbesondere an den „Women’s March“. Es wurmt mich, weil sie sich auf die Seite der Reaktion stellen.
Wie das? Reichs Kriterium für das Diktum „reaktionär“ (im Sinne von „lebensfeindlich“, da sich das Leben immer nach vorne bewegt, „fortschrittlich“ ist) war kein politisches, sondern ein bio-soziales. In den 1920er und 1930er Jahren war auf den ersten Blick deutlich, wo das sexualpositive (lebensfreundliche) und wo das sexualnegative (lebensfeindliche) Lager zu verorten war. Bemerkenswerte Ausnahmen im fortschrittlichen Lager waren die Stalinisten und eine bestimmte Kaste „sozialistischer Pfaffen“; Intellektuelle, die sich aus neurotischen Gründen (Rebellion gegen den Vater) dem sozialistischen Lager angeschlossen hatten.
Seit dieser Zeit, insbesondere aber seit Anfang der 1960er Jahre, d.h. dem Wandel von einer autoritären in eine antiautoritäre Gesellschaft, ist es zu einer kompletten Umkehr gekommen. Heute ist die Linke extrem sexualfeindlich, verbittert und verhärmt. Man schaue sich nur die Opfer des Feminismus bei den Grünen an: die Frauen sehen durchgehend wie Klobürsten aus und ziehen entsprechende Gesichter, die Männer wirken wie frustrierte Lesben. In Amerika war der „Women’s March“ in jeder Hinsicht abstoßend und grotesk. Die Gesichter der Trump-Gegner sprechen von sexueller Frustration, während die der Trump-Annhänger meistens entspannt sind. Die einen strahlen ein krankmachendes Miasma aus, die anderen – Orgon.
In autoritären Ländern, etwa der Türkei, ist es genau umgekehrt.
Und noch ein Kommentar zum Women’s March:
https://www.youtube.com/watch?v=GNdH-t5yUzI
You mother fucking pieces of shit!
Ein neuer Artikel auf http://www.orgonomie.net:
Igitt: Sex, Schlamm und Ackerknecht
Robert sagte 2010: Der Publizist William S. Schlamm,… rechtskonservativer Reich-Hasser
Es ist typisch für die vielen Konservativen, dass sie perverse Sexualität nicht von natürlicher Sexualität unterscheiden können und deswegen Reich missverstehen. Schlamm ist da beileibe nicht der Einzige. Der übelste Vorwurf ist, Reich hätte den sexuellen Kindesmissbrauch unterstützt.
Während die Konservativen Reich unterstellen, er fördere Perversionen, unterstellen ihm die Liberalen, er wolle eine genitale Diktatur errichten (und die Prä-Genitalität unterdrücken).
Klaus: Immer wenn ich anfing, was von Bloch zu lesen, war ich sehr gelangweilt, weil ich mich fragte, was er außer historischen Thesen zu bieten hat an allgemeinen Erkenntnissen. Und wenn da auch allgemeinere Erkenntnisse sind, kann man die kürzer und klarer zum Ausdruck bringen. Diese Standardautoren der Linken machten sich eben vierzig Jahre gut in Regalen – Suhrkamp hat ja gleich fürs Design gesorgt. Nun hatten die linken Studenten immerhin wenigstens Helden fürs Bücherregal – die gegenwärtigen haben u. a. wegen der standardisierten Veranstaltungen und Prüfungen meistens erheblich weniger Lektüreerfahrungen aus eigener Initiative. Nicht einmal mehr zum Protzen ist etwas im Regal aneinandergereiht.
Wie sehr z. B. Adorno bloß Kultstatus hatte (und z. T. noch hat) (wie mir scheint: ohne inhaltlich Umwerfendes mitzuteilen), merkte ich z. B. daran, dass in einem meiner spannendsten Seminare – über kleine Schriften Gottlob Freges – mein Nachbar einerseits heimlich, andererseits demonstrativ (Buch unterm Tisch, aber vor Seminarbeginn sichtbar) Adorno las.
Robert: Adorno hat allerdings mit die „Studien zum autoritären Charakter“ geliefert, womit er die Psychostruktur des faschistischen Charakters liefern wollte. Es hat allerdings mehr mit Sozialpsychologie statt Tiefenpsychologie zu tun. Ich bezweifele, ob er Reichs „Massenpsychologie“ gelesen hat – jedenfalls merkt man darin wenig (in der Suhrkamper Taschenbuchausgabe). Das Buch erschien 1950 als Sammelwerk in den USA.
http://de.wikipedia.org/wiki/Autorit%C3%A4rer_Charakter
Jonas Says:
@Robert:
Habe leider die Quelle nicht parat, erinnere mich aber gelesen zu haben, dass sich Adorno im „autoritären Charakter“ stark an Reich orientierte – auch wenn er seinen Namen nicht erwähnt. In privaten Briefen diskutiert er dies aber. Er gibt Reich den Vorzug gegenüber Erich Fromm, da letzterer den Fehler beginge, die psychoanalytische Methode direkt auf die Gesellschaft anzuwenden, während Reich psychoanalytische und soziologische Methodik nach ihren Zuständigkeitsbereichen getrennt halten will.
Das man davon zugegebenermaßen wenig merkt, ist natürlich eine andere Geschichte. Zum Verhältnis Adorno-Reich sind sicherlich Laskas Arbeiten im LSR-Projekt lesenswert (Stichwort Re-pulsions- und De-zeptionsgeschichte).
Klaus: Wie trivial es ist, was er zum irrationalen Kampf gegen jegliche Autorität zu sagen hat – eben so trivial, wie das, wogegen er argumentiert, lächerlich ist. Daher wundern mich immer die vielen Worte, die dafür gebraucht wurden.
David 2015: Der libertinistische Gegenpart zum asketisch verträumten Bloch spielte Herbert Marcuse, der Prophet des Anspruchsdenkens, der Leistungsverweigerung und der anti-genitalen polymorph-perversen Erotisierung der Gesellschaft. Alles was die Spießer von je her den fortschrittlichen Menschen fälschlich andichteten, propagierte dieses Schwein.
Und Habermas?
Der wird doch auch immer wieder erwähnt – im Zusammenhang mit der Kritischen Theorie:
Zitat Wikipedia:
Wegen der Vielfalt seiner philosophischen und sozialwissenschaftlichen Aktivitäten gilt Habermas als ein produktiver und engagierter öffentlicher Intellektueller.[2] Vom hegelianisch-marxistischen Ursprung der Frankfurter Schule hat er sich durch die Rezeption und Integration eines breiten Spektrums neuerer Theorien gelöst. Er verband den historischen Materialismus von Marx mit dem amerikanischen Pragmatismus, der Entwicklungstheorie von Piaget und Kohlberg
(ähnlich auch Loevinger – das sind doch die Stadien der moralisch-psychologischen Entwicklung des Kindes wenn ich mich nicht irre; Anmerkung von mir)
und der Psychoanalyse von Freud. Zudem beeinflusste er maßgeblich die deutschen Sozialwissenschaften, die Moral- und Sozialphilosophie. Meilensteine waren vor allem seine Theorie des kommunikativen Handelns
(kommunikatives Handeln klingt ziemlich modern, irgendwie facebook-like; nach Arbeitsdemokratie hört das sich aber gar nicht an, finde ich; Anmerkung von mir)
und, wiederholt inspiriert durch die diskurstheoretische Auseinandersetzung mit Karl-Otto Apel, seine Diskurstheorie der Moral und des Rechts.
Zitat Ende.
Irgendwie kommt mir das alles ziemlich „rechts“ vor und anfangen konnte ich mit Habermas noch nie was. Vielleicht konnte ich ihn noch nicht einmal verstehen.
Robert 2011: Zu Daniel Cohn-Bendit ein informativer Artikel von Bettina Röhl:
Vom Wutbürger zum Machtbürger
Daniel Cohn-Bendit ist eine Art Überpräsident der 68er Bewegung. Seine pädophilen Entgleisungen schaden ihm nicht. Jetzt schwingt er sich zum Oberrichter über Demokratie, Verfassung und die Schweiz auf. Von Bettina Röhl
Dazu Peter: Bei den lesenswerten Leserbriefen habe ich folgenden interessanten Link gefunden:
http://wireltern.eu/news/die-paedophilenpartei.html
Ich werde niemals soviel fressen können, wie ich kotzen möchte.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger weist Forderungen aus der CSU nach höheren Mindeststrafen für sexuellen Kindesmissbrauch ab.
Im „Hamburger Abendblatt“ nannte die FDP-Politikerin die geforderte Strafverschärfung für jede Form von sexuellem Missbrauch „reine Symbolpolitik“.
http://www.rp-online.de/politik/deutschland/Justizministerin-gegen-schaerfere-Strafen_aid_949153.html
Ja, es ist symbolisch, daß in diesem Land Diebstahl härter bestraft wird als die Zerstörung einer Kinderseele.
O.: So wie Dieter E. Zimmer im Zeit-Artikel WR interpretiert und dieses Verständnis als das der 68-er hinstellt, wird den Studenten unterstellt sie wollten oder konnte WR nicht verstehen. Aber auch in den 90-ern wurde Reich in Belzig und Berlin in Reich-nahen Kreisen noch als Freifahrtschein zum Ficken missverstanden. Die meisten Reich-Schüler waren aber noch zu verklemmt, um überhaupt mal Sex zu haben, so musste sie dann bei den etwas lockeren sozialisierten Ex-DDR-lern/-innen sich abschauen, wie man einfach mal sich mit jemandem zum Sex verabreden kann.
Also auch in Berlin wurde noch geglaubt, bei „Reich-Lese-Unkundigen“, die aber durch Vorträge glaubten etwas vom genitalen Charakter verstanden zu haben, man müsse nur ficken und frei fließen. Die Eingeweihten wussten natürlich, dass das nichts bringen würde und das man ohne Therapie ohnehin nicht vorankäme.
Das Problem war aber vielmehr eine taugliche Therapie zu finden, wo doch niemand weit und breit eine Ahnung davon hatte … und so beißt sich die „sexuelle Revolution“ noch in ihren eigenen „Schwanz“ – wenn sie einen hat.
Peter 2015: Erneute Hetze von Rechts gegen Reich – angestachelt durch das linke Gesindel…
https://charismatismus.wordpress.com/2015/06/02/linksanarchistische-kinderladen-der-68er-revolutionare-befreiung-durch-kindersex/
Futjah wendet sich Anfang September 2010 direkt an mich, PN:
Deine Grundeinstellung wirkt auf mich sehr feindselig und VERurteilend.
Ich habe nichts gegen BEurteilungen, aber deine Abfälligkeit ist sehr auffällig.
Versteh mich nicht falsch, dafür möchte ich dich nicht verurteilen, finde es eher unheimlich verständlich, nur wenig hilfreich und damit unlebendig. Damit tust du dir selbst keinen Gefallen!
Ich hoffe du nimmst meine Kritik auf und verstehst, daß ich mich mit dir, dem „breitbeinig dastehenden Araber“ und allen anderen Menschen auf Augenhöhe fühle und ihnen nicht mehr ihre „Schwächen“ vorwerfe, die hat nämlich jeder auf seine Weise.
Botschaft Reichs ist für mich, daß jeder Mensch im Grunde gut bzw. lebendig ist. Was nicht bedeutet, daß ich mein Leben in die Hände anderer legen möchte und ihnen keine Grenzen bzgl. meiner Selbst aufzeigen werde.
Doch i.d.R. nicht ohne Verständnis für den anderen. Werte ich ihn ab, weil er angelblich mehr DOR und weniger Orgon ausstrahlt o.ä., so bin ich mehr „DOR-Verseucht“ als ich mir eingestehen möchte.
Ich hoffe bei dir ist nicht Orgon sowas wie Arier und DOR sowas wie Juden! Das Spiel hatten wir schon, bitte nicht nochmal! Auch wenn die Gefahr sehr groß ist wie man immer wieder mal sieht…
Klingt gut, worum es aber wirklich geht, scheint deutlich durch: die Angst davor, daß es mit dem „Gutsein“ des Menschen nicht sehr weit trägt und daß dies alptraumhafte Konsequenzen hat. „Reichianer“, größtenteils liberale Charaktere ohne jede Tiefe, können meist nicht begreifen, daß Christusmord eine Wasserscheide in Reichs Werk darstellt und Blütenträume über das Gute im Menschen, das man nur freilegen müsse, passé sind – das Böse real ist, keine bloße Oberflächenerscheinung. Ich verweise beispielsweise auf den Blogeintrag Verfilmungen von Reichs Buch CHRISTUSMORD.
Und was die abfällige Art von PN betrifft… Karl Klein wendet sich ebenfalls an mich:
Was die orgonomische Qualität ihrer Nachrichtenbriefe betrifft, möchte ich nur an einen Nachrichtenbrief erinnern, in dem sie ihre „Gegner“, hier Linke, ganz allgemein als „Kinderficker“ beschimpfen.
Ich antwortete damals: „Welchen? Wohl https://nachrichtenbrief.wordpress.com/2015/05/13/kommunarden%C2%A0kinderficker/ Ich hätte noch ganz anders argumentieren können, insbesondere auf die Anfänge der GRÜNEN verweisen können.“
Was mich wirklich unermeßlich ankotzt, ist die Arroganz der Grünen: daß ausgerechnet dieses DRECKSPACK, diese schmierigen Sexkunde-Onkel und -Tanten, es wagt, die Katholische Kirche wegen deren Vergehen an Kindern anzuklagen. Und so in allem: daß diese „Israelkritiker“ überall „Nazis“ sehen, diese Vogelschredder („Windkraftanlagen“) es wagen, den Begriff „Umweltschutz“ in den Mund zu nehmen. Eine Partei, deren Klientel überwiegend von Steuergeldern lebt, „Ausbeutung“ anklagt. Leute, die „Bürgerrechte“ einklagen, aber gleichzeitig einen bürokratischen und Meinungsterror aufgebaut haben, der seinesgleichen sucht… Diese Pfaffen der Political Correctness hatten uns freie Rede versprochen. Niemand spielt virtuoser auf der Klaviatur der Schuldgefühle, denn die grünen ARSCHLÖCHER! Schluß, ich muß auf meine Herzgesundheit achtgeben.
Mal etwas Grundsätzliches über bestimmte Herrschaften: Jene, die sich in der Partei Die Grünen, im Umfeld der TAZ und nicht zuletzt im Reichianismus zusammengefunden haben, sind Menschen, die alles zerstören, mit dem sie in Kontakt kommen. In der DDR wurden die „Petra Kellys“ von der Stasi erbarmungslos verfolgt, während die Kommunisten freudig zuschauten, wie sie die westlichen Gesellschaften mit immer neuen Absurditäten unterminierten. Wären die Russen zum Atlantik durchmarschiert, wären „Die Grünen“ die ersten gewesen, die man an die Wand gestellt hätte. In dieser Hinsicht kann man von den Kommunisten nur lernen! Wenn die Orgonomie überleben soll, muß man diese Leute durch ständige Provokationen draußen halten. Es sind Zecken, nichts weiter als Zecken. Verpißt euch! Meinetwegen gendergerecht. Aber verpißt euch!
Robert zitiert folgende Stelle, die er hier gefunden hat:
An diesem Punkt möchte ich auf Deleuze und Guattari zu sprechen kommen. Im Anti-Ödipus schreiben sie an einer Stelle, die mir zentral erscheint: „So bleibt die grundlegende Frage der politischen Philosophie immer noch jene, die Spinoza zu stellen wußte und die Reich wieder entdeckt hat. Warum kämpfen die Menschen für ihre Knechtschaft, als ginge es um ihr Heil? Was veranlaßt einen zu schreien: ‚Noch mehr Steuern, noch weniger Brot‘?” Das ist eine sehr aktuelle Erscheinungsform von Askese, sie paart sich mit dem neuen, nicht-asketischen Gestus der Eliten.
Braungebrannte Sportwagenfahrer treten derzeit als politische Führer auf, die den Massen signalisieren, daß sie jetzt um ihre soziale Absicherung gebracht werden. Oder sie kündigen der Bevölkerung, wie der gegenwärtige Finanzminister es genannt hat, einen „Verlust von Annehmlichkeiten“ an. Wenn die Massen daraufhin nicht sagen, „Na gut, das müssen wir einsehen“, sondern statt dessen sogar noch rufen, „Hurra, endlich wird das Sozialsystem, werden die Gewerkschaften zerstört, die uns vor dem amoklaufenden internationalen Kapital vielleicht noch hätten schützen können“, dann zeigt sich hier ein offen einbekannter Hedonismus der politischen Führer mit einem eigenartigen asketischen Geist auf Seiten der Massen gepaart: Was der Führer an Nicht-Askese verkörpert, das verkörpern die Massen nun als asketische Haltung.
PN sagt dazu: So wird Reich für den Sozialismus dienstbar gemacht. Die Massen, die schließlich die Arbeitsdemokratie tragen, werden wie Kinder betrachtet, die geschützt werden müssen. (Bezeichnenderweise immer vor „denen da oben“, aber nie von „denen da unten“!)
Robert an anderer Stelle:
Reich in den Fängen der Stalinisten
In der Yale Universität existiert ein Dokument aus der Sowjetunion von 1936, bei der die meistgesuchten Trotzkisten aufgeführt werden. Folgender Eintrag ist dort zu finden:
10) OTTO KNOBEL (OTTO BRANT) [xxv] – ein ehemaliger Mitarbeiter des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands, der beim Internationalen Jugendverlag in Deutschland gearbeitet hatte und der 1933 ohne Zustimmung der Partei nach Paris emigrierte. [Ihm] wurde kein Status als politischer Emigrant zuerkannt. [Knobel] kehrte nach Deutschland zurück und emigrierte dann erneut. In Paris war [er] mit den Trotzkisten verbunden. [Er] zog, um zu arbeiten, nach Kopenhagen, wo er nicht mit der Partei verbunden war und keine Verbindungen mit der Gemeinde der Emigranten hatte. In Kopenhagen arbeitete [er] im Verlag von Wilhelm Reich [xxvi], der aus der KPD wegen Trotzkismus ausgeschlossen worden war. Ihm zufolge brach er mit Reich wegen persönlicher Differenzen. Einigen Parteigenossen zufolge ging er jedoch mit Reichs Zustimmung nach Berlin und ein Monat später, Ende 1935, kam er über Inturist in die Sowjetunion ohne Verbindungen und ohne Erlaubnis der Partei. Er stand Reich so nahe, daß er [Reichs] Briefe an Trotzki gelesen und sie sogar selbst abgeschickt hat.
Im April 1936 meldete die Kaderabteilung Knobels Vergangenheit an die zuständigen Organe. Seine letzte Adresse [war]: Hotel „Novomoskovskaia“.
[xxv] Otto Knobel (Brandt). Geboren 1908 in Schwerin, Deutschland, war seit 1929 Mitglied der KPD. Juni 1935 zog er in die UdSSR und unterrichtete an der deutschen „Karl-Liebknecht-Schule“ in Moskau. Er wurde am 1. Oktober 1936 verhaftet und am 22. Juni 1937 zu fünf Jahren in einem Arbeitslager verurteilt.
[xxvi] Wilhelm Reich (1897-1957). Ein Psychoanalytiker, spezialisiert auf Sexualprobleme und sexuelle Aufklärung, trat 1930 der KPD bei und wurde 1934 ausgeschlossen.
http://www.yale.edu/annals/Chase/Documents/doc20chapt4.htm#_edn25
Zu Knobel fand Robert noch folgenden Eintrag:
Knobel, Otto Ernst (alias Brand). Geb. 8.2.1908 in Schwerin. 1922-1928 Besuch der Karl-Marx-Aufbauschule in Neukölln, Freundschaft mir Bruno Krömke. Mitglied des SSB und Redaktionsmitglied der Zeitschrift Schulkampf. Seit 1927 Mitglied des KJVD, seit 1929 in der KPD, Redakteur der Zeitung Kommunistische Jugendinternationale. Fünf Semester an der Berliner Universität. 1935-1935 Emigration nach Frankreich und Dänemark, im Juni 1935 in die UdSSR. Im Sommer 1935 zeitweilige Arbeit am Moskauer Elektrotechnischen Institut für Nachrichtenwesen. Seit September 1935 Unterricht in der Karl-Liebknecht-Schule (Werken bzw. „Technologie“), seit September 1936 Klassenleiter und Biologielehrer, verantwortlich für das Biologiekabinett. Im Sommer 1936 einer der Leiter bei der Schulreise zum Sewan-See (Armenien). Am 1.10.1936 verhaftet, am 22.6.1937 zu 5 Jahren Arbeitslager verurteilt, vermutlich im Lager ums Leben gekommen. Rehabilitiert 9.3.1989.
Quelle: Natalja Mussienko, Alexander Vatlin: Schule der Träume. Die Karl-Liebknecht-Schule in Moskau (1924–1938), Klinkhardt Verlag 2005, S. 243
Mancher wird sich an die Aufregung um das „Human Genom Projekt“ erinnern, die Entschlüsselung des „genetischen Codes“ des Menschen, und was für ungeheure Folgen es haben würde: wir würden beginnen so gut wie alles zu verstehen. Die Euphorie hat sich schnell verflüchtigt.
Es wurde berichtet, daß die Entschlüsselung des menschlichen „Epigenoms“ gelungen sei. Thema der Epigenetik ist die Steuerung der Genexpression. Schließlich sind die Gene in jeder Körperzelle, etwa in einer Nierenzelle oder einer Netzhautzelle, identisch und außerdem werden nicht alle Gene von der Zelle gleichzeitig benötigt. Was steuert also die Gene – die doch angeblich den menschlichen Organismen steuern?
Die Wissenschaft erklärt dies heute insbesondere durch Verweis auf die „Methylierung“, mit der wir uns bereits in Die Kinder der Zukunft und die Genetik (Teil 3) und Der zweite Code und die Kinder der Zukunft beschäftigt haben:
An einige DNA-Bausteine hängt der Körper kleine chemische Schalter, Methylgruppen genannt, an und schaltet damit dahinterliegende Gene aus.
Man sieht, die mechanistische Wissenschaft verlagert das Problem lediglich, denn was steuert nun wiederum die „Methylgruppen“?
Wir sind gerade Zeugen einer Revolution in den Biowissenschaften, durch die Reich von neuem im Wesentlichen Recht gegeben wird. Das Ende der erdrückenden Dominanz der Genetik ist nah.
Reich zufolge werden durch das Energiesystem neugeborenes Kind „einige elementare kosmische Funktionsgesetze in den Bereich menschlichen Handelns gebracht.“ Es bilden „sich die Spermatozoen und Eier in den Metazoen (…) durch Kondensation von Orgonenergie im Keimgewebe“ (Die kosmische Überlagerung). Reich fragt „worin konkret sich die Vererbung kundgibt, an welchen biologischen Funktionen sie abläuft.“ und glaubte die, damals noch hypothetischen Gene wären „eigens dazu erdacht die Frage des lebendigen Funktionierens“ zu verhüllen und den Zugang zur formbildenden lebendige Kraft zu verrammeln (Der Krebs).
Und tatsächlich war es zu Reichs Lebzeiten „alles andere als klar, daß diese Einheiten [die Gene] Moleküle in Begriffen der strukturellen Chemie waren.“ (Max Delbrück z.n. J. Herbig: Die Geningenieure, München 1978) Heute sind wir immerhin weiter und kennen die Struktur der Gene genau. Zwar kann man heute noch immer nicht erklären, wie sich neue Arten entwickeln, aber die Konstanz der Arten ist mit Hilfe der Gene erstmals verständlich geworden!
Wissenschaft findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern ist wie jedes menschliche Handeln durch die Charakterstrukturen bestimmt und es will so scheinen, daß die wissenschaftlichen Erfolge bezüglich dieses „konstanten Faktors“ mit der Panzerung der Wissenschaftler zusammenhängen. Man dringt wohl ins Innere der Körperzellen und sogar in die Atomkerne vor, aber die Orgonenergie wird übersehen. Der gepanzerte Mensch nimmt nur das für wahr, was seiner Panzerung entspricht – er nimmt nur das Unbewegliche, das „Unbedingte“ wahr. So ist ihm das Wesentliche bei der Vererbungsfrage durch die Hände geglitten.
Henri Bergson hat in seiner Einführung in die Metaphysik diesen Grundirrtum wie folgt in der Geschichte der Philosophie festgemacht, die unsere Naturwissenschaft geprägt hat: Der Irrtum der antiken Philosophien lag darin,
daß sie immer aus dem menschlichen Geiste so natürlichen Glauben schöpfen, eine Veränderung könne nur Unveränderlichkeiten ausdrücken und entwickeln. Hieraus ergab sich, daß die Aktivität eine abgeschwächte Kontemplation, die Dauer ein trügerisches und bewegliches Bild der unbeweglichen Ewigkeit, die Seele ein Sturz der Idee war. Diese ganze Philosophie, die mit Plato beginnt, um bei Plotin anzulangen, ist die Entwicklung eines Prinzips, das wir folgendermaßen formulieren würden: „Im Unbeweglichen ist mehr enthalten als im Beweglichen, und man gelangt vom Stabilen zum Unstabilen durch eine einfache Verminderung.“ Das Gegenteil aber ist die Wahrheit.
Diese Tradition führte in der Biologie schließlich zur Genetik, die eben keine „reine“ Wissenschaft ist. Eine solche kann es (in einer gepanzerten Gesellschaft) gar nicht geben, da Wissenschaft immer mehr ist als die Ansammlung von Fakten. Die Charakterstruktur filtert diese zwiefach: erstens wird die Faktenauswahl beschränkt, man sucht das Statische, und zweitens wird ohnehin alles im Sinne des Statischen interpretiert, – weil man selber „statisch“ ist, gepanzert.
In seinem Buch Die Selbstorganisation des Universums (München 1982) führt Erich Jantsch aus, daß Bergson sich seinerzeit u.a. gegen die Meinung wandte, menschliches Gedächtnis habe seinen Sitz ausschließlich im Gehirn:
Gedächtnis ist ihm zufolge eine Funktion des Gesamtorganismus. Die Unterscheidung zwischen metabolischem und neuralem Gedächtnis, je nach Art der beteiligten Kommunikationsprozesse, bringt hier Klärung. Die Existenz eines metabolischen Gedächtnisses im Menschen bestätigte sich, als Wilhelm Reich in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts nachwies, daß sich traumatische Erlebnisse nicht nur in der Psyche, sondern auch in Muskelkontraktionen niederschlagen.
Es wäre interessant hier auch den Einfluß des deutschen Zoologen Richard Wolfgang Semon (1859-1918) auf Reich näher zu analysieren, denn wie in der Chronik der Orgonomie erwähnt, gehörte, neben Bergson, auch Semon zu Reichs frühsten wissenschaftlichen Prägungen. Semon hatte angenommen, daß Sinneseindrücke zu permanenten Veränderungen in den Nerven führen. Diese Engramme (Spuren) ermöglichen Semon zufolge die Assoziation und Erinnerung und sie gehen ins Erbgut ein. Alle Engramme zusammen bilden die Mneme, d.h. das biologische Gedächtnis.
Die Lehre von der Vererbung erworbener Eigenschaften hat sich bis zum heutigen Tage, obwohl sie richtig ist, praktisch nicht durchsetzen können. (Der Krebs)
Bei dieser Verteidigung des Lamarckismus dachte Reich wohl an das Schicksal eines seiner wichtigsten frühen Anreger. 1919 hatte Reich den österreichischen Zoologen Paul Kammerer (1880-1926) persönlich kennengelernt, dem es gelungen war, die Vererbung erworbener Eigenschaften an Niederen Tieren und Amphibien experimentell nachzuweisen.
Der Biologe Alexander Vargas von der Universität von Chile ist nach Untersuchung der Laborbücher Kammerers zu dem Schluß gekommen, daß Kammerer ein früher Vertreter der erwähnten Epigenetik war.
An Kammerers Biologievorlesungen erinnerte sich Reich „mit besonderer Vorliebe“. Ilse Ollendorff zufolge führte Reich sein bleibendes Interesse an der Biologie auf Kammerers Wirken zurück. In Der Krebs zitiert er Kammerer ausführlich.
Näheres über Kammerer kann der Leser in Arthur Koestlers Der Krötenküsser (München 1972) finden. Hier sei Kammerer nur kurz zitiert, um einen Eindruck von seiner Grundeinstellung zu vermitteln, die nachhaltig auf Reich gewirkt hat:
Entwicklung ist (…) nicht erbarmungslose Auslese, die alles Lebendige formt und vervollkommnet, nicht verzweifelter Kampf ums Dasein, der allein die Welt beherrscht. Alles Geschaffene strebt vielmehr aus eigener Kraft nach oben dem Lichte und der Lebensfreude zu und begräbt nur Unbrauchbares im Gräberfeld der Selektion.
Anfang der 1920er Jahre war Kammerer einer der berühmtesten aber auch umstrittensten Biologen der Welt. Zu einer Zeit als sich die Eugenik, d.h. die Züchtung wertvollen und die „Ausmerzung“ wertlosen Lebens zunehmend durchsetzte, vertrat Kammerer offensiv einen Lamarckismus, demzufolge beispielsweise die guten Eigenschaften, die eine gute Kindererziehung mit sich bringt, an zukünftige Generationen vererbt wird. Es war nur naheliegend, daß er 1926 an die Kommunistische Akademie der Wissenschaften in Moskau, die Institution für fortschrittliches Gedankengut, berufen wurde.
Leider konnte er diesen Posten nicht mehr ausfüllen, da er infolge des Skandals um einen angeblichen wissenschaftlichen Betrug Selbstmord verübte. Stattdessen wurde Iwan Wladimirowitsch Mitschurin zum führenden sowjetischen Lamarckisten. Unter Mitschurins Einfluß war die Parteilinie seit 1929 offiziell Lamarckistisch. Er stand so hoch in Kurs, daß seine Heimatstadt Koslow nach seinem Tod 1935 in Mitschurinsk umbenannt wurde. So heißt sie heute noch.
Diese Entwicklung war nicht verwunderlich, denn schon Engels hatte davon gesprochen, daß die Bedürfnisse des Vormenschen sich ihre Organe geschaffen hätten. Bereits 1906 hatte Stalin darauf hingewiesen, daß die Theorie des Neo-Lamarckismus an die Stelle des Neo-Darwinismus rücke, denn sie zeige, „wie quantitative Veränderungen qualitative hervorbringen“ (C.D. Darlington: Das Gesetz des Lebens, Wiesbaden 1959).
Als „humanistische Materialisten“ wollten die Sowjetmarxisten die Welt langfristig zum Guten wenden, und dazu bot damals nur der Lamarckismus einen realistischen Ansatzpunkt, wollte man nicht wie die Nazis Menschen züchten. Der Lamarckismus war das Ideal für die über Generationen hinweg in die Zukunft blickenden Erziehungsdiktatoren der Sowjetunion. Aktuelle Verhaltensveränderungen würden sich verewigen und so das Sowjetsystem langfristig absichern.
Es ist nicht verwunderlich, daß der „bürgerliche“ Begründer des Behaviorismus, J.B. Watson, enthusiastisch Kammerers Ergebnisse über die Vererbbarkeit erworbener Eigenschaften begrüßte. Watson:
Wie viel würde es für die Pädagogen, für die Gesellschaft im allgemeinen bedeuten, wenn [Kammerers Resultate] richtig wären!
Reich reiht sich hier lückenlos ein. Noch 1949 hat Reich den berühmt-berüchtigten Hohenpriester des „Mitschurin-ismus“, Trofim Denissowitsch Lyssenko, in einem Brief an Neill gegen die amerikanischen Genetiker verteidigt. Reich beklagt nur, die Russen hätten rein politische Motive geleitet, die sie zufällig auf die richtige wissenschaftliche Seite geführt hätten.
Neben dem Einfluß des Vitalismus (wie ihn Kammerer vertrat) und des „Dialektischen Materialismus“ auf Reich ist natürlich in vorderster Linie Freud zu nennen. In der Psychoanalyse diente der Lamarckimus hauptsächlich dem Zweck, eine Art Ursünde auf den Grund des Unbewußten zu setzen. So führt Freud (noch ziemlich vage) in Totem und Tabu den Ödipuskomplex auf den „Vatermord in der Urhorde“ zurück, der so quasi angeboren ist. Explizit sollte sich Freud zwei Jahrzehnte später in Der Mann Mosese zum Lamarckimus bekennen, trotz der „gegenwärtigen Einstellung der biolgischen Wissenschaft (…), die von der Vererbung erworbener Eigenschaften auf die Nachkommen nichts wissen will.“
Freud brauchte den Fortbestand von Erinnerungsspuren aus der archaischen Erbschaft, um die Kluft zwischen Individual- und Massenpsychologie überbrücken zu können, d.h. um die Völker wie einzelne Neurotiker behandeln zu können. Freud:
Wir tun damit auch noch etwas anderes. Wir verringern die Kluft, die frühere Zeiten menschlicher Überhebung allzuweit zwischen Mensch und Tier aufgerissen haben. Wenn die sogenannten Instinkte der Tiere, die ihnen gestatten, sich von Anfang an in der neuen Lebenssituation so zu benehmen, als wäre sie eine alte, längst vertraute, wenn dies Instinktleben der Tiere überhaupt eine Erklärung zuläßt, so kann es nur die sein, daß sie die Erfahrung ihrer Art in die neue eigene Existenz mitbringen, also Erinnerungen an das von ihren Voreltern erlebte in sich bewahrt haben. Beim Menschentier wäre es im Grunde auch nicht anders. Den Instinkten der Tiere entspricht seine eigene archaische Erbschaft, sei sie auch von anderem Umfang und Inhalt.
Reich hat sich nie mit dem Mißbrauch des Lamarckismus durch die Stalinisten und Freudianer auseinandergesetzt. Dazu war er zu sehr in der jeweiligen Tradition verankert. Seine Kritik galt ausschließlich dem Mißbrauch des Darwinismus durch rechte reaktionäre Kreise im Sinne der Klassengesellschaft und des Rassenwahns. So unterscheidet Reich 1933 in seiner Massenpsychologie des Faschismus zwischen der Darwinschen Hypothese der natürlichen Zuchtwahl, die von Hitler rassistisch mißbraucht werden konnte, Reich nennt sie „reaktionär“, und dem Darwinschen Nachweis der Abstammung der Arten, der Reich zufolge „revolutionär“ gewesen sei.

Lamarcks Vorstellungen wurden bis vor kurzem als wissenschaftliche Kuriosa betrachtet, die keiner ernsten Untersuchung wert seien. Mit Beginn des neuen Jahrtausends scheint sich eine Renaissance des Lamarckismus anzubahnen.
Man kann beispielsweise auf Joachim Klose von der Berliner Charite verweisen. Seiner Meinung nach, können epigenetische Informationen beim Menschen durchaus in die Keimbahn eingehen. Renato Paro vom ETH Zürich untersuchte entsprechendes bei der Fruchtfliege Drosophila. Würden sich diese Forschungsansätze bestätigen, wären die Konsequenzen global. Sogar die Evolution könnte sich schneller und gezielter abgespielt haben, als Darwin es sich vorgestellt hat. Sein verspotteter Gegenspieler Lamarck, der schon vor 190 Jahren von einer Vererbung erworbener Eigenschaften sprach, könnte zu neuen Ehren kommen.
Im letzten Jahrhundert wurde geflissentlich verdrängt, daß Darwin selber mit zunehmendem Alter immer mehr zu einem ausgesprochenen Lamarckisten wurde. Außerdem ging es bei Darwin weniger um die mechanistische Lehre zufälliger Mutation, sondern die natürliche Auslese als schöpferische Instanz stand zentral. Beide, Darwin und, wie wir gesehen haben, Lamarck, wurden schlimm entstellt und vulgarisiert – „mißbrauchsfähig“ gemacht.
Pierre P. Grassé (Evolution, Stuttgart 1973) meint, eine der Hauptmethoden Lamarck kaltzustellen, habe darin bestanden, ihm Behauptungen zuzuschreiben, die er so nie gemacht hatte.
Lamarck wird viel zu wenig gelesen und seine Gedanken wurden in einer so vereinfachten und schematisierten Form dargestellt, daß sie manchmal geradezu lächerlich wirken.
Für Lamarck war weniger die mechanistische Beeinflussung durch die Umwelt, die dann vererbt wird, entscheidend, als vielmehr innerplasmatische Vorgänge. Diese wurden jedoch, so Grassé,
bisher nicht in die Experimente mit einbezogen, die darauf abzielten die Erblichkeit erworbener Merkmale zu beweisen. Sie berücksichtigen vor allem die Umwelt und nicht den Organismus, ihre negativen Ergebnissen sind nur zu gut zu erklären.
Es wird kaum erwähnt, daß Lamarck einen Vervollkommnungstrieb annahm, der bestimmte „Fluida“, vergleichbar mit Bergsons „élan vital“, zu bestimmten Organen leiten bzw. sie von dort ableiten würde. Lamarcks Konzept von den „Fluida“ und einem inneren Drang der die Form bestimmt, erinnert an Reich:
Wachstum in der Längsachse (…) erscheinen (…) als energetische Funktionen des Körperorgons, als Resultate seines inneren Bestrebens, aus dem einengenden Membransack hinauszugelangen. Dabei dehnt sich die Membran und bildet so die vorquellenden Säcke der sich entwickelnden Organe in ihrem Ursprungsstadium. (Die kosmische Überlagerung, S. 64)
Etwa zeitgleich mit Reich entwickelte der Franzose Paul Wintrebert den „chemischen Lamarckismus“. Eine der theoretischen Hauptfragen des Lamarckismus ist, wie erworbene Merkmale der Körperzellen sich den Keimzellen mitteilen und sich dort verankern. Nach Wintrebert vollzieht sich dieser Vorgang in drei Etappen:
- In einem Organ bildet sich infolge einer durch das Milieu bewirkten Störung eine Substanz, die mit seinem Verhalten nichts zu tun hat und auf eine chemische Veränderung seiner Mechanismen hindeutet. Diese Substanz zeigt in ihrer Struktur Spuren ihrer Herkunft und wirkt wie ein Antigen.
- Es erfolgt eine Reaktion des Haut- und endokrinen Drüsen-Systems. Dieses neutralisiert die pathogene Wirkung des Antigens durch Erzeugung eines spezifischen Gegenstoffes, eines adaptiven Enzyms, das die mangelhafte Funktion anregt und das humorale [durch Blut- und Lymphewege übertragenes] Gleichgewicht wieder herstellt. Dieser Gegenstoff hat den Charakter eines zweckmäßigen und vergänglichen Begleithormons.
- Dieses adaptive Hormon verbindet sich gegebenenfalls chemisch mit den Nukleoproteinen des Erbplasmas. (z.n. Jean Rostand: Biologie – Wissenschaft der Zukunft, Darmstadt 1954)
Dabei ist hervorzuheben, daß Wintrebert die beiden ersten Stufen als Werk der lebendigen Substanz betrachtete und nur der dritten Etappe einen rein chemischen Charakter gab. Für Wintrebert bestand die Differenz zwischen Genetikern und Lamarckisten
im wesentlichen darin, daß für die Genetiker das Gen das Protoplasma steuert, während ganz im Gegenteil für die Lamarckisten das Protoplasma über das Gen, das es gebildet hat, verfügt, es verwendet oder nicht, je nachdem, ob in seiner Funktionsweise seine Struktur es dazu veranlaßt oder nicht, sich aufgrund chemischer Affinität mit ihm zu kombinieren. (Grassé)
Für den mechanistischen Genetiker ist die Evolution ein vom Lebensprozeß losgelöster Vorgang – nicht das Leben bildet und benutzt die Gene, sondern die „egoistischen“ Gene benutzen das Protoplasma, um ihre Information in die Ewigkeit weiterzugeben. Es ist das mechanistische Äquivalent einer extrem mystischen Weltsicht, in der eine unsterbliche Seele in der Reihe der „Wiedergeburten“ Körper benutzt.
Für den „aufgeklärten Lamarckisten“ Wintrebert hingegen ist die Evolution
eine Verkettung von Mechanismen, die adaptive Substanzen erzeugen, sie ist die ständige Schöpfung adaptiver Mutationen, die die Umwelt überwinden und die miteinander verkettet sind. Sie sind auf einen einzigen Erbvortrag zu reduzieren, hieße ihren Dynamismus mit der erblichen Kinematik zu verwechseln, aus dem Leben die schöpferische Funktion auszuschalten. (…) Die Evolution ist eine Verkettung von Neubildungen und die Vererbung begnügt sich damit, diese zu investieren. (z.n. Grassé)
Zum Abschluß ein Dokumentarfilm über die Evolution: