Leserbrief in PSYCHOLOGIE HEUTE, 1980

Des Autors Beschreibung des ORANUR-Experiments ist die mit Abstand beste, die ich je gelesen habe. Daß Reich schon vorher auf den ORANUR-Effekt gestoßen war, als er feststellte, daß das Radium in den Leuchtziffern seiner Armbanduhr dank der starke Orgon-Strahlung, der sie über Jahre ausgesetzt war, über 10mal stärker strahlte als eine fabrikneue Uhr (S. 52), hatte ich bisher immer überlesen oder ich habe es vergessen. Leider (oder zum Glück?) ignorierte Reich diesen Warnhinweis.
Einschränkend muß ich sagen, daß der Autor das ganze aus Freudianischer Sicht sieht, d.h. Reichs Verhalten im Sinne von „Fehlverhalten“ (etwa das erwähnte Ignorieren der Armbanduhr) und sogar der „Allmacht des Gedankens“. Es war dieses Restgefühl der eigenen Allmacht, das ORANUR in Reich störte, und seine Malerei stellte, so der Autor, sozusagen eine Wiederherstellung dieses Machtgefühls dar (S. 58). Im Anschluß schafft es der Autor wieder C.G. Jungs „Mandalas“ einzubringen und mit den „Fliegenden Untertassen“ zu verknüpfen, da Reich als Ergebnis des ORANUR-Experiments zu malen angefangen hat…
Ganz generell habe ich zwei Probleme mit diesem dichten und interessanten, gut und fast fehlerfrei geschriebenen Buch:
1. die Mythologisierung bzw. „Archetypisierung“ Reichs, ähnlich wie Nietzsche mythologisiert und dergestalt jeder ernsthaften Auseinandersetzung mit ihm beraubt wurde;
2. Reich wird eingemeindet in den westlichen Kulturkanon neben Freud, Jung und andere.
Eine Dämonisierung („sexbesessen“) und Verächtlichmachung („geisteskrank“) entsprach weit mehr Reichs wirklicher Bedeutung, denn in Bezug auf diese Zivilisation war er tatsächlich „der Widersacher“ und der „Ver-Rückte“. Die ständigen Verweise auf Freud, Jung, Ferenczi und andere, vor allem aber auf Literatur und Kinematographie, zeigen, wo die Reich-Rezeption mit diesem Buch angekommen ist: während Freud die Psychoanalyse in der Psychologie und „der Kultur“ verankern wollte, war es bei Reich ganz im Gegenteil in der Medizin und „im Labor“. Dieses Fortschritts wird Reich auf geradezu subversive Weise beraubt!
Alles endet im üblichen folgenlosen psychologistischen Kultur-Blablabla, dem Reich ausdrücklich ein Ende setzen wollte. Beispielsweise stellte, wie Bernd A. Laska dargelegt hat, Ferenczi1908 auf dem ersten psychoanalytischen Kongreß fest, daß die Introjektion von „unappellierbaren Prinzipien“, also der Identifikation mit den strafenden Eltern, zu einer inneren irrationalen Verhaltenssteuerung führe, d.h. zu dem, was Freud später als „Über-Ich“ bezeichnen sollte. Es ist typisch für Vertreter der „Kultur“, wie unser Autor einer ist, stattdessen mit dem Jahr 1909 anzufangen, als Ferenczi, auf Druck Freuds hin, solche revolutionären Gedanken bereits verdrängt hatte und sich allgemein über „Introjektion und Übertragung“ ergeht, insbesondere geht es um die „Übertragungszwang“ mit seinem Hunger nach Objekten und der Identifikation mit ihnen. Daraus macht der Autor dieses Buches auf S. 90-94 ein Psychoanalysieren über Reichs Identifikation mit der cineastischen UFO-Folklore der 1950er Jahre. „Die Fähigkeit zur Introjektion war bei Reich gut ausgeprägt, wie wir sehen werden“ (S. 92). Typisches Anti-LSR – der ultimative Verrat an Reich!
Wie naiv und abgestumpft muß man sein, wenn man ausführt: „Ein anderer Analytiker [d.h. C.G. Jung], der zum UFO-Forscher wurde, hätte es so erklärt: ‚Das Wort „Projektion“ paßt eigentlich schlecht, denn es ist nichts aus der Seele hinausgeworfen worden, sondern vielmehr ist die Psyche durch eine Reihe von Introjektionsakten zu der Komplexität geworden, als die wir sie heute kennen‘“ (S. 99). Das beschreibt den Panzerungsprozeß – der von dem unseligen Jung als „Heilung“ hingestellt wird!
Und was „fehlerfrei“ betrifft: auf S. 86 reiht sich Unsinn an Unsinn, die dritte orgonomische Konferenz, die im August 1955 stattfand und auf der Reich seine letzte Ehefrau Aurora Karrer kennenlernte, handelte natürlich nicht vom Cloudbuster und der Space Gun, wie der Autor im Rausch seiner Assoziationskette behauptet, sondern es ging um den Medical DOR Buster. Und Reich nannte sich in Washington, D.C. nicht „Walter Roner“, weil das angeblich wie das rückwärts gelesene „ORANUR“ klingt und der Vorname „jemand, der Macht ausübt“ bedeutet (sic!), sondern weil er dieses Pseudonym bereits zu seiner Sexpol-Zeit benutzt hatte. – Das sind zwei Beispiele dafür, wie der, wenn man so will, „mythologisierende Blick“ des Autors seine Kontaktfähigkeit untergräbt, als hätten wir es bei diesem mit einem Wiedergänger C.G. Jungs zu tun.
Das ganze ist ein schönes Beispiel für das, was Karl Kraus, mit dem Spruch brandmarkte, daß die Psychoanalyse die Geisteskrankheit sei, für deren Therapie sie sich hält: das Ausweichen vor dem Wesentlichen, dem Reich mit der Orgasmustheorie, der Charakteranalyse, der Massenpsychologie, der politischen Psychologie und nicht zuletzt seiner sexualökonomischen Lebensforschung einen Riegel vorschieben wollte. Sein Namensvetter James Reich schiebt den Riegel wieder zurück.
Die psychiatrische Orgontherapie ist aus der psychoanalytischen Tiefenpsychologie hervorgegangen. „Tiefenpsychologie“ ist eine Psychologie, die sich mit dem Unbewußten auseinandersetzt. Und das nicht nur mit Trieben („Es“), sondern auch mit Manierismen („Ich“) und Normen („Über-Ich“): drei Bereiche, denen wir ausgeliefert sind, meist ohne zu wissen, wie uns geschieht. Wir sind nicht Herren im eigenen Haus! Freuds Therapieansatz war es, das Unbewußte bewußt zu machen und damit unsere Infantilität zu überwinden.
Problem dabei war, daß das bloße Bewußtmachen kaum einen therapeutischen Effekt hatte. Das war so, weil selbst die Tiefenpsychologie nicht „tief genug“ reichte. Sie ignorierte nämlich explizit zwei Bereiche: die Soziologie („Wir sind keine Gesellschaftsreformer!“, Freud paraphrasiert) und die Biologie („Wir sind nur Psychologen!“, ebenfalls Paraphrase). Reich hat die Psychoanalyse zur Soziologie hin ausgeweitet, indem er offenlegte, daß die sexuelle Unterdrückung, im Gegensatz zur ökonomischen, die Menschen so verformt, daß sie der eigenen (sowohl sexuellen als auch ökonomischen) Unterdrückung nicht nur zustimmen, sondern sie aktiv unterstützen – letztendlich aus Orgasmusangst. (Ich erinnere an Freuds Reaktion auf reichs Analyse des Masochismus!)
Dieser Umweg über die „Politik“ ermöglichte es ihm schließlich ins „biologische Fundament“ vorzudringen, wurde er sich doch dessen bewußt, wie grundsätzlich irrational und wirklichkeitswidrig die herrschende letztendlich masochistische Ideologie ist – nicht zuletzt in der Wissenschaft, die zunehmend so sakrosankt und genauso irrational wurde, wie einst die Religion. (Muß ich, was die heutige Zeit betrifft, an den Wissenschaftsbetrug „Corona“ erinnern!) Das machte den Weg frei, die Psychoanalyse auf ein biologisches und schließlich biophysikalisches Fundament zu setzen, was gleichzeitig die Abfolge von Psychoanalyse, Charakteranalyse, charakteranalytischer Vegetotherapie bis hin zur psychiatrischen Orgontherapie beschreibt.
Heute ist der Orgontherapeut für seinen Patienten das Bindeglied das, bzw. der „Link“ der, diesen auf der einen Seite mit dem äußeren sozialen Bereich verbindet (zwischenmenschlicher Kontakt, der eine „individuelle“ Sexualökonomie erst ermöglicht) und auf der anderen Seite mit dem biologischen Bereich (letztendlich der Kontakt mit der vegetativen Strömung, was uns erst wahrhaft zu Lebewesen macht).
Es kann von daher weder eine „unpolitische“ Orgonomie geben, noch eine Orgonomie, die sich dem „wissenschaftlichen Konsens“ beugt. Das ist angesichts all des Wahnsinns, ich sage nur „Klimawandel“ oder „Genderforschung“, heute sogar noch wahrer als zu Reichs Zeiten.
[Diese Reihe soll zur Auseinandersetzung mit Bernd A. Laskas LSR-Projekt animieren.]
Im Unterschied zwischen Kopf und Bauch ist der zwischen Ironie und dem, was man „Brennen“ nennen könnte, aufgehoben. Der „Kopf“ (Augen, Ohren) impliziert immer Fernwahrnehmung, Distanz, während der „Bauch“ immer Nähe bedeutet. Und das auch über weite räumliche und zeitliche Distanzen hinweg: „Ich fühle mich den haitianischen Befreiungskämpfern Ende des 18. Jahrhunderts ganz nah!“ Wir wissen heute, daß die haitianische Revolution ein schlechter Witz war und damals das Elend erst richtig angefangen hat. Aber troztdem: der Bauch kann nicht lügen. Er kann zwar für das Falsche brennen, aber das Brennen selbst ist echt. Das zu sagen impliziert interessanterweise die größtmögliche Distanziertheit, denn wann war das Brennen je intensiver als bei der Hitlerjugend oder den Roten Brigaden Maos?
Der „Kopf“ kann immer mit Scheingebilden, Chimären, unsinnigen Geisteskonstruktionen einhergehen, letztendlich das Über-Ich („über dem Körper bzw. Bauch!“). Stirner hat genau das bekämpft, wird aber implizit als „verkopft“ hingestellt.
Der „Stirnerianer“ Reich hat sich explizit dem Bauch zugewandt („Bioenergetik“, „der Solar plexus als Kern des Organismus“), während der „Feuerbachianer“ Freud ganz Kopf war: Distanz bis ins Extrem im psychoanalytischen Setting, Kinder distanziert behandeln, um den Ödipuskomplex nicht zu provozieren, Sublimation, explizite Verneinung „ozanischer Gefühle, Psychologie statt Physiologie. Ähnliches findet man bei LaMettrie vs. Haller, Voltaire, etc. Und auch bei Stirner vs. Marx, wenn man darauf achtet, daß Stirner den Einzelnen auf seine körperliche Unmittelbarkeit reduziert, während er sich bei Marx, trotz allem „Materialismus“, zu einem abstrakten „Ensemble gesellschaftlicher Kräfte“ verflüchtigt.
1. Eine Frage der PHILOSOPHIE – die „Kulturdiskussion“ zwischen Reich und Freud: Ist der Mensch ein polymorph-perverses sadomasochistisches Tier, dem Rationalität aufoktroyiert werden muß, oder kann man die Gesellschaft auf Selbststeuerung gründen?
2. Die logische Vollendung der Freudschen LIBIDOTHEORIE durch Reich. Freud hingegen hat stattdessen seine eigene Leistung mit der Todestriebtheorie und der neuen Angsttheorie (Angst nicht Folge von Libidostau, sondern ein „Signal“) zerstört. Hinzu kommt, daß das Ich in sich zu schwach sei, um sich gegen die sozusagen „Triebsignale“ wehren zu können, weshalb Panzerung (= das Über-Ich) insbesondere Anna Freud zufolge unvermeidlich und unaufhebbar ist!
3. Die logische Vollendung der CHARAKTERANALYSE (als Fortführung der Psychoanalyse), da der genitale Charakter, also das Therapieziel, per definitionem orgastisch potent sein muß. Freuds Therapieziel hingegen war der Stoiker, der sich in der Misere der vermeintlich prinzipiellen Unbefriedigbarkeit einrichtet.
4. Die Ausweitung der Psychologie (Psychoanalyse) in die SOZIOLOGIE hinein: Sexualökonomie (die gesellschaftlichen Folgen des Konzepts orgastische Potenz) und Politische Psychologie (die gesellschaftlichen Folgen der charakteranalytischen Sichtweise). Heute betrifft das vor allem einerseits die Analyse der Gender- und Transideologie und andererseits die Analyse des neurotischen liberalen und des pestilenten pseudoliberalen Charakters – der diese pestilenten Ideen propagiert.
5. Der Orgasmus ist ein Thema der MEDIZIN (Hormone, Autonomes Nervensystem) und eines der BIOLOGIE (die orgastische Plasmazuckung, Spannung – Ladung – Entladung – Entspannung). Das letztere führte einerseits 1935 zu den allerersten elektrophysiologischen Messungen der sexuellen Reaktion, Jahrzehnte vor Masters und Johnson, und andererseits 1936 zu den Bionversuchen, Jahrzehnte vor der Entdeckung der Mikrosphären.
6. Die KOSMISCHEN Aspekte des Orgasmus betreffen einerseits das, was Reich in Die kosmische Überlagerung erläutert hat, und andererseits das ORANUR-Experiment bzw. den OR-DOR-Metabolismus. Organismische Orgonenergie, die nicht im Orgasmus metabolisiert wird, verwandelt sich zwangsläufig in DOR, das wiederum die Grundlage aller Biopathien ist, insbesondere aber der Emotionellen Pest. Zur kosmischen Überlagerung morgen mehr.