Posts Tagged ‘Arroganz’

Max Stirner, Soter (Teil 12)

20. Juni 2025

Egoisten sind wir allein schon durch das perspektivische Wesen unserer Existenz: wir sind Mittelpunkt unserer Welt, ob wir es wollen oder nicht (Parerga, S. 159). Stirner nimmt die Welt als das „was sie Mir ist, als die Meinige, als Mein Eigentum: Ich beziehe alles auf Mich“ (Der Einzige, S. 14). Man vergißt dabei zu leicht, daß es Stirner um die nur scheinbare „Leiblichkeit“ der Gespenster geht, die es zu zerstören gilt: „so nehme Ich sie in die Meinige [Leibhaftigkeit] zurück und sage: ‚Ich allein bin leibhaftig‘“ (ebd.) Oder mit anderen Worten: es geht nicht um mein Gehirn und seine Hirngespinste, sondern um meinen Bauch – nicht „Solipsismus“, sondern um „Materialismus“.

Der „Einzige“ deutet aber nicht auf ein solipsistisches oder ein „ins Nichts geworfene“ „Seelenatom“; Stirner wählte dieses Wort nur, weil es von selbst jedes Allgemeine, jeden bloßen Begriff, jede bloße Idee ausschließt. Der Einzige ist einfach der unvergleichliche einzelne Mensch und so nichts weiter als eine tautologische Phrase, zu der jedoch im Gegensatz zu allen bisherigen Phrasen ein „Phraseneigner“ gehört (Parerga, S. 154f).

Die Welt ist nicht (von vornherein) mein Eigentum, sondern ich eigne sie mir an – das Gegenteil von „Solipsismus“. „Mein Eigentum aber ist kein Ding, da dieses eine von Mir unabhängige Existenz hat; mein eigen ist nur meine Gewalt. Nicht dieser Baum, sondern meine Gewalt oder Verfügung über ihn ist die meinige“ (Der Einzige, S. 307). „Die [Welt] ist mein eigen, sobald Ich selbst mein eigen, ein Eigener bin: dem Egoisten gehört die Welt, weil er keiner Macht der Welt gehört“ (Der Einzige, S. 316). „ (…) nicht das Ich ist alles, sondern das Ich zerstört Alles, und nur das sich selbst auflösende Ich, das nie seiende ich, das – endliche Ich ist wirklich Ich“ (Der Einzige, S. 199).

Stirner ist das Gegenteil von Selbstherrlichkeit und Arroganz. „‘Nichts in dieser Welt ist vollkommen‘. Mit diesem leidigen Spruche scheiden die Guten von ihr und flüchten sich in ihr Kämmerlein zu Gott oder in ihr stolzes ‚Selbstbewußtsein‘. Wir aber bleiben in dieser ‚unvollkommenen‘ Welt, weil Wir sie auch so brauchen können zu unserem – Selbstgenuß“ (Der Einzige, S. 357f). Auch wenn er vom Gegensatz zwischen Schöpfer und Geschöpft spricht, meint er keine illusorische Selbstherrlichkeit, vielmehr geht es darum, ob man die Kinder zu Schöpfern macht oder zu bloßen Geschöpfen erniedrigt, die dressiert werden müssen (Parerga, S. 75).

Das sieht dann so aus: Von dem Moment an, wo Mir nichts mehr über Mich geht „hört Staat, Kirche, Volk, Gesellschaft u.dergl. auf, weil sie nur der Mißachtung, welche Ich vor Mir habe, ihre Existenz verdanken, und mit dem Verschwinden dieser Geringschätzung selbst erlöschen: sie sind nur, wenn sie über Mir sind, sind nur als Mächte und Mächtige. Oder könnt Ihr Euch einen Staat denken, dessen Einwohner allesamt sich nichts aus ihm machen? Der wäre so gewiß ein Traum, eine Scheinexistenz, als das „‘einige Deutschland‘“ (Der Einzige, S. 316). Nur ein Idiot, kann hier, „Scheinexistenz der Welt“, Solipsismus hineindichten! Oder sagen wir mal so: Die dressierten Menschen leben in einer Scheinwelt aus lauter fixen Ideen, etwa so wie jemand, der unter einem Verfolgungswahn leidet oder gar unter einer manifesten Psychose. Stirner wollte diese Welt auslöschen und den Schöpfer dieser Welt, der zeitweise seine Souveränität verloren hat, wieder in seine Rechte setzen. Es ist die Auflösung von okularer Panzerung und generell von Panzerung.

Wie nahe sich Reich und Stirner nicht nur in der Sache („Panzerung“), sondern auch in den Sprachbildern stehen, wird deutlich, wenn Stirner im Zusammenhang mit der Gesetzgebung im Staate davon spricht, daß durch zurückliegende Willensäußerungen der Wille quasi „erstarrt“ sei, was aus einem einstigen „Wollenden“ einen „Willenlosen“ macht, der, wie Stirner sich ausdrückt, in seinem „Flusse“ und seiner „Auflösung“ gehemmt ist (Der Einzige, S. 215).

Email (Über Religion) (2004)

11. Februar 2025

Email (Über Religion) (2004)

Orgonbiophysik und LSR (Teil 3)

28. Januar 2023

In seiner „paraphilosophischen“ Forschungsarbeit hat Laska stets seine „serendipity“ geleitet. Ein Wort, das bei ihm immer wieder und wieder auftaucht und das nur annähernd mit „glücklicher Zufall“ übersetzt werden kann. Es war immer das Vertrauen, sozusagen „Urvertrauen“ in den eigenen guten Riecher, der ihn Mitte der 1960er Jahre über das zufällige Hören eines Vortrags des Kirchenkritikers Karlheinz Deschner in Frankfurts Club Voltaire zu Reich brachte, dessen Die sexuelle Revolution 1966 erschien. Ende der 1970er Jahre stolperte er über die marginale Erwähnung Max Stirners im Reichschen Werk (insbesondere in der Literaturliste zum Christusmord, das er zu dieser Zeit übersetzte), die sonst niemand groß beachtet hatte. Auf LaMettrie stieß er schließlich über den nihilistisch, anti-universalistischen Philosophen Panajotis Kondylis. Auf www.lsr-projekt.de heißt es dazu:

(Durch die Auseinandersetzung mit Reich und Stirner) sensibilisiert für die Problematik „Aufklärung“, die mir allenthalben inadäquat behandelt worden zu sein schien, kam mir Kondylis‘ große Studie von 1981 (Die Aufklärung im Rahmen des neuzeitlichen Rationalismus) in die Hände. Nachdem ich Kondylis‘ einleitende Bemerkungen über seinen „nihilistischen“ Standpunkt und seine Methode gelesen hatte, fand ich schnell und treffsicher jenes Kapitel heraus, das auf 15 Seiten das gedankliche Zentrum der 725-seitigen Abhandlung und zugleich die Achillesferse der Kondylis’schen Philosophie enthielt: „VII. Formen des Nihilismus in der Aufklärung. 3. Die Konsequenten: La Mettrie und Sade“ (S. 503-517).

Darin fiel mir sofort als krampfhaft und gewaltsam auf, daß Kondylis diese beiden Autoren unbedingt zusammenspannen, d.h. zu gleichgearteten „Nihilisten“, stilisieren will. Daraufhin befaßte ich mich intensiv mit den Originalschriften von La Mettrie und Sade und stellte, konträr zu Kondylis, deren im Kern geradezu gegensätzliche Positionen fest. Zugleich entdeckte ich in einer Art serendipity, daß die Kernidee La Mettries der von Stirner und der von Reich im Grunde gleicht und nur in anderen Begriffen zum Ausdruck gebracht worden ist – und daß es eben diese Kernidee gewesen sein muß, die L/S/R zu jeweils in ihrer Epoche einzigartigen Aufklärern gemacht hat, die insbesondere von den politisch erfolgreichen Aufklärern – also Voltaire, Diderot et al.; Marx, Nietzsche et al.; Freud et al. – geradezu verfemt worden sind.

Dieser grundsätzliche Ansatz, der von einem bestimmten „Lebensgefühl“ ausgeht und diesem vertraut, ist von der Struktur her identisch mit Reichs Vorgehen in der Orgonbiophysik.

Man nehme etwa Reichs bioelektrische Experimente: seit dem Band Jenseits der Psychologie wissen wir, wie Reich mit seinen Mitarbeitern aus dem Kaiser Wilhelm Institut (heute Max Planck Institut) ringen mußte. Für ihn waren die Ergebnisse gut genug, weil sie seine Intuition bestätigten und in den Gesamtrahmen (Kraus, Hartmann, Müller, Vegetotherapie, etc.) paßten. Die Kaiser Wilhelm-Leute wollten (auf Reichs Kosten, der das ganze aus eigener Tasche finanzieren mußte) das ganze weiter „absichern“. Man kann davon ausgehen, daß bei dieser „Absicherung“ das versickert wäre, um was es Reich ging. (Später haben Dew und Braid sowie Hebenstreit Reichs Experimente mit modernen Geräten wiederholt und weitgehend bestätigt.)

Und so in allem. Man kann Forschung auch scheinobjektiv betreiben, nämlich so, daß die zu erforschenden Phänomene buchstäblich im Datensalat versickern. Sei das nun, daß de Sade und LaMettrie beide der gleichen Kategorie zugeordnet werden und dergestalt der letztere sich von der Bedeutung her in nichts auflöst, oder etwa im Falle der beiden Sexualforscher Masters und Johnson bei der elektrophysiologischen Untersuchung der Sexualreaktion der Sadomasochismus und die Genitalität auf die gleiche Ebene gehoben werden, weil man „objektiv“, d.h. „wissenschaftlich“ an die Sache herangeht. „Liebe ist Liebe!“ – und deshalb bedeutungslos… Alles löst sich in bedeutungslose Willkür auf, entsprechend dem folgenlosen „Gelaber“ der Philosophen. Man landet in diese entropische Beliebigkeit, weil man nicht auf seinen guten Riecher vertraut, bzw. weil man sich nicht selbst vertraut, bzw. weil man eine „un-LSR-sche“ psychische Struktur hat und jedes Vertrauen zerstört ist.

Ähnliches läßt sich über die heutige psychiatrische Diagnostik sagen, die wirklich alles und zwar angeblich „ganzheitlich“ absichern will und dermaßen ins Detail geht, daß die zentralen Probleme des Patienten verschwinden. Reich hingegen hat seine Schüler immer gemahnt, bei Fallpräsentationen doch bitte auf diese Scheingenauigkeit zu verzichten und den Fall in vielleicht 10 Sätzen zu umreißen. Er hat in diesem Zusammenhang jedes „mechanische und systematische“ Denken verdammt (wie es heute von den ICD- und DSM-Manualen verkörpert wird) und an seine Stelle ein „funktionelles und strukturelles Denken und Vorstellen gesetzt“ (Charakteranalyse, KiWi TB, S. 426). Sozusagen: Nerven Sie mich nicht mit Details und systematischen Auflistungen, sondern streichen Sie hervor, welche Strukturen eine wichtige Funktion einnehmen!

Und genau hier ist eine Nähe zu LSR! Laskas Gegner würden zu gerne in abseitige Details gehen, vermeintlich „wissenschaftlich“ arbeiten, während Laska stur auf dem beharrt, was funktionell und strukturell wichtig ist. Klar, daß eine solche Arroganz, ein solches Vertrauen in die eigene serendipity, provoziert.

Das Problem mit den Forschungsobjekten Reichs ist doch, daß sie fast durchweg ziemlich „elusiv“ sind. Gut möglich etwa, daß jemand die Wirkung von Orgonenergie-Akkumulatoren (ORACs) auf Krebsmäuse untersucht, nichts findet und dann ausklamüsert, wie wohl Reich auf seine vermeintlich fehlerhaften Ergebnisse gekommen ist. Ohne daß dieser Jemand je auf den Gedanken kommt, daß seine ORACs zu groß sind; daß es bei ORACs nicht um eine mechanische „Bestrahlung“, sondern um den Kontakt zweier Energiefelder geht, wo es zu einer wechselseitigen „Erstrahlung“ kommt. Das mit der „Erstrahlung“ ist für ihn schon „unbewiesene Metaphysik“ und wenn man ihm sagt, daß er das doch selbst unter dem Mikroskop bei Bionen beobachten, auf der Couch eines Medizinischen Orgonomen erfahren und im ORAC spüren soll: „Bin ich hier in eine Sekte reingeraten?!“ Und wenn man ihm dann gar noch erklären muß, daß heutzutage die meisten ORACs energetisch tot sind und daß er sich doch bitte nach Maine oder Oregon begeben muß, um einen wirklich funktionstüchtigen ORAC zu erleben und daß er am besten dort seine Krebsmäuse-Experimente durchführen soll, aber nur wenn der (rein subjektive) DOR-Index unter „5“ ist…

Ja, wenn das so einfach mit der Orgonbiophysik wäre wie etwa mit der Festkörperphysik… Es ist ähnlich wie bei LSR: keine andere Theorie muß mit „Widerstandanalyse“ arbeiten. Foucault & Co. können ihre Ergebnisse auf den Tisch knallen und vor einem aufgeschlossenen Publikum mehr oder weniger klug darüber diskutieren. Laska kann das nicht!

Ich muß auch ständig an eine Anekdote denken, die Reichs Sekretärin Lois Wyvell beschrieben hat: tagsüber versuchte Reich seinen Mitarbeitern die Orgonbiophysik nahezubringen, die aber ständig ihm gegenüber vorschützten, ihnen fehle dafür die wissenschaftliche Vorbildung. Und was taten sie an den langen Abenden? Sie trafen sich in Dr. Howard Lee Wylies Hütte, der dort unter begeistertem Zuspruch Seminare über Elektronik (sic!) abhielt! Reich hantierte mit elusiven Phänomenen, die nicht anerkannt waren. Wylie mit Transistoren und Widerständen. Alles greifbar und anerkannt. Als Reich das rausfand, ist er natürlich ausgerastet.

Ähnlich Laska: LSR ist angeblich zu ungreifbar und verschwommen – aber „die Leute“ haben unendlich viel Zeit und Geduld, um sich mit verwirrenden (aber „(geistes)wissenschaftlich“ anerkannten) Dingen wie Deleuze und Nietzsche abzugeben. Und dann geifern sie Laska an: er wäre der Obskurantist, der sich mit abwegigen Dingen beschäftigt.

Der biologische Rechenfehler und die gegenwärtigen Probleme des Menschen

19. Mai 2019

 

Paul Mathews:
Der biologische Rechenfehler und die gegenwärtigen Probleme des Menschen

 

Der biologische Rechenfehler und die gegenwärtigen Probleme des Menschen (Teil 3)

19. Juni 2018

 

Paul Mathews: Der biologische Rechenfehler und die gegenwärtigen Probleme des Menschen