Posts Tagged ‘Orgasmus’

Orgonomie und Metaphysik (Teil 36)

22. Februar 2022

Religiöse Vorstellungen sind weder irrelevant, noch einfach nur nichtig, sie können sogar eine mehr oder weniger notwendige Stimulans für das lebendige Leben sein, doch leider Gottes besteht ihr gegenwärtiges Wirken ganz im Gegenteil in der Behinderung des Lebens. Es ist wie mit dem kosmischen Orgonenergie-Ozean, der sich in uns sozusagen „selbstverwirklicht“, was sich ins Gegenteil verkehrt, wenn wir z.B. über KKWs ORANUR-produzierend auf ihn rückwirken. Genauso wie wir im kosmischen Rahmen, haben die Religionen im biosozialen Rahmen in ihrer rationalen Funktion versagt. Es war die Funktion der Aufklärung die Integrität des Lebens gegen die zerstörerische Einflußnahme der „höheren Welten“ zu verteidigen und in Fortführung von Nietzsches „Kunst des Zweifels“ und der Freudschen Psychoanalyse ist Reichs Orgonomie der Höhepunkt dieser kostbaren europäischen Tradition der Vernunft, die wir unter allen Umständen verteidigen müssen. Ziel der Sexualökonomie war es immer, den Gottesglauben mit der Wurzel aus der menschlichen Seele zu reißen. Nur so wäre beispielsweise im Nahen Osten Frieden möglich. Ecrasez l’Infame!

Wenn da nicht ein ganz entscheidendes Handikap wäre: wie Nietzsche sagt, haben wir zuwenig Religion, um die Religion zu vernichten (Nachgelassene Fragmente 1875-1879, KRITISCHE STUDIENAUSGABE, Bd. 8, S. 344). Wir glauben einfach zu wenig an das Leben, als daß wir z.B. dem todessüchtigen Glaubenseifer der Moslems auch nur irgendetwas entgegenhalten könnten. Wie will man gegen Feinde kämpfen, die den Tod verachten? Immerhin hat eine orientalische Horde von schwachsinnigen religiösen Fanatikern es fertiggebracht, die antike Welt zu vernichten. Das gleiche könnte auch dem heutigen Europa widerfahren.

Das lebendige Orgonom ist durch den Widerspruch zwischen seiner „gefrorenen“ Struktur und der beweglichen, freien organismischen Orgonenergie gekennzeichnet, die nach „Befreiung“ drängt.

https://www.youtube.com/watch?v=4bj6SqgT4SQ

Reich spricht vom „Gefühl von etwas getrennt zu sein“, das bei sensiblen, gesunden Menschen auftritt. Reich:

Es drückt sich am klarsten im Schmerz aus, in der schmerzlichen Pein vom Liebsten getrennt zu sein, ob es das Kind, die Frau, der Ehemann ist; mit einem Verlangen wieder vereint zu sein, wieder zusammen zu sein, wieder den Kontakt zu spüren. Aber ich denke, daß diese Liebeserfahrung eine der Funktionen, eine der Variationen einer viel tieferen Sache ist. Irgendwie kommst du zu solchen Gedanken in sehr stillen Nächten, ohne Geräusche in der Umgebung außer dem Wind; Gedanken darüber, vom kosmischen Orgon-Ozean getrennt zu sein, sozusagen abgesondert zu sein. Und das, was sie Nirwana nennen oder kosmisches Verlangen, all dies scheint der tiefste Ausdruck eines sehr tiefen Wunsches oder einer Tendenz zu sein („Wunsch“ ist zu psychologistisch, um dies zu beschreiben), zum kosmischen Orgon-Ozean zurückzukehren. Und hier hatte Freud irgendwie Recht mit seinem Todestrieb, aber er wußte es nicht. Und keiner wußte es zu jener Zeit. Die innige Rückkehr, die als Rückkehr zur Gebärmutter beschrieben wurde, die Rückkehr zu den Müttern in den alten griechischen Mythensammlungen, die Rückkehr zum Orgon-Ozean. Dieses Verlangen ist nicht so schmerzhaft, wenn du dich in einer funktionierenden, guten Liebesbeziehung befindest oder wenn du ein Kind hast, das du liebst, und so weiter. Es kann dort befriedigt werden. („Man’s Roots in Nature“. Orgonomic Functionalism Vol. 2, 1990, S. 68)

Die Sehnsucht nach Transzendenz, der Drang das Energetische, das „Feinstoffliche“, den „Geist“ von den Banden des Körpers zu befreien, scheint also eine natürliche Bestrebung zu sein, die durch die Panzerung in seiner Dringlichkeit nur verstärkt wird. Entsprechend ist die Religion des gepanzerten, orgastisch impotenten Menschen nach dem Muster einer masochistischen Perversion gestaltet: monotone Riten, Zwangshandlungen, Geißelungen, Todessehnsucht. Man könnte deshalb den Tod als einen „finalen Orgasmus“ betrachten, bezeichnen doch die Franzosen den Orgasmus als „den kleinen Tod“.

Ist die Abwehr des Todes vielleicht so etwas wie Hingabeunfähigkeit? Von alters her galt sexuelle Enthaltsamkeit als Garant für ein langes Leben. Zum Beispiel glauben die Chinesen, daß mit jeder Ejakulation der Mann einen Teil seiner Lebenszeit verliert. Das ist natürlich vollkommener Unsinn. Reich hat gesagt, daß „Todes- und Sterbensangst identisch mit unbewußter Orgasmusangst ist“ (Die Funktion des Orgasmus, Fischer TB, S. 119).

Aus der Vegetotherapie ist bekannt, daß sich orgastische Empfindungen unter dem Druck der Orgasmusangst als Sterbensangst äußern: „Sterben“ im Sinne von Zergehen, Zerfließen, Bewußtseinverlieren, Sich-Auflösen, „Nichtsein“! (Der Krebs, Fischer TB, S. 199)

Hermann Hesse hatte 1919 diese Zusammenhänge in seiner Erzählung Klein und Wagner beschrieben. Alle Ängste einschließlich der Todesangst „waren nur Masken und Verkleidungen. In Wirklichkeit gab es nur eines, vor dem man Angst hatte: das Sichfallenlassen“. Und Edgar Allan Poe hat sehr schön dargestellt, daß der Schrecken gerade darin bestehen kann, nicht sterben zu können, sondern wie ein „Untoter“ unerlöst im Leben festzusitzen. Siehe auch den christlichen Ahasver-Mythos, den „Fliegenden Holländer“ oder den Film Highlander.

Bei der sadomasochistischen Todessehnsucht nach dem „orgastischen Paradies“ kann man auch an das japanische Harakiri denken (siehe Charakteranalyse  und Die Funktion des Orgasmus). Der Tod des englischen Politikers Stephen Milligan 1994 war dergestalt wohl ein Ergebnis echter spiritueller Bestrebungen: Über seinen Kopf war eine Plastiktüte gestülpt, um seinen Hals war ein Stromkabel gewickelt und in seinem Mund steckte eine geschälte Apfelsine, in der sich eine Drogenkapsel befand. Diese Teilstrangulierung bis an die Grenze des Exitus soll zu einem ganz außergewöhnlich starken Orgasmuserlebnis führen. In Klöstern passiert nichts anderes, wenn auch mit anderen Mitteln. Mönche tragen keine Strapse wie englische Politiker.

Paul Mathews: Besprechung WILHELM REICH. THE EVOLUTION OF HIS WORK by David Boadella

21. Februar 2022

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Besprechung WILHELM REICH. THE EVOLUTION OF HIS WORK by David Boadella

Von der Sexualökonomie und Politischen Psychologie der 1920er/30er Jahre zur heutigen sozialen Orgonomie

20. Februar 2022

Wie vor fast 100 Jahren Wilhelm Reichs Kritik an der damaligen psychoanalytischen Kultur- und Todestriebtheorie zeigte, wird die menschliche Tätigkeit in allen ihren Formen von sexueller Energie gespeist. Zentral ist hier die Entdeckung der Rolle des Orgasmus und seines ungestörten Verlaufs für den Triebhaushalt. Dessen Störungen werden von der Sexualökonomie untersucht, der Lehre von den individuellen und gesellschaftlichen Gesetzen des menschlichen Lebensenergie-Metabolismus. Die pathologische Sexualstruktur des Menschen steht einer gesunden, selbstregulierten individuellen und gesellschaftlichen Sexualökonomie, d.h. der Genitalität und der Arbeitsdemokratie entgegen, was einen grundlegenden Umbau nicht nur der individuellen, sondern vor allem auch der gesellschaftlichen Ordnung notwendig macht. Reichs Massenpsychologie zeigt, daß sich das herrschende sexual- und generell lebensfeindliche Gesellschaftssystem reproduziert, indem durch die Erziehung in der Familie bestimmte psychische Strukturen geschaffen werden, so daß die dergestalt zur Selbstregulation unfähig gemachten Menschen im Laufe ihres Lebens das Sozialleben auf eine Weise gestalten, die nicht den objektiven Erfordernissen der Entfaltung des Lebens gemäß sind, sondern zu ihrer rigiden, bzw. heute chaotischen neurotischen Charakterstruktur passen. Dieser „subjektive Faktor“ erweist sich als widerstandsfähiger als die objektiven Notwendigkeiten des Lebens. In diesem Zusammenhang sprach Reich anfangs von „Politischer Psychologie“, womit er ausdrücken wollte, daß sich die individuelle und gesellschaftliche Sexualökonomie nicht nur im engeren Sinne in den Forderungen der Sexualpolitik niederschlägt, sondern die bioenergetischen Notwendigkeiten den Kern der gesamten fortschrittlichen Politik ausmachen. Später gab er angesichts der unüberwindlichen, wie gesagt „widerstandsfähigen“ Irrationalität der Massen diesen politischen Ansatz auf, um sich auf die eine Stellschraube zu konzentrieren, die eine ungestörte Sexualökonomie möglich macht: die Erziehung in der Familie. An die Stelle der Politischen Psychologie tritt nun die Bekämpfung der Emotionellen Pest, d.h. die Bekämpfung des vernunftwidrigen Ressentiments gegen das Lebendige, das das Projekt „Kinder der Zukunft“ unmöglich zu machen droht. Die heutige soziale Orgonomie wird von Reichs Nachfolger Charles Konia in dessen Blog vertreten.

Orgonomie und Metaphysik (Teil 29)

2. Februar 2022

Es liegt ein untergründiger Parallelismus vor zwischen Charles Kelley und Richard Blasband, beides Randerscheinungen auf Orgonon der 1950er Jahre. Und beide endeten mit dem Diktum: „Es gibt mehr als Sex.“

Dazu ist zunächst zu sagen, daß dies natürlich auch Reich in Christusmord gesagt hat („mehr als bloßes Ficken“), andererseits hat Reich natürlich über die Mystifizierung der genitalen Christus-Energie geschrieben, wie es sich in der christlichen Kunst zeigt. Ich erinnere auch an den hinduistischen Hare Krishna-Kitsch, wo Krishna (Christus) mit den Milchmädchen spielt, „Gopis“, die die Seelen verkörpern. Hier wird die religiöse Ekstase direkt im Bild der genitalen Umarmung gefaßt. Die Religiösen sagen, dies zeige, daß sie doch gar nicht so sexualfeindlich seien, während Reich sagt, daß alle Irrationalität transformierte Sexualität ist und alles Rationale befriedigter Sexualität entspricht – also absolut asexuell ist.

Es ist aber unbestritten, daß, wie allein schon der Begriff „Orgon“ zeigt, in der Orgonomie (ursprünglich „Sexualökonomie“!) alles auf den Sexus gründet und etwa die Orgontherapie richtigerweise „Orgasmustherapie“ heißen müßte. Kelley und Blasband wollten von dieser Ausschließlichkeit weg. Kelley indem er von „Feeling and Purpose“ sprach. Also in der Therapie sollte es nicht nur um Emotionen bzw. deren Befreiung gehen, sondern vor allem auch um Zielstrebigkeit. Das entspricht ungefähr dem, warum heutzutage junge Männer zur Fremdenlegion gehen: um ihre emotionalen Grenzen auszuloten und um Disziplin bzw. Selbstdisziplin zu lernen. Bei Blasband ging es entsprechend um die „zielgerichtete Intention“ mit der man die diversen „Energiekörper“ (die Schichten der Aura) beeinflussen kann.

Es ist in etwa so wie beim Qi Gong: die Funktion der Vorstellungskraft („der Geist“) ist der Weg zur Manipulation der Orgonenergie bzw. des „Qi“. Die von Koopman und Blasband vorgebrachte „unsterbliche Essenz“ ist nichts weiter als Ballast, ein unnützes mystisches „zusätzliches“, imgrunde tautologisches Konzept mit zweifelhafter funktioneller Bedeutung. Es ist nur die biophysikalische Orgonfunktion der Imagination, mit der Blasband und andere die Orgonenergie manipulieren.

Blasband und auch Kelley verwechseln schlicht die Folge mit der Ursache. Die gute Koordination des Organismus vermittelt das Gefühl psychischer Einheit (Soma –> Psyche). Nun kommt Blasband und erklärt die Folge der organismischen Koordination, nämlich die psychische Einheitsempfindung zur Ursache (Psyche –> Soma). Eine auf den Kopf gestellte Welt, die bereits Reich auf die Füße gestellt hatte.

In der Geschichte der Orgonomie sehe ich nur einen einzigen Anknüpfungspunkt zu der Welt von Kelley und Blasband, nämlich ausgerechnet Marx! Zurecht insistiert dieser darauf, daß Arbeit, die Grundlage unserer Existenz, nicht bloßes organismisches Roboten ist, sondern dieses erst zur Arbeit wird, wenn es zielgerichtet, intentional, einem Plan folgend ist. Allenfalls könnte man noch Freuds Überwindung des Lustprinzips durch das Realitätsprinzip nennen.

Bereits Friedrich Albert Lange hat in seinem Buch über die Geschichte des Materialismus (übrigens Pflichtlektüre für jeden angehenden Orgonomen) über die berechtigte und notwendige Ergänzung des Materialismus geschrieben, denn der Materialismus allein könne die Realität nicht erklären. Dieser Neukantianer stimmte der materialistischen naturwissenschaftlichen Methode vollkommen zu, man dürfe darauf aber keine umfassende Weltanschauung bauen, da der Mensch nur immer Bruchstücke der Wirklichkeit erfassen könne. Insbesondere das Bewußtsein ließe sich nicht aus stofflichen Vorgängen erklären, obwohl es offensichtlich von diesen abhängig ist.

„Metaphysik“ erkannte Lange nur als Kinderspiel für Erwachsene, dichterischen Mythos und ideele Fiktion an, die nichtsdestoweniger eine zentrale Funktion hat. Das sieht man z.B. daran, daß im Glauben verankerte Menschen, wobei scheiß egal ist, woran sie glauben, weniger an Krebs erkranken als materialistische Atheisten. Und dem liegt auch die ganze Geistheilerei zugrunde: die funktionelle Bedeutung der Illusion. Man darf nur nicht vergessen, daß es Illusion ist.

Reich erinnert sich:

In der medizinischen Arbeit war ich Mechanist und gedanklich eher allzu systematisch. Von den vorklinischen Fächern interessierten mich am meisten die systematische und topographische Anatomie. Gehirn und Nervensystem beherrschte ich vollkommen. Die Kompliziertheit der Nervenbahnen und die sinnreiche Anordnung der Schaltstationen faszinierten mich. So sammelte ich viel mehr an Wissensstoff, als zum Rigorosum gefordert war. Aber gleichzeitig wurde ich von der Metaphysik gefesselt. Langes Geschichte des Materialismus gefiel mir, weil die Unabkömmlichkeit der idealistischen Philosophie über das Leben klar hervortrat. Manche Kollegen ärgerten sich über meine „Sprunghaftigkeit“ und „Denkinkonsequenz“. (Die Funktion des Orgasmus, Fischer TB, S. 29)

Ganz ähnlich war Blasband. Charles Konia beschreibt ein Fallbeispiel, hinter dem sich niemand anderes verbirgt als Blasband. Ich paraphrasiere entsprechend: Im Gegensatz zum typischen impulsiven Charakter zeigte sich bei Blasband eine energische und charmante Führungspersönlichkeit der Orgonomie mit einer gewisse Arbeitsfähigkeit, solange er unter dem Leiter der Orgonomie, E.F. Baker, einer starken Autoritätsperson, arbeitete. Solange er unter Bakers Kontrolle stand, war er ein guter Soldat und führte seine Aufgaben einigermaßen gut durch, obwohl man das Gefühl hatte, daß er sie auf Befehl und nicht aus innerer Motivation heraus erledigte. Man hatte den Eindruck, daß er auf sich allein gestellt Schwierigkeiten gehabt hätte, bei seiner Arbeit Verantwortung zu übernehmen. Als Baker plötzlich starb, war Blasband gezwungen, die Verantwortung für den Arbeitsprozeß zu übernehmen. Zunächst machte er seine Sache recht gut, indem er sich an Bakers Vorbild orientierte. Nach und nach verschlechterte sich jedoch seine Arbeitsleistung (chronisches Erschöpfungssyndrom). Er verlor die Fokussierung und ließ sich zunächst heimlich, dann offen mit einem mystischen Heiler (Nikolai Levashov) ein. Seine Arbeitsfähigkeit verschlechterte sich weiter, und er brach seine Tätigkeit in der Orgonomie ab (The Emotional Plague, S. 304).

Blasband ein Triebhafter Charakter?! Ich finde, diese Diagnose macht schon Sinn, wenn man an sein Verhalten gegenüber Jerome Eden denkt, z.B. sein vollkommen unberechenbares und unverantwortliches Verhalten während der Rio Vista-Expedition; seine Beziehung zu dem pestilenten mystischen Psychopathen Trevor Constable; seine merkwürdige Besprechung eines Buches über Otto Fenichel, wo er den Modju Fenichel als Märtyrer einer guten, rationalen Sache hinstellte (vollkommen irrsinnig!); seine vollkommen blödsinnige Bemerkung mir gegenüber von wegen alle Deutschen sollten schuldbewußt sein; seine pornographische Bemerkung als Guiseppe Cammarellas Frau bei der orgonomischen Konferenz in Nizza mit einem Mikro nicht zurechtkam; sein Ernstnehmen der abstrusesten Theorien, die Levashov präsentierte; sein unverantworliches Verhalten in bezug auf „Körpertherapeuten“ sowie dem profilneurotischen lunatic fringe der Orgonomie, das im krassesten Widerspruch zu dem stand, was er davor vertreten hatte (als er noch ein braver ACO-Soldat war); seine infantilen Allmachts- und Allwissensphantasien; seine Beliebtheit bei allen: der Charmeur, den jeder mag. Ich erinnere auch daran, wie Reich auf Blasband reagierte, als sie sich das erste Mal begegneten: „Auf sanfte Weise erzählte er (Reich) mir von meiner Impulsivität und ging ein wenig auf mein Verhalten ein“ („A Visit to Orgonon“ Journal of Orgonomy 21(2), November 1987, S. 242).

Vor der Orgonomie war es die Welt des Okkulten (es ist kein Zufall, daß er danach noch jahrelang an Constable klebte), dann hat er sich der Führerfigur Baker unterworfen; es ist kein Zufall, daß er den beiden Naiven Eden und Baker gefolgt ist und dem faschistischen Malteser-Ritterorden beitrat und später Mitglied von Levashovs okkulten Orden wurde, der mit mehreren anderen Galaxien und anderen Universen (sic!) in Kontakt steht. Es ist eine Sekte, schlimmer als Scientology!

Übrigens ist der Triebhafte Charakter prinzipiell unheilbar und ähnelt darin (wie auch in anderen Dingen) dem pestilenten Charakter. In vieler Hinsicht ähnelt Blasband Reichs Mitarbeiter Michael Silvert. Reich sagte einmal zu Morton Herskowitz auf die Frage, wie er denn solche Typen, solche „Kommunisten“ wie Silvert, um sich dulden könne: „Auch die Orgonomie braucht ihre Kommunisten!“. Und Silvert hat denn auch dort, wo er unter direkter Kontrolle stand, sehr gute Arbeit geleistet – die die anderen Orgonomen nicht geleistet haben. Ähnliches trifft auf Blasband zu. Die Orgonomie, d.h. Baker brauchte ihn einfach, weil mit den anderen Orgonomen nicht viel los war, was den naturwissenschaftlichen Bereich betrifft. Aber dort wo Blasband selbständig arbeitete, kam es über kurz oder lang genau wie bei Silvert zur Katastrophe.

Orgonomie und Metaphysik (Teil 17)

14. Dezember 2021

Reich geht davon aus. „daß die psychologischen Funktionen lediglich Funktionen des SELBSTWAHRNEHMUNG oder der Wahrnehmung, biophysikalischer Plasmafunktionen sind“ (Charakteranalyse). Ich zitiere aus dem leichter verständlichen amerikanischen Original: „that the psychological functions are merely functions of self-perception or the perception of objective, biophysical plasma functions“. Genau das habe ich oben etwas ausführlicher umschrieben.

Die Funktion der Selbstwahrnehmung hat er insbesondere anhand der Depersonalisation, wie sie in der Schizophrenie auftritt, untersucht (ebd.). Tatsächlich ist er überhaupt ursprünglich von der Selbstwahrnehmung ausgegangen: „ Meine funktionelle Methode hat ihre Wurzeln in früheren Studien zur Wahrnehmung, d.h. in einem Bewußtseinsphänomen“ (Wilhelm Reich: „Work Democracy in Action“ Annals of the Orgone Institute I, S. 31).

Insbesondere beschäftigte er sich mit Henri Bergson, der sich mit dem Phänomen Bewußtsein befaßte, wie sonst keiner, z.B. in seinem von Reich studierten Buch Versuch über die unmittelbaren Gegebenheiten des Bewußtseins (die deutsche Ausgabe hieß Zeit und Freiheit), wobei Bergson natürlich zutiefst mystisch war: „… das Bewußtsein ist nicht vom Körper abhängig. Dies zu behaupten wäre dasselbe, als wenn man aus der Tatsache, daß ein aufgehängtes Kleidungsstück nach Abnahme des Hakens herunterfällt, auf die Identität von Kleidung und Haken schließen wollte. Bewußtsein ist überall, wo Leben ist. Nur der Mensch aber hat Intuition, die Form, in der das Leben sich selbst erkennen, über sich selbst nachdenken kann“ (Störig: Kleine Weltgeschichte der Philosophie, Stuttgart 1974, S. 397).

Reich hat diese Sonderstellung des Bewußtseins bei Bergson überwunden, indem er die Bergsonsche Trennung von Materie/Verstand und Leben/Intuition aufhob (siehe Äther, Gott und Teufel S. 103f). Wobei er natürlich ausdrücklich die Abwendung vom subjektiven Empfinden in der mechanistischen Naturwissenschaft angriff – mit einer gleichzeitigen Sperrspitze gegen Mystiker wie Bergson:

Das objektiv Erfaßte ist [in der mechanistischen Naturwissenschaft] zwar real vorhanden, aber unbelebt, tot. Wir haben im Interesse der wissenschaftlichen Objektivität das Lebendige zu töten gelernt, ehe wir darüber aussagen. Wir konstruieren daher notgedrungen ein mechanisches, maschinelles Bild vom Lebendigen, dem seine wesentlichste Eigenschaft, eben das spezifische Lebendigsein, fehlt. Das Lebendigsein aber mahnt zu sehr an die starken Organempfindungen unserer Kindheit. An diesen subjektiven Organempfindungen setzt jede Art von Mystizismus an, sei es nun die Yogaversenkung, sei es das faschistische „Blutwallen“, sei es das Reagieren eines spiritistischen Mediums oder das ekstatische Gotterlebnis eines Derwischs. Der Mystizismus behauptet die Existenz von Kräften und Vorgängen, die die Naturwissenschaft leugnet oder verachtet. Eine kurze scharfe Überlegung sagt uns: Der Mensch kann nichts, gar nichts phantasieren oder fühlen, das nicht in irgendeiner Form real und objektiv gegeben wäre. Denn die menschlichen Sinnesempfindungen sind nur Funktionen objektiven Naturgeschehens innerhalb des Organismus. (Der Krebs, Fischer TB, S. 116)

Das Seelische ist durch Qualität, das Körperliche durch Quantität bestimmt. In jenem gilt die Art einer Vorstellung, eines Begehrens, in diesem gilt nur das Ausmaß der funktionierenden Energie. Insofern waren also Körperliches und Seelisches verschieden. Doch die Vorgänge im Orgasmus zeigten, daß die Qualität einer seelischen Haltung von der Größe der ihr zugrundeliegenden körperlichen Erregung abhängt. Die Vorstellung von der Geschlechtslust im Akt ist im Zustand starker körperlicher Spannung intensiv, farbig, lebhaft. Nach der Befriedigung läßt sie sich nur schwer reproduzieren. Ich hatte das Bild einer Meereswelle vor mir, die hochsteigt und absinkt und dabei die Bewegung eines Holzstückchens an der Oberfläche beeinflußt. Es war nicht mehr als eine dunkle Andeutung, daß sich das Psychische aus dem tiefen biophysiologischen Prozeß je nach dessen Zustand heraushebt oder senkt. Entstehen und Vergehen des Bewußtseins beim Erwachen und Einschlafen schienen mir diesen Wellenprozeß ausdrücken zu wollen. Es war dunkel, nicht zu fassen. Klar war nur, daß die biologische Energie sowohl das Psychische als auch das Körperliche beherrscht. Es herrscht funktionelle Einheit. Es können also zwar biologische Gesetze im Psychischen, jedoch nicht psychische Eigentümlichkeiten im Biologischen gelten. Das zwang zu einer kritischen Überlegung der Freudschen Annahmen, die die Triebe betrafen. (Die Funktion des Orgasmus, Fischer TB, S. 199)

Das Paradoxon der Orgontherapie besteht darin, daß alles darauf gerichtet ist, daß sich der Patient bewußter wird, wie er sich verhält; daß er sich bewußt ist, welche Stimme, welchen Gesichts- und Körperausdruck er hat. Langfristiges Ziel ist aber ganz im Gegenteil der temporäre Verlust des Bewußtseins im Orgasmus. Danach streben aber nun auch die Menschen, die meditieren, LSD nehmen oder sich religiöser Ekstase hingeben. Ein typischer Ersatzkontakt, eine neurotische Ersatzbefriedigung.

„Mit der Ewigkeit im Blick leben“, das ist die Grundlage alles religiösen Lebens. Alles ist auf das Jenseits und das Leben nach dem Tode ausgerichtet. Hat man erstmal eingesehen, daß dergestalt deren ganzes Leben und Trachten auf das Erreichen „orgastischer Erfüllung“ ausgerichtet ist, geht einem erst die ganze abgründige Tiefe der Reichschen Sexualökonomie auf.

Orgonomie und Metaphysik (Teil 16)

12. Dezember 2021

Reich hatte ein Muster in seinem Leben, die „Offensichtlichkeit“: „Libido“ führt folgerichtig zur Orgasmustheorie, obwohl jeder klug genug war, sie niemals anzurühren; Psychoanalyse führt logischerweise zur Erfassung des individuellen Charakters und zur Infragestellung des gesamten sozialen Systems („politische Psychologie“, Massenpsychologie). Auch das Orgon ist unvermeidlich, weil Atome keinen Sinn machen (Moleküle können durch ihr Zusammenspiel kein Bewußtsein „produzieren“) und „Geist“ erklärt gar nichts (Donner wird auf den „Donnergott“ zurückgeführt). Ein unverzichtbares Element von Wissenschaftlichkeit ist die evolutionistische Komponente. Man muß jeweils einen konkreten Entwicklungsverlauf angeben können: der Geist des Menschen muß sich wie alles andere in der Natur (Mineralien und Lebewesen) entwickelt haben. Das letztere kann der Materialismus zwar, aber die Materie ist ihm etwas Gegebenes. Daran ändert das mystische Ereignis „Urknall“ auch nichts.

Reich führt über den Unterschied zwischen toter Materie und dem Lebendigen aus:

Nach den Anschauungen, die sich aus den Bionversuchen ergeben, besteht der Unterschied gar nicht in irgend etwas, das im Lebendigen neu hinzukommt und es zum Lebendigen macht; der Unterschied ist eine besondere Kombination von Funktionen, die man isoliert für sich auch im Leblosen findet. (Die Bionexperimente, Frankfurt 1995, S. 161)

Und weiter: Um das Lebendige erfassen zu können, müsse man die „Ganzheitsfunktion“ auffinden,

die man zwar in Einzelfunktionen physikalischer und chemischer Art zerlegen kann, die man auch im Anorganischen vorfindet, die aber im Anorganischen nicht als einheitliches Ganzes funktionieren. Man übersah bisher, daß die einheitliche Ganzheitsfunktion in keinem Gegensatz zur Summe der Einzelfunktionen steht; das gab den Vitalisten die Grundlage ab, das Unerklärliche metaphysisch zu begründen wie etwa bei Driesch. (…) Notwendig ist die restlose Erfassung des Sprunges von der Summe der Einzelfunktionen zum einheitlichen Funktionieren aller dieser Einzelfunktionen. Es wäre somit ein Kolloidgemisch nicht dann als Leben zu definieren, wenn es die das Lebendige charakterisierenden physikalischen und chemischen Funktionen zeigt, sondern erst dann, wenn diese Funktionen zu einer Einheit des Organismus zusammengefaßt sind, wobei in der Ganzheitsfunktion sich sämtliche Elemente jeder Einzelfunktion finden müssen. (ebd., S. 162f)

Reich fährt fort: „Die Ganzheitsbetrachtung der organischen Systeme stand bisher als metaphysischer Idealismus dem der Teilfunktionsanalyse der gleichen Systeme als mechanischem Materialismus gegenüber; sie waren absolute Gegensätze, unvereinbar. Mit der dialektischen Auflösung dieses Widerspruchs von Ganzheit und Details löst sich das Problem des Lebens in befriedigender Weise durch Ausschaltung des metaphysischen Jenseitsprinzips für die Erklärung des Ganzen“ (ebd., S. 163).

Entsprechend findet man auch in nichtbewußten Vorgängen Elemente des Bewußtseins, doch die müssen erst zusammenfinden, um Bewußtsein im eigentlichen Sinne zu erzeugen: Lust und Angst sind die beiden Grundemotionen die allem Lebendigen gemeinsam sind, sie sind deshalb etwas Außerpsychisches! Lust und Angst hat z.B. auch eine Amöbe, ohne daß wir ihr eine „Psyche“ zuschreiben würden! Bei höheren Lebewesen, insbesondere aber beim Menschen sind die „Herausbewegung“ (Lust) und die „Hereinbewegung“ (Angst) funktionell identisch mit der bewußten Lustempfindung bzw. bewußten Angstempfindung. Wobei das sympathisches Nervensystem mit der Angst und das parasympathische Nervensystem mit der Lust verbunden sind. Bewußte Empfindungen („ich weiß, daß ich weiß“) sind vom Retikularen Aktivierungssystem im Stammhirn abhängig, das alle Nervenimpulse fokussiert und auf die Hirnrinde projiziert: „ich bin gut drauf“ (Lust), „mir ist beklommen zumute“ (Angst).

Im Plasma selbst finden sich die Funktionen Erregung und Wahrnehmung. Aus der letzteren leiten sich dann wie erläutert im Laufe der Phylo- und Ontogenese Emotion, Empfindung und Bewußtsein ab, die jeweils mit bestimmten Erregungsvorgängen verbunden sind: bei der Emotion ist es die radiale Pulsation der organismischen Orgonenergie, bei den Empfindungen ist es das energetische Orgonom und beim Bewußtsein das Zusammenfließen aller höheren Wahrnehmungsfunktionen im Gehirn.

ÜBERLAGERUNG UND TEILUNG IN GALAKTISCHEN SYSTEMEN: 7. Überlagerungs-Kosmologie. e. Reichs „Die kosmische Überlagerung“

20. November 2021
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ÜBERLAGERUNG UND TEILUNG IN GALAKTISCHEN SYSTEMEN: 7. Überlagerungs-Kosmologie. e. Reichs „Die kosmische Überlagerung“

DIE SITUATIONISTISCHE INTERNATIONALE: Wilhelm Reich kontra die Situationisten (Teil 6)

5. Oktober 2021

von Jim Martin

SEXUALÖKONOMIE

Reichs frühe Arbeit in den Zwanziger Jahren als Freuds überragender Schüler, drehte sich um das Konzept der Genitalität. Anders als ältere Psychoanalytiker, die ihre Typologie auf pathologische Charaktertypen konzentrierten, versuchte Reich ein Bild gesunden Verhaltens herauszuarbeiten. Obwohl die psychoanalytische Typologie oft buchstäblich genommen wird, beziehen sich diese „Typen“ nur auf idealisierte Übertreibungen. So erreicht Reichs genitaler Charakter das Gesundheitsideal nur näherungsweise. Der genitale Charakter reguliert seine Gesundheit durch die vollständige Entladung im Orgasmus. Die Potenz wird nicht an der Häufigkeit der Höhepunkte, sondern an der Qualität des Erlebens gemessen. Der genitale Orgasmus unterscheidet sich von der Ejakulation beim Mann und vom klitoralen Höhepunkt der Frau durch die vollständige Hingabe an unwillkürliche Zuckungen der gesamten Körpermuskulatur.

Reich brachte die Psychoanalyse auf die Straße, als er freie Sexualberatungskliniken in den Arbeiterbezirken Wiens einrichtete. Aus dieser Arbeit ging das hervor, was zur sexualpolitischen bzw. „Sex-Pol“-Bewegung wurde, als Reich die Überzeugung gewann, daß die individuelle Therapie keinen Sinn machte, wenn sie nicht mit weitreichenden gesellschaftlichen Veränderungen verbunden würde. So waren viele der psychologischen Probleme seiner Patienten aus der Arbeiterklasse direkte Folge ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse, z.B. hatten die beengten Wohnverhältnisse, die die patriarchale Kernfamilie zusammenpreßten, einen starken Einfluß auf das Sexualleben der Heranwachsenden. Es war zu diesem Zeitpunkt, daß Reich enge Beziehungen mit den Sozialistischen und Kommunistischen Gruppierungen seiner Zeit aufnahm, die eine volle Zweidrittelmehrheit des Parlamentssystems in Österreich ausmachten. Für diese Kreuzung von sexueller und ökonomischer Freiheit prägte Reich den Begriff Sexualökonomie. Dies bezog sich nicht nur auf die sexuelle Natur der Ökonomie, sondern auch auf die ökonomische Natur der Sexualität, denn Reich betrachtete sowohl eine gesunde Sexualität als auch eine gesunde Ökonomie primär als einen sich selbst regulierenden Kreislauf.

Die Arbeit im Rahmen der Parteien bot Reich eine Plattform, um seine einzigartigen Ideen unter der sexuell aktiven Jugend aus der Arbeiterklasse zu verbreiten. Die Sex-Pol verteilte kostenlose Verhütungsmittel, bot Sexualberatung an, verschaffte Abtreibungen und brachte Tausende von jungen Leuten in die Parteien. Die traditionelle Linke tolerierte Reichs neuartige Mischung von Psychoanalyse und Dialektischem Materialismus eben wegen dieses enormen Zuflusses von Menschen. Während dieser Periode schrieb Reich Der sexuelle Kampf der Jugend; ein Klassiker, der später 1968 während der Bewegung des 22. Mai in Frankreich verbreitet werden sollte.

Jedoch kostete sein unbeugsames Eintreten für die sexuellen Rechte der Jugend Reich das Vertrauen seiner traditionelleren Genossen, und es dauerte nicht lange, bis sie sich weigerten, seine Schriften zu veröffentlichen. 1933 gab Reich im Eigenverlag sein Buch Die Massenpsychologie des Faschismus heraus, das die Ursprünge des Faschismus in der neurotischen patriarchalen Familienstruktur aufzeigte und so die wahre Natur der Krise aufdeckte, in die der Nazismus die deutsche Arbeiterklasse gebracht hatte. Dem entgegneten die deutschen Sozialisten, daß Hitler bloß einen „vorübergehenden Rückschlag“ darstelle. Und als die Nazis seine Bücher verbrannten, flüchtete Reich aus dem Land.

Wenn Reichs vollständige Hingabe an die Grundsätze der Psychoanalyse, ganz zu schweigen von seinem Engagement für die sexuellen Rechte der Jugendlichen, ihm seine „Heimat“ in den sozialistischen und kommunistischen Parteien gekostet hat, so kostete ihm sein Beharren auf dem Dialektischen Materialismus seine „Heimat“ in der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung. Die IPV schloß Reich 1934 aus. Reich, der damals in Norwegen lebte, traf sich kurz mit Leo Trotzki, der ebenfalls in diesem Land im Exil lebte. Von diesem Gespräch ist nichts überliefert, aber man kann annehmen, daß sie jenseits ihres gemeinsamen Mißtrauens gegen den Stalinismus, wenig Übereinstimmung fanden. Ich erwähne dieses Ereignis nur, um auf den Eifer hinzuweisen, mit der Reich nach Alliierten suchte und um eine Beziehung zwischen Trotzki, Reich und den Situationisten herzustellen, die viele Trotzkistische Ideen von der Gruppe Socialisme ou Barbarie übernahmen.

Reichs Handhabe des Dialektischen Materialismus ähnelte stark der Marxschen. Es war einfach eine Methode des funktionellen Denkens. Auf der Grundlage der Hegelschen Dialektik ist der Dialektische Materialismus der Ursprungsgrund aller Versuche und Entdeckungen in der modernen Wissenschaft. Die Dialektik ist das Wechselspiel zwischen der ursprünglichen Idee, vorgefaßten Meinung oder These; wenn man experimentiert oder mit der materiellen Realität wechselwirkt, trifft man auf eine Antithese; und aus dieser neuen Information kann man Schlüsse ziehen bzw. die Synthese, die dann einfach zu lohnenderen Forschungsansätzen führt. Für das Überleben des Menschen ist Theorie unentbehrlich, weil sie uns erlaubt, die bestmöglichen Entscheidungen in einer Lage zu fällen, bei der wir keine ausreichenden Informationen besitzen. Theoretische Fragen sind Fragen auf Leben und Tod, ungeachtet dessen was in den Schulen gelehrt wird.

In Norwegen begann Reich mit einer gründlichen Neubewertung seiner psychoanalytischen Tätigkeit und er fing an, nach einer materiellen Grundlage für Freuds Libidotheorie zu suchen. Diese Theorie postulierte, daß neurotisches Verhalten unmittelbare Folge von aufgestauter Sexualenergie war, die der Kernimpuls des Menschen ist. Reich fühlte, daß, vorausgesetzt diese Theorie sei richtig, der Nachweis möglich sei, daß die Sexualenergie, Libido, eine greifbare, meßbare Energie ist. Er begann seine These von der „Bioelektrizität“ zu überprüfen, indem er winzige Änderungen in der elektrischen Ladung auf der Hautoberfläche bei Versuchspersonen maß, die unterschiedlichen Formen lustvoller und unlustvoller Reize ausgesetzt wurden. Er entdeckte, daß tatsächlich ein Ansteigen der Potentialladung (Expansion) bei einer lustvollen Reizung und ein Abfallen (Kontraktion) bei Unlust auftrat.

DIE SITUATIONISTISCHE INTERNATIONALE: Wilhelm Reich kontra die Situationisten (Teil 3)

25. September 2021

von Jim Martin

DIE SITUATIONISTEN

In seinem ausgezeichneten Buch The Assault an Culture: Utopian Currents From Lettrisme to Class War führt Steward Hornes die Ahnenreihe vom Futurismus und Dada zum Surrealismus, Lettrismus, den Situationisten, Mail Art, Punk Rock und Neoismus fort. In dieser Einführung sagt er: „Da ‚Kunst‘ als Kategorie auf die religiösen Ikonen des Mittelalters zurückprojiziert wurde, ist es nicht überraschend, daß jene, die sich dagegen stellen, sich in eine ‚utopische Strömung‘ einfügen, die sie umgekehrt wiederum auf die Ketzerei im Mittelalters zurückführt.“ Obwohl die Situationisten sich schon 1957 zusammenfanden (dem Jahr, in dem Reich im Gefängnis starb), wurden sie erst mit Beginn der studentischen Besetzer-Bewegung in Frankreich Mitte der Sechziger Jahre bekannt. Plötzlich war eine Generation von Jugendlichen, die mit liberalen Hoffnungen hochgepeppelt worden waren, bereit, dieses Menü wieder von sich zu geben. In Städten wie Nanterre, Straßburg und Paris begannen Studenten den gesamten Bereich des modernen Lebens zu hinterfragen; eine einheitliche Kritik, wie sich die Situationisten ausdrückten, ihrer eigenen subjektiven Entfremdung zu entwickeln. (Reich würde es Kontaktlosigkeit nennen und die Verantwortlichkeit auf die Schultern des Individuums legen, anstatt abstrakte gesellschaftliche Kräfte verantwortlich zu machen.)

„In Frankreich wurde das Marxistische Denken von der Kommunistischen Partei dominiert und es dauerte bis nach der Befreiung, bevor es irgendeinen Versuch einer philosophischen Revision gab. In mancher Hinsicht ähnelte die Debatte jener, die in den Zwanziger Jahre in Deutschland geführt worden war“ (Home). Tatsächlich war Wilhelm Reich Teil dieser Debatten in den Marxistischen Kreisen Deutschlands in den Zwanziger Jahren und ich glaube, er ging mit seinen Überlegungen weiter als die Situationisten 40 Jahre später.

Der Leitstern der Bewegung des 22. Mai an der Universität von Nanterre in Frankreich war Daniel Cohn-Bendit, oder „der Rote Dany“. Er war von der Gesinnung der Pro-Situs* durchdrungen. Die SI kritisierte ihn offen wegen seines spektakulären Auftretens, mit dem er ein Medienstar wurde. Vielleicht waren sie eifersüchtig auf seine Fähigkeit, die Medien besser auszunutzen, als sie es getan hatten. Wie kam der Rote Dany ins Rampenlicht? Tom Vague beschreibt es in der Zeitschrift Vague (#16-17) wie folgt:

„Der erste größere Vorfall ereignete sich, als der Sportminister kam, um ein neues Schwimmbecken einzuweihen. Es war eine vandalistische Orgie für die Eröffnungsfeier geplant und die Route des Ministers war mit Graffiti vollgesprüht. Aber nichts passierte, bis der Minister gerade gehen wollte. In diesem Augenblick, so heißt es, trat ein rothaariger Jugendlicher aus der Menge heraus und rief:

‚Minister, Sie haben einen 600 Seiten-Bericht über die französische Jugend erstellt, aber es fällt dort kein einziges Wort über unsere sexuellen Probleme. Warum nicht?‘

Der Minister antwortete: ‚Ich bin durchaus bereit, diese Sache mit verantwortungsvollen ‚Leuten zu besprechen, aber Sie gehören sicherlich nicht dazu. Ich selber ziehe Sport der Sexualerziehung vor. Wenn Sie sexuelle Probleme haben, schlage ich Ihnen vor, daß Sie ins Schwimmbecken springen.‘

Darauf erwiderte Dany Cohn-Bendit, dies habe auch die Hitler-Jugend gesagt, woraufhin er sofort in die Schlagzeilen und die Akten der Geheimpolizei kam (wenn er in den letzteren nicht schon war).“

Direkte Hinweise auf Reich tauchen in den situationistischen Schriften nur selten und verstreut auf, obwohl es zahlreiche Parallelen zwischen ihren politischen Philosophien gibt. Es lohnt sich, den besten situationistischen Autor, Raoul Vaneigem, und seine Verweise auf Reich in seinem Klassiker The Revolution of Everyday Life zu betrachten.

„Die Suche nach der wahren Natur, nach einem natürlichen Leben, das nichts mit der Lüge der gesellschaftlichen Ideologie zu tun hat, ist eine der rührendsten Naivitäten eines guten Teils des revolutionären Proletariats, ganz zu schweigen von den Anarchisten und solchen bemerkenswerten Figuren wie dem jungen Wilhelm Reich.“

Man beachte die Hervorhebung des jungen Reich. Die Europäer haben die spätere Arbeit Reichs nie verstanden, insbesondere seinen Antikollektivismus und seine Orgonomie und haben sie vielleicht nur aus zweiter Hand kennengelernt.

„Die Ordnung der Dinge ist krank: dies wollen unsere Führer auf alle Kosten verbergen. In einer schönen Passage aus Die Funktion des Orgasmus erzählt Wilhelm Reich, wie nach langen Monaten psychoanalytischer Behandlung er es schaffte, eine junge Wiener Arbeiterin zu heilen. Sie litt unter Depressionen, die durch die Umstände ihres Lebens und ihrer Arbeit hervorgerufen worden waren. Als sie gesundete, schickte Reich sie wieder nach Hause. Vierzehn Tage später brachte sie sich um. Reichs unbeugsame Ehrlichkeit verurteilte ihn, wie jedermann weiß, zum Ausschluß vom psychoanalytischen Establishment, zu Isolation, Wahn und Tod im Gefängnis: die Zweideutigkeit unserer Neodämonologen kann man nicht ohne Angst vor Bestrafung bloßstellen.“

Soweit ich es bestimmen kann, zumindest nach der amerikanischen Ausgabe, taucht diese Passage in Die Funktion des Orgasmus nicht auf. Home hat ja darauf hingewiesen, daß es die Situationisten liebten, ihre eigenen Sichtweisen auf andere Leute zu projizieren.

„Es gibt keine Lust, die nicht nach ihrem eigenen Zusammenhalt strebt. Ihre Unterbrechung, das Ausbleiben von Befriedigung, verursacht eine Störung ähnlich der Reichianischen ‚Stauung‘. Die Unterdrückung durch die Macht hält Menschen in einem Zustand dauernder Krise gefangen. So ist die Funktion der Lust, als auch der Angst, die durch Abwesenheit von Lust hervorgerufen wird, im Wesentlichen eine gesellschaftliche Funktion. Das Erotische ist die Entwicklung der zu einer Einheit verschmelzenden Leidenschaften, ein Spiel von Einheit und Vielgestaltigkeit, ohne das es einen revolutionären Zusammenhalt nicht geben kann (Langeweile ist immer konterrevolutionär).“

Langeweile mag konterrevolutionär sein, aber sie ist eine Funktion des Grades an psychischem Kontakt, über den jeder einzelne Mensch verfügt. War es vielleicht mein eigener Mangel an psychischem Kontakt, der mich anfangs zu den Situationisten hinzog?

Um die Wurzeln des situationistischen Projekts zu untersuchen; muß man sehen, daß es die Tendenz repräsentierte, psychoanalytische Ideen mit dem Dialektischen Materialismus zu verbinden. So wie die Surrealisten Freudianische Traumanalyse in einen bolschewistischen Putsch der Künste einbrachten, hatten die Situs ihre Psychogeographie und ihr Entfremdungsbegriff, der vom Standpunkt subjektiven Verlangens ausging.

„Wilhelm Reich führt den Großteil des neurotischen Verhaltens auf Störungen des Orgasmus zurück, auf die, wie er es nannte, ‚orgastische Impotenz‘. Er behauptet, daß Angst durch die Unfähigkeit hervorgerufen wird, einen vollständigen Orgasmus zu erleben; durch eine sexuelle Entladung, die es nicht schafft, die gesamte durch vorangehende sexuelle Aktivitäten freigesetzte Erregung zu beseitigen. Die angesammelte und nicht verbrauchte Energie verteilt sich und verwandelt sich in Angst. Angst wiederum behindert die orgastische Potenz noch weiter.

Aber das Problem der Spannungen und ihrer Beseitigung gibt es nicht nur auf der Ebene der Sexualität. Es kennzeichnet alle menschlichen Beziehungen. Und obwohl Reich dies wahrnahm, unterließ er es, nachdrücklich genug darauf hinzuweisen, daß die gegenwärtige soziale Krise auch eine Krise orgastischer Art ist. Wenn es stimmt, daß ‚die Energiequelle der Neurose, in der Differenz zwischen der Anhäufung und Entladung der Sexualenergie liegt‘, scheint es mir auch so zu sein, daß diese neurotische Energie von der Energieansammlung und -entladung stammt, die durch menschliche Beziehungen in Bewegung gesetzt wird. Vollständiger Genuß ist noch immer im Augenblick der Liebe möglich, aber sobald man versucht, diesen Moment zu verlängern, es im gesellschaftlichen ,Leben selbst auszuleben, kann man nicht dem entgehen, was Reich ‚Stauung‘ nannte. Die Welt der Nichtbefriedigung und Nichterfüllung ist eine Welt ständiger Krise. Wie würde eine Gesellschaft ohne Neurose aussehen? Ein endloses Fest, bei dem die Lust der einzige Maßstab ist.“ (Vaneigem: The Revolution of Everyday Life, S. 196f)

Hier preist Vaneigem Reichs Theorie der orgastischen Potenz: der primäre biologische Impuls ist eine Sehnsucht nach Lust und Gesundheit und wird gesteuert von der Fähigkeit des Organismus, angesammelte Spannung durch den Orgasmus vollständig zu entladen. Reich enttäuscht Vaneigem durch seine Unterlassung, orgastische Lust zu politisieren. Es ist unwahrscheinlich, daß Vaneigem Reichs Buch Menschen im Staat gelesen hat, da es nicht vor 1953 in Englisch vorlag. Reich beschreibt seine Teilhabe am „gesellschaftlichen Irrationalismus in Zentraleuropa“ und zieht genau die Art von Parallele, die Vaneigem vermißt hat, nämlich die zwischen individuellem und kollektivem Verkehr. In einem bemerkenswert eindringlichen und intimen Bericht, vermittelt Reich seine tiefe Überzeugung, daß die Politik bankrott ist. Er verurteilt gleichermaßen den Mystizismus der Rechten wie den Mechanismus der Linken. Er scheint persönlich verletzt zu sein durch die Immobilisierung gesunder Aggression bei der Linken, ihrer Flucht vor dem Leben, ihrer emotionalen Stauung. Ihm schienen die Nazis mehr…direkt zu sein.

* Pro-Situ oder Pro-Situationist war die abschätzige Bezeichnung, die die Situationisten ihren Anhänger gaben; sie brandmarkte passive Vergötterung durch ihre Zuschauer. Doch am Ende wurden nach eigenem Eingeständnis sogar die Situationisten selbst zu Pro-Situs.

HIV/AIDS und Corona/Covid-19

17. August 2021

Der ganze moralistische Ton, die Aufmachung der Kampagne, der zentral generierte Gruppendruck der AIDS-Kampagne der 1980er Jahre („Benutze ein Kondom!“) kehrt in der gegenwärtigen Corona-Impfkampagne zurück. Auch damals stand die Menschheit vor der Auslöschung,– wenn wir nicht alle Kondome benutzen!

Damals, nach 20 Jahren sexueller Befreiung durch die Pille, die endlich sorgenfreie Spontanität im intimen Umgang zwischen Männlein und Weiblein ermöglichte, setzte eine besonders von „Linken“ fanatisch forcierte Gegenreaktion ein, die aus dem Geschlechtsakt etwas inhärent Lebensgefährliches und für die Gemeinschaft Lebensfeindliches machte, den Akt auf eine streng geregelte klinische Verrichtung reduzierte (Aufstülpen, Rein, Raus, Entsorgen) und den Orgasmus fast verunmöglichte. Liebevoll streicheln mit Gummihandschuhen!

Heute wieder genau das gleiche: Seit etwa 20 Jahren sind alle Krankheiten besiegt. Wir haben wirklich alle Stoffe des Planeten auf ihre medikamentöse Wirksamkeit durchprobiert und dank MRT gibt es nichts Verborgenes mehr. (Der eine oder andere mit einer schrecklichen Krankheit wird jetzt empört sein, aber wir sprechen hier selbstverständlich nicht von Absolutheiten, sondern von dem was maximal in der mechanistischen Medizin erreichbar ist!) Die Menschen lebten noch nie gesünder, jede Generation erringt neue Altersrekorde – und die Pharmaindustrie steht vor dem Ruin. Deshalb sind Impfstoffe, die Gesunden verabreicht werden, der Markt der Zukunft.

Mit Covid wird wieder bei voller Fahrt die Handbremse gezogen: die Menschheit steht wieder vor dem Untergang! Nur diesmal sollen uns nicht glitschige Gummitüten retten, sondern die Spritze. Und wieder können sich die „Linken“ vor Begeisterung und Fanatismus gar nicht wieder einkriegen. Der gleiche geiferende „Zieh … über!“

Ging es vor vier Jahrzehnten um die Einschränkung der Sexualfunktion, ist heute die Arbeitsfunktion dran. Und genauso wie damals nichts, wirklich gar nichts stimmte, denn es war für einen Heterosexuellen faktisch unmöglich AIDS durch normalen Geschlechtsverkehr zu kriegen, stimmt heute nichts, wirklich gar nichts: außerhalb der Risikogruppen ist es fast unmöglich an Covid zu sterben, solange man so behandelt wird, wie bei jeder anderen Grippevariante auch!

Alles genauso wie damals. Statt die eine entscheidende Risikogruppe, die Homosexuellen (besonders die heimlichen Homosexuelle) mit dem Kondom zu retten, wurde genau die Gruppe belästigt, die das alles praktisch nichts anging: junge heterosexuelle Paare. Das war Emotionelle Pest pur: ein gigantischer Generalangriff auf die Genitalität und eine einzige Propaganda für die Homosexualität. Das ganze ist dann über die Jahre mehr oder weniger versandet und das Endresultat ist kurioserweise eine erschreckende Durchseuchung der sexuell aktiven Bevölkerung mit sexuell übertragbaren Krankheiten, u.a. weil sich dumme Nutten und ähnliche Menschen in ihrer AIDS-Panik irgendwelche Antibiotika einwarfen und so resistente Keimstämme züchteten.

Heute habe ich keine Angst vor den Ungeimpften, sondern vor den Geimpften, denn so sicher wie das Amen in der Kirche, werden die immer neue Generationen Krankheitserreger ausbrüten – gegen die wir uns ins alle Ewigkeit werden regelmäßig werden impfen lassen müssen. Und noch etwas: Ich persönlich habe von AIDS-Diagnosen gehört, die ich nie und nimmer glaube. Wer will schon wissen, auf was die entsprechenden Tests so alles ansprechen! Die Konsequenzen der positiven Tests waren jedenfalls lebenszerstörend. Urplötzlich ging es, ob der neuen vorgeblich „lebensrettenden“ Medikation, bergab und zwar rapide! Bei Covid haben wir eine ähnliche Situation. Patienten wurden sinnlos intubiert und die üblichen Medikamente für Lungenerkrankungen abgesetzt, da die in den aus dem Nichts instantan hervorgezogenen Covid-Leitlinien nicht vorgesehen sind.