Ein neuer Artikel auf http://www.orgonomie.net:
Corrington: Wilhelm Reich. Psychoanalyst and Radical Naturalist (2003)
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Corrington: Wilhelm Reich. Psychoanalyst and Radical Naturalist (2003)
Es wird ein Orgonenergie-Akkumulator angeboten, der Raum für gleichzeitig zwei Personen bietet.
Der ORAC für zwei ist ein Engel-Energie-Akkumulator für Meditation und für Tantra, d.h. man kann in diesem Akku auch zu zweit sitzen.
Daß man im Lotussitz innerhalb des Akkumulators meditiert, kann ich ja noch ertragen, aber die tantrischen Liebesstellung bzw. Meditationsstellung (Yab Yum) innerhalb des Großakkumulators…
Reich wurde zur Strecke gebracht, indem der Orgonenergie-Akkumulator als eine Art „Sexkiste“ hingestellt wurde, mit bzw. in der Leute unaussprechliche Dinge tun. Diesen zerstörerischen Gerüchten neue Nahrung zu geben, ist schon schlimm genug, dies dann aber auch noch mit dem Nonplusultra an orgastischer Impotenz zu verknüpfen, nämlich dem Tantrismus…
Allein schon dieses (angeblich) „esoterische“ Getue. Der dänische Lama Ole Nydahl hat einmal den „tibetischen Weg zur Buddhaschaft“ wie folgt umrissen: man ziehe die Maske Buddhas so lange über sein Gesicht, bis man schließlich identisch mit der Maske und damit selbst zum Buddha wird.
Oder anders ausgedrückt: das authentische, eigene Ich wird durch verinnerlichte „Hierarchien“, d.h. durch das „Über-Ich“ verdrängt (vgl. Die Massenpsychologie des Buddhismus). Jede spontane Regung wird durch Schauspielerei erstickt. Das ist der Kern des Tantrismus.
Wenn sich dies sogar auf die genitale Umarmung ausweitet, – grundsätzlicher kann man die Orgonomie gar nicht negieren.
Ich mache mir zunehmend Sorgen darüber, daß der Mystizismus (und letztendlich die Emotionelle Pest) die Orgonomie von innen heraus aushöhlen und zerstören könnte.
Was ist „Mystizismus“? Reichs Definition in Äther, Gott und Teufel drehte sich um die Vorstellung der Mystiker, daß der Geist vom Körper unabhängig funktionieren könne.
Ganz offensichtlich beruhte Reichs Abgrenzung gegen den Mystizismus auf einer nur schwer haltbaren Position, denn bereits während seiner bio-elektrischen Versuche in den 1930er Jahren und seiner Untersuchung des schizophrenen Charakters Anfang der 1940er Jahre hatte er Hinweise darauf gefunden, daß „psychische“ Funktionen ganz und gar nicht auf den Körper beschränkt sind, sondern mit dem in die Umgebung ausgreifenden Orgonenergie-Feld des Körpers verknüpft sind. Entsprechend bringt uns Reichs Definition des Mystizismus nicht sehr weit. Sie liefert eher dem Mystizismus die Argumente frei Haus!
Es findet sich jedoch in Äther, Gott und Teufel ein zweiter Einwurf, bei dem Reich der Anschauung entgegentritt, daß man psychische Funktionen durch das Postulat einer Art „Kontrollzentrums“ im Sinne eines „kleinen Mannes im Kopf“ erklären könnte. Dieser wäre, so legen es jedenfalls die Vertreter einer mystischen Lebensanschauung nahe, das Zentrum unseres subjektiven Empfindens und kontrolliere unseren Körper, letztendlich „unser“ ganzes Universum.
Für mich ist das der Kern des Mystizismus und gleichzeitig das diametrale Gegenteil von allem, was gut an den spirituellen Traditionen ist. (Etwa die Dreieinigkeit im Christentum, weil Gott die Liebe ist, und es ihn deshalb als monolithischen Götzen nicht geben kann. Oder die Vorstellung im Buddhismus, daß das verhärtete Ich eine selbstschädigende Illusion ist.) Die Vorstellung eines „Kontrollzentrums“, sozusagen eines „Führers“, ist Emotionelle Pest!
Das wird in allen angeblich „esoterischen“ Lehren evident, die den Menschen auf solch ein „Kontrollzentrum“ reduzieren. Insbesondere ist dies so in der Scientology. Die kriminellen Übergriffe, von denen man im Weltnetz liest (beispielsweise mußte Scientology offiziell zugeben, daß es zu Gewaltexzessen innerhalb der Führungselite gekommen ist), sind direkter Ausfluß einer Weltanschauung, in der der Körper eine bloße Maschine ist, die vom geistigen Kontrollzentrum bedient wird. „Spirits in a material world.“
Für Reich war das Funktionieren des Organismus Beispiel für eine Arbeitsdemokratie, wobei er sich gegen die gängige Vorstellung wandte, das Gehirn würde sozusagen als „Kommandozentrale“ dem Körper, der nichts als eine Maschine sei, Befehle erteilen. Die Mystiker setzen noch eins drauf und lassen wiederum das Gehirn den Befehlen des „Geistes“ folgen.
Entsprechend gibt es bei den Hirnforschern zwei Fraktionen: die mehr traditionelle Schule, der zufolge das Gehirn eine hierarchische Struktur hat und die moderne, für die das Gehirn mehr ein Netzwerk ist, vergleichbar mit dem Internet.
Das Problem ist, daß man die „Verdrahtung“ der einzelnen Hirnregionen nur sehr schwer verfolgen kann. Immerhin konnten die beiden amerikanischen Neurowissenschaftler Richard H. Thompson und Larry W. Swanson in einem kleinen Areal des Rattenhirns diese „Verdrahtung“ darstellen. Die Schaltkreise zeigten Muster mit ringförmigen Schlaufen, d.h. der Schaltplan wies auf ein Netzwerk hin. Swanson:
Wir fingen an einer Stelle an und schauten auf die Verbindungen. Es führte in eine sehr komplizierte Reihe von Schlaufen und Kreisen. Es ist kein Organisationsdiagramm. Es gibt kein oben und unten.
Swanson zufolge erklärt ein Vergleich mit dem Internet, wie es dem Gehirn gelingt, begrenzte Beschädigungen vollständig wettzumachen.
Das Internet wurde ja auch explizit deshalb vom Pentagon ins Leben gerufen, weil Schäden in einem Teil des weltweiten Computernetzwerks, etwa durch einen Atomschlag, den Rest so gut wie gar nicht involvieren. Genauso gibt es, Swanson zufolge, im Gehirn normalerweise alternative Nervenwege, so daß kein Teil des Gehirns prinzipiell lebenswichtiger ist als jeder beliebige andere.
Ein weiteres Element, das den Mystizismus auszeichnet, ist der Obskurantismus, der ihn stets begleitet. Mystisch verseuchte Menschen sind zu unglaublich abwegigen Vorstellungen in der Lage, was nicht zuletzt Scientology zeigt. Das beruht darauf, daß körpereigene Prozesse als fremd wahrgenommen werden, so als hätten sie ihren Ursprung „jenseits“ des eigenen Körpers oder kämen aus anderen Dimensionen (Charakteranalyse, KiWi, S. 617).
Dieser anarchische Zug ist das funktionelle Gegenstück zum erwähnten tyrannischen Zug („der innere Führer“). Beides ist unmittelbarer Ausdruck der Panzerung, die stets mit einem Zerfall des einheitlichen Funktionierens und der Reorganisation auf niedrigerem Niveau einhergeht.
Gerät die Orgonomie in die Hände von Menschen, die entsprechend strukturiert sind, droht sie in einer Flut aus zügellosem Obskurantismus zu ertrinken. Man nehme beispielsweise das folgende Interview mit dem amerikanischen „Esoteriker“ Jordan Maxwell zum Thema Wilhelm Reich und Sexualsymbolik:
Maxwell ist ganz allgemein von Reich fasziniert, im besonderen jedoch von dessen Orgasmustheorie. Er behandelt das Thema respektvoll und im großen und ganzen korrekt. Aber im Verlauf des Interviews wird das Thema zunehmend in einer geradezu pornographischen Symbolik und etymologischen Absurditäten erstickt. Schließlich wird angedeutet, die führenden Politiker der Erde seien in Wirklichkeit Außerirdische, etc. Der übliche Müll über „Illuminati“. Alles wird „sexualökonomisch“ erklärt, nur nicht die eigene Psychose!
Ich fürchte, daß diese Art von „Orgonomie“ die Zukunft gehört. Nichts schreckt diese Leute, nicht einmal die Orgasmustheorie – die gnadenlos ihrer Bedeutung beraubt wird. Bereits in Der Blaue Faschismus habe ich mich damit auseinandergesetzt, wie Reichs Einsichten instrumentalisiert werden können.
In seinem Artikel „Orgone Therapy: The Application of Functional Thinking in Medical Practice. Part XVII: The Province of Medical Orgonomy“ (S. 165-174) beschäftigt sich Charles Konia u.a. mit Figuren, die zwar als „Orgontherapeuten“ und „Orgonomen“ auftreten, jedoch nicht die charakterstrukturellen Voraussetzungen dazu nicht mitbringen.
Ein besonderes Problem sind notorische Mystiker:
Mystische Menschen haben (…) einen gewissen Grad des Kernkontakts aufrechterhalten, wenn auch verzerrt (…). Obwohl einige die Orgonomie anfangs annehmen können, bauen sie sie früher oder später in ihr System von mystischen Einstellungen und Verzerrungen ein. Diese Untergruppe, diejenigen, die ihre Mystik nicht aufgeben können, sind häufig in den Tiefen ihrer Struktur psychotisch. (S. 171)
Jeder, der mystischen Lehren anhängt, kann unmöglich Orgontherapeut sein. Reich hat dazu geschrieben: „Ein Ingenieur wird bei seiner Arbeit von seinem Glauben an ein jenseitiges Glück vielleicht nicht gestört, bei einem Sexualökonomen wäre ein derartiger Glaube jedoch eine Katastrophe“ („Work Democracy in Action“, Annals of the Orgone Institute, Vol. 1, 1947, S. 32).
Was zieht dann diese armen Irren ausgerechnet zur Orgonomie? Das, was Reich als „kosmische Sehnsucht“ bezeichnet hat. Reich:
Die mystischen Vorstellungen so vieler Religionen, der Jenseitsglaube, die Lehre von der Seelenwanderung etc. entstammen ausnahmslos der kosmischen Sehnsucht; und die kosmische Sehnsucht ist funktionell in den Ausdrucksbewegungen des Orgasmusreflexes verankert. (Charakteranalyse, KiWi, S. 515)
Was diese unglückselig ver(w)irrten Seelen von uns Normalsterblichen unterscheidet, was sie erleben, hat Reich wie folgt beschrieben:
[Die] Ablösung der Funktion der Selbstwahrnehmung von den organismischen Funktionen kann in einigen Fällen nicht anders erlebt werden als in der Form „Seele verläßt Körper“ oder „Seele befindet sich außerhalb des Körpers“. Da die Wahrnehmung nur geringen und schließlich gar keinen Kontakt mehr mit den bioenergetischen Funktionen hat, die sie subjektiv widerspiegelt, erlebt man auf sehr typische Weise „Selbstentfremdung“ oder „Selbstentrücktheit“. Dementsprechend haben Prozesse wie Projektion, Trance, Depersonalisation, Halluzination usw. eine konkrete Spaltung im bioenergetischen System zur Grundlage. (ebd., S. 572)
Bei allem Mitleid und Verständnis, es wird Zeit diesen wahrscheinlich unheilbar strukturell gestörten Leuten endlich Einhalt zu gebieten. Ansonsten wird die Zukunft der Orgonomie folgendes Gesicht tragen: