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Corrington: Wilhelm Reich. Psychoanalyst and Radical Naturalist (2003)

31. Januar 2017

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Ein neuer Artikel auf http://www.orgonomie.net:

Corrington: Wilhelm Reich. Psychoanalyst and Radical Naturalist (2003)

Orgonometrie (Teil 2): Kapitel VI.13.

27. Mai 2016

orgonometrieteil12

I. Zusammenfassung

II. Die Hauptgleichung

III. Reichs „Freudo-Marxismus“

IV. Reichs Beitrag zur Psychosomatik

V. Reichs Biophysik

VI. Äther, Gott und Teufel

1. Der modern-liberale (pseudo-liberale) Charakter

2. Spiritualität und die sensationelle Pest

3. Die Biologie zwischen links und rechts

4. Der bioenergetische Hintergrund der Klassenstruktur

5. Die Illusion vom Paradies und die zwei Arten von „Magie“

6. Die gesellschaftlichen Tabus

7. Animismus, Polytheismus, Monotheismus

8. Dreifaltigkeit

9. „Ätherströme“, Überlagerung und gleichzeitige Wirkung

10. Die Schöpfungsfunktion

11. Die Rechtslastigkeit der Naturwissenschaft

12. Bewegung und Bezugssystem

13. Der Geist in der Maschine

Es geht um die Seele, nicht um den Geist!

20. Mai 2015

In Wachkomapatienten sind keine seelenlosen Körperhüllen! habe ich mich mit der von der Katholischen Kirche bekämpften modernen Kultur des Todes auseinandergesetzt, in der Leben und Leiden zu einem Störfaktor werden, die durch Abtreibung und Euthanasie zu beseitigen sind.

In dem besagten Blogeintrag beschäftigte ich mich insbesondere mit neuen Entdeckungen, die darauf hinweisen, daß man Wachkomapatienten zwar nicht auf „geistiger“ Ebene, dafür jedoch auf emotionaler erreichen kann. Das läßt sich mittels Magnetresonanztomographie nachweisen. Auch wenn sich Wachkomapatienten uns nicht mitteilen können und kein Bewußtsein ihrer selbst haben, emotional „sind sie da“!

Eine Studie von Justin Feinstein (University of Iowa, Iowa City) et al. hat mit Probanden, die unter ständigem Gedächtnisverlust litten, gezeigt, daß man immer noch Gefühle empfindet, nachdem deren Ursachen längst vergessen sind. Die Versuchsteilnehmer litten unter Verletzungen am Hippocampus, der für das Abspeichern von neuen Erfahrungen verantwortlich ist. Betroffene vergessen neue Erlebnisse gleich wieder.

Die Forscher zeigten ihnen jeweils einen kurzen Film, einer davon mit lustigen Inhalten, der andere mit trauriger Grundstimmung. Fünf bis zehn Minuten nach Filmende wurden die Versuchspersonen über Details befragt. Wie erwartet, erinnerten sich die Probanden kaum mehr an den Film (…). Bei einer Befragung nach dem Gedächtnistest zeigte sich aber, daß die Emotionen immer noch vorhanden waren, die die Probanden während des Films erlebt hatten. Bei zwei Patienten blieben die Gefühle sogar deutlich länger bestehen, als bei den Gesunden, die den Film noch präsent hatten.

Diese Befunde zeigen, daß ein liebe- und respektvoller Umgang mit Menschen, die unter stark eingeschränkten Geistesfunktionen leiden, etwa Alzheimer-Patienten, alles andere als „vergebliche Liebesmüh“ ist. Feinstein erläutert dazu:

Ein Besuch oder Anruf kann also bei Menschen, die an Alzheimer erkrankt sind, anhaltende Freude auslösen – auch wenn sie den Besuch oder das Telefonat bereits wieder vergessen haben.

Im übrigen bestätigen die Forschungen Feinsteins Reichs psychotherapeutischen Ansatz, bei dem es, anders als bei der von der Psychoanalyse beeinflußten tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie und der kopflastigen kognitiv-behaviouralen Therapie, in erster Linie um die Befreiung der Emotionen geht. Sie sind weitaus fundamentaler als die „Psyche“ und machen den eigentlichen Wesenskern des Menschen aus. Sie machen uns zu liebesbedürftigen Menschen, auch wenn die höheren (d.h. oberflächlicheren) mentalen Funktionen weitgehend erloschen sind.

Emotionen haben primär gar nichts mit dem Gehirn zu tun, sondern sind unmittelbarer Ausdruck der Bewegung der Orgonenergie in einer geschlossenen Membran. Selbst Amöben spüren Lust (Expansion) und Angst (Kontraktion gegen die Expansion). Mit der Entwicklung einer Muskulatur tritt die Wut hinzu (expansive Bewegung der Energie in die Muskulatur hinein). Reich hat die Emotion Sehnsucht als Energiefluß definiert, der in den Brustbereich und die Arme geht. Unsere Sprache bringt die Verbindung zwischen Trauer, Sehnsucht und dem Herzbereich sehr klar zum Ausdruck.

Ich habe mich bereits mit Botox beschäftigt. Dieses Zeugs ist so bedeutsam, weil es viel über die muskuläre Panzerung sagt. Beispielsweise verschwinden Kopfschmerzen, wenn man die Gesichtsmuskulatur lahmlegt.

In Amerika machen sich konservative Kommentatoren häufig über die fast durchweg extrem linken „Reichen und Schönen“ (insbesondere in Hollywood) lustig, deren Markenzeichen mittlerweile jugendlich entspannte und gleichzeitig puppenhaft tote Gesichter sind: offensichtlich sei das Botox auf ihr Gehirn geschlagen.

Neuere Forschungen zeigen, daß das tatsächlich passiert. Botox setzt die kognitiven Funktionen herab, insbesondere das Sprachverständnis.

Ein Team um David Havas von der Universität Wisconsin-Madison habe 20 Frauen vor und nach einer Botox-Behandlung einem Sprachtest unterzogen. Nach der Therapie benötigten die Frauen eine Sekunde länger, um etwa folgenden Satz zu verstehen: „Sie verabschieden sich von einem guten Freund, den sie nie wieder sehen werden.“
Eine Sekunde Verzögerung klinge zwar nicht besonders lang, sagte Havas laut Magazin, sie genüge aber, um gewisse emotionale Schwingungen in einem Gespräch nicht mitzubekommen. Nach Vermutungen der Forscher benötigt das Gehirn ein Feedback der Gesichtsmuskeln, um Emotionen steuern zu können.

Jeder, der die Orgontherapie aus eigener Erfahrung kennt, weiß, daß Emotionen Ausdruck unseres gesamten Körpers sind. Botox und geradezu tragikomische Sätze wie „Nach Vermutungen der Forscher benötigt das Gehirn ein Feedback der Gesichtsmuskeln, um Emotionen steuern zu können“ – zeigen, wie weit wir auf dem Weg fortgeschritten sind, zu seelenlosen Barbiepuppen zu werden.

In der Sexkiste zum höheren Bewußtsein

7. Mai 2015

Es wird ein Orgonenergie-Akkumulator angeboten, der Raum für gleichzeitig zwei Personen bietet.

Der ORAC für zwei ist ein Engel-Energie-Akkumulator für Meditation und für Tantra, d.h. man kann in diesem Akku auch zu zweit sitzen.

Daß man im Lotussitz innerhalb des Akkumulators meditiert, kann ich ja noch ertragen, aber die tantrischen Liebesstellung bzw. Meditationsstellung (Yab Yum) innerhalb des Großakkumulators…

Reich wurde zur Strecke gebracht, indem der Orgonenergie-Akkumulator als eine Art „Sexkiste“ hingestellt wurde, mit bzw. in der Leute unaussprechliche Dinge tun. Diesen zerstörerischen Gerüchten neue Nahrung zu geben, ist schon schlimm genug, dies dann aber auch noch mit dem Nonplusultra an orgastischer Impotenz zu verknüpfen, nämlich dem Tantrismus…

Allein schon dieses (angeblich) „esoterische“ Getue. Der dänische Lama Ole Nydahl hat einmal den „tibetischen Weg zur Buddhaschaft“ wie folgt umrissen: man ziehe die Maske Buddhas so lange über sein Gesicht, bis man schließlich identisch mit der Maske und damit selbst zum Buddha wird.

Oder anders ausgedrückt: das authentische, eigene Ich wird durch verinnerlichte „Hierarchien“, d.h. durch das „Über-Ich“ verdrängt (vgl. Die Massenpsychologie des Buddhismus). Jede spontane Regung wird durch Schauspielerei erstickt. Das ist der Kern des Tantrismus.

Wenn sich dies sogar auf die genitale Umarmung ausweitet, – grundsätzlicher kann man die Orgonomie gar nicht negieren.

Ich mache mir zunehmend Sorgen darüber, daß der Mystizismus (und letztendlich die Emotionelle Pest) die Orgonomie von innen heraus aushöhlen und zerstören könnte.

Was ist „Mystizismus“? Reichs Definition in Äther, Gott und Teufel drehte sich um die Vorstellung der Mystiker, daß der Geist vom Körper unabhängig funktionieren könne.

Ganz offensichtlich beruhte Reichs Abgrenzung gegen den Mystizismus auf einer nur schwer haltbaren Position, denn bereits während seiner bio-elektrischen Versuche in den 1930er Jahren und seiner Untersuchung des schizophrenen Charakters Anfang der 1940er Jahre hatte er Hinweise darauf gefunden, daß „psychische“ Funktionen ganz und gar nicht auf den Körper beschränkt sind, sondern mit dem in die Umgebung ausgreifenden Orgonenergie-Feld des Körpers verknüpft sind. Entsprechend bringt uns Reichs Definition des Mystizismus nicht sehr weit. Sie liefert eher dem Mystizismus die Argumente frei Haus!

Es findet sich jedoch in Äther, Gott und Teufel ein zweiter Einwurf, bei dem Reich der Anschauung entgegentritt, daß man psychische Funktionen durch das Postulat einer Art „Kontrollzentrums“ im Sinne eines „kleinen Mannes im Kopf“ erklären könnte. Dieser wäre, so legen es jedenfalls die Vertreter einer mystischen Lebensanschauung nahe, das Zentrum unseres subjektiven Empfindens und kontrolliere unseren Körper, letztendlich „unser“ ganzes Universum.

Für mich ist das der Kern des Mystizismus und gleichzeitig das diametrale Gegenteil von allem, was gut an den spirituellen Traditionen ist. (Etwa die Dreieinigkeit im Christentum, weil Gott die Liebe ist, und es ihn deshalb als monolithischen Götzen nicht geben kann. Oder die Vorstellung im Buddhismus, daß das verhärtete Ich eine selbstschädigende Illusion ist.) Die Vorstellung eines „Kontrollzentrums“, sozusagen eines „Führers“, ist Emotionelle Pest!

Das wird in allen angeblich „esoterischen“ Lehren evident, die den Menschen auf solch ein „Kontrollzentrum“ reduzieren. Insbesondere ist dies so in der Scientology. Die kriminellen Übergriffe, von denen man im Weltnetz liest (beispielsweise mußte Scientology offiziell zugeben, daß es zu Gewaltexzessen innerhalb der Führungselite gekommen ist), sind direkter Ausfluß einer Weltanschauung, in der der Körper eine bloße Maschine ist, die vom geistigen Kontrollzentrum bedient wird. „Spirits in a material world.“

Für Reich war das Funktionieren des Organismus Beispiel für eine Arbeitsdemokratie, wobei er sich gegen die gängige Vorstellung wandte, das Gehirn würde sozusagen als „Kommandozentrale“ dem Körper, der nichts als eine Maschine sei, Befehle erteilen. Die Mystiker setzen noch eins drauf und lassen wiederum das Gehirn den Befehlen des „Geistes“ folgen.

Entsprechend gibt es bei den Hirnforschern zwei Fraktionen: die mehr traditionelle Schule, der zufolge das Gehirn eine hierarchische Struktur hat und die moderne, für die das Gehirn mehr ein Netzwerk ist, vergleichbar mit dem Internet.

Das Problem ist, daß man die „Verdrahtung“ der einzelnen Hirnregionen nur sehr schwer verfolgen kann. Immerhin konnten die beiden amerikanischen Neurowissenschaftler Richard H. Thompson und Larry W. Swanson in einem kleinen Areal des Rattenhirns diese „Verdrahtung“ darstellen. Die Schaltkreise zeigten Muster mit ringförmigen Schlaufen, d.h. der Schaltplan wies auf ein Netzwerk hin. Swanson:

Wir fingen an einer Stelle an und schauten auf die Verbindungen. Es führte in eine sehr komplizierte Reihe von Schlaufen und Kreisen. Es ist kein Organisationsdiagramm. Es gibt kein oben und unten.

Swanson zufolge erklärt ein Vergleich mit dem Internet, wie es dem Gehirn gelingt, begrenzte Beschädigungen vollständig wettzumachen.

Das Internet wurde ja auch explizit deshalb vom Pentagon ins Leben gerufen, weil Schäden in einem Teil des weltweiten Computernetzwerks, etwa durch einen Atomschlag, den Rest so gut wie gar nicht involvieren. Genauso gibt es, Swanson zufolge, im Gehirn normalerweise alternative Nervenwege, so daß kein Teil des Gehirns prinzipiell lebenswichtiger ist als jeder beliebige andere.

Ein weiteres Element, das den Mystizismus auszeichnet, ist der Obskurantismus, der ihn stets begleitet. Mystisch verseuchte Menschen sind zu unglaublich abwegigen Vorstellungen in der Lage, was nicht zuletzt Scientology zeigt. Das beruht darauf, daß körpereigene Prozesse als fremd wahrgenommen werden, so als hätten sie ihren Ursprung „jenseits“ des eigenen Körpers oder kämen aus anderen Dimensionen (Charakteranalyse, KiWi, S. 617).

Dieser anarchische Zug ist das funktionelle Gegenstück zum erwähnten tyrannischen Zug („der innere Führer“). Beides ist unmittelbarer Ausdruck der Panzerung, die stets mit einem Zerfall des einheitlichen Funktionierens und der Reorganisation auf niedrigerem Niveau einhergeht.

Gerät die Orgonomie in die Hände von Menschen, die entsprechend strukturiert sind, droht sie in einer Flut aus zügellosem Obskurantismus zu ertrinken. Man nehme beispielsweise das folgende Interview mit dem amerikanischen „Esoteriker“ Jordan Maxwell zum Thema Wilhelm Reich und Sexualsymbolik:

Maxwell ist ganz allgemein von Reich fasziniert, im besonderen jedoch von dessen Orgasmustheorie. Er behandelt das Thema respektvoll und im großen und ganzen korrekt. Aber im Verlauf des Interviews wird das Thema zunehmend in einer geradezu pornographischen Symbolik und etymologischen Absurditäten erstickt. Schließlich wird angedeutet, die führenden Politiker der Erde seien in Wirklichkeit Außerirdische, etc. Der übliche Müll über „Illuminati“. Alles wird „sexualökonomisch“ erklärt, nur nicht die eigene Psychose!

Ich fürchte, daß diese Art von „Orgonomie“ die Zukunft gehört. Nichts schreckt diese Leute, nicht einmal die Orgasmustheorie – die gnadenlos ihrer Bedeutung beraubt wird. Bereits in Der Blaue Faschismus habe ich mich damit auseinandergesetzt, wie Reichs Einsichten instrumentalisiert werden können.

Die biologische, psychologische und soziologische Struktur des Menschen (Teil 1)

8. Januar 2015

Für Reich ist das Tier, einschließlich des Menschentiers, ein Produkt der fließenden Lebensenergie. Dieser Strom determiniert Gestalt und Funktion. Dazu die beiden folgenden Skizzen nach Reich:

Daß beide Systeme zusammengehören, funktionell identisch sind, ist daran ersichtlich, daß der Parasympathikus „hin zur Welt“ oben und unten von der Wirbelsäule ausgeht, der Sympathikus jedoch „weg von der Welt“ von der Mitte der Wirbelsäule.

Hingegen betrachtet Hans Hass, und mit ihm die gängige Biologie, das Tier als „ein sich fortbewegender Darm“, alles andere sei nur sekundäre Ermöglichung dieser einen Funktion des Stoff- und Energieerwerbs (Naturphilosophische Schriften, Bd. 2, München 1987). Hierzu wäre aus orgonomischer Sicht zu sagen, daß der Kalorien-Bedarf eines Lebewesens eine Funktion des Orgonenergie-Metabolismus ist. Der eine hält Diät und wird trotzdem immer fetter, während der andere trotz Völlerei doch schlank bleibt. Es scheint hier also im Organismus ein „dritter Faktor“ zwischen Kalorienerwerb und -nutzung geschaltet zu sein.

Dieser Faktor, die biologische Orgonenergie, wird allgemeinhin „das Seelische“ genannt. Für den Mechanisten sei es jedoch, so Reich in Massenpsychologie des Faschismus, „nur nebelhafte, mystische Gegebenheit oder zum besten eine Sekretion des Gehirns.“ Demgemäß ist das Seelische für den Mechanisten „nicht mehr als der Kot, der ein Exkret des Darms ist.“

Betrachten wir den Darm aus orgonomischer Sicht: Die Orgonomie ging zu einem Gutteil aus Freuds Psychoanalyse hervor. Diese leitete sich wiederum aus der (Lamarckistisch modifizierten) Darwinistischen Abstammungslehre und der Embryologie her. Hier postulierte, neben Wilhelm Ostwald, der größte Monist, Ernst Haeckel, daß sich die Phylo- in der Ontogenese wiederholt. Ein Phänomen, das sehr schön von Hass beschrieben wird (Naturphilosophische Schriften, Bd. 1). Freud glaubte, die Phylo- und Ontogenese würde sich in der psychosexuellen Entwicklung des Kindes fortsetzen.

Es gibt in der psychosexuellen Entwicklung fünf Entwicklungsstufen, wobei in der gesunden Entwicklung aber nur die zweite und fünfte libidinös besetzt sind. Siehe dazu auch meine Ausführungen in Biologische Entwicklung aus orgonomischer Sicht.

1. Die erste Stufe in der phylogenetischen Entwicklung der Metazoen wird durch die mikroskopisch kleine Gitterkugel Volvox repräsentiert. In der Ontogenese entspricht dies der „Blastula“, einer mit Flüssigkeit gefüllten aus Zellen gebildeten Hohlkugel.

Dies entspricht funktionell dem, aufgrund von Reichs Schizophrenie-Forschung von seinem Schüler Elsworth F. Baker postulierten, „okularen Stadium“ der Entwicklung der Libido.

2. Durch Einstülpung dieser Hohlkugel entwickeln sich der „Urdarm“ und der „Urmund“. In der fötalen Entwicklung nennt man diese Stufe „Gastrula“. Freud brachte diese Entwicklungsstufe mit dem „oralen Stadium“ der Libido in Verbindung.

Reich hat, im Anschluß an Freud, entdeckt, daß analog zum Genital beim Erwachsenen der Mund beim Baby einen (oralen) Orgasmus auslösen kann. Phylogenetisch entspricht die orale Stufe den Hohltieren, z.B. den Quallen. Vielleicht macht dies verständlich, warum es einen „oralen Orgasmus“ (beim Säugling während des Stillens) überhaupt gibt. Hat doch Reich in seinem Aufsatz über „Die Ausdruckssprache des Lebendigen“ dargelegt, daß die Ausdrucksbewegung im Orgasmusreflex funktionell identisch mit der einer schwimmenden Qualle ist. Sie entspräche bei uns einer „aktuellen Mobilisierung einer biologischen Bewegungsform, die bis zum Quallenstadium zurückgeht“ (Charakteranalyse).

Der britische Psychologe Maurice Yaffe hat in den 1970er Jahren eine funktionelle Identität zwischen oralem und genitalem Funktionieren, eine enge Wechselbeziehung zwischen Tisch und Bett entdeckt. Wer sein Essen achtlos hinunterschlingt, ist höchstwahrscheinlich ein ausgemachter Sex-Muffel. Wer sich dem Menü jedoch hingebungsvoll und genüßlich widmet, verhält sich wahrscheinlich auch in der Liebe ähnlich. Yaffe stellte fest, daß Männer, für die das Essen nur eine Kalorienquelle ist, oft sexuell frustrierte Frauen hatten. Schnellesser litten entweder unter Ejaculatio praecox oder hätten entweder noch nie in den Armen einer Frau gelegen, machten sich nichts aus der Liebe oder versuchten ihren Mangel an Sex durch vermehrte Nahrungsaufnahme zu kompensieren.

3. Nach der Ausbildung des Urmundes verzweigte sich die Evolution wie folgt:

Bei den Vordermündern bildete sich am hinteren Ende des Urdarmes eine Afteröffnung aus. Hier blieb der Urmund der Mund des Tieres. Bei den Zweitmündern, zu denen auch wir gehören, war die Entwicklung genau umgekehrt: der Urmund wurde zum After, während sich am Ende des Darmes ein neuer Mund ausbildete. Beispiele sind die Seesterne und Seeigel. Die phylo- und ontogenetische Umbildung des Mundes zum After ist nach Freud das „biologische Vorbild“ der libidinösen Entwicklung von der oralen auf die anale Stufe (Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie).

Hans Hass weist darauf hin, daß sich die Ekelreaktion, ähnlich einem Organ oder einer Fähigkeit, nur langsam entwickelt. Vielleicht hat das Ausbleiben einer solchen Reaktion, die sich bei jedem höheren Tier findet, beim Säugling dazu geführt, daß viele glauben, das After und seine Produkte würden dem (gesunden) Kind sexuelle Lust schenken. Demgegenüber hat Baker in Der Mensch in der Falle ganz klar geschrieben:

Das orale Stadium ist die einzige natürliche prägenitale Libidostufe. Die anderen sind Kunstprodukte unserer Kultur. Das Genitale ist, wie wir wissen, in der Phylogenese aus dem distalen Ende des Ernährungstraktes, der Kloake, entwickelt worden. Eine erogene Zone wird dadurch wichtig, daß sie in der Entwicklung ganz oder teilweise in bezug auf die erotische Erregung an die Stelle des Genitales treten kann. Die orale Zone tut dies normalerweise im Säuglingsalter. Die anderen tun es nur, wenn Blockierungen vorhanden sind.

4. Mit der „Kloake“, der funktionellen Einheit von After und Genitalapparat, ist phylogenetisch die phallische Organisationsstufe erreicht, aus der sich dann das Genital herausdifferenziert. „Biologisches Vorbild“ dieses Libidostadiums beim Menschen ist nach Freud „die indifferente für beide Geschlechter gleichartige Genitalanlage des Embryos.“ In der Evolution erstreckte sich dieser Zustand von den Urfischen bis zu den primitiven Säugern.

5. In den 1930er Jahren beobachtete Reich unter dem Mikroskop bei Einzellern ähnliche Vorgänge wie bei seinen Patienten (Orgasmusformel und -reflex). Diese Prozesse umfaßten jeweils den gesamten Organismus in seiner Totalität. Bei den Tieren, die zwischen den Einzellern und den höheren Säugern stehen, wird man (außer vielleicht bei Quallen und ähnlichen Tieren) jedoch kaum eine den ganzen Organismus umfassende orgastische Konvulsion („orgastische Potenz“) finden. Dort scheint sie sich immer nur auf Teilbereiche des Organismus zu erstrecken. Dementsprechend kann man die phylogenetische, ontogenetische und libidinöse Entwicklung als Koordination der orgastischen Funktion, als Weg zu ihrer Wiederherstellung betrachten. Der gepanzerte Mensch hat diesen Weg wieder verlassen.

Die genitale Stufe, die mit 5 erreicht ist, ist funktionell identisch mit der Herausbildung des Bewußtseins: in uns ist die Orgonenergie erwacht. Dazu hat Reich 1944 in Orgonotic Pulsation das folgende geschrieben:

Während der ersten paar Monate des postnatalen Lebens kann man beobachten, wie die Organfunktionen (Bewegungen der Augen, Arme, Beine; das Zugreifen, aufrecht Sitzen, etc.) miteinander koordiniert werden, während andererseits die Lust-, Angst- und Wutreaktionen auch detaillierter, koordinierter und einheitlicher werden. Dann folgt Schritt auf Schritt der Kontakt zwischen der Bewegung der Organe und ihrer Wahrnehmung, der Reaktionen der Organe auf die Wahrnehmung und die Reaktion der Wahrnehmung auf die Bewegung der Organe. Mit der Koordination der individuellen, bis jetzt zwecklosen Bewegungen in zweckgerichtete und ganzheitliche Körperbewegungen; mit der Koordination der individuellen Empfindungen in die Wahrnehmung des ganzen Körpers; und mit der Koordination des ganzheitlichen Antriebes des Körpers mit der Wahrnehmung des Körpers entwickelt sich allmählich das, was wir Bewußtsein nennen.

Daß nur der Mensch die Genitalität und ein Bewußtsein voll ausgebildet hat, erklärt im übrigen auch, warum der Mensch als einziges Energon neben seinem „Berufskörper“ (der der Energiegewinnung dient) auch einen „Luxuskörper“ (der der lustvollen Energieabgabe dient) ausgebildet hat, um Begriffe von Hans Hass zu benutzen.

Die hier beschriebene Entwicklung hin zur Orgasmusfunktion wird in der Orgontherapie wiederholt, indem vom okularen zum Becken-Panzerungssegment, von oben nach unten alle Blockierungen der organismischen Orgonenergie aufgelöst werden, bis schließlich der ganze Körper bioenergetisch koordiniert ist. Auf diesen orgonotischen Prinzipien beruht die orgonomische Charakterologie:

  1. okulare Charaktere: Schizophrenie, Epilepsie, Voyeurismus;
  2. orale Charaktere: der infantile Charakter;
  3. anale Charaktere: passiv-feminine und Zwangsneurotiker, Masochisten;
  4. phallische Charaktere: phallisch-narzißtische, chronisch und manisch depressive Charaktere, Paranoiker;
  5. genitale Charaktere: Hysterie, der Genitale Charakter.

Diese Einteilung wird sowohl von Psychiatrie und Psychoanalyse (die ohne Reichs Charakteranalyse schwer vorstellbar wäre) als auch von allen „Reichianern“ abgelehnt, da sie nichts von der Genitalfunktion wissen wollen.

Folgerichtig, und weil „der emotionell Pestkranke (…) in Unruhe oder Wut [gerät], wenn von den Mechanismen der emotionellen Pest die Rede ist“ (Charakteranalyse), wird erstrecht die sozio-politische Charaktereinteiilung bekämpft.

Sie beruht auf Reichs Erkenntnis,

daß die verschiedenen politischen und ideologischen Gruppierungen der menschlichen Gesellschaft den Verschiedenen Schichten der menschlichen Charakterstruktur entsprechen. (Massenpsychologie des Faschismus)

Nach Reich und Elsworth F. Baker gibt es derer vier:

Näheres findet sich in Der politische Irrationalismus aus Sicht der Orgonomie.

The Journal of Orgonomy (Vol. 29, No. 2, Fall/Winter 1995)

11. August 2012

In seinem Artikel „Orgone Therapy: The Application of Functional Thinking in Medical Practice. Part XVII: The Province of Medical Orgonomy“ (S. 165-174) beschäftigt sich Charles Konia u.a. mit Figuren, die zwar als „Orgontherapeuten“ und „Orgonomen“ auftreten, jedoch nicht die charakterstrukturellen Voraussetzungen dazu nicht mitbringen.

Ein besonderes Problem sind notorische Mystiker:

Mystische Menschen haben (…) einen gewissen Grad des Kernkontakts aufrechterhalten, wenn auch verzerrt (…). Obwohl einige die Orgonomie anfangs annehmen können, bauen sie sie früher oder später in ihr System von mystischen Einstellungen und Verzerrungen ein. Diese Untergruppe, diejenigen, die ihre Mystik nicht aufgeben können, sind häufig in den Tiefen ihrer Struktur psychotisch. (S. 171)

Jeder, der mystischen Lehren anhängt, kann unmöglich Orgontherapeut sein. Reich hat dazu geschrieben: „Ein Ingenieur wird bei seiner Arbeit von seinem Glauben an ein jenseitiges Glück vielleicht nicht gestört, bei einem Sexualökonomen wäre ein derartiger Glaube jedoch eine Katastrophe“ („Work Democracy in Action“, Annals of the Orgone Institute, Vol. 1, 1947, S. 32).

Was zieht dann diese armen Irren ausgerechnet zur Orgonomie? Das, was Reich als „kosmische Sehnsucht“ bezeichnet hat. Reich:

Die mystischen Vorstellungen so vieler Religionen, der Jenseitsglaube, die Lehre von der Seelenwanderung etc. entstammen ausnahmslos der kosmischen Sehnsucht; und die kosmische Sehnsucht ist funktionell in den Ausdrucksbewegungen des Orgasmusreflexes verankert. (Charakteranalyse, KiWi, S. 515)

Was diese unglückselig ver(w)irrten Seelen von uns Normalsterblichen unterscheidet, was sie erleben, hat Reich wie folgt beschrieben:

[Die] Ablösung der Funktion der Selbstwahrnehmung von den organismischen Funktionen kann in einigen Fällen nicht anders erlebt werden als in der Form „Seele verläßt Körper“ oder „Seele befindet sich außerhalb des Körpers“. Da die Wahrnehmung nur geringen und schließlich gar keinen Kontakt mehr mit den bioenergetischen Funktionen hat, die sie subjektiv widerspiegelt, erlebt man auf sehr typische Weise „Selbstentfremdung“ oder „Selbstentrücktheit“. Dementsprechend haben Prozesse wie Projektion, Trance, Depersonalisation, Halluzination usw. eine konkrete Spaltung im bioenergetischen System zur Grundlage. (ebd., S. 572)

Bei allem Mitleid und Verständnis, es wird Zeit diesen wahrscheinlich unheilbar strukturell gestörten Leuten endlich Einhalt zu gebieten. Ansonsten wird die Zukunft der Orgonomie folgendes Gesicht tragen: