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„Implications of Orgone for Consciousness Research“ von Leon Southgate

27. September 2021

Das Problem mit Southgates Arbeit (hier und hier) fängt bereits mit seiner Definition von Bewußtsein als jede subjektive Erfahrung an. Emotionen, Empfindungen, Kognitionen, Wollen und Ideation, Seele und Geist – wird alles zusammengeworfen. Daraus zaubert er eine Art „orgonomischen“ Panpsychismus frei nach Rupert Sheldrake, bei dem Bewußtsein und Orgonenergie schlichtweg gleichgesetzt werden. Es ist ähnlich wie bei Maglione, der die Lebensformel auch auf die unbelebte Natur angewendet hat. Auf diese Weise wird Reichs gesamte Lebensleistung ad absurdum geführt, denn dann hätte Reich gleich beim Vitalismus eines Driesch und dem Panpsychismus, der die Psychoanalyse der 1920er Jahre umwaberte (Groddeck), bleiben können. Es ist auch bezeichnend, daß Maglione mit keinem Wort das wirkliche Geheimnis des Orgonenergie-Motors erwähnt, nämlich die Kreiselwelle, und Southgate mit keinem Wort das wirkliche Geheimnis des Bewußtseins (die Funktionen Wahrnehmung und Erinnerung), nämlich die koexistierende Wirkung.

Was mich an dieser Arbeit geradezu abgestoßen hat, ist die sie prägende schizoide Weltsicht. Ein einzelner Mensch, mag jede Menge „Subjektivität“ haben und wie ein Autist in einer „psychischen Welt“ leben („Panpsychismus“), aber das ist das Gegenteil von Bewußtsein im eigentlichen Sinne. Bewußtsein im eigentlichen Sinne ist vor allem eine soziale Funktion. Herdentiere brauchen angesichts der hochkomplexen Vorgänge innerhalb einer Herde ein Konzept von „Ich“ und „Du“ und eine innere Bühne („Bewußtsein“), in dem sie ihre „Schachzüge“ im Voraus planen. Allein schon die Frage der Sprache! Bewußtsein ohne Sprache? Schwierig. Sprache ohne andere Menschen? Sinnlos. Die Psyche ist vom Sozialen nicht zu trennen. Das hat Freud gewußt („Ödipuskomplex“) und der Soziologe Reich gewußt, während Southgate, eine Art Wiedergänger C.G. Jungs, alles wieder in den autistischen Urschlamm des Okkultismus hinab zieht. Man vermeint bei der Lektüre geradezu die Ouvertüre von Wagners „Rheingold“ zu vernehmen…

Aber lassen wir Southgates Beitrag Revue passieren: Nach einer umfassenden Darstellung des wissenschaftlichen Problems „Bewußtsein“ und einer her oberflächlichen Darstellung des Reichschen Beitrags zu diesem Bereich kommt Southgate zu seiner eigenen Theorie, dem „orgonotischen [gemeint ist natürlich „orgonomischen“] Panpsychismus“, dem zufolge das Bewußtsein schlichtweg eine nicht weiter reduzierbare Eigenschaft der Orgonenergie ist. Was Southgate nicht aufzugehen scheint, ist, daß in diesem Zusammenhang „Bewußtsein“ genauso nichtssagend ist, wie „Sein“. Will sagen: das ganze bringt uns ungefähr so weit, als würde man sagen, daß „das Sein“ eine Eigenschaft der Orgonenergie ist. Es erklärt rein gar nichts!

Wenn es sich darauf beschränken würde, aber für Southgate „unterstützen Bione und die Abiogenese den panpsychischen Ansatz, daß Materie lebendig und bewußt ist“. Ich kann mir kaum einen schlimmeren Mißbrauch der Reichschen Theorie vorstellen. Die Bionforschung war nicht zuletzt ein antifaschistisches Projekt, das gegen den Mystizismus (Panpsychismus) gerichtet war, d.h. sowohl gegen das Neuheidentum der Nazis und die damalige „Erbforschung“, als auch gegen den kirchlichen Mystizismus. Reich wollte das Leben und damit auch „Geist und Seele“ (dialektisch-) materialistisch erklären. Southgate hingegen meint, daß die Beweise insgesamt darauf hindeuten, „daß sich der Geist gar nicht im Körper befindet, sondern lediglich mit ihm verbunden ist“. Dagegen hielt Reich, daß die funktionelle Einheit des Seelischen und Körperlichen „Jenseitigkeit oder auch nur Autonomie des Seelischen völlig und endgültig ausschließt“ (Äther, Gott und Teufel, S. 95).

Southgate kritisiert, daß Reich nicht den Ort des Bewußtseins angeben kann. Für Southgate ist dieser „Ort“ das Orgon selbst: das Bewußtsein sei die grundlegende Realität und Geist und Orgon seien „auf der tiefsten Ebene“ identisch. Entsprechend könnten die Gesetze der Psyche auf das Orgon übertragen werden. Das heißt nichts anderes, als daß wir wieder bei Georg Groddeck angelangt sind!

Southgates ganze Argumentation krankt daran, daß er „Soma“ und „Psyche“ nicht definiert. Das Soma, das ist die Gesamtheit der Teile des Organismus („die Niere auf Zimmer 7“), während die Psyche aus dem ganzheitlichen Funktionieren des Organismus bzw. dessen Störungen hervorgeht („Charakteranalyse“). Daß die Lebensenergie strömt, erregt wird und wahrnimmt, ist davon unabhängig und bedeutet nicht, daß das Orgon so etwas wie eine „Psyche“ hat. Es ist alles eine Frage der Orgonometrie, d.h. der Klassifizierung und richtigen Einordnung:

 

Southgate hintertreibt genau das, indem er alles mit allem gleichsetzt:

Orgon wird von Reich als eine unbewußte, nicht lebende, aber schöpferische Energie dargestellt, während seine Schöpfungen – Lebenswesen – immer bis zu einem gewissen Grad Bewußtsein zu haben scheinen. (…) Es ist unlogisch zu sagen, daß eine Energie, die Leben erschafft, kein Bewußtsein hat, wenn überall Leben mit Bewußtsein gepaart ist und nirgendwo Leben mit Nicht-Bewußtsein gepaart ist. (…) Man kann sagen, daß die Amöbe nur wahrnimmt und kein echtes Selbstbewußtsein hat, aber solche Klassifizierungen sind in diesem Zusammenhang bedeutungslos – jede Wahrnehmung ist eine Form von Bewußtsein. Es ist bei der Amöbe dasselbe wie bei unserem Selbst – es ist nur eine Frage des Grades.

Er fährt fort – und man merkt richtig, wie alles zerfällt – die Psyche geradezu dekompensiert:

Orgon und Bewußtsein werden auf der tiefsten Ebene identisch, so wie Energie oder Materie in Sheldrakes Panpsychismus mit dem Bewußtsein identisch ist. Orgon gewinnt erst auf oberflächlicheren Ebenen an Differenzierung, die als Orgonenergie und schließlich als Materie erfahren wird, die eine Form von gefrorener Orgonenergie ist. Es gibt also ein monistisches Kontinuum in einem Dreiklang: von orgonotischem Bewußtsein zu Orgonenergie und schließlich zu Orgon-Materie. Dieses monistische Kontinuum hat drei verschiedene Aspekte: Orgon-Bewußtsein, Orgon-Energie und Orgon-Materie. Alle drei sind physisch und alle drei sind real, aber man könnte sagen, daß die Bewußtseinsebene die „realste“ oder die primäre Realität ist. Orgonenergie und -materie sind in dieser Sichtweise spezialisierte Formen eines physischen orgonotischen Bewußtseins. Energie und Materie existieren noch immer für sich, sind aber nicht vom Bewußtsein getrennt.

Alles gerät heillos durcheinander und wird auf den Kopf gestellt, Worte verlieren ihre Bedeutung. Aus der Orgonenergie wird ein bloßes Wort. Wie bei allen „Reichianern“, etwa in der „energetischen Medizin“, ist das, was sie als „Energie“ oder „Orgon“ bezeichnet, nichts anderes als Psyche:

Dieser Mystizismus, und um nichts andere handelt es sich hier, mündet schließlich in Ausführungen über, man glaubt es kaum, künstliche Intelligenz, die von Magliones Arbeit inspiriert sind.

Southgate führt aus:

Ursprünglich war es das Ziel des Autors zu untersuchen, ob das Orgon selbst ein Bewußtsein besitzt. Im Laufe einiger Jahre dämmerte die Erkenntnis, daß die einzige Möglichkeit, dies zu erreichen, darin bestand, das Orgon selbst zum „Sprechen“ zu bringen – unabhängig von jeder anderen Entität. Alles andere wäre nur eine Demonstration des Bewußtseins eines Organismus, der bereits existiert. Eine solche Einrichtung, in der das Bewußtsein von Orgon demonstriert werden könnte, müßte also jegliche Organismen oder andere Eingaben ausschließen. Sie müßte völlig künstlich sein und sich nur auf das Orgon selbst stützen, um zu kommunizieren. Dann dämmerte dem Autor, daß dieses Ziel nicht ohne die Erforschung einer starken künstlichen Intelligenz verfolgt werden könnte.

Ich erinnere an Reichs oben zitierte Aussage in Äther, Gott und Teufel über die funktionelle Einheit von Psyche und Soma. Bei Southgate kommt das kurzschlüssige mystische Denken zum tragen, das untrennbar mit dem Mechanismus verbunden ist.

Er schließt an Magliones Konzept einer Art „Orgonenergie-Motor-Einrichtung“ an: einem Orgonenergie-Akkumulator, dessen orgonotisches Potential durch eine radioaktive Quelle derartig hochgepusht wird, daß „dadurch das Orgon von seinem ‚nebligen‘ Zustand in seinen aktiven ‚spitzen‘ Zustand übergehen würde. Wenn dies geschieht, findet ein spontaner Wechsel von orgonotischen zu teilweise elektrischen Energien statt. Organismen scheinen auf einer trilateralen Basis zu funktionieren – ein nicht-energetisches Bewußtseinsfeld, das sich in Orgonenergie umwandelt, die sich wiederum in elektromechanische Bewegung umwandelt. Es gibt Parallelen zum Orgonmotor, der auf der Übersetzung von Orgonenergie in elektrische und dann in mechanische Energie beruht.“ Das ist nichts anderes als „orgonomisch“ verbrämter Mechomystizismus! Die magische-okkulte Weltsicht die letztendlich hier zum Ausdruck kommt, offenbart sich im letzten Satz des Autors: „Dieser Autor glaubt nicht, daß Bewußtsein oder bewußte Wesen erschaffen werden können, sondern daß ihnen eine Gelegenheit geboten werden kann, sich aus einem nichtmateriellen Bereich zu manifestieren.“

Das ultimative Tabu (Teil 6)

11. September 2021

In einem Interview von 1986 über den Hitler-Ludendorff-Putsch von 1923 sagte der Jugendaktivist des Putsches und spätere SS-Sturmbannführer Gustav Adolf Lenk (Jahrgang 1903) auf Bayern 3 (6. Nov. 1993), daß es drei Vorbilder gegeben hätte, denen er Zeit seines Lebens gefolgt wäre: „Hitler, Rudolf Steiner und General Ludendorff“. 1922 hatte Lenk den „Jugendbund der NSDAP“ gegründet und nachdem die NSDAP verboten wurde, gründete er 1924 die „Großdeutsche Jugendbewegung“ – aus der dann die Hitler-Jugend wurde.

Ein anderer SS-Anthroposoph war der Chef der Abteilung III des Reichssicherheits-Hauptamtes, der SS-Obersturmführer Otto Ohlendorf, der seine anthroposophischen Gesinnungsgenossen im Dritten Reich aktiv unterstützte. Jahrgang 1907 trat er 1925 als eines der ersten Mitglieder in die neugegründete NSDAP ein, 1926 kam er zur SS und 1936 zum SD, wo er für „Volkstum“ und den Inlandsnachrichtendienst verantwortlich war und in dieser Eigenschaft den Holocaust plante. Zwischen Juni 1941 und Juli 1942 war er Leiter der „SS-Einsatzgruppe D“, die in Rußland mehr als 91 000 Juden ermordete.

Himmler nannte den Anthroposophen und puritanischen Vertreter der NS-Orthodoxie verächtlich „Gralsritter des Nationalsozialismus“. Am Ende des NS-Regimes versuchte Ohlendorf als SD-Inlands-Chef, und damit als einer der mächtigsten Männer des Reiches, dieses durch anthroposophische „Dreigliederung“ zu retten, wobei die NSDAP zu einem von aller Machtpolitik befreiten „Tempel der Weisheit“ werden sollte. Bis zu seiner Exekution 1951 als Kriegsverbrecher blieb er glühender Nationalsozialist und Anthroposoph.

In den Erinnerungen einer französischen Korrespondentin im Deutschland der 1930er Jahre entdeckte ich folgenden Fall: 1935 durfte Jules Sauerwein vom Paris-Soir als erster ausländischer Journalist ein KZ besichtigen. Als Sauerwein nach Berlin zurückkehrte, fiel der Jounalistin an Sauerwein auf, daß er so begeistert war, wie sie ihn nie zuvor erlebt hatte. Sauerwein war beim Besuch des KZs Sonnenburg von einem jungen SS-Mann aus dem Justizministerium begleitet worden. Der SS-Offizier hatte sich auf der gemeinsamen Reise als glühender Anhänger Steiners erwiesen, was sich gut traf, denn Sauerwein hatte die Bücher Steiners ins Französische übersetzt. Der anthroposophische SS-Mann „Alexander“ erklärte seinem anthroposophischen Glaubensbruder und Duzfreund „Jules“ das KZ wie folgt:

Das ist eine unserer schönsten Einrichtungen. Das sind keine Straflager, sondern Besserungsanstalten. Wir halten unsere Häftlinge nicht für Kriminelle, sondern für Verirrte.

(Offenbar eine Art von Waldorf-Schule!) Dementsprechend enthusiastisch war auch der Bericht des Anthroposophen Sauerwein im Paris-Soir (Stephane Roussel: Die Hügel von Berlin, Hamburg 1986, S. 189-91).

Der Lebensreformer Rudolf Heß las die Schriften Steiners mit großem Interesse, aß nur, was auf anthroposophischen Bauernhöfen angebaut wurde und sogar Hitler selbst bezog seine vegetarische Nahrung ausschließlich von einem anthroposophischen Bauernhof. Sein Stellvertreter nahm die Waldorf-Schulen und die anthroposophische „Christengemeinschaft“ unter seinen persönlichen Schutz, während Walther Darré, der NS-Reichsbauernführer und Landwirtschaftsminister, das gleiche für die anthroposophisch-biodynamische Landwirtschaft tat.

1941 ordnete Himmler eine wissenschaftliche Studie in Auschwitz an, um ein für allemal festzustellen, ob anthroposophische (die Himmler vorzog) oder industrielle Anbaumethoden bessere Resultate erbringen würden. In einem Briefwechsel über seinen Befehl den biodynamischen Anbau in Auschwitz zu untersuchen, erwähnt Himmler einen ungenannten SS-Offizier, der ein agitierender Anthroposoph in Auschwitz sei (Helmut Heiber: Reichsführer! – Briefe an und von Himmler, Stuttgart 1968, S. 89f).

1944 war Thies Christophersen „SS-Sonderführer für Pflanzenzucht“ im Auschwitzer Zweig-KZ Raisko, mit anthroposophischem Anbau. Nach dem Krieg leitete er ein neo-nationalsozialistisches Netzwerk. 1973 veröffentlichte er das Buch Die Auschwitzlüge mit einer Auflage von insgesamt 100 000. Er veröffentlichte die neonazistische Zeitschrift Die Bauernschaft, wo er u.a. den anthroposophischen Anbau propagierte.

Der Anthroposoph Franz Lippert, Leiter des Heilpflanzenanbaus bei der anthroposophischen Aktiengesellschaft „Weleda“, die anthroposophische Medizin herstellt, wurde ins KZ Dachau abkommandiert, um dort den medizinischen Kräutergarten der SS zu leiten. Auch wurden in Dachau Gefangene unterkühlt bis der Tod eintrat, um die Weleda-Frostschutzcreme zu testen. Ausgeführt wurden diese Versuche von dem KZ-Arzt, Anthroposophen und SS-Hauptsturmführer Dr. Sigmund Rascher.

Raschers wuchs in einer prominenten anthroposophischen Familie auf mit engen Verbindungen zu Steiner persönlich. Ich verweise den geneigten Leser auf den Aufsatz Vom Muttersöhnchen zum Massenmörder – Überlegungen zu einer fatalen Biographie von Hubert Rehm.

Das ultimative Tabu (Teil 4)

8. September 2021

Es ist modern aber irreführend, den Nationalsozialismus als eine Art Okkultverschwörung zu betrachten – und dergestalt zu „verzaubern“. Der Sachverhalt wird durch folgenden Tagebucheintrag von Goebbels anläßlich des Englandflugs von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß beleuchtet:

So ein Narr war der nächste Mann nach dem Führer. Es ist kaum auszudenken. Seine Briefe strotzen von einem unausgegorenen Okkultismus. Prof. Haushofer und seine Frau, die alte Heß, sind dabei die bösen Geister gewesen. Sie haben ihren „Großen“ künstlich in diese Rolle hineingesteigert. Er hat auch Gesichte gehabt, sich Horoskope stellen lassen u.ä. Schwindel. So was regiert Deutschland. Das Ganze ist aus der Atmosphäre seines Gesundlebens und seiner Grasfresserei erklärbar. Eine durchaus pathologische Angelegenheit.

Hitler selbst stand zwischen diesen Extrempositionen. Am Anfang wurde er von der okkulten „Theozoologie“ und „Ariosophie“ beeinflußt. Sein zeitweiliger „Kampfgefährte“ Ludendorff war das, was man heute als „Esoteriker“ bezeichnet. Doch emanzipierte sich Hitler rasch von diesem Sektierertum (das im Dritten Reich unterdrückt wurde, wodurch die okkulten Ur-Nazis nach dem Krieg als „Widerstandskämpfer“ auftreten konnten), nahm nur die Essenz des Okkultismus, nämlich den Kult der Macht, und formte den Nationalsozialismus nach dem Muster der Marxistischen Massenparteien. Religion sollte ganz verschwinden, bzw. in die Politik aufgehen (das erklärt die nationalsozialistische Vorliebe für den Islam und die islamische Vorliebe für den Nationalsozialismus).

Auf Leute wie Rosenberg und Himmler, die „ariosophische“ Okkultisten blieben, reagierte Hitler genauso zynisch wie Goebbels auf Heß. In Mein Kampf und insbesondere in den Tischgesprächen vermittelt er eher den Eindruck in einer „aufklärerischen“ Tradition zu stehen: Voltaires und Eugen Dührings antisemitischer und antichristlicher Materialismus, Darwins Abstammungslehre, Hygiene und Bakteriologie, Ökonomisches von Malthus und Massenpsychologisches von Gustave LeBon.

Der „okkulte“ Gehalt des Nationalsozialismus erschöpft sich in dem, was der Okkult-Betrüger Hanussen auf die Frage geantwortet hat, was Magie sei:

Die Menschen in dem geliebten Glauben an das Wunderbare nicht zu stören, sondern zu bestärken. Ich zeige ihnen, daß man mit Wille, Mut, Energie und Impertinenz zweitausend Leute, die im Saal sitzen, in die Tasche stecken kann. Was ist Publikum? Schwachköpfige, Wundersüchtige, Hysteriker, ein paar wirklich Unglückliche – vor allem aber doch Kinder, deren großer Kummer es ist, daß ihnen kein Lehrer, Vater, Vorgesetzter, Freund genug imponiert, um sich ihm restlos anvertrauen zu können. Warum nun werden mir Menschen immer vertrauen, bedingungslos? Weil ich stärker bin als sie, mutiger, energischer, willenskräftiger. Weil sie Kinder sind und ich ein Mann. (z.n. Wilfried Kugel: Hanussen, Düsseldorf 1998, S. 48)

Erik Jan Hanussen, Jahrgang 1889, war während des Ersten Weltkrieges offizieller Rutengänger in der österreichischen Armee und hatte in Bosnien seine eigene Einheit aus von ihm ausgebildeten Rutengängern, die sogar spezielle Uniformen trugen. Zu dieser Zeit war er bereits ein ziemlich bekannter Varieté-Künstler á la Uri Geller. In seinen Bühnenshows mit „Gedankenlesen“ benutzte er neben der Kunst des „Muskellesens“ (bei der es darum geht, feinste unwillkürliche Muskelreflexe wahrzunehmen und richtig zu interpretieren) und betrügerischen Tricks, Hypnose und die schiere Suggestivwirkung seiner Person. 1922 veröffentlichte er das leider verschollene 300seitige Buch Die Weltseele, in dem es wohl darum ging, daß, wie Hanussen 1930 in einem Interview sagte, das Dasein des Menschen nicht materieller, sondern „ideeler Natur“ ist „und der Mensch mit der Gottheit in unmittelbarster Beziehung (steht)“ (ebd., S. 19).

Anfang der 1930er Jahre gelang es dem gebürtigen Juden (der in Wirklichkeit Hermann Steinschneider hieß, jedoch als gebürtiger Däne auftrat) in Berlin Kontakt mit leitenden Köpfen der nationalsozialistischen Bewegung aufzunehmen und teilweise Freundschaften aufzubauen. Schließlich wurde er sogar Mitglied der SA ehrenhalber inklusive eigener SA-Uniform. Mit seiner Hanussen-Zeitung, ein Blatt, in dem es vor allem um Astrologie ging, machte er offen Werbung für Hitler, den er zudem mit seinen „hellseherischen“ Prophezeiungen unterstützte: die Machtübernahme war unvermeidlich. Vorsehung! Es würde zu weit führen, hier Hanussens mögliche Verwicklung in den Reichstagsbrand und seine Ermordung darzustellen. Es sei ausdrücklich auf Wilfried Kugels oben zitiertes Buch über Hanussen verwiesen – die Fallgeschichte eines pestilenten Charakters (Emotionelle Pest). Möglicherweise hat Hanussen den psychisch gestörten van der Lubbe hypnotisiert und seinen Freunden von der SA beigebracht, diese Hypnose bis zur Exekution aufrechtzuerhalten.

Aus Hanussens zynischem Verhalten sprach seine vollkommene Verachtung für das Leben im allgemeinen und seine Mitmenschen im speziellen – die ihm zu Füßen lagen wie heute einem Popstar. Hanussen:

Das Individuum ist doch nur eine krankhafte Form der Schöpfung. Der Mensch ist wie ein Karzinom am Bauch der Schöpfung. Das Ideal dieser Schöpfung ist er sicher nicht. Es ist doch alles Kampf! Wären wir etwas Vollkommenes, wie könnten wir Magenschmerzen haben? Das, was wir vom Weltall sehen, ist ja nur ein Teil. Unsere Welt aber ist eine Beule am After des Kosmos. (ebd., S. 19)

Die okkulte Grundlage des Nationalsozialismus ist die Emotionelle Pest, d.h. der Haß auf das Lebendige, „da Glück unmöglich ist“. „Es ist alles Kampf“ – oder wohl eher Krampf. In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals J.P. Stern zitieren, der sein Buch über Hitler mit der Bemerkung abschloß, er habe genügend Beweise dafür genannt, daß „nicht Eroberung, sondern blinde Vernichtung“ Hitlers Ziel gewesen sei.

Dies – und nicht irgendeine heroische Selbstbehauptung, nicht einmal die Aussicht auf materiellen Gewinn – war das Geheimnis, das seine Anhänger an ihn band; und nicht nur seine Anhänger. Auf diesem heimlichen Einverständnis beruhte seine Karriere. (Der Führer und das Volk, München 1978, S. 209)

Ergänzung zu „Reichs Gründe der Abkehr von der Tagespolitik (Teil 9)“

24. Juli 2021

Robert Hase hat Reichs Gedanken wie folgt wiedergegeben:

[Es ist] generell so, daß Personen, die von der Psychoanalyse zum Orgone Institute kämen, dazu neigen, sich an fehlerhafte Theorien wie die der „kulturellen Anpassung“ oder die Theorie der „Sublimierung“ zu klammern. (…) Man kann von einem Kind nicht erwarten, daß es seine Genitalität „sublimiert“ und es gleichzeitig sexualökonomisch erziehen. (…) Da der vorherige Psychoanalytiker sich nicht von diesen fehlerhaften Konzepten befreien kann, greift er auf irrationale Rechtfertigungen zurück, um nicht klar Stellung beziehen zu müssen und auf diese Weise in Schwierigkeiten zu geraten.

Zunächst einmal muß man sich in zweierlei Hinsicht in die damalige deutsche/österreichische Kultur versetzen, in der die Psychoanalyse eine Art „Erlösungsbewegung“ war gegen zwei „Schlammfluten“: die des um sich greifenden pseudoreligiösen Obskurantismus, wie sie der „Verräter“ der Psychoanalyse und spätere Nazisympathisant C.G. Jung sozusagen „archetypisch“ verkörperte. Dies war auf unheilvolle Weise mit Sexualität verknüpft. Man muß sich nur der schwülen Kunst des Fin de Siècle aussetzen! Psychoanalyse stand dafür, das Irrationale und Triebhafte zu entzaubern und durch Analyse und Sublimierung der Vernunft zu unterwerfen.

Zweitens war die alte Moral, war, trotz all des wuchernden Okkultismus, Gott selbst tot, und der Mensch mußte sich nunmehr sozusagen am eigenen Schopf aus dem Morast ziehen. Unter welchem Druck Psychoanalytiker von ihrer ganzen Denkart standen, wenn sie generell für sexuelle Freiheit, insbesondere aber für die Freiheit von Kindern und Jugendlichen eintraten, wird anhand von Freuds Aufsatz „Die ‚kulturelle‘ Sexualmoral und die moderne Nervosität“ deutlich: man stellte sich als eine Art „Bestie“ außerhalb der Gesellschaft, unterhöhlte deren ureigensten Grundlagen, Übermenschliches wurde von einem abverlangt. Nietzschesanisch ausgedrückt, ermordete man Gott und mußte die Konsequenzen tragen. Freud:

Unsere Kultur ist ganz allgemein auf der Unterdrückung von [sexuellen] Trieben aufgebaut. (…) Wer kraft seiner unbeugsamen Konstitution diese Triebunterdrückung nicht mitmachen kann, steht der Gesellschaft als „Verbrecher“, als „outlaw“ gegenüber, insofern nicht seine soziale Position und seine hervorragenden Fähigkeiten ihm gestatten, sich in ihr als großer Mann, als „Held“ durchzusetzen. (FREUD STUDIENAUSGABE, Bd. 9, S. 18)

Reich als „ver-rückt“ abzutun, war nur konsequent, denn zu dieser „Diagnose“ gab es nur eine einzige Alternative…

Vor diesem Hintergrund war Reich ein denkbar „unheimlicher Schreckensmann“. Seine Wirkung kann man vielleicht nur quasi „religionsgeschichtlich“ betrachten. Man denke nur daran, daß Freud die Psychoanalyse als eine Art „Freimaurerloge“ aufzog und alle alten Psychoanalytiker aus einem Nietzscheanischen Dunstkreis stammten und zu den ersten Lesern des Meisters gehörten. Wenn der Nationalsozialismus eine „politische Religion“ war, dann war die Psychoanalyse eine „wissenschaftliche Religion“. Wenn „Religion“ nach dem Tod Gottes denn noch Sinn macht – der Mensch, der über sich selbst hinauswachsende Mensch, tritt an die Stelle Gottes.

Wenn also von den „Schwierigkeiten“ der ehemaligen Psychoanalytiker die Rede ist, bringt es nichts, sich zu fragen, warum sie denn nicht einfach die Überlegenheit der Reichschen Theorie erkannt haben. Das war nicht einfach „Wissenschaft“, sondern eine existentielle Menschheitsfrage war betroffen, bei der weitaus mehr mitklang als nur Differenzen von Therapieschulen und Sozialphilosophien!

nachrichtenbrief194

28. Februar 2021

EIN QUERSCHNITT DURCH DAS SCHAFFEN JEROME EDENs: Die Entdeckung des Orgons und die UFO-Forschung

27. Oktober 2020

 

EIN QUERSCHNITT DURCH DAS SCHAFFEN JEROME EDENs: Die Entdeckung des Orgons und die UFO-Forschung

Die 15 Orgonomie-Gruppen (Teil 2)

10. Februar 2020

6. Reichs Tochter und anfängliche Treuhänderin seines Nachlasses, Eva Reich, hielt sich ebenfalls „aus allem raus“, begann aber in den 1970er Jahren eine Vortragstätigkeit und arbeitete weltweit mit wirklich fast jedem zusammen, der auch nur ein entferntes Interesse an Reich zeigte. Sie wurde dergestalt so etwas wie die Übermutter des „Reichianismus“. All das wurde gefärbt durch ihre absurde persönliche Ideologie („ich bin eine christliche Sozialistin“) und ihre bereits in den 1980er Jahren einsetzende Demenz. Übrigens war sie nie Orgontherapeutin und hat das auch nie von sich behauptet!

7. Neben Silvert war Robert McCullough, ein Biologe, der zweite wichtige Mitarbeiter Reichs im nichtmedizinischen Bereich. Insbesondere spielte er während der Expedition nach Arizona eine Rolle. Anfang der 1970er Jahre tat er sich mit dem anthroposophisch (sic!) und allgemein okkultistisch orientierten Cloudbuster-Operateur Trevor Constable zusammen. Ich verweise auf meine Rezension von dessen Buch The Cosmic Pulse of Life. Vor kurzem verstorben, bildete Constable bis heute sozusagen die „Schnittstelle“ zwischen Orgonomie und Okkultismus, insbesondere über die Borderland Science Research Foundation.

8. Jerome Eden, ebenfalls Cloudbuster-Operateur, war gewisserweise der Gegenpol Constables in der Orgonomie. Ich verweise auf den „Jerome Eden-Teil“ von www.orgonomie.net.

9. Paul Ritter und sein Mitstreiter David Boadella wirkten zwar nicht in Amerika, doch gehören sie hierher, weil es bereits in den frühen 1940er Jahren enge Kontakte zwischen Reich und der „englischen Gruppe“ gab, hierher gehört insbesondere der Name Derek Eastmond. Ritters 1954 erstmals erschienene Zeitschrift Orgonomic Functionalism war das einzige Periodikum, das ein Kontinuum zwischen der Orgonomie zu Reichs Zeiten, der vorangegangenen Sexpol (etwa in Holland) und den späteren Entwicklungen herstellte. Das Problem mit dem Architekten Ritter war, daß er sich als vollkommener Laie anmaßte „therapeutisch“ tätig zu sein und Reichs Funktionalismus „weiterzuentwickeln“. Einen Eindruck von der, zumindest zu Reichs Lebzeiten und kurz danach teilweise durchaus wertvolle, Arbeit der Gruppe vermitteln die Artikel von Boadella, die ich hier im Nachrichtenbrief veröffentlicht habe: „Orgonenergie, Liebe und Raumschiffe (1955)“ (11 Teile), „Einige orgonotische Erstrahlungseffekte. Eine vorläufige Mitteilung (1958)“ (7 Teile) und „Orgonotische Erregungseffekte II (1958)“ (8 Teile).

Der Angriff der „Wahrheitsbewegung“ auf die Orgonomie

18. Juni 2018

Alle Menschen sind Idioten, sie sind gepanzert, d.h. nehmen nichts richtig wahr und verzapfen nur Murks; ihre gesamte Naturwissenschaft ist Murks, da sie nichts vom Orgon weiß und so weiter und so fort… Kein Wunder, daß sich offensichtliche Psychopathen, persönlichkeitsgestörte Sonderlinge, hirnorganisch Angeschlagene, Leute, die nach einer „Weltanschauung“ suchen, „Weltverbesserer“ und unbedeutende minderbegabte aber um so narzißtischere Spinner zur Orgonomie und ganz konkret zu diesem Blog hingezogen fühlen. Leute, die an „Vril“, die flache oder an die hohle Erde glauben, an „Chemtrails“, an „reptiloide Formwandler“, all die anderen „Sinnsucher“ und Halbirren, etwa Holocaustleugner, denen das Internet endlich aus ihrer Isolation hilft.

Sie sind wie jene Leute, die, wenn Reich von der „Funktion des Orgasmus“ sprach, an Dildos, Strapse und Fußfetischismus dachten. Sie sind wie jene, die, als Reich den Mystizismus nicht nur als Sexualitätsersatz, sondern als (verzerrte!) Wahrnehmung des Orgons zu betrachten begann, Morgenluft witterten und das zum Anlaß nahmen, die Orgonomie in einer Schlammflut des „Spirituellen“ zu ersticken. Auch zu seiner Zeit begegnete Reich Gralssuchern, Anthroposophen und Anhängern der Welteislehre, aber er hätte sich wohl nie träumen lassen, daß er selbst eines Tages zu ihren Heroen zählen würde:

https://www.youtube.com/watch?v=TVQE_88AmjI

Es ist praktisch unmöglich sich dieser Leute zu erwehren, denn das Problem, d.h. IHR Problem läßt sich nicht mit Argumenten angehen, sondern nur biophysisch auf der Couch eines orgonomisch orientierten Psychiaters, der ihre Augen- und Brustpanzerung, etc. auflöst. Doch typischerweise unterziehen sich solche Leute niemals einer Orgontherapie. Oder mit anderen Worten: sie stellen das ganze Universum infrage, aber niemals sich selbst. Kurz gesagt sind es Kleine Männer, die alles leer und bedeutungslos machen, was sie berühren.

Peter, die Juden und Jabba Desilijic Tiure

24. Mai 2018

Orgonomie und Metaphysik (Teil 24)

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 18. Der Kult der Orgonomie

21. Dezember 2017

DER VERDRÄNGTE CHRISTUS / Band 2: Das orgonomische Testament / 18. Der Kult der Orgonomie