Posts Tagged ‘Freud’

THE JOURNAL OF ORGONOMY: chronological index vols. 1-57 (1967-2025)

7. Dezember 2025

THE JOURNAL OF ORGONOMY: chronological index vols. 1-57 (1967-2025)

Wilhelm Reich, Physiker: 1. Biophilosophie, c. Antifunktionalismus: Der Geist in der Maschine

6. Dezember 2025
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W:ilhelm Reich, Physiker: 1. Biophilosophie, c. Antifunktionalismus: Der Geist in der Maschine

Peter Töpfer (Teil 3)

17. November 2025

Tatsächlich erweist sich der Anarchist Töpfer als Apologet der antiautoritären Unsokratie-Dekadenz:

Grundlage und Kennzeichen nicht-totalitärer und freiheitlicher Gesellschaften ist die Nicht-Existenz von sog. objektiver Wahrheit. Totalisieren Subjekte ihre Wahrheit, geschieht dies immer zur Beherrschung und Ausbeutung anderer Subjekte, die mit einem Geheimdienst kontrollierte werden müssen. Schon auf der Rede von „objektiver Wahrheit“ basiert der Totalitarismus, nicht erst auf dem Zwang zu deren Anerkennung. So, wie es keine objektive Wahrheit gibt, so gibt es strenggenommen natürlich auch keine Gemeinschaft. Gemeinschaft ist nicht etwa eine Ansammlung von Individuen, sondern bezeichnet das, was diese Individuen gemein haben. Es gibt tatsächlich nur Einzelne, deren Interessen sich zum Teil decken oder ähneln. Nicht eine Gemeinschaft wird geschwächt oder gestärkt, sondern Einzelne. (Die Wahrheit, S.191)

Der Hinweis darauf, daß, allein schon, wenn sich der Blick nach innen richte, jeder seine „eigene Wahrheit“ habe, sticht nicht, da das genau jener liberalistischen Mentalität entspricht, die den Westen systematisch zersetzt und uns beispielsweise zahllose „Geschlechtsidentitäten“ beschert hat. Diese Inkommensurabilität der Einzelnen prägt das ganze Grundgefühl von Töpfers Werk. Schon in der Jugend habe ihn dieses Fremdwort fasziniert. „[Es] spiegelte mein Empfinden dessen wider, was ich in mir hatte, was diesseits war (ich positionierte mich damals im Jenseits)“ (S. 276).

Für mich stand schon (…) als Säugling (…) fest: Die Menschheit ist durch und durch gottserbärmlich fertig: alles läuft vollständig verkehrt. Sie ist völlig erdrückt unter einer ganzen unendlichen Katastrophe, die kein Wort hat. (…) Die zivilisierte Menschheit stellt eine Abfolge von Katastrophen dar. Grund für diese Abfolge ist die Abwesenheit, zumindest die nahezu vollständige Verwandlung von Wahrheit. (S. 291)

Für Töpfer „steckt“ die Wahrheit „unter“ der Energie, von der die östlichen Weisheitslehren sprechen (Prana, Chi – also wohl auch das Orgon!). Wir hingegen sind, so Töpfer, „nordische“ Männer der Tat und unsere Erleuchtung ist die Aufklärung! (S. 314). Das ist Gnosis pur. Was bleibt ist purer Affekt, haltloser Aktionismus, „Erleuchtung“.

Es ist das „gnostische“, d.h. mystische Empfinden des gepanzerten Menschen, der die Trennmauer, eben die Panzerung, intuitiv spürt, aber ohne Therapeuten sie in seiner inneren Versponnenheit niemals wird einreißen können, egal wie verzweifelt er auch „den Weg der Wahrheit“ gehen mag. Wir sind im zwischenmenschlichen Verkehr (Mutterbindung, Familienleben, Ödipuskomplex) in die Falle geraten und können sie ausschließlich durch den zwischenmenschlichen Verkehr einer Orgontherapie wieder verlassen. Alles andere sind „gnostische“ Spinnereien über ein mystisches „Selbst“ unterhalb der – Welt!

Ich glaube „deiner Wahrheit“ nicht, denn jeder Blick, jede Geste, die Mimik, die Art, wie du dich bewegst, sagt alles über dich – mehr, als du selbst über dich weißt. Niemand wird jemals die Wahrheit über sich selbst ergründen können: – niemand ist so weit entfernt von sich wie der Autist. Ich weiß mehr über das Innenleben der jungen Frau, die mir erklärt, ihre „wahre, innere Identität“ sei ein lila Astralfuchs von Andromeda, als sie es selbst wahrscheinlich je ergründen wird.

Reich wies in seiner charakteranalytischen Vegetotherapie darauf hin, daß deine Worte nicht zu deinem Gefühlsausdruck passen. Du lügst! Bei Töpfer ist es umgekehrt: Worte tragen sich nicht selbst durch ihre faktische Logik, sondern werden durch den individuellen Gefühlsausdruck „bewiesen“. Es ist wie bei Frauen: wer weint und schreit und „betroffen“ ist, vertritt die vermeintliche „Wahrheit“! Das meine ich nicht abfällig, denn Töpfer ist tatsächlich ein expliziter Verfechter des „Matriarchats“, ohne zu ahnen, daß seit 1960 das Patriarchat schleichend bereits durch ein „Matriarchat“ abgelöst wurde, in der es keine „patriarchalische“ Autorität, also keine objektive Wahrheit mehr gibt, sondern nur noch (vermeintlich) „authentische“ Gefühle bzw. sogenannte „subjektive Wahrheiten“. Der Irrationalismus triumphiert! Volatile Stimmungen beherrschen alles, als würde Deutschland gerade menstruieren! Interessanterweise waren die Anhänger des „Hysterikers“ Hitler in dieser Hinsicht kaum von den heutigen Betroffenheits-Grünen zu unterscheiden.

Töpfer hat von seinem durch und durch mechanistischen Ansatz her überhaupt keinen Zugriff auf die innere Wirklichkeit: „… das Ganze hat keine Wahrheit: Es ist keine Person. Nur eine Person trägt auch Wahrheit“ (S. 192). „Die Aussage dieses Buches kann mit Bildern aus der Informatik anschaulich gemacht werden“ (S. 195). Dazu paßt das ständige „Streben nach der Wahrheit“, der Kampf bzw. Krampf um die Wahrheit, so als wäre Wahrheit nicht einfach nur da wie das natürliche und spontane Pulsieren und Strömen im Organismus! Die „Suche nach sich selbst“ ist der gleiche sadomasochistische Unsinn wie die „Suche nach Gott“.

„Alle Prägungen, alle in widrigen Umständen erfolgte Programmierungen können mittels Wahrheit aufgelöst werden, so daß neue, lebensbejahende Programme Platz greifen” (S. 200). Abgesehen von den Phrasen: ist das nicht einfach Freuds „Bewußtmachen des Unbewußten“? („Die Ansätze des frühen Freud [entsprachen] durchaus der Wahrsagerei“ [S. 313].) Die Wahrheit soll „fließen“, was immer das auch bedeuten soll. „Der freie Fluß der Wahrheit als Voraussetzung von Zufriedenheit wird hergestellt, indem das seelisch belastende Material verschwindet, das gesagt und losgeworden wird“ (S. 207). Tatsächlich ist es aber so, daß das Orgon ins Fließen kommt. Ob es, so Reich, dabei zu Erinnerungen kommt, über das, was dieses Fließen ursprünglich gestoppt hat, oder diese ausbleiben, ist letztendlich gleichgültig.

„Die-Wahrheit-leben heißt im Lebensfluß bleiben (…) Das Nicht-die-Wahrheit-leben besteht im Bremsen, im Drängen gegen die Flußrichtung und die Kraft der Wassermassen, der Lebensenergie“ (S. 215f, vgl. S. 317). Klingt gut, aber was in diesem Buch nicht vorkommt, ist die Gegenwahrheit, d.h. die Abwehr, die Panzerung. Konkret bedeutet das, daß du so konsequent in der Wahrheit leben kannst, wie du willst, dir wird doch immer elender (dann, „haben Sie Pech, dann ist das Schicksal“ [S. 318)]) und es passiert genau das, was in einer schlecht durchgeführten „Körperpsychotherapie“ geschieht: ständig wirst du von unkontrollierbaren Affekten überschwemmst. Es ist wie bei einem Bach, wo sich angeschwemmtes Holz verkeilt und sich in diesem Gitter Blätter, Geröll und Schlamm verfängt, bis der Bach aufgestaut wird und die umliegenden Felder überflutet. Es hilft wenig, verschlimmert sogar alles, immer mehr „Wassermassen“ zu mobilisieren. Rational wäre es, nach und nach die Hölzer aus dem Damm zu ziehen, bis der Bach wieder frei fließen kann. Reichs Charakteranalyse!

Töpfer sieht sich in der Traditionslinie „Reich – Janov – Töpfer“ (S. 309), tatsächlich ist er aber weit hinter Freud zurückgefallen. Reich habe die Körper-Geist-Frage nicht wirklich gelöst und sei, im Gegensatz zu Stirner, „Philosoph geblieben“. Im Janovschen „Urschrei“ gäbe es jedoch keine Philosophie mehr, sondern nur noch „Person“ und „Ich“ (S. 301f). Es gibt keinen Körper und keinen Geist mehr, kein Objekt und kein Subjekt, sondern nur noch „Ich“. Das bezeichnet man als „Autismus“ und genau das hat Janovs verbrecherische „Primärtherapie“ etwa aus John Lennon gemacht: einen in sich selbst versponnenen Jammerlappen auf der Suche nach sich selbst.

„Es hatte sich ausphilosophiert“ (S. 303). „Das Zeitalter der Psychotherapie ist vorbei. Wie überhaupt das Zeitalter der Wissenschaft vorbei ist. Jetzt kommt – für die, die es wollen – eine Zeit, wo man alles so sagt, wie man es empfindet, wie es einem vorkommt, erscheint“ (S. 311). Das sei Töpfers Schritt über seine Vorgänger Reich und selbst Janov hinaus!

Töpfer zufolge sind „Hemmungen“ und „Verklemmungen“ rein subjektiv, d.h. deine derzeitige Wahrheit, und deshalb gelte es sie nicht etwa zu „überwinden“, sondern, so Töpfer, zu „unterwinden“ – indem man zu sich selbst, „unterhalb“ der Energien zurückkehrt (siehe oben zur „Gnosis“!). Die Hindernisse erweisen sich als bloße „Unzufriedenheit“. „Dann revidiert der Kunde [„Patient“] seine Wahrheit und wandelt sie um.“ In Töpfers gnostischer Theorie bis du dann nur noch Subjekt und damit „wahr“ (S. 307f). Dergestalt hat Töpfer Reich (und, wie gesagt, sogar den noch größeren Janov!) „überwunden“ und so wird er in seinem späteren Werk zur „Tiefenwahrheit“ Bernd A. Laska „überwinden“.

Das ganze Gedöns mit der „Unterwindung“ von Psyche, Soma und Energie, das ganz man selbst, d.h. nur noch authentischer Affekt sein, erinnert mich an folgende Szene aus der Unsokratie – Töpfers Alternative zu Reich und Laska, seine Weiterentwicklung von Janov:

Du bist nicht Wilhelm Reich! (Teil 2)

20. Oktober 2025

Reich hat die „göttliche“ Dimension durchaus nicht ausgelassen. Die Frage ist nur, was für einen Gott Reich vertreten hat. Es fing alles damit an, daß er Freuds Atheismus überwunden hatte. Stichwort „ozeanische Gefühle“ gegen Freuds allmächtigen „Geist“, Körper (Reich) gegen Gehirn (Freud), Materie (Reich) gegen Geist (Freud), Natur (Reich) gegen Kultur (Freud), der bioenergetische Kern (Reich) gegen die „bürgerliche Fassade“ (Freud).

Genau hier beginnt die „Reichianische“ Mystik: die Spiritualität dieser Leute ist verkopft, verschroben und kompliziert, ist inspiriert von fernen Kulturen und lange zurückliegenden Zeiten und sie hat so gut wie nichts mit einem unmittelbaren Ausdruck des bioenergetischen Kerns zu tun.

Das ganze ist ein einziges Angebot, dem bioenergetischen Kontakt, dem „ozeanischen Gefühl“, „nach oben“ zu entkommen. In den Augen wegzugehen. Jedenfalls finde ich diesen Augenausdruck bei fast allen „Reichianern“. Er entspricht exakt dem, den man auch findet, wenn man nachts über die Reeperbahn geht und die Augenpartie der Sehmänner betrachtet, die die Sexshops, Pornokinos und Liveshows verlassen.

Die Entsprechung geht sehr weit. Man stelle sich vor, man sitze auf einer Parkbank und erlebt einen grandiosen Sonnenuntergang. Reicht dieses Erleben nicht vollkommen aus? Wäre es nicht eine ekelerregende Perversion, dabei anthroposophisch über den „Sonnengeist“ Christus und seine Blutspende für die Erde zu sinnieren oder an Ra, den ägyptischen Sonnengott, zu denken oder sich auf das Sonnen-Chakra zu konzentrieren und dabei die entsprechenden Mantras zu murmeln. Das wäre das Gegenteil von echter Spiritualität. Hingabe vs. Mind-Fucking.

Charakteristisch für solche Menschen ist auch, daß sie wirkliche Spannung nicht ertragen können, wie sie um Leute wie Reich und Jerome Eden herrschte. Das läuft ungefähr so ab: sie sehnen sich nach „action“ und Kontakt, dann kommt tatsächlich „action“ und Kontakt und sie flüchten „nach oben“ und träumen weiter von „action“ und Kontakt. Eine „spirituelle“ Stufenleiter, die zu immer mehr „Vergeistigung“ führt.

Ich kann an all dem, was uns an „Reichianischer“ angeblicher „Esoterik“ geboten wird, beim besten Willen nichts erkennen, was das orgonomische (for lack of a better term) Paradigma sprengen würde. Ganz im Gegenteil zeigt es nur mal wieder, wie vollkommen überflüssig die „spirituelle“ Ebene ist; daß sie nur eine einzige Funktion hat: vor den ozeanischen Gefühlen, vor der Überflutung des Ich zu bewahren. Es ist ein verzweifeltes Festklammern von Leuten, die ohne diesen Anker, in ihrer Psychose ertrinken würden.

Flucht! Dazu paßt auch das manische Ansammeln diverser Therapietechniken. Wie mal ein südindischer Ayurveda-Arzt gesagt hat: Ich habe 30 Jahre gebraucht, um mich in dieses System auch nur ansatzweise einzuarbeiten – während europäische Ärzte einen dreiwöchigen Kursus machen und dann als „Ayurveda-Spezialisten“ firmieren. Dieses wirre Kraut-und-Rüben-Herumtherapieren kann nur kontraproduktiv sein.

Da reiht sich dann die „Körpertherapie“ ein. Allein schon der Begriff „Körpertherapie“! Entweder weiß man, was man tut, oder man weiß es nicht! Entweder kann man 50 Meter weit schwimmen oder man ertrinkt auf dieser Strecke. Entweder ist man Orgontherapeut oder man ist es nicht. Entweder man ist Chirurg oder man ist es nicht – und Orgontherapie ist nichts anderes als (biophysische) Chirurgie!

Und dann immer dieses Halbwissen. Da ist dann beispielsweise von „Tao-Yoga“ die Rede, das irgendwie mit der „Orgontherapie“ gleichgeschaltet wird. Erst mal werden hier zwei Kulturkreise zusammengemanscht, die wenig miteinander verbindet. Yoga dient der Meisterung des Körpers, damit er der Meditation nicht im Wege steht: der Körper wird wie ein Esel gezüchtigt und unter das Joch (= Yoga) gespannt; die Seele soll hier auf Erden schon genauso frei und unabhängig vom Körper sein, wie später im Tode. Taoistische Übungen andererseits dienen nun weniger der Vergeistigung, sondern ganz im Gegenteil dem Drang nach einem ewigen körperlichen Leben (da der Taoismus ursprünglich kein Leben nach dem Tode kannte), indem die Lebenssäfte nicht sinnlos verausgabt werden: insbesondere durch Coitus reservatus und die Unterdrückung aller Emotionen und Affekte. Beide Traditionen sind im Zen in eins geflossen: die Apotheose des Sitzens und der Unterdrückung aller Gefühle.

Zerschlag das einheitliche Orgon mit deiner blockierten Wahrnehmung und deiner von „Reichianischen“ „Therapien“ irreversibel zerstörten biophysischen Struktur und du hast ein Trümmerfeld vor dir aus abgespaltenen Kräften: Engel-Geistern aus der spirituellen Welt vs. den Dämonen aus der materiellen Welt. Und dein ganzes späteres Leben dreht sich darum, diesen kosmischen Kampf mit Hilfe von „Energiearbeit“ auszufechten.

Ich bin mir sicher, daß ein Mensch, der spürt, wie sein Gehirn sich peristaltisch bewegt (das eigentliche Zeichen eines befreiten okularen Segments), anstatt in einem ständigen „Krampf der reinen meditativen Anschauung“ unbeweglich im Schädel zu ruhen – daß solch ein Mensch gar nicht in der Lage ist, die existierenden östlichen Meditationspraktiken auszuüben. Das ist wie mit der Verdauung: warum sollte ein in dieser Hinsicht gesunder Mensch, sich hinsetzen und „Verstopfung“ üben, um sich der Verdauung bewußt zu werden?! Und das täglich!

Was bedeutet eigentlich „Spiritualität“? Spiritualität ist die Kunst der Unterscheidung. Die Fähigkeit z.B. wahre Kunst von Mist zu unterscheiden. Angesichts dessen, was heute als „moderne Kunst“ gilt, kann man den spirituellen Verfall ablesen. Von dem degoutanten MÜLL, der uns als Esoterik verkauft wird, will ich gar nicht erst reden! Echte Spiritualität ist das Vermögen, wirkliche Tiefe von oberflächlichem Dreck, wie er zu 99,9 Prozent in „Esoterikläden“ angeboten wird, zu unterscheiden.

Letter to Luigi DeMarchi, 14th May 1988

18. Oktober 2025

Letter to Luigi DeMarchi, 14th May 1988

Die Sexualökonomie der Cheyenne

3. Oktober 2025

1927 beschrieb Reich in der damaligen stark von Freuds Todestriebtheorie („Destruktionstrieb“) geprägten psychoanalytischen Begrifflichkeit den Zusammenhang zwischen „Sexualstauung, Aggression, Destruktion und Sadismus“:

Die Intensität real unbegründeter Destruktionsantriebe, besonders die der Brutalität und des Sadismus, hängt vom jeweiligen Zustand der sexuellen Befriedigtheit beziehungsweise von der Stärke der sexuellen Stauung ab.

Diese Abhängigkeit zeigt sich dem Beobachter sowohl auf körperlichem Gebiet als auch im Bereiche der seelischen Haltungen. In Wirklichkeit sind die seelischen Haltungen und die körperlichen Erregungen natürlich nicht zu trennen.

Schon bei der akuten Neurasthenie, die durch Zersplitterung der Befriedigung entsteht und auf sexueller Stauung beruht, sehen wir ein Anschwellen der Erscheinungen destruktiver Antriebe: Reizbarkeit und Ausbrüche des Ärgers über nichtige Vorkommnisse sowie starke motorische Unruhe. Die Destruktionsantriebe sind identisch mit muskulärer motorischer Spannung. Motorische Unruhe kommt bei Neurosen in der Weise zustande, daß unbefriedigte sexuelle Erregung den Muskelapparat erfaßt; sie erscheint aber hier nicht mehr als Sexualphänomen, sondern als Zerstörungsantrieb. Die unterdrückte Sexualerregung überträgt sich auf die Muskulatur, wenn sie nicht symptomatisch gebunden wird oder als Stauungsangst erscheint.

Wir sehen, daß die motorische Unruhe, die Antriebe, zu zerstören oder zumindest den Muskelapparat zu betätigen, sowie die allgemeine Aggressivität bei sadistisch-triebhaften Charakteren um so stärker werden, je länger sie abstinent leben, und daß diese Impulse schwächer werden, wenn die Abstinenz auch nur für kurze Zeit aufgegeben wird. (Genitalität, S. 182)

Die Indianer des nordamerikanischen Kontinents waren nicht durchgehend matristisch, vielmehr gab es auch hier eher patristische, d.h. eher gepanzerte Stämme, bzw. entsprechende Traditionen, die sich aufgrund der Völkerverschiebungen infolge der Landnahme durch die Weißen ausbreiteten. Schließlich überlebten nur die patristisch geprägten Stämme, weil diese sich gegen die koloniale Aggression wehrten (James DeMeo: Saharasia).

Zu diesen gehörten die Cheyenne. Sie glaubten, was typisch für den Patrismus ist, an einen „obersten Gott“ und es gab bei ihnen eine scharfe Trennung zwischen der Sphäre des Krieges (Destruktion) und jener des Familienlebens (Prokreation). Der Anthropologe John H. Moore hat dies anhand der Kriegshäuptlinge der Cheyenne aufgezeigt.

Im Glauben der Cheyenne kam die Energie zum Leben und dessen Erfolg vom allerhöchsten Gott. Aufgabe des einzelnen Mannes sei es, diese allgemeine Energie in eine zielgerichtete Kraft umzuwandeln. Dann kann sie aber nicht mehr für andere Zwecke verwendet werden, weshalb insbesondere Zölibatsgelübde abgenommen wurden, wenn eine schwere Aufgabe anstand. Entsprechend lebten die Krieger, insbesondere aber ihre Anführer, im zeitweisen, teilweise sogar lebenslangen, Zölibat.

Ähnlich wird es bei entsprechenden Stammesgesellschaften in Afrika und auf dem eurasischen Kontinent ausgesehen haben. Das erklärt m.E. auch den Ursprung des Jainismus, Buddhismus und vielleicht der entsprechenden durchweg extrem sexualfeindlichen hinduistischen Guru-Linien aus der indischen Kriegerkaste. Siehe dazu meinen Aufsatz Die Massenpsychologie des Buddhismus.

Deutschland und die Emotionelle Pest (Teil 10)

30. September 2025

Die wissenschaftlichen, technischen und kulturellen Beiträge unserer kleinen Nation (die kaum mehr als 1 Prozent der Weltbevölkerung ausmacht) zum Fortschritt der Menschheit sind erstaunlich. Unter anderem haben die Deutschen erfunden: den Buchdruck, die Glühbirne, das Auto, den Diesel-Motor, den Fernseher (das allererste gesendete TV-Programm war Hitlers Eröffnungsrede bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin), das Farbfernsehen, den Hubschrauber, den Kaffeefilter, den Teebeutel, die Antibabypille, den Computer, Aspirin, das Telefon (Reis machte vor Edison ein Ferngespräch), die Waschmaschine, das Elektronenmikroskop, das Düsenflugzeug, das Luftschiff (Zeppelin), Bier, Homöopathie, Papier, das Periodensystem der Elemente, den Dynamo, Bakteriologie (Koch 1896), die Straßenbahn, das Motorrad, den Plattenspieler, funkgesteuerte Uhren, den MP3-Player, den Airbag, die Kreditkarte, den Mikrochip, die Kernspaltung, das Röntgengerät und den Scanner! In der Liste der zehn wichtigsten technischen Erfindungen In der Geschichte der Menschheit stammen fünf von Deutschen.

Das waren technische Erfindungen, aber der Einfluß der Deutschen auf die internationale Kultur ist ebenso groß! In der Liste der zehn wichtigsten klassischen Komponisten gibt es sechs Deutsche/Österreicher: Beethoven, Mozart, Bach, Haydn, Liszt, Schubert, Brahms, Schönberg, Wagner. In der Liste der zehn wichtigsten Philosophen der Neuzeit gibt es acht Deutsche/Österreicher: Kant, Hegel, Schopenhauer, Marx, Engels, Nietzsche, Husserl, Wittgenstein. Was wäre die Welt der Physik ohne die Früchte der Forschung von Einstein, Hahn, Meitner, Fahrenheit, Röntgen, Gauß, Ohm, Planck, von Braun, Kopernikus, Heisenberg, Born, Euler, Mach, Meißner, von Ardenne, Warburg, Schrödinger, von Weizsäcker? Und was die Anthropologen, Psychologen und Psychiater betrifft: Franz Boas, Begründer der Kulturanthropologie, Wundt, der erste experimentelle Psychologe überhaupt, Kretschmer, Kraepelin, Jaspers, Kurt Schneider, Wagner-Jauregg, bei dem Reich seine Facharztausbildung absolvierte und der bis heute der einzige Psychiater war, der jemals den Nobelpreis erhielt, Reich, Freud, Adler, Melanie Klein, Karen Horney, Kernberg, Eysenck, etc. Unter den Schriftstellern nenne ich nur Goethe. (Man beachte hier bitte den Beitrag der jüdischen Deutschen!)

Deutsche Sportler gewannen bei den Olympiaden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die meisten Medaillen. Vor allem bei den Olympischen Spielen in Berlin von 1936 dominierten sie alle anderen Länder. Und bis zu seiner Niederlage gegen Lewis war der Deutsche Max Schmeling der weltweit beste Boxer. Auch in der „kulturellsten“ Sportart – dem Schach – waren in den Jahrzehnten vor und nach 1900 die zwei besten Schachspieler der Welt Deutsche/Österreicher (Steinitz und Lasker).

Außerdem denke ich, daß wirklich jeder in der Welt die Namen der 4 Deutschen/Österreicher Luther, Marx, Freud und Einstein kennt. Niemand hat die moderne Welt mehr als diese 4 beeinflußt! Hitler nicht zu vergessen. Wilhelm Reich, der in seinem ganzen Denken sehr „deutsch“ war. (Schließlich erhielt er seinen Vornamen zu Ehren von Kaiser Wilhelm!

Bis vor kurzem galt Deutschland in diversen Umfragen, etwa des BBC, als das beliebteste Land auf der Erde.

Allerdings, obwohl „Nationalstolz“ (Liebe zum eigenen Land, Patriotismus, d.h. Stolz auf die Errungenschaften des eigenen Volkes) ganz natürlich sein sollten, ist dies in Deutschland ein sehr heikles Thema und auch für mich eine mit Konflikten besetzte Angelegenheit. Das ist so, weil unser Stolz (auf die enormen Leistungen der deutschen Geschichte) stets mit starken Schuldgefühlen wegen Deutschlands Rolle im Zweiten Weltkrieg und vor allem in der Schoah vermischt sind. Während Amerikaner „stolz sind, Amerikaner zu sein“, Franzosen und Engländer sehr nationalistisch sind und stolz auf ihre Streitkräfte (einschließlich der Atombombe) und gerne Uniformen tragen, ist bei Deutschen der Nationalstolz irgendwie gehemmt. Beispielsweise wurde vor kurzem jemand von einigen linken Studenten fast zu Tode geprügelt, nur weil er es gewagt hatte, die deutsche Flagge in seinem Garten zu hissen.

In französischen und englischen Städten sind die meisten großen Straßen und öffentlichen Plätze nach den Kriegshelden oder berühmten Schlachten ihrer Nationalgeschichte benannt (wie Avenue Foch, Nelson Square, Trafalgar Square, Waterloo Bridge), und es finden sich überall entsprechende Statuen – während in Deutschland sogar die öffentlich bekundete Bewunderung etwa von preußischen Generälen schlichtweg undenkbar wäre. Es wäre in Deutschland völlig unmöglich, daß eine Straße nach einem unserer großen Siege im Ersten oder Zweiten Weltkrieg oder aus der Zeit der Preußen benannt werden würde. Allein, daß ich sage, es seien unsere Siege gewesen, bringt fast jeden „kritischen Geist“ auf die Palme!

Uniformen, die deutsche Flagge oder das Absingen der deutschen Nationalhymne werden in Deutschland automatisch mit einer rechtsextremen Einstellung verbunden. Diese seltsame Situation resultiert aus gerade mal 12 Jahren Nationalsozialismus (die Hälfte davon ohne Kriegsführung) innerhalb einer deutschen Geschichte von 1200 Jahren, die im allgemeinen weitaus friedlicher verliefen als bei fast allen unseren europäischen Nachbarn.

Wenn du dich also traust zu sagen, daß du „stolz darauf bist, ein Deutscher zu sein“ – wegen Deutschlands enormen Beiträgen zur weltweiten Wissenschaft und Kultur –, kannst du auf die Gegenfrage gefaßt sein: „Wie können Sie es wagen, solche schrecklichen Dinge zu sagen? Haben Sie Auschwitz vergessen?!“ Aber ich habe nie erlebt, daß sich US-Amerikaner Vorwürfe machen wegen der beiden Atombomben-Abwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, die zigtausende Zivilisten töteten bzw. radioaktiv verstrahlten. Oder daß sich Engländer beschämt oder gar schuldig fühlen wegen der Verbrechen und der Völkermorde des britischen militanten Imperialismus seit Jahrhunderten. Oder das Gefühl, in ihrem Nationalstolz gehemmt zu sein wegen der Opfer der britischen Konzentrationslager in Südafrika, wo sie die Buren internierten. (In einer berühmten Rede sagte Hitler sinngemäß: „Wir haben einfach aus dem Wörterbuch gelernt, was ein Konzentrationslager ist, und das dann von den Briten kopiert!“).

Nicht nur die britischen Konzentrationslager in Südafrika, sondern noch viel mehr die sowjetischen Gulags waren die historischen Vorläufer der späteren deutschen Konzentrationslager. Ich denke, daß die Kompetenz der Kommunisten in Sachen Massenmord von anderen Bewegungen unerreicht ist, einschließlich der der Nationalsozialisten. Heutige Historiker sagen, daß die Opfer des kommunistischen Terrors sich bis auf 100 000 000 Menschen summieren. Man erinnere sich nur all der ethnischen Völkermorde in der UdSSR, der brutalen Schauprozesse der 1930er Jahre, des brutalen Überfalls auf Polen im Herbst 1939, der Folterung von Dissidenten, der Gulags in Sibirien und so weiter und so fort. Ein Teil des polnischen Offizierskorps hat nur überlebt, weil er nicht in sowjetische, sondern in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten war. Die Russen haben ausnahmslos alle polnischen Offiziere, derer sie habhaft werden konnten, ermordet.

Es gibt eine einflußreiche Schule in der Geschichtswissenschaft, die die deutschen Kriegsverbrechen und den Holocaust als kaum vermeidbare Gegenreaktion auf den sowjetischen Terror in der UdSSR interpretieren. Es sei auf den Historiker Ernst Nolte und sein berühmtes Diktum, wonach „die Gulags das Prius zu Auschwitz“ waren, verwiesen:

Katholische Familien, die ansonsten kaum etwas mit den Nazis am Hut hatten, wurden zu vehementen Unterstützern der deutschen Invasion in die UdSSR, nachdem sie gehört hatten, wie im spanischen Bürgerkrieg der 1930er Jahre katholische Priester von Kommunisten massakriert und Nonnen vergewaltigt wurden. Viel von dem brutalen Vorgehen der Wehrmacht und der SS in Rußland während des Zweiten Weltkrieges war eine Reaktion auf die unglaubliche Brutalität, die sie beobachtet und von Seiten der Kommunisten erlebt hatten. Wenn zum Beispiel russische Partisanen einen Wehrmachtssoldaten gefangennahmen, folterten sie ihn zu Tode – am häufigsten wurden die Deutschen kastriert und danach mit ihren eigenen abgeschnittenen Genitalien erstickt. Solche bestialischen „asiatischen“ Methoden waren zuvor in Europa unbekannt gewesen!

Nichtsdestotrotz galt die sowjetische Kriegführung gegen Deutschland immer als etwas „Heroisches“, und ich habe nie gesehen, daß je ein Russe ein schlechtes Gewissen wegen der Myriaden von Verbrechen hat, die sich in der russischen Geschichte zugetragen haben – immer wurden nur die Deutschen als die Bösewichte hingestellt. Entsprechend hatte es bei den Nürnberger Prozessen etwas Lächerliches, als die Sowjets forderten, daß alle deutschen Verbrechen streng geahndet werden, während die sowjetischen Ankläger selbst Ozeane von Blut an den eigenen Händen kleben hatten. Auch wurde in Nürnberg z.B. das geheime Zusatzprotokoll zum Hitler/Stalin-Pakt 1939 verschwiegen, aufgrund dessen die sowjetischen Streitkräfte keine zwei Wochen nach dem deutschen Einmarsch in die westliche Hälfte Polens – welcher bis heute als der Beweis schlechthin für die Alleinschuld der Deutschen an der Auslösung des Zweiten Weltkriegs gilt – die östliche Hälfte Polens mit ebenso großer Brutalität annektiert hatten; man erinnere sich an die Opfer von Katyn. England und Frankreich erklärten mit auffälliger Doppelmoral dem Deutschen Reich 1939 wegen des deutschen Einmarschs in Westpolen den Krieg, verbündeten sich aber paradoxerweise mit der UdSSR, die praktisch zeitgleich exakt dasselbe in Ostpolen getan hatte.

Die Nachgeborenen tragen nicht die Schuld, aber sie tragen die Verantwortung, schließlich genießt man ja auch, wie anfangs angedeutet, mit aller Selbstverständlichkeit all das, was an Gutem aus der Vergangenheit stammt. Funktionell betrachtet, gewährten uns unsere Vorväter einen Kredit, den wir abbezahlen, indem wir den Nachgeborenen eine bessere Welt hinterlassen. Zu diesen unseren Aufgaben als Nachlaßverwalter gehört die Aufarbeitung der Vergangenheit, d.h. das Wegräumen des Schutts der Lügen, des Vergessenmachens, der Verdrehungen und der Fehldeutungen, damit ein Neuanfang möglich ist. Das ist die funktionelle Aufgabe des Geschichtsforschers: er dient den Kindern der Zukunft!

Wilhelm Reich, DIE SEXUELLE REVOLUTION, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt, DM 25,80 [ca. 1966]

27. September 2025

Wilhelm Reich, DIE SEXUELLE REVOLUTION, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt, DM 25,80 [ca. 1966]

Warum ausschließlich das AMERICAN COLLEGE OF ORGONOMY? (Teil 3)

13. September 2025

Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten „ICD-10“ ist die amtliche Klassifikation zur Verschlüsselung von Diagnosen in der ambulanten und stationären Versorgung in Deutschland. In den USA ist es der entsprechende Diagnose-Schlüssel „DSM-5“ (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders). Beispielsweise könnten Diagnosen wie dem „Apathie-Syndrom“ oder der Ausweitung der Autismus-Kriterien ungerechtfertigterweise Abermillionen Menschen zu Patienten machen. Es wären überlebte, nicht zukunftstaugliche Klassifikationssysteme.

Das ganze wird dadurch flankiert, daß Perversionen zunehmend „entpathologisiert“ werden, während ganz normale Gefühlsäußerungen als Pathologie abqualifiziert werden. Im DSM-5 wurde eine „oppositional defiant disorder“ (oppositionelle Trotzstörung) und ein „apathy syndrome“ (Apathiesyndrom) erfunden, wodurch jedes aufmüpfige Kind und jeder erwachsene Exzentriker, Romantiker oder auch jeder Trauernde zum Fall für die Psychiatrie erklärt werden kann, während auf der anderen Seite Serienvergewaltiger und ähnliche Sexualverbrecher beispielsweise unter die harmlose Rubrik „paraphilic coercive disorder” (mit Zwangsgewalt verbundene paraphile Störung) fallen. Bedauernswerte Kranke, genauso wie jeder andere auch, der nicht ganz „normal“ ist. Alle denkbaren Unterschiede werden verwischt: die kleinsten Abweichungen vom „Homo normalis“ werden pathologisiert und die schlimmsten Perversitäten werden normalisiert oder gar als „gesund“ hingestellt.

Wir erleben hier die Selbstaufhebung der Psychiatrie als Wissenschaft. Die orgonomische Medizin hat gut daran getan in Sachen Nosologie der Charakteranalyse Reichs treu zu bleiben.

Es begann 1926 als Reich den Begriff „phallisch-narzißtischer Charakter“ prägte und zwischen den hysterischen Charakter und den Zwangscharakter plazierte, die zuvor zumindest in den Grundzügen von Freud und Abraham beschrieben worden waren. Aus dieser klassischen Trias hat Elsworth F. Baker dann eine an seiner klinischen Erfahrung als Orgonom ausgerichtete Klassifikation der psychischen Biopathien erarbeitet. Ein knapper Überblick findet sich auf der Weltseite des italienischen Orgonomen Vittorio Nicola. Zu Reichs Lebzeiten leitete Baker die Diagnostic Clinic in New York, die alle an einer Orgontherapie interessierten durchliefen, um von Baker an die für den jeweiligen Fall geeigneten Orgonomen überwiesen zu werden.

Es hat Versuche gegeben, die bio-psychiatrische Nosologie an das DSM anzupassen. Insbesondere wurde der „okulare Charakter“ eingeführt, um frühe Persönlichkeitsstörungen wie Autismus, Borderliner, etc. in eine neue angeblich „orgonomische“ Kategorie zusammenzufassen, die man vom schizophrenen Charakter separieren müsse. Wie absurd diese Herangehensweise ist, zeigt sich allein schon daran, daß sich mittlerweile abzeichnet, daß borderline und bipolar weitgehend identisch sind, was für vollständige Konfusion sorgen würde, hätte die Orgonomie den Unsinn mit dem „okularen Charakter“ als Neuerung akzeptiert. Tatsächlich unterscheiden die Schüler von Bakers Nachfolger, Charles Konia, heute den „exzitatorischen“ (nicht zur Psychose neigenden) vom „perzeptatorischen“ (zur Psychose neigenden) Schizophrenen.

Orgonomisch wird die Diagnose danach gestellt, welches erogene Segment, d.h. welcher Aspekt der Beziehung zur Welt, primär gestört ist. Je schwerer diese Störung ist, desto leichter fällt die Diagnose, die bei weniger ausgeprägten Fällen manchmal erst im Verlauf der Therapie definitiv möglich ist. Man kann deshalb nicht zwischen Schizophrenen und dem „okularen Charakter“ unterscheiden, also einem Charakter mit einer stärkeren und einem mit einer schwächeren okularen Panzerung.

Der in offener Anlehnung an das DMS neu kreierte „okulare Charakter“ ist dermaßen unspezifisch, daß z.B. auch jeder angehende Orgonom darunter fallen würde, denn „okulare Charaktere“ neigten zum „Gefühl, allein, mißverstanden und ‚anders‘ zu sein“.

Lose Assoziation, Inkohärenz, allzu abstrakte oder allzu konkrete Sprache, Neologismen und Verlust von Wortbedeutungen weisen auf eine „formale Denkstörung“ hin. (David Schwendeman: Lebensenergie. Zeitschrift für Orgonomie, Bd. 5, Sommer 1995, Waldbrunn)

Diagnose wird hier zu kaum mehr als Symptombeschreibung und ist damit ohne Wert. Der Wert einer bio-psychiatrischen Diagnose besteht darin, das zukünftige Verhalten oder, besser gesagt, die „Verhaltenstendenz“ vorherzusagen. Die bio-psychiatrische Diagnose beruht auf der Panzerstruktur des Patienten – etwas, zu dem konventionelle Psychiater und Psychotherapeuten gar keinen Zugang haben.

Wie Baker gearbeitet hat, wird anhand des Protokolls „In Seminar with Dr. Elsworth Baker“ (The Journal of Orgonomy, Vol. 25, No. 1, May 1991, S. 57-67) deutlich. In dem hier dokumentierten Seminar trägt einer der Schüler einen Fall vor, den er als „chronisch-depressiven Charakter“ einstuft wegen seiner phallischen Züge und seines sehr geringen Selbstwertgefühls. So kann die Diskussion immer weitergehen, d.h. Symptome und generelle Eindrücke werden gegeneinander abgewogen, wie es die angehenden Orgonomen zuvor bei der Besprechung von Fallgeschichten in ihrer klassischen psychiatrischen Ausbildung gelernt hatten. Bis schließlich Baker eingreift:

Der Patient könne unmöglich ein chronisch-depressiver Charakter sein wegen seiner sehr schwach ausgeprägten Panzerung. Seine Grübelsucht und seine Depersonalisationszustände würden auf eine sehr viel stärkere okulare Panzerung verweisen, als sie vom äußeren Anschein her evident wird. Er könne schon allein deshalb kein chronisch-depressiver Charakter sein, weil sein Kiefer außergewöhnlich wenig gepanzert ist, dafür aber sein Halspanzer um so stärker ausgeprägt ist, während seine Brust wieder weitgehend ungepanzert ist. Hinzu komme, daß der Patient das Gefühl hat, seine Beine würden nicht zu ihm gehören. Die Struktur seines Panzers und seine bioenergetische Selbstempfindung verwiesen eindeutig auf die Diagnose „schizophrener Charakter“.

Ohne die Entdeckung der Panzers und der Orgonenergie schwebt die Psychiatrie haltlos in der Luft. Leute erhalten alle möglichen Diagnosen, die kaum mehr sind als eine Beschreibung der gerade im Vordergrund stehenden Symptome. Das ist so, weil die Psychiater bei sogenannten „psychischen Erkrankungen“ nicht wissen, mit welchen Kräften sie es zu tun haben. Es geht um Emotionen, die auf spezifische und nachvollziehbare Weise blockiert werden, so daß eine korrekte bio-psychiatrische Diagnose zur richtigen Behandlung führt. Das ist so wie in jedem anderen Bereich der Medizin auch. Hingegen sind „Diagnosen“ wie „Apathie-Syndrom“ nichtssagend („der Patient ist apathisch“) und imgrunde gemeingefährliche Quacksalberei.

Email [Reich und Freud] 2009

15. August 2025

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