Wir waren bei dem Bündnis mit dem Theismus. Töpfer sieht die Annäherung insbesondere in der Frage des Gewissens gegeben – ausgerechnet:
Das Gewissen ist das Autonome schlechthin – die tiefste Stimme. Gott, so verstanden, hat nicht nur einen Sinn und Nutzen, er ist dann der oberste oder tiefste Befehlsgeber in existentiell unklaren Lagen und Fragen. Auch wenn es den Anschein haben könnte, als sei das Gewissen eine externe Instanz (Gott), so ist es doch die innerste Instanz – die innere und eigentliche Instanz par excellence. (Hervorhebung hinzugefügt)
Und noch unglaublicher:
Eine Teileinpflanzung des Gewissens muß (…) gar nicht unbedingt schlecht sein, muß der Eigenheit des Kindes nicht widersprechen, ja, das Kind braucht zu seiner Sozialisierung und Kultivierung einen Appell an sein Gewissen. (S 78, Hervorhebung hinzugefügt)
Das ist dermaßen hanebüchen, dermaßen das diametrale Gegenteil von allem wofür LaMettrie, Stirner, Reich und Laskas gesamtes LSR-Projekt stehen… Mir fehlen schlichtweg die Worte! DAS meint also Töpfer mit „Bündnis“: Verrat an LSR!
Apropos Emotionelle Pest: Eines der Hauptmankos derartiger Unternehmungen wie Töpfers Pan-Agnostik ist das Verfehlen der Emotionellen Pest. Stattdessen wird von der angeblich unausweichlichen Tragik des menschlichen Lebens mit seinen „unaufhebbaren Gegensätzen“ schwadroniert, die man „mannhaft“ zu tragen habe. In diesem Zusammenhang zitiert Töpfer Kierkegaard: „Heirate, und du wirst es bereuen. Heirate nicht, und du wirst es ebenfalls bereuen“ (S. 55). Aber erst angesichts des absoluten Nichts würde man wirklich anfangen zu beten, denn „Nichts und Gott (sind) funktional identisch“ (S. 56). Es geht hier nämlich um die letzten Fragen der ins Nichts geworfenen menschlichen Existenz. Aber genau DAS, diese Perspektive, ist „Metaphysik“, die vom Wesentlichen, nämlich der Emotionellen Pest ablenkt – und damit die offensichtliche Funktion der Töpferschen „Pan-Agnostik“ erfüllt, – die doch vorgeblich die Wertlosigkeit der Metaphysik für die Existenz erweisen will.
Wir haben es im Leben immer genau dann mit der Emotionellen Pest zu tun, wenn wir, was immer wir auch tun, wie immer wir uns auch entscheiden, das Falsche machen, etwa heiraten oder Single bleiben. Genauso ist es stets und in jedem Fall nichts weiter als Emotionelle Pest, wenn wir vor „existentielle Dilemmata“ gestellt werden, aus denen es prinzipiell kein entkommen gibt. Am Ende würdest du doch sterben, jede Sinngebung bzw. Sinnhaftigkeit sei letztendlich Illusion, es wäre besser du wärst nie geboren worden, etc. Beides, die Ausweglosigkeit des Alltags und die „metaphysische“ Ausweglosigkeit unserer Existenz, blockiert und verunmöglicht die Lösung konkreter Probleme insbesondere die sexualökonomischer Natur. Reich hat darüber ein ganzes Buch geschrieben, Die sexuelle Revolution. Ich verweise ausdrücklich auf das Motto „Aus dem Tagebuch des Schülers Kostja Rjabzew“: Leben ist die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. Die Probleme des Alltags werden wir entsprechend mit einer wirklichen sexuellen Revolution lösen. Und was die unlösbare „existentielle Not“ betrifft: zur Hölle mit Kierkegaard, Heidegger und den restlichen Dunkelmännern mit ihrem unerträglichen lebensuntüchtigen Geseier über den „Urschmerz“! Wir haben es mit dem wirklichen Leben zu tun, nicht mit den „existentiellen“ Problemen lebensferner Randexistenzen.
Ja, das sind auch Probleme, mit denen man sich auseinandersetzen kann, aber es ist wie bei den öffentlichen Sexpol-Abenden Reichs in Wien und Berlin: die genitalen Probleme der Massen werden öffentlich debattiert, während die prägenitalen Perversionen im persönlichen Gespräch mit dem Arzt besprochen werden. Außerdem wird verhindert, daß die perversen Sonderlinge den öffentlichen Raum dominieren, wie es im damaligen Berlin ansatzweise tatsächlich gegeben war. Ja, die Seelenleiden, die „existentielle Not“ und der „Urschmerz“ von schizophrenen Charakteren sind ernst zu nehmen, haben aber im öffentlichen Diskurs nichts, aber auch rein gar nichts zu suchen. Leider ist es so, daß sie heutzutage alles bestimmen und das Lebendige marginalisieren. Reich und Laska haben diese Befindlichkeiten stets ihrerseits marginalisiert!
Ein dritter Punkt, der mich ganz persönlich umtreibt, hat tatsächlich explizit mit „Gott“ zu tun, den der Agnostiker ehrfurchtsvoll auf Abstand hält, wie es die Juden mit ihrem Gott tun, dessen Namen sie nicht mal auszusprechen wagen. Hier tut sich die Lücke auf, in der der Agnostiker Raum für die Moral und „Metaphysik“ schafft, die doch LSR angetreten ist, radikal zu liquidieren. Entsprechend sollten wir „Gott“ im Gegenteil ganz genau und vollkommen distanzlos betrachten. Lieber Theist, ich analysiere, seziere und rekonstruiere deinen „Gott“, diese Über-Ich-Mißgeburt selbstherrlich ohne den leiseste Anflug von Ehrfurcht und „erkenntniskritischer“ Bescheidenheit!
Namen haben eine Bedeutung, da sie einen ganzen Kontext herstellen, der sich in einer Persönlichkeit verkörpert. Töpfer tut so, als wäre „Gott“ etwas, das so jenseitig ist, daß man sich nicht drum kümmern muß. Tatsächlich ist es aber etwas grundlegend anderes, ob eine Gesellschaft ständig „Allah“ evoziert bzw. „herabbeschwört“, den „Waheguru“ der Sikhs, den Wotan der Neuheiden, den Seth der Satanisten oder Jesus, der eine Person des „dreifaltigen Gottes“ ist. Religionen sind so etwas wie „Energiefelder“, die etwas mit der Gesellschaft und dem Einzelnen machen. An seinen Früchten wird man den jeweiligen Gott erkennen. Beispielsweise war der Nationalsozialismus nichts anderes als ein Wotanskult:
Was wollen die Außerirdischen von uns? Wahrscheinlich war ihr Interesse an der Tierart Homo Sapiens von Anfang an zweierlei: erstens bot sie ihnen langfristig die Möglichkeit, ihren „biologischen Pool“, ihre genetische Stärke und Variabilität aufzustocken; und zweitens konnten sie von einer fremden Intelligenz profitieren, die Entwicklungen zuwege bringt, die ihnen selbst unzugänglich sind. Es mag lächerlich klingen, daß eine technisch so überlegene Zivilisation von uns lernen will, aber tatsächlich ist es so, daß unsere Ingenieure und Soziologen selbst Ameisen- und Bienenvölker gewinnbringend beobachten. Voraussetzung für diesen Plan der Außerirdischen war erstens eine weitgehend von außen unbeeinflußte Entwicklung von Homo Sapiens, denn nur so konnte man diese Tierart effektiv abschöpfen, und zweitens war die Kontrolle von Homo Sapiens langfristig zu gewährleisten. Das bedeutete, daß die Außerirdischen niemals offen in Erscheinung treten durften und gleichzeitig doch Kontrolle ausüben mußten: dies gelang durch die Erschaffung der Religionen, den Glauben an „Überirdische“.
Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo sie ihr Ziel erreicht haben: ihre Zivilisation und unsere Biologie sind in eins geflossen, sie wissen wie wir „ticken“, so daß unsere Autonomie ihnen keinen Nutzen mehr bringt. Die Zeit ist gekommen, wo sie selbst die direkte Kontrolle übernehmen können, um diesen Planeten ganz ihren Bedürfnissen zu unterwerfen. Die Menschheit wird nur in jenen Bruchstücken weiterleben, die die Außerirdischen bei sich integrieren konnten: die eine oder andere kleine Erfindung und Denkungsart und ein paar hominide Mischwesen, die verhindern sollen, daß die Außerirdischen biologisch vollends degenerieren.
Die Außerirdischen müssen eine sehr große Angst vor uns haben, weil wir so fremdartig sind und durch unsere Spontanität unberechenbar und unkontrollierbar. Deshalb setzen sie alles daran, diese Spontanität zu brechen. In diesem Zusammenhang ist es aufschlußreich, wenn man sich die „außerirdische“ Ideologie anschaut, die uns von den Religionen und „Weisheitslehren“ eingetrichtert wird. Ich halte es jedenfalls für sehr wahrscheinlich, daß die Hochreligionen tatsächlich buchstäblich Offenbarungen „höherer“ Lebewesen darstellen, die telepathisch von entsprechend anfälligen Menschen empfangen wurden. Vielleicht sind tatsächlich die religiösen Gemeinschaften nichts weiter als feindliche Agenturen, die uns auf den Untergang der Menschheit einstimmen.
Die „esoterische“ Gerede über Licht, Liebe, Frieden und „Engelenergie“, mit dem sich das außerirdische Ungeziefer umgibt, hat exakt die gleiche Funktion, die dieses debile Geseire beim einzelnen Mystiker hat: das eigene DOR soll verborgen und die konkrete Auseinandersetzung zwischen OR und DOR verunmöglicht werden – also das genaue Gegenteil dessen, was gepredigt wird. Dieses undurchdringliche Gespinst aus Mystizismus und Obskurantismus entspricht dem Nebel, mit dem die Skeptiker das UFO-Phänomen umgeben, so daß sich die Außerirdischen frei zwischen uns bewegen können.
Reich schrieb 1956 über psychotische Mystiker (und zwanghafte Skeptiker):
Sicher, der Weg vor uns schien voller Hindernisse, aber wir schienen eine sichere Balance bei unserem Herangehen an das Raumproblem zu wahren – zwischen dem des schizophrenen Phantasten, der die Stimmen in seinem Kopf für Gespräche mit Außerirdischen hält, und dem des verängstigten kleinen Mannes in allen Berufsbereichen, dessen Welt sich um seine chronische Verstopfung und seinen Mangel an männlicher oder weiblicher animalischer Potenz dreht. Beide Typen gehörten der Vergangenheit an. (Das ORANUR-Experiment II, S. 248)
Die Geschichte (der historische Prozeß) ist nichts weiter als die Entwicklung der Orgonenergie auf dem Planeten Erde. Im materiellen Bereich äußert sie sich gegenwärtig hauptsächlich im Vordringen der Wüste, im emotionalen („geistigen“) Bereich im ansteigenden Irrationalismus in den Menschenmassen.
Die außerirdische Invasion geht wie die patriarchale Invasion dieses einst matriarchalen Planeten vor: in erster Linie „spirituell“. Cortez konnte das (bereits halbpatriarchale) Aztekische Reich nur zerstören, weil er als Vertreter Quetzalcoatls, als Sohn Gottes, als übermenschlicher Erlöser betrachtet wurde, was er mit seinen übermenschlichen Fähigkeiten bewies (die Pferd-Mensch-Waffen-Einheit und Immunität gegen die neuen Krankheiten, die aus Saharasia eingeschleppt wurden). Damit erlangte er die furchterregende gottgleiche Stellung, den tatsächlichen Charakter jedes einzelnen indianischen Individuums zu verändern, indem er die alten Wertesysteme zerstörte und durch neue ersetzte. Diese Umwertungen aller Werte wirken wie „T-Bazillen“, die die karzinomatöse Emotionelle Pest weitertragen. Saharasia hat sich wie ein Ansteckungskrankheit ausgebreitet. (Seit etwa 1960 erleben wir eine solche Umwertung in Gestalt des Wechsels von der autoritären zur antiautoritären Gesellschaft.)
Mit der „Patriarchalisierung“ der Menschheit bis hinab zum letzten Eingeborenenstamm ist ein Prozeß abgeschlossen. Das UFO-Geschehen nach dem Zweiten Weltkrieg signalisiert den zweiten Abschnitt dieser patriarchalen Invasion, die in Wirklichkeit „durch Stellvertreter“ immer eine außerirdische war. Jetzt, wo der Mensch vollkommen in der Falle steckt, ist seine Sehnsucht nach „Befreiung“ ebenfalls auf dem Höhepunkt. Und genau hier spielen die Drahtzieher der nicht enden wollenden Esoterikwelle ihre Rolle, die endgültige Transformation und „Einstimmung“ der menschlichen Charakterstruktur vorzubereiten. Dies ist die „kosmische“ Funktion des Blauen Faschisten (siehe Der Blaue Faschismus) und des UFO-Enthusiasten.
Das religiöse Moment findet man beispielsweise in Whitley Striebers UFO-Büchern Communion (deutsch: Die Besucher) und Transformation. Er ist einer der Hauptvertreter der Vorstellung einer himmlischen Erlösung durch einen deus ex machina. Besonders interessant ist seine Beschreibung einer „direkteren“ Einflußnahme in die Menschenwelt: spirituelle Kommunion, d.h. telepathische Techniken werden angewendet. Wir haben es mit einer ständig wachsenden Gruppe von Menschen zu tun, die vorgeben von Außerirdischen stammende Botschaften zu „channeln“. Aus „anderen Dimensionen“ wird die Gute Nachricht von einem bevorstehenden Neuen Zeitalter „geoffenbart“, in der der Mensch ein neues Bewußtsein und eine „höhere Frequenz des Daseins“ erlangen werde. Der Mensch wird endlich frei sein, wenn er nur der „inneren“ Stimme folge.
Ich bin davon überzeugt, daß ein Gutteil des religiösen Erbes von satanischen telepathischen „Eingebungen“ stammt, die bloß Schaden anrichten. Man denke an den Koran – der nur Menschen als Menschen anerkennt, die einer solchen himmlischen Offenbarung folgen. Man muß sich nur die essentielle Botschaft aller Religionen vergegenwärtigen, die einen „Erlöser von oben“ versprechen – die Apokalypse, gefolgt von der Herabkunft der Geistigen Welt. Vielleicht sind tatsächlich alle religiösen Gemeinschaften nichts weiter als feindliche, außerirdische Agenturen, die uns auf den Untergang der Menschheit einstimmen. Die Geschehnisse um religiöse Gurus, die ihre Anhänger in den Selbstmord, den emotionalen und physischen Tod führen, sind die ersten beängstigenden Vorzeichen des ultimativen „Erlösers“, der aus dem kosmischen Orgonenergie-Ozean selbst kommt, aus Gott selbst sozusagen – der Sohn Gottes.
In der heutigen Mephistophelischen (antiautoritären) Gesellschaft steht, wie der Begriff „antiautoritär“ bereits sagt, vor allem eines im Vordergrund: Ich! Alles ist von Egoismus und „Ego-Zentrik“ geprägt. „Selbstverwirklichung“ ist der eine, unhinterfragbare höchste Wert. Selbst im „spirituellen“ Bereich steht der Egotrip im Vordergrund. Weltanschauungen und sogar „Religionen“ werden ganz nach eigenem Gusto paßgenau zugeschnitten, so daß ja keine „Entfremdung“ auftritt.
Als Heilmittel gegen diese verhängnisvolle Atomisierung der Gesellschaft wird uns das angedient, was in der alten autoritären Gesellschaft einzig und allein wichtig war: die Sache! Man müsse sich auf das alte Wir-Gefühl besinnen, auf die überkommenen Religionen mit ihren unverrückbaren Dogmen und Traditionen, auf die Nation, etc.
Im ersteren Fall geht es um Willkür und „Freiheit“, im letzteren um „Charakter“ und Verbindlichkeit. Man opfert entweder im Zweifelsfall andere auf dem Altar des eigenen Ich oder man opfert sich selbst auf dem Altar der Gemeinschaft.
Das beschreibt ungefähr den gegenwärtigen Zustand der gesellschaftlichen Panzerung: Ichbezogene und restlos verzogene Kinder treiben die Lehrer in den Wahnsinn, die ihnen Verantwortung und ein „Gemeinschaftsgefühl“ nahebringen wollen. Diese Lehrer treiben mit ihren weltfremden Ideen über „Selbstverwirklichung“ wiederum so manche Eltern, die mit beiden Beinen in der wirklichen Welt stehen, in die Verzweiflung. Dergestalt stehen sich überall, je nach dem jeweiligen funktionellen Zusammenhang, stets zwei Fraktionen gegenüber und blockieren sich gegenseitig und damit die gesamte Gesellschaft: „Ich!“ gegen „Die Sache!“
Tatsächlich kann nur ein Schwein sich selbst und nur ein Idiot irgendeine „Sache“ wichtig nehmen. Der erstere lebt vollkommen abgetrennt von seinem bioenergetischen Kern „prinzipienlos“ in seiner äußeren Charakterschicht, der Fassade; während letzterer nur damit beschäftigt ist, sich selbst unter Kontrolle zu halten (Mittlere Schicht).
Was also ist wichtig? Seinem bioenergetischen Kern zu folgen! Genau das hat Reich getan und dies durch die Aussage zum Ausdruck gebracht, er, Reich, sei nur das Werkzeug einer objektiven funktionellen Logik. Wichtig im Leben ist einzig und allein dieser Logik zu folgen, d.h. seinem „Herzen“. Das bedeutet konkret, daß man klare und folgerichtige Gedanken hat, diese unzweideutig und unmißverständlich für jeden begreiflich zum Ausdruck bringen kann, seinen Gefühlen vertrauen kann und sich ohne Reibungsverluste in die Arbeitsdemokratie einfügt: Liebe, Arbeit und Wissen! Das ist der Sinn des Lebens. „Das Leben selbst ist des Lebens Zweck.“
Am Ende sieht Faust ein:
Das ist der Weisheit letzter Schluß: / Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, / Der täglich sie erobern muß. / Und so verbringt, umrungen von Gefahr, / Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr. / Solch ein Gewimmel möcht’ ich sehn, / Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn. / Zum Augenblicke dürft’ ich sagen: / Verweile doch, du bist so schön!
Oder wie Reich am Ende seiner Rede an den Kleinen Mann schrieb:
Ich weiß, daß du ein anständiges, solidarisches, arbeitsames Lebewesen bist wie eine Biene oder Ameise. (…) Du bist groß, wenn du dein Handwerk pflegst, es liebend betreibst, Freude am Schnitzen und Bauen und Malen und Dekorieren und Säen und am Himmel und an Bläue und am Reh und am Morgentau und an Musik und an Tanz, an deinen heranwachsenden Kindern und am schönen Körper deiner Frau und deines Mannes hast. (…) Und wenn ich an stillen Abenden, nach getaner Arbeit, mit meinem Geliebten und meinem Kinde auf der Wiese vor dem Haus sitze, das Atmen der Natur verspüre, dann steigt das Lied in mir auf, das ich so gerne höre, das Lied der Vielen, das Lied der Zukunft: … Seid umschlungen, Millionen …!
Als der Urmensch einem Säbelzahntiger gegenüberstand, konnte er weglaufen, sich mit einem Speer wehren oder einfach vor Schreck erstarren (Anorgonie) und bei lebendigem Leib gefressen werden. Diese Konstellation hat nichts mit Panzerungsgenese zu tun. Ganz anders, wenn man sich vor seiner eigenen Existenz fürchtet; dann ist die einzige Möglichkeit damit umzugehen die Panzerung. Der normale Neurotiker ist zu dumm und zu stumpf, um eine Ahnung davon zu haben, nur schizophrene Menschen wie Nietzsche spüren, wovon Reich sprach. Mit Nietzsches Worten: „Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich.“ Es ist, als würde man über einen Holzsteg gehen. Wenn er flach auf einer Wiese liegt, ist das kein Problem. Aber wenn er über einen tiefen Abgrund führt, strauchelt man aus Panik und stürzt in den Tod. Sich seiner selbst gewahr zu werden, kann Menschen so verunsichern, daß sie in den Abgrund fallen. Für Reich war der besagte Abgrund das Zusammenspiel von Wahrnehmung und Erregung. Die Selbstwahrnehmung schuf in der Urzeit die Panzerung und die Schizophrenie legt diesen Mechanismus bis heute frei, während der Neurotiker sich der Urkatastrophe anpaßte, indem er sich sowohl gegen die Wahrnehmung als auch gegen die Erregung panzerte.
Hier sagt Dr. Holbrooks Vater, der Schauspieler Hal Holbrook (bzw. natürlich der Drehbuchautor…) etwas sehr Bemerkenswertes, über das der Leser im Zusammenhang mit diesem Blogeintrag nachsinnen sollte:
Der Mann blickt in den Abgrund, und nichts blickt zurück. In diesem Moment findet der Mensch seinen Charakter. Und das ist es, was ihn vor dem Abgrund bewahrt.
Wir wehren uns gegen den Abgrund, indem wir einen „Charakter“ entwickeln, d.h. gegen die orgonotische Strömung abpanzern, so daß der Abgrund nicht mehr „auch in dich blicken kann“.
Im letzten Kapitel von Die kosmische Überlagerung (1951) ist das Hauptthema das Problem der „Selbstwahrnehmung“, das Reich erstmals im letzten Kapitel von Charakteranalyse (1949) dargelegt hatte. Für Reich wirft, im Sinne des Gleichklangs von Phylo- und Ontogenie, die „früheste“ Charakterstruktur (die okulare des Schizophrenen) ein Licht auf den frühesten Konflikt der Menschheit, d.h. die Frage, wie man Erregung und Wahrnehmung integrieren kann. Homo normalis entschied sich, sowohl die Erregung als auch die Wahrnehmung durch muskuläre Panzerung zu unterdrücken, während der Schizophrene sozusagen ein Relikt der Urzeit ist, weil er immer noch mit dem ursprünglichen Konflikt kämpft, d.h. mit der Spaltung zwischen Wahrnehmung und Erregung. In gewisser Weise sind Schizophrene also kosmische Wesen mit einem Fuß im Garten Eden „vor dem Sündenfall“, während Neurotiker postapokalyptische dumpfe Zombies „nach dem Sündenfall“ sind. Das erklärt auch den Haß und die Verachtung, die der Neurotiker dem Schizophrenen entgegenbringt. Christusmord!
Das bedeutet nicht, daß Schizophrene „gesünder“ sind, ganz im Gegenteil, sie verkörpern die Tragödie des Menschen. Wenn sie „Stimmen“ hören und die Entfremdung (De-Personalisierung und De-Realisierung) tatsächlich spüren, erleben sie den Sündenfall, d.h. sowohl den Terror der Wahrnehmung als auch den Terror der ORgon-DOR-Sequestrierung. Der Neurotiker ist zu gepanzert, um etwas davon zu spüren, aber diese Panzerung schützt ihn auch, während der Schizophrene immer in Gefahr ist, innerlich zerrissen zu werden und buchstäblich auseinanderzufallen.
Reichs hier umrissene erste Theorie über die phylogenetischen Ursprünge der Panzerung ist im Wesentlichen mystisch, da sie sich um Wahrnehmung, Bewußtsein, Denken usw. dreht. Seine zweite, hier nur angedeutete, aber von James DeMeo mit „Saharasia“ im Detail weiter ausgeführte Theorie (Wüstenbildung, DOR, Sequestrierung) ist im Wesentlichen mechanisch (Anpassung an Umweltfaktoren). Beide machen wenig bis keinen Sinn, weil sie im Wesentlichen eine Rückkehr zu Freud sind (schwaches Ich, Todestrieb). Andererseits: das Konzept der Panzerung funktioniert ohne die Funktion der Wahrnehmung kaum, denn nur diese macht den Menschen so verletzlich, so „panzerungsanfällig“ im Vergleich zu anderen Tieren, die im Wesentlichen autistische, selbstgenügsame Bio-Roboter sind. Was ist nun die CFP dieser beiden Theorien (Introspektion, Wüstenbildung) über die ursprüngliche Panzerbildung der menschlichen Rasse? Es ist die umgekehrte orgonometrische Entwicklungsgleichung, mit der wir sowohl das Denken (die Entstehung einer Idee, eines Gedankens, einer Metapher usw.) als auch die Bildung von Materie (letztlich DOR) durch Überlagerung beschreiben.
Diese beiden Punkte erklären, warum die Menschen sich als immaterielle „primordiale“ „Geistwesen“ (sozusagen „Denkwesen“) sehen, die in einer materiellen „DOR-Welt“ gefangen sind. Diese „Gnostik“ mit ihrer Fixierung auf das Mentale und ihrem Haß auf die Materie ist unmittelbarer Ausdruck des Geheimnisses der Panzerungsgenese. Erinnert sei auch an die „göttlichen Eingebungen“ bzw. die „des Teufels“, um die alle Religionen kreisen. Religionen die entstanden, um mit der Urkrise fertigzuwerden. Beispielsweise können wir nun auch die biblischen Gleichsetzung von „Erkennen“ und Geschlechtsverkehr, und wie das ganze mit dem „Sündenfall“ verknüpft ist, besser einordnen.
Man erlaube mir erneut eine Zwischenbemerkung: Das sequestrieren des DORs und damit die Entpanzerung erfolgt in der Orgontherapie nicht „automatisch“, sondern über die Selbstwahrnehmung. Ich muß mich vom DOR bewußt distanzieren (Kontakt), was wieder auf den schwer faßbaren Konnex zwischen den beiden Theorien zur Panzergenese (Bewußtwerdung hier, DOR dort) verweist. Der Schizophrene ist das Schlachtfeld, auf dem wir dieses kosmische Ringen der Menschheit, Dante Alighieris „göttliche Komödie“ bis heute eins zu eins bewundern können. Man lese dazu das letzte Kapitel von Charakteranalyse, das zwei Jahre vor dem ORANUR-Experiment veröffentlicht wurde, im Lichte des OR-DOR-Gegensatzes: es ist ein Ringen zwischen Gott und Teufel, das tagtäglich die Schizophrenen stellvertretend für den halbtoten Homo normalis ausfechten.
Der Katholizismus war immer einer der beiden Hauptgegner der Orgonomie von den Anfängen in den 1920ern im „Roten Wien“, das von der katholisch-faschistischen „Heimwehr“ geradezu belagert wurde, im Justizpalast-Brandt von 1927 einen ersten Höhepunkt fand und schließlich im Bürgerkrieg von 1934 und dem anschließenden Ständestaat kulminierte bis hin zur Auseinandersetzung mit der FDA in den 1950er Jahren, als Joseph L. Maguire, Stellvertreter von Reichs Ankläger Peter Mills, praktizierender Katholik war. Jerome Greenfield schreibt dazu:
Anders als die Mehrzahl der Personen, die sich im Namen des Staates mit diesem Fall befaßten, machte sich Maguire die Mühe, einige von Reichs Büchern zu lesen. Als strenggläubiger und praktizierender Katholik fühlte er sich zutiefst abgestoßen durch Reichs Theorien zur Sexualität. Sicher ist dies auch einer der Gründe für den unbändigen Eifer, mit dem Maguire in der darauffolgenden dreieinhalb Jahren unter der Federführung von Mills‘ Büro die Sache des Staates gegen Reich ausfocht. (Greenfield: USA gegen Wilhelm Reich, S. 138f)
Die Katholische Kirche war die zentrale sexualfeindliche Organisation: Verbot von Empfängnisverhütung und Abtreibung, Verbot von Scheidung und Wiederverheiratung, Zölibat und Jungfrauenkult.
Was die Kommunisten betrifft, brauche ich das auf diesem Blog nicht weiter ausführen: siehe Der Rote FadenBd. 1 und Bd. 2.
Schauen wir uns ein fundamentales orgonometrisches Schema an:
Sexualität und Arbeit sind die beiden Grundfunktionen des Lebendigen im Menschen. Die Religionen und sämtliche anderen ethischen („idealistischen“) Systeme vertreten die Unterdrückung der Sexualität. Um die Unterdrückung der Arbeit, und welche Rolle die Kommunisten dabei spielen, müssen wir etwas weiter ausholen.
Die Katholiken, die imgrunde keine andere Sünde kennen als Evas Verführungskünste, sind, nicht zuletzt durch ihren Marienkult, gleichzeitig vom Thema Genitalität besessen und damit weitaus näher an die Wahrheit als die vermeintlichen Aufklärer, die die Sexualität banalisieren. Die Katholiken können die sexuelle Spannung nicht ertragen ohne auszuticken, die Kommunisten nicht die „ökonomische“ Spannung. Was das letztere ist, werde ich in den folgenden Teilen ausführen, wobei deutlich wird, daß auch sie, hier in der Sphäre der Arbeit, der Wahrheit noch am nächsten kommen, um sie gleichzeitig zu dämonisieren. Die besagte Wahrheit ist, daß die Ökonomie auf der bioenergetischen Spannung gegenseitiger Abhängigkeit beruht und entsprechend, wie es bei der Sexualität der Fall ist, von der Emotionellen Pest bedroht wird. Die diversen ökonomischen Schulen beschäftigen sich mit nichts anderem – ohne auch nur zu ahnen, womit sie sich beschäftigen. Ich konzentriere mich dabei auf die Eigentumsökonomik Gunnar Heinsohns.