Paul Mathews:
Die Wirkungsweise der Emotionellen Pest
Keine andere Religion greift dermaßen tief sowohl in das persönlichste als auch in das öffentliche Leben ein wie der Islam. Er ist weniger eine Religion als eine umfassende Lebenshaltung. Der religiöse Inhalt beschränkt sich weitgehend auf Rituale und das ständige Schielen auf die Buchführung im Jenseits: Wiegen meine guten Taten die schlechten auf, so daß ich ins Paradies komme? Die einzige Sicherheit in dieser Hinsicht bietet der Märtyrertod für die Verteidigung oder Verbreitung des Islam. Als Lohn werden ausnahmslos alle Sünden gestrichen! Es spricht von der kompletter Ahnungslosigkeit, wenn Journalisten immer wieder verwirrt darauf hinweisen, daß der und der islamische Terrorist doch so weltlich war und noch kurz vor seiner Tat „die Sau rausgelassen hat“. Bei Wein, Weib und Gesang hat er schon mal einen Vorgeschmack auf das Paradies genossen. Das ist die Spiritualität des Islam: Las Vegas und St. Pauli!
Das gleiche gilt auch für den wandelnden Kartoffelsack, die Mohammedanerin. Die sittenstrenge Verkleidung, die selbst die Aufmachung christlicher Nonnen frivol erscheinen läßt, signalisiert nur eins: „Finger weg! Ich bin Eigentum eines anderen!“ bzw. „Finger weg! Das ist MEIN Fickstück!“ Ist dem Leser noch nie aufgefallen, daß Frauen aus dem islamischen Kulturkreis (typischerweise) entweder wie schwarze Müllsäcke oder, wenn sie den Islam nicht ernstnehmen, wie grell geschminkte geschmacklose billige Nutten rumlaufen?
Dazu ein Ausschnitt aus dem Artikel „Das verdeckte Reizobjekt“, der 2010 auf www.pi-news.net erschienen ist:
Aus Berichten von Frauen, die eine islamische Erziehung genossen haben, geht hervor, daß sie im Zuge ihrer religiösen Unterweisung aufgefordert werden, sich dem Mann verführend hinzugeben, wie seine höchstpersönliche, jederzeit sexuell verfügbare Hure.
Um durch die von ihm erzeugte Geschlechterspannung Männer und Frauen hinsichtlich ihrer Sexualität „religiös“ zu konditionieren, schiebt das islamische Patriarchat die Behauptung vor, es ginge um die „Tugendhaftigkeit“ der Frau und deren Schutz. In Wirklichkeit geht es um Herrschaftssicherung, um die Aufrechterhaltung eines religiös-sexuellen Machtsystems, einen geheimen sexuellen Totalitarismus, in welchem der Schritt zum Wahn, zum sexuellen Beziehungswahn nicht weit ist.
In keiner anderen „Kultur“ sind Sexualität und Religion derart miteinander verzahnt, wirkt die Religion derart in die sexuelle Tiefenstruktur hinein wie im Islam. Keine andere „Kultur“ kennt, weder offen noch „verschleiert“, einen derartigen „sexuellen Totalitarismus“, der die Individuen bis in ihre sexuelle Tiefenstruktur bindet.
Kennzeichen der Emotionellen Pest ist die extreme genitale Blockierung, die für eine Spannung sorgt, die zwangsläufig in Vergewaltigung und Ehrenmord münden muß. Nicht von ungefähr hat Reich in der Charakteranalyse die Kapitel über Masochismus (unerträgliche Spannung führt zu: „Bring mich zum Platzen!“) und Emotionelle Pest (unerträgliche Spannung führt zu: „Ich fick dich!“) nebeneinander plaziert. pi-news.net:
Das Haar der Frau wird zum symbolischen Ort des Geschlechtsaktes, der männliche Blick zu dessen Vollzieher. „Blickficken“ ist die dafür auf deutschen Großstadtstraßen von muslimischen Jugendlichen zu hörende Vulgärbezeichnung. Davor muß sich die Frau durch ihr Kopftuch z.B. schützen. Tut sie dies nicht, macht sie sich ihm sexuell verfügbar, ist eine „Hure“ oder „Schlampe“ und somit selbst schuld, wenn sie belästigt wird.
Alles was ist, hat seine Berechtigung, einfach weil es ist. Alles, was ist, ist da, weil es eine FUNKTION erfüllt. Bevor man sich daran machen kann, irgendetwas zu ändern, etwa ein Panzersegment zu befreien, muß man erstmal begreifen, welche Funktion die jeweilige Gegebenheit, in diesem Fall die Panzerung, hat. Erst dann kann man vorsichtige Veränderungen in Angriff nehmen – oder es gegebenenfalls auch lassen.
In diesem Sinne ist der Konservatismus funktionell. Er schlägt in Emotionelle Pest um, wenn er sich gegen den rationalen Gang der Entwicklung, also letztendlich der freien Entfaltung der Orgonenergie entgegenstemmt. Das wird insbesondere im Bereich der Sexualökonomie evident.
VORWORT
ZUM ZWEITEN DRUCK DER NIEDERLÄNDISCHEN AUSGABE
Das politische und soziale Leben in den Niederlanden steht seit der Befreiung im Abschwung. Die klerikale Reaktion gewinnt an Boden und die Beschränktheit im Bereich der Sexualmoral nimmt mit jedem Tag zu.
Übrigens ist der Rückfall nicht auf die vorherrschenden Ansichten über Sexualität beschränkt, die Freiheit an sich steht auf dem Spiel. Was bedroht ist, gehört nicht ausschließlich zu den spirituellen Werten einer Handvoll fortschrittlicher, bewusster Menschen (und das ist glücklicherweise, auch jetzt, viel mehr als eine Handvoll), die ein Interesse am Ausgang des Kampfes zwischen Sklaverei und Freiheit haben, was jetzt in fast allen Bereichen des Lebens vor sich geht.
Daher ist die Neuauflage von „Sexualität und neue Kultur“, (die erste Ausgabe erschien 1939) eine der populärsten Arbeiten von Dr. Wilhelm Reich, dessen Bücher in der Regel nicht leicht zu verdauen sind, eine mutige Tat.
Mutig nicht nur wegen der ungewöhnlichen Offenheit mit der Reich über das Problem Sexualität schreibt, sondern vor allem, weil Reichs Ansichten sehr revolutionär sind und von allen Seiten angegriffen werden.
Die Seite Reichs zu wählen bedeutet in Vielem, auch in den fortschrittlichsten Kreisen, eine Bombe platzen zu lassen; die oft aus unbewussten, schwer zu formulierenden Motiven aufbrodelnden Widerstände gegen Reich bleiben äußerst stark. Ein bemerkenswertes Phänomen ist zum Beispiel, dass es in unserem Land bisher nicht gelingen durfte, Anhänger für die Theorien Wilhelm Reichs zu gewinnen. Einige Intellektuelle, selbstverständlich aus progressiven Haushalten, haben sich die Mühe gemacht, Reichs Schriften genauer zu studieren; sie haben sowohl schriftlich als auch verbal mutige Versuche gemacht, die neuen Theorien den Arbeitern näher zu bringen, aber leider erwies sich der Widerstand als zu stark. Die seltenen Bücher und Broschüren sind nicht verschwunden, nur hier und da findet man im Bücherregal eines links Orientierten ein fast vergessenes Stückchen Reich. Ein Gespräch darüber führt meist zu einem negativen Ergebnis: Man scheint von ihm nicht sonderlich beeindruckt gewesen zu sein, zumindest nicht in dem Maße, dass man die revolutionäre Bedeutung von Reich auch und vor allem für die traditionellen Ansichten zur Revolution sehen möchte. Die am häufigsten gehörte, aber auch die einfältigste Sichtweise, mit dem man das Gespräch gewöhnlich beendet, ist: „Nun, es war natürlich eine große Sache diese Theorie so darzustellen, aber seine Position ist schon wieder passé.“ Da zielt man denn auf die oft geäußerte Kritik, die darauf hinausläuft, dass Reichs bewiesener Zusammenhang zwischen sexueller Unterdrückung und Sklavenmoral schwer zu argumentieren scheint, dass aber die freieren sexuellen Beziehungen unter den heutigen Jugendlichen noch keine Garantien für ein wachsendes soziales Verantwortungsbewusstsein gezeigt haben. Diese Kritik ist oberflächlich und an den Haaren herbeigezogen. Denn die sexuellen Beziehungen, die sich ein Teil der heutigen jungen Menschen erlauben, deutet noch nicht auf das Vorhandensein einer wirklichen freien Sexualmoral hin. Sie ist schwer belastet mit Angst- und Schuldgefühlen, sie ist oft wenig mehr als „Onanieren zu zweit“. Übrigens gibt es noch mehr zu berichten über diese „Widerlegung“ von Reich, was jedoch die Spannweite eines allgemeinen Vorworts übersteigt.
Ein Vorwort bedeutet normalerweise nicht, eine Analyse des Autors oder des initiierten Buches zu geben, sondern eine Bemerkung über die Bedeutung der vorliegenden Ausgabe zu machen und den Leser daran zu erinnern, warum das eingeführte Buch für ihn von Interesse sein könnte.
Also muss ich zu meinem Ausgangspunkt zurückkehren. Zu Beginn meines Vorwortes habe ich eine Verbindung zwischen der Neuauflage dieser Übersetzung und der Bedrohung der Freiheit gelegt, die jetzt in eine akute Phase eingetreten ist. Sobald man den Kern von Reichs Ansichten erreicht hat, ist diese nicht schwer zu entdecken. Es ist sehr schwierig, diese Ansichten kurz zu formulieren, sie sind sehr schwer auf den Punkt zu bringen. Versucht man dies, so bleibt die gefundene Formel sehr ungenügend und unvollständig. Mit dieser Einschränkung muss Folgendes gelesen und kritisch gegenüber dem tatsächlichen Inhalt dieses Buches getestet werden.
Das Problem der Freiheit, so Reich, hat sehr viel, wenn nicht gar alles, mit der Sexualmoral zu tun. Die wirtschaftliche und geistige Sklaverei im Kapitalismus hat ihre Wurzeln in der Unterdrückung der natürlichen Triebbefriedigung. Dieser einfache Indikator weist in Richtung einer Synthese, die im Gehirn Reichs stattgefunden haben muss, nämlich eine bemerkenswerte Zusammenfassung zweier Denkweisen, die jeweils ihre eigenen Gründe abdecken und nach der Auffassung einiger Autoren sich total widersprechen: der historische Materialismus von Marx-Engels und die Psychoanalyse von S. Freud.
Die zunächst von Freud angenommene Spannung zwischen Lebenstrieb und Todestrieb wurde von Dr. Wilhelm Reich, von der Psychoanalyse und von Anhängern der marxistischen Theorie des dialektischen Materialismus in Frage gestellt und überarbeitet als grundsätzlicher Gegensatz zwischen dem Individuum und der Außenwelt, in diesem Fall der kapitalistischen Gesellschaft.
Und er beweist weiter, wie eng die Sexualmoral mit der Ideologie der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft verwoben ist. Er kommt dann zu einigen Schlussfolgerungen, wovon die Wichtigste wohl diese ist: Rebellion gegen den Kapitalismus ist für die Arbeiterklasse nur negativ, wenn die Akzeptanz der sozialen Revolution nicht einhergeht mit der Eroberung einer neuen, eigenen Sexualmoral für sich selbst und die Gesellschaft. Tatsächlich kommt man nach dem Lesen von Reichs Büchern zu dem Schluss, dass die soziale Revolution sinnlos ist, solange der revolutionäre Geist sich nicht erstreckt auf den ganzen Menschen, sein Denken, Fühlen und Handeln, besonders mit Bezug zur Sexualität.
Die Akzeptanz von Obrigkeit, Autorität, Unterwerfung hängt weitgehend davon ab, in welchem Maße man seine sexuelle Moral unmittelbar und kritiklos der allgemeinen bürgerlichen Auffassungen entliehen hat, die in der Verneinung und das Verpöntsein des Sexualtriebs wurzeln.
Das meinte ich, als ich Reichs Buch eine aktuelle Bedeutung zuerkannte. Zurzeit erscheinen unzählige Bücher über das Sexualleben des Menschen, jedoch vermochte sich keiner soweit vorzuwagen wie Dr. Wilhelm Reich, so dass trotz der Vielfältigkeit des Lesematerials dieses Buch einzigartig bleibt, das nun einem erbitterten Kampf ausgesetzt sein wird.
Nichtsdestotrotz ist es notwendig, dass das Problem noch einmal aufgeworfen wird, und deshalb müssen wir der Herausgeberin für ihre mutige Tat dankbar sein. Besonders jetzt, wo die römische Heuchelei mehr Einfluss gewonnen hat, als es der Freiheit guttut.
Zu diesem Zeitpunkt ist eine große Dosis Zivilcourage vonnöten unter diesen Umständen für das Recht sexueller Befriedigung zu plädieren, für die Anerkennung der Sexualität als ein wertvolles Element des Lebens, für das Recht eines jeden Menschen auf Glück, das ohne sexuelles Glück unvollkommen ist.
Man braucht nicht in jeder Hinsicht mit den Ideen Wilhelm Reichs übereinstimmen, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass der Aufbau eines sozialistischen Lebens- und Weltbildes die Annahme der vollständigen sexuellen Befriedigung einschließen muss, ohne die der Mensch kein Mensch und die soziale und kulturelle Freiheit keine Freiheit sein kann.
Deshalb bildet die Neuauflage dieser Übersetzung einen Beitrag zur Verteidigung der Freiheit in den Niederlanden.
Möge dies von allen verstanden werden, die die Freiheit lieben, die verstehen, dass ein Mensch ohne Freiheit nichts als ein Haus- und Arbeitstier ist.
JACQUES REES
Einführung [von Robert (Berlin)]
Es gelang mir nach langer Zeit, jemanden zu finden, der des Holländischen mächtig ist und bereit war, die zwei holländischen Vorworte ins Deutsche zu übersetzen. Die Vorworte sind allenfalls von historischer Bedeutung und bringen keine neuen Erkenntnisse. Die erste Ausgabe des Buches mit dem Vorwort von Max von Prag, „Sexualiteit En Nieuwe Cultuur“ erschien 1939 bei Uitgeverij voor Sociale Psychologie [dt. Verlag für Sozialpsychologie], Rotterdam. Es stellt die Übersetzung von Die Sexualität im Kulturkampf, 1936, dar. Eine weitere, von Reich nicht genehmigte Neuauflage erschien dann 1949, mit einem weiteren, hier mitübersetzten Vorwort von Jacques Rees.
EINLEITUNG
Ich werde gerne die Bitte erfüllen, ein kurzes Vorwort zu diesem Buch zu schreiben. Es ist keine leichte Aufgabe, Dr. Wilhelm Reichs Ideen in Ihren Leserkreis zu bringen. Ein großer Teil der frei-sozialistischen Bewegung steht mit Befremden, ja sogar abweisend den zwei Gedankengängen, aus denen Reichs Ansichten und Einsichten gewachsen sind, gegenüber. Diese beiden Gedankengänge sind der Marxismus oder, im weiteren Sinne, der dialektische Materialismus und die Psychoanalyse. Die große und dauerhafte Bedeutung von Reichs Werk ist die brillante Kombination marxistischer und psychoanalytischer Einsichten. Gerade durch diese Kombination entstand ein breiteres, tieferes und umfassenderes Verständnis der Probleme von Menschen und Gesellschaft; deshalb kollidierte Reich zwangsläufig mit den orthodoxen Marxisten und mit den orthodoxen Psychoanalytikern. In beiden Lagern geistig verwurzelt, prüft er marxistische Einsichten über die Psychoanalyse und psychoanalytische Einsichten über den Marxismus; er wuchs über beides hinaus und dies wurde der Anfang von etwas Neuem. Und das Neue ist vielversprechend; es öffnet weite Horizonte, es zeigt neue Möglichkeiten. Aber die übergroße Mehrheit der Arbeiter sehen diese Einsicht mit Befremden, stehen ihr misstrauisch, feindselig, ängstlich und abstoßend gegenüber. Diese neue Einsicht ist jedoch für alle unverzichtbar, die sich für die Befreiung der Arbeiter aus der kapitalistischen Sklaverei einsetzen. Deshalb begrüßen wir die Übersetzung dieses Buches durch Reich sehr und hoffen, dass diese Lektüre zu einem allmähligen Sieg über den Widerstand gegen seine Ideen führen wird.
Neue Erkenntnisse werden nicht im Sturm erobert, nicht sofort und nicht auf einfache Weise. Man muss sich dafür anstrengen. Obwohl faszinierend und klar geschrieben, ist die Arbeit von Reich keine leichte Literatur; sie muss eher studiert als gelesen werden. Was aber in erster Linie erforderlich ist, ist die Erkenntnis, dass für eine neue Erkenntnis eine neue Methode dringend benötigt wird. Wer mit der aktuellen Situation zufrieden ist, wer glaubt, dass die traditionelle sozialistische Weisheit ausreicht, wer nicht glaubt, dass die sozialistische Bewegung als Ganzes in eine Sackgasse geraten ist, wie soll man die Kraft finden solch neue Erkenntnisse zu erobern? Erst eine bestehende tiefe, innere, nagende und schmerzhafte Unzufriedenheit mit dem, was uns traditionellen Sozialisten, egal ob sie sich Partei-Sozialisten oder Frei-Sozialisten nennen, täglich gibt, macht uns fit zu einer neuen Erkenntnis zu kommen. Dieses Buch ist in erster Linie für solche Leser bestimmt, und für diese wage ich ausdrücklich zu sagen, dass sie nicht enttäuscht sein werden.
Neue Einsichten entstehen meist aus tiefer Entzauberung. Dies ist auch bei Reich der Fall. Die deutsche sozialistische Bewegung wurde vom Faschismus ausgelöscht, und das konnte passieren, weil die deutschen Massen der Nachkriegszeit hinter dem Faschismus standen. Der traditionelle Sozialismus hatte erwartet unter dem Druck des Elends der Nachkriegszeit einen großen Zustrom zur sozialistischen Bewegung zu bekommen; stattdessen gab es eine stürmische Massenbewegung gegen den Sozialismus, eine Massenbewegung gegen den Sozialismus, die ihre Anhänger tief in die proletarischen Linien fand. Diese schockierende Tatsache veranlasste Reich, sich zu fragen: „Wie kann es sein, dass sich die Massen nicht von der alten Welt trennen können, dass sie Parolen und Anführern folgen, der Antithese zu ihren wesentlichen Interessen?“ Seine marxistischen Einsichten ließen ihn erwarten, dass sich die Ideen der Arbeiter in einem sozialistischen Sinn wandelten. Aber diese sozialistische Umgestaltung kam nicht zustande; die völlig neuen Wirtschaftsbeziehungen schrien nach einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Aber wo ist die sozialistische Ideologie? Was bindet die Arbeiter dann an der alten Welt, was hält sie in der bürgerlichen Ideologie, obwohl sie durch diese Ideologie materielles und geistiges Leiden erleiden müssen und schließlich zugrunde gehen müssen? Ist denn diese bürgerliche Ideologie so unbeweglich verwurzelt, dass die Arbeiterklasse in den grausamen Tod des anstehenden Weltkrieges läuft, wie ein verängstigtes Pferd in den brennenden Stall läuft?
Die orthodoxe marxistische Antwort auf diese Fragen nämlich, dass die Umstände den Menschen schließlich verändern würden, konnte Reich nicht mehr befriedigen. Nicht dass Reich an der verwandelnden Macht der Umstände gezweifelt hätte; dafür war er zu tief in die marxistische Welt des Denkens eingedrungen, aber er erkannte, dass es tiefe Kräfte in der Seele der Arbeiter gab, die der Umwandlung ihres Denkens und Fühlens entgegenwirkten. Diese Hemmungen in der Seele der Arbeiter mussten gefunden und beseitigt werden. Wirtschaftliche und politische Einsichten können hier nicht helfen; hier musste die Lösung von der Seite der Psychologie kommen, und gerade, weil Dr. Wilhelm Reich neben Marxismus und Politik auch Psychologe von der Schule der Psychoanalyse war, konnte er diese Lösung finden.
Allerhand wirtschaftliche und politischen Meinungen und Einsichten über die Entwicklung der sozialen Verhältnisse sind allmählich in einem großen Teil der Arbeiterklasse verinnerlicht worden. Durch zahllose Bücher und Broschüren wurde in vielen kostenlosen Kursbesprechungen marxistischer Sozialwissenschaft zu den Arbeitern gebracht. Die klassenbewussten Arbeiter sind in diesem Bereich mehr oder weniger zuhause; zumindest sind sie mit vielen Konzepten und Denkformen vertraut, die in diesem Bereich üblich sind. Bei der noch so jungen Psychologie ist es ganz anders. Marx und Engels legten den Grundstein der sozialistischen Wirtschaft und sozialistischer Doktrin, die von Anfang an scharf im Gegensatz zu der Zivilgesellschaft und Wirtschaftsansichten standen. Die Ansichten der bürgerlichen und sozialistischen Gesellschaft waren fortan immer noch scharf und unvereinbar. Die sozialistischen Einsichten von Marx und Engels haben sich jedoch teilweise aus den bürgerlichen Erkenntnissen ihrer Zeit entwickelt und sind weit darüber hinausgewachsen.
Solch ein Prozess vollzieht sich heute auf dem Gebiet der Psychologie. Eine sozialistische Psychologie steht vor der Tür; sie befreit sich mühsam von den Fesseln bürgerlicher Ansichten. Dieser Prozess findet jedoch vollständig außerhalb der großen Mehrheit der Arbeiterklasse statt. Dies kann auch nicht sein, denn dafür braucht man ein tiefgehendes Wissen der bürgerlichen Psychologie und dieses Wissen gehört natürlich nur einigen Theoretikern. Dr. Wilhelm Reich ist sicherlich der wichtigste dieser Theoretiker, obwohl er glücklicherweise nicht der einzige ist. Die Erkenntnisse von Alfred Adler und seiner Schule sind auch in dieser Hinsicht von großem Wert.
Je mehr sich die sozialistische Psychologie entwickelt, desto schärfer wird ihr Gegensatz zur bürgerlichen Wissenschaft, aus der sie stammt. Die Sozialisten von heute stehen vor der Aufgabe, die sozialistische Psychologie zu stärken und zu vertiefen, sie gegen bürgerliche Psychologen zu verteidigen und die sozialistische Psychologie unter die Arbeiter zu bringen. Letzteres ist am schwierigsten. Die Leute wollen nichts über die Psychologie wissen, sie denken, das ist nur eine Frage des bürgerlichen Verhaltens und beurteilt, dass alle Psychologie nur vom Befreiungskampf abhält. Und doch ist ohne diese Psychologie die Befreiung der Arbeiter unmöglich.
Die Bücher von Reich sind klar geschrieben; trotzdem sind sie für all diejenigen, die auf dem Gebiet der psychologischen Wissenschaft Fremde sind, sehr schwer zu lesen. Seine Bücher setzen ein ziemlich großes Wissen über psychologische und sogar biologische und sexologische Aspekte voraus, will man wenigstens das Wesentliche verstehen. Das vorliegende Buch gehört zu seinen populäreren Schriften, ist aber für den ungebildeten Leser nicht ganz einfach. Der Bedarf nach populärer und einfacher psychologischer Erziehung der Arbeiter brennt trotz Reichs Schriften weiter.
Es versteht sich von selbst, dass es in diesem Vorwort völlig unmöglich ist zu erklären, wie sich die sozialistische Psychologie aus Freuds bürgerlicher Schule entwickelt hat und wo sie mit der offiziellen Psychoanalyse unvereinbar geworden ist. Nur auf einen Punkt, den Wichtigsten, wollen wir hier hinweisen.
Seit Freud wissen wir, dass die überwiegende Teil unserer Seele außerhalb unseres Bewusstseins liegt und das doch diese unbewussten Kräfte in uns, unser bewusstes Denken stark beeinflussen und sehr oft unser Verhalten bestimmen. Wir wissen, dass der Mensch für den größten Teil ein irrationales Wesen ist. Das heißt, dass er nicht aus vernünftigen, rationalen Motiven handelt, sondern getrieben wird durch unverstandene, unbewusste Gefühle, die stärker sind als sein Verstand. Diese unbewussten Kräfte zwingen unseren Verstand in eine bestimmten Richtung zu gehen, sie verhindern ihn in eine andere Richtung zu gehen, und führen oft zu Taten, die wir nicht wollten, die diagonal gegenüber unseren rationalen Einsichten stehen, und die wir dennoch tun, unwiderstehlich angetrieben durch diese inneren Kräfte unseres Unbewussten. Die neuere Tiefenpsychologie aber befasst sich mit der Erforschung dieser unbewussten Triebkräfte menschlichen Verhaltens. Diese unbewussten Antriebskräfte sind mit dem Wort ‘treiben‘ (driften) bezeichnet. Wir hoffen, dass der Leser nun aber nicht oh-jetzt-reicht-es-mir-das-Gesicht zieht, denn wie bekannt und vertraut ihm das Wort ‘treiben‘ aus der Literatur und Umgangssprache auch sein mag, Einsicht in der Art und Funktion dieses ‘treiben‘ hat er darum noch nicht.
Die Probleme und Gegensätze zwischen den modernen Psychologen drehen sich alle um die Frage der Art und Funktion menschlicher Triebe. Bürgerliche Psychologen sehen das Unbewusste des Menschen als einen Komplex wilder, egozentrischer, sadistisch-blutrünstiger, herrsch- und habsüchtiger Triebe. Alle diese Triebe sind durch die Kultur aus dem Bewusstsein ins Unbewusste verdrängt worden. Da aber liegen sie weiterhin als abscheuliche Raubtiere auf der Lauer, bereit um bei der erstbesten Gelegenheit auszubrechen. In seinem tiefsten Innern wäre der Mensch ein furchtbar grausames, aggressives, egozentrisches und asoziales Wesen. Je mehr sich die Kultur entwickelt, desto schärfer wird der Kontrast zwischen der unterdrückten natürlichen Person und dem bewussten Kulturmenschen. Und immer wieder wird es Zeiten geben, in denen der unterdrückte prähistorische Mensch die Staudämme der Kultur durchbricht und eine wüste Mord- und Vernichtungsorgie auslebt. In dieser Denkweise werden der ewige Frieden und die Brüderlichkeit unter den Menschen zu einem törichten Traum von schlaffen Idealisten, die es nicht wagen, der Realität in die Augen zu schauen.
Diese bürgerliche Sicht auf die Menschheit ist nichts anderes als die Projektion des gegenwärtigen individualistischen Menschen in der Vergangenheit. Der Urmensch wird bei Freud und seinen Gefolgsleuten zu einer Art von Haaren überwachsenen Manchester-Liberalen. Weniger wissenschaftlich gesehen findet man diese Auffassung bis tief in die Arbeiterklasse hinein. Der Mensch ist einfach ein Egoist; mit ihm ist nichts anzufangen; jeder Versuch, ihn in ein sanftes, soziales und vernünftiges Wesen zu verwandeln, ist nutzlos, weil die Natur nicht erzwungen werden kann. Wissenschaftlich betrachtet, finden wir in der bürgerlichen Psychoanalyse den christlichen Unglauben des Menschen wieder.
Nun ist es Reichs unsterbliches Verdienst, dass er in dieser bürgerlichen Auffassung eine Bresche geschlagen hat, ihre Unrichtigkeit gezeigt und Wege aufgezeigt hat, durch die eine wirkliche Verwandlung des Menschen zustande kommen könnte.
Reich zeigt, dass der aggressive, blutrünstig-sadistische, dominierende und gierige Charakter des modernen Menschen keineswegs sein ursprüngliches Wesen ist, sondern eher eine Folge der Unterdrückung seiner ursprünglichen Natur. Von Ursprung ist der Mensch ein etwas gemächliches, gütiges soziales Wesen, aber die Unterdrückung seiner natürlichen Triebbefriedigung, macht ihn zum Tiger. Diese Unterdrückung der natürlichen Triebbefriedigung beginnt beim Kind und muss dort beginnen, denn im späteren Leben wäre es nicht mehr möglich. Und wer ist für diese Unterdrückung des kindlichen Trieblebens verantwortlich? Das machen die Arbeiter selbst in ihrem Familienleben. Natürlich ohne es zu wollen und ohne zu verstehen, was sie tun. Von der bürgerlichen Moral selbst auferlegt, übertragen sie diese automatisch auf ihre Kinder. Die Familie ist eine Ideologiefabrik, sagt Reich. In der Familie wird die bürgerliche Ideologie Tag für Tag von den Arbeitern selbst aufgebaut. Die Hemmungen, die die Umwandlung des derzeitigen Arbeitnehmers verhindern, werden daher von diesem Arbeitnehmer selbst vorgenommen. Er zeigt das tragische Schauspiel eines Menschen an, der bewusst versucht, sich von seinen Ketten zu befreien und gleichzeitig unbewusst dabei ist diese Ketten zu schmieden. Eine solche Entdeckung ist tatsächlich in der Lage, jemanden mit Bestürzung zu erfüllen, aber dann durchbricht die freudige Erkenntnis, dass jetzt, wo wir dies wissen und durchschaut haben, wir dies jetzt ändern können. Die Wege, die zur Umwandlung des sozialistischen Sinnes für den Menschen führen, sind offen. Wir müssen es nur wollen.
Aber zwischen Wille und Tat liegt eine große Distanz. Denn es ist leichter Agitation und Propaganda zu machen, Treffen zu organisieren und Reden zu halten, als sich selbst umzubilden, altmodische Gewohnheiten und Sitten den Kampf anzusagen. Und doch ist gerade dies vonnöten; es ist das erste und das Notwendigste. Es gibt einen Bereich, in dem diese innere und äußere Veränderung am schwierigsten ist. Das ist der Bereich des Sexuallebens, der sexuellen Beziehungen. Und genau dieser schwierigste Punkt ist der Wichtigste. Die Unterdrückung der Sexualität, die bereits in der Kindheit beginnt, macht den Menschen für den Rest seines Lebens für ein glückliches Liebesleben im Erwachsenalter ungeeignet; diese Unterdrückung verzerrt, verformt die menschliche Seele in etwas Lahmes und Böses und zerstört Lebensfreude und Lebensmut. Und wie sollten wir ohne diese Lebensfreude und Lebensmut die Kraft finden, diese faule Welt aufzubauen?
Wie immens groß die Rolle der Sexualität ist, kann der Leser in diesem Buch lesen. Er wird zu der Erkenntnis gelangen, dass die altbekannte dreieinige Gott-Familien-Autorität in der Tat eine echte Dreieinigkeit ist, dass tatsächlich die bürgerliche Familie die Stütze der bürgerlichen Gesellschaft ist. Die Umbildung des Familienlebens von einer bürgerlichen Sicht auf die Gesellschaft in eine sozialistische, ist die große Aufgabe einer neuen sozialistischen Bewegung. Eine sozialistische Bewegung kann zunächst nur als wirklich neu bezeichnet werden, wenn sie diese Aufgabe tatsächlich als ihre größte und wichtigste anerkannt hat. Wo sich die bürgerliche Familie von der sozialistischen unterscheidet, können wir in diesem Vorwort nicht erklären. Mit Reichs Kritik an der bürgerlichen Sexual- und Familienmoral sind wir voll und ganz einer Meinung, aber wenn es darum geht, eine damit entgegengesetzte positive sozialistische Moral zu stellen – und das ist hauptsächlich was zählt –, dann treten Unterschiede zutage worüber wir, wie gerne wir das gerne machen würden, hier nicht schreiben können. Man muss zuerst Reichs Ideen verstehen und durchdenken, bevor sie kritisiert werden können.
Dr. Wilhelm Reich kommt aus dem Lager der Parteisozialisten. Er war Mitglied der deutschen kommunistischen Partei. Seine neugewonnenen Erkenntnisse brachten ihn jedoch in Konflikt mit der Partei und er wurde vertrieben. Reich macht unmissverständlich eine Entwicklung in Richtung des freien Sozialismus; seine Ansichten über das Schicksal einer sexualitätsfeindlichen und autoritären Erziehung in der Familie mussten ihn unausweichlich immer mehr mit den offiziellen kommunistischen Ansichten der Partei in Konflikt bringen. Die neuen Einsichten Reichs stehen grundsätzlich im Gegensatz zu parteisozialistischen Ansichten und führen unmissverständlich zum freien Sozialismus. Die Tatsache, dass Reich selbst diese Wahrheit nicht einsieht, genauso wenig wie viele seiner Anhänger, beeinträchtigt diese Wahrheit nicht. Für den freien Sozialismus haben Reichs Ideen daher eine ganz besondere Bedeutung, denn mit Hilfe der gewonnenen Erkenntnisse wird es möglich sein, eine noch fruchtbarere Propaganda zu betreiben als bisher, zum Teil durch Reichs Ideen. Der freie Sozialismus hat durch Reich eine neue wissenschaftliche Grundlage erhalten oder ist zumindest auf dem Wege sie zu bekommen.
Wir freuen uns daher sehr über die Veröffentlichung von Reichs Arbeit in der niederländischen Sprache und hoffen, dass sie einen großen Beitrag zur notwendigen Innovation und Vertiefung der freien sozialistischen Bewegung leisten wird.
MAX VON PRAG