Orgonotische Funktionen in der klinischen Situation. Die bioenergetische Einheit von Psyche und Soma
von David Holbrook, M.D.
„Die sexuelle Energie ist die biologische Aufbauenergie der psychischen Apparatur, die die menschliche Gefühls- und Denkstruktur bildet. ‚Sexualität‘ (physiologische Vagusfunktion) ist die produktive Lebensenergie schlechthin.” (Reich 1935, S. 18)
„Die innere Beschaffenheit der Liebesfunktion hat auf jede einzelne Teilfunktion auch aller anderen Aktivitäten des Individuums bestimmenden Einfluß.“ (Reich 1953, S. 80)
„[Orgastische Potenz] ist die Fähigkeit zur Hingabe an das Strömen der biologischen Energie ohne jede Hemmung, die Fähigkeit zur Entladung der hochgestauten sexuellen Erregung durch unwillkürliche lustvolle Körperzuckung.“ (Reich 1942, S. 81, kursiv im Original) „Die Fähigkeit, sich trotz mancher Widersprüche mit der gesamten affektiven Persönlichkeit zeitweise auf das genitale Erleben einzustellen, ist eine weitere Eigenschaft der orgastischen Potenz.“ (Reich 1927, S. 43, kursiv im Original)
„Wird die sexuelle Erregung gebremst, so entsteht ein fortschreitender Widerspruch: Die Bremsung steigert die Erregungsstauung; die gesteigerte Erregungsstauung schwächt die Fähigkeit des Organismus, sie abzubauen. Dadurch erwirbt der Organismus eine Angst vor der Erregung, mit anderen Worten, die Sexualangst. Sie ist somit durch äußere Versagung der Triebbefriedigung veranlaßt und durch die Angst vor der gestauten Sexualerregung innerlich verankert. Daraus leitet sich die Orgasmusangst ab. Sie ist Angst des dem Lusterlebnis entfremdeten Ichs vor der überwältigenden Erregung des Genitalsystems. Die Orgasmusangst bildet den Kern der allgemeinen strukturellen Lustangst. Sie äußert sich gewöhnlich als allgemeine Angst vor jeder Art vegetativer Empfindungen und Erregung oder der Wahrnehmung solcher Erregungen und Empfindungen [kursiv von mir – D.H.]. Lebenslust und Orgasmuslust sind identisch. Die äußerste Erscheinung der Orgasmusangst bildet die allgemeine Lebensangst.“ (Reich 1942, S. 124, kursiv im Original, sofern nicht anders angegeben)
„…die allgemeine psychische Kontaktlosigkeit (…) [ist] nur die allgemeine Ausstrahlung orgastische[r] Kontaktangst…“ (Reich 1949a, S. 429, kursiv im Original)
„Letzten Endes steckt die Orgasmusangst hinter allen Manifestationen der Panzerung.“ (Baker 1967, S. 32)
* Seit der Zeit Wilhelm Reichs hat das American College of Orgonomy (ACO) –vor allem durch die Arbeit von Dr. Charles Konia – das Konzept der Schizophrenie auf ein ganzes Spektrum schizoider Charakteristika ausgeweitet, die als typisch für das gesehen werden, was nunmehr als „schizophrener Charakter“ bezeichnet wird, ein Charaktertyp, der normalerweise nie psychotisch war, aber dennoch viele der Merkmale der schwereren Form aufweist, die im Hauptstrom der Psychiatrie als „Schizophrenie“ bekannt ist. Daher würde die Person, die in der Mainstream-Psychiatrie als Schizophrener bezeichnet wird, auch beim ACO als schizophrener Charakter betrachtet werden, stellte aber nur die extremste Form dieses Charaktertyps dar. Schizophrene Charaktere haben im Allgemeinen genug Ichstärke, um was auch immer zu erreichen, und sie sind in jedem Bereich des Lebens präsent. Weitere Informationen zu den verschiedenen Charaktertypen finden sich bei Baker 1967.
Dieser Text wurde mit Genehmigung von Dr. Holbrook seiner Facebook-Seite entnommen und übersetzt.
Zurückhaltung, also das Zurückhalten von Impulsen, wird gemeinhin mit Moral und Zivilisiertheit gleichgesetzt. Ursprünglich dient Zurückhaltung jedoch der Herstellung einer höheren Ladung und stärkeren Spannung, deren Entladung mit einer dem höheren Gefälle entsprechenden größeren Befriedigung einhergeht. Die natürliche Moral beruht auf dieser funktionellen Identität von Zurückhaltung und Lust. An ihre Stelle tritt die Zwangsmoral, wenn der Mensch aufgrund orgastischer Impotenz zwischen Triebhemmung und Triebhaftigkeit hin und her schwankt.
Dem gepanzerten Menschen ist es fremd, daß Kinder von sich aus auf die unmittelbare Befriedigung ihrer Impulse („Spaß“) verzichten, um Grammatik, Mathematik, Chemie, etc. zu lernen. Durch den temporären Verzicht erhöht sich die Spannung und damit der Lustgewinn. Kinder und Jugendliche sind zu den unglaublichsten „Kulturleistungen“ fähig, wenn es um etwas geht, was sie wirklich wollen. Hier in der Nähe gibt es beispielsweise einen schwer zugänglichen seit Jahrzenten verwilderten Schuttberg, der von Jugendlichen in einer kaum glaublichen bautechnischen Leistung mit mehreren sehr anspruchsvollen „Parcour-Trails“ (?) für Mountainbikes mit diversen Sprungschanzen ausgestattet wurde. Ich könnte das beim besten Willen nicht nachbauen!
Reich glaubte, daß „die Emotionen an die Existenz und Bewegung von protoplasmatischer Substanz innerhalb eines begrenzten Systems gebunden sind und ohne diese Voraussetzung nicht existieren“. Expansion und Kontraktion gäbe es, so Reich, auch in der unbelebten Natur, aber mit einer Membran werden daraus die Emotionen, insbesondere die beiden Grundemotionen Lust (Expansion) und Angst (Kontraktion) (Äther, Gott und Teufel, S. 90f).
Aus dieser Warte muß man den heutigen Wahn sehen, alle Grenzen beseitigen zu wollen. Im Gespräch mit Jürgen Elsässer nennt Gerhard Wisnewski insbesondere folgende Beispiele dafür, daß überall Grenzen aufgelöst werden, wobei er bemerkenswerterweise „Leben“ durchaus ähnlich definiert wie Reich (Compact, 11/2018):
Für Wischnewski ist das alles von oben geplant und zwar seit Jahrzehnten, sogar Jahrhunderten (sic!). Er weiß nichts von der Emotionellen Pest, d.h. der Verschwörung gegen das Leben (das anfangs erwähnte Leben konstituierende „Grenzziehen“) an sich. Spezifischer geht es um die linksliberale und sozialistische Charakterstruktur, die auf der Verneinung von Emotionen beruht. Solche Menschen, die ganz „zerebral“ ausschließlich im „energetischen Orgonom“ leben, aus dem sie ständig hinaus streben, und denen das „orgonotische System“ (die Organisation der Pulsation – Expansion und Kontraktion, Lust und Angst) fremd ist, ertragen keine Grenzen, weil sie keine Emotionen ertragen. Bei der Nationalhymne legen sie nicht ergriffen die rechte Hand auf die Herzregion, sondern sie sind „internationalistisch angewidert“ und „betroffen“. Man gehe aus dieser Perspektive nochmals die obigen elf Punkte durch: alles löst sich in einen emotionslosen konturlosen Empfindungsbrei auf!
Daß sich die Emotionelle Pest organisiert, ist sekundär. Um zu verstehen, was wirklich in der Welt geschieht, muß man Wilhelm Reich, Elsworth F. Baker, Paul Mathews und Charles Konia lesen!